Der Islam in Europa ist nicht erst ein Phänomen des 20. Jahrhunderts. In Bosnien und Albanien, die bis 1877 bzw. 1913 Teil des Osmanischen Reiches waren, gibt es bereits seit Jahrhunderten muslimische Gemeinschaften. Besonders der bosnische Islam hat eigene Formen entwickelt, die so im Nahen Osten nicht zu finden sind. So war es zumindest bis zum Bürgerkrieg in den neunziger Jahren üblich, dass auch christliche Männer muslimische Frauen heiraten konnten, ohne zum Islam konvertieren zu müssen, obwohl dies nach klassischem islamischem Recht nicht möglich ist. Laut dessen Vorschrift können nichtmuslimische Frauen zwar Muslime heiraten und ihre Religion behalten, umgekehrt aber nicht. Die bosnischen Muslime bezogen sich dabei auf eine Stelle im Koran, in der es eindeutig heißt: "Es gibt keinen Zwang in der Religion." (Sure 2, Vers 256)
Doch mittlerweile stammt die Mehrheit der Muslime in Europa aus dem Nahen Osten, Nordafrika und Asien. Sie zogen in den vergangenen 50 Jahren auf der Suche nach Arbeit nach Europa und sind mittlerweile zu einem festen Bestandteil europäischer Gesellschaften geworden. Doch die Integration verlangt sowohl von den Einwanderern wie von der Mehrheitsgesellschaft Kompromisse.
In Deutschland kommen die meisten Muslime aus der Türkei. Lange Zeit praktizierten sie ihren Glauben im Verborgenen. Der Grund dafür lag in der ursprünglichen Absicht, nicht lange in Deutschland zu bleiben. Vielmehr wollten sie in die Türkei zurückkehren, sobald sie genügend Geld angespart hatten, um in ihrer Heimat einen Neuanfang zu machen. Deswegen ließen die "Gastarbeiter" zunächst auch ihre Familien in der Türkei zurück.
Um ihren Glauben gemeinsam praktizieren zu können, richteten sie in einfachen Wohnungen oder Hinterhöfen kleine Moscheen ein, die nach außen nicht als Gotteshäuser zu erkennen waren. Mittlerweile ist ein Großteil der türkischen Muslime bereits in Deutschland geboren. Diese wachsende muslimische Gemeinschaft sah sich einer zögerlichen Eingliederungspolitik ausgesetzt. Bis zur Reform des Staatsbürgergesetzes im Jahr 2001 konnten in Deutschland geborene Türken erst nach Jahren die deutsche Staatsbürgerschaft erwerben. Als auch das Bildungsniveau der zweiten und dritten Generation türkischer Migranten hinter dem der Mehrheitsgesellschaft zurückblieb, verhinderte dies Chancen sozialen Aufstiegs und der Teilhabe an der Mehrheitsgesellschaft. Da auch die öffentliche Diskriminierung anhielt, förderte das die Unzufriedenheit vieler Migranten und führte zu einem Erstarken des politischen Islam.
Türkische Vereinigungen wie die Islamische Gemeinschaft Milli Görüsch (IGMG) legten ihren Anhängern nahe, sich von der nichtmuslimischen Gesellschaft abzuschotten. Seit Jahren wird die Organisation vom Verfassungsschutz beobachtet. Ihr Ziel, einen islamischen Staat in der Türkei zu errichten, sei nicht vereinbar mit der freiheitlich demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik, so die Begründung. Milli Görüsch gilt als deutscher Arm der in der Türkei verbotenen islamistischen Wohlfahrtspartei. Seit den neunziger Jahren geht die IGMG verstärkt auf Kirchen, Parteien und Behörden zu und bietet sich als Vertreterin des Islam in Deutschland an. Milli Görüsch ist mit rund 27000 Mitgliedern die größte muslimische Vereinigung in Deutschland. Darüber hinaus besucht eine größere Anzahl von Gläubigen ihre Moscheen. Dennoch kann sie nicht den Anspruch erheben, "den Islam" in Deutschland zu vertreten. Nach Meinung von Petra Kappert, Turkologie-Professorin in Hamburg, praktiziert die Mehrheit der Muslime eine säkularisierte Form des Islam wie er in der Türkei verbreitet ist. Dazu gehört unter anderem auch, dass man seinen Glauben weitgehend als Privatsache betrachtet, was Milli Görüsch aber als "unislamisch" kritisiert.
Muslime sind, nach Katholiken und Protestanten, die drittgrößte Religionsgemeinschaft in der Bundesrepublik. Inzwischen gibt es mehrere muslimische Dachorganisationen, welche die mehr als drei Millionen Muslime Deutschlands vertreten. Dennoch werden die Muslime weiterhin rechtlich benachteiligt. So findet an deutschen Schulen bislang kein geregelter islamischer Religionsunterricht statt, genausowenig wie bisher ein Lehrstuhl für Islamische Theologie an einer deutschen Universität eingerichtet wurde.
Ein Problem ist, dass es im Islam keine dem Christentum entsprechende religiöse Hierarchie gibt. Besonders deutlich zeigt sich das Problem in der Frage des Religionsunterrichts. Um einen Lehrplan zu entwickeln, bedarf es auf muslimischer Seite eines Gesprächspartners, der für sich in Anspruch nehmen kann, im Namen der Muslime zu sprechen. Bis der Islam in Deutschland eigene Strukturen entwickelt hat, wird noch ein langer und schwieriger Weg zurückzulegen sein, den deutsche Integrationsbemühungen unterstützen müssen.