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Konfliktbearbeitung und Entwicklung | Kriege und Konflikte | bpb.de

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Konfliktbearbeitung und Entwicklung

Marc Baxmann

/ 7 Minuten zu lesen

Wirtschaftliche und soziale Entwicklungsprozesse sind niemals konfliktfrei. Entwicklungszusammenarbeit muss daher mit Konfliktbearbeitung Hand in Hand gehen, um friedlichen Wandel zu ermöglichen. Dies hat die internationale Staatengemeinschaft in der Agenda 2030 anerkannt. In der Praxis bestehen aber noch viele Herausforderungen.

Straßenbau in Kigali (Ruanda). (© European Commission/EuropeAid)

"Wir sind entschlossen, friedliche, gerechte und inklusive Gesellschaften zu fördern, die frei von Furcht und Gewalt sind. Ohne Frieden kann es keine nachhaltige Entwicklung geben und ohne nachhaltige Entwicklung keinen Frieden." Mit dieser Aussage in der Präambel der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen hat die internationale Gemeinschaft die enge Verknüpfung von Konfliktbearbeitung und Entwicklung zum ersten Mal explizit anerkannt. Frieden wird in der Agenda einerseits als Voraussetzung für nachhaltige Entwicklung definiert, andererseits als eigenständiges Nachhaltigkeitsziel (SDG 16). In diesem Ziel geht es darum, friedliche und inklusive Gesellschaften zu fördern, allen Menschen Zugang zur Justiz zu ermöglichen und leistungsfähige, rechenschaftspflichtige und inklusive Institutionen auf allen Ebenen aufzubauen. Damit wurde anerkannt, dass Entwicklung nur dann nachhaltig ist, wenn Themen wie Frieden, gute Regierungsführung, Inklusivität, konstruktive Staat-Gesellschafts-Beziehung und Gerechtigkeit berücksichtigt werden.

Für die Entwicklungszusammenarbeit (EZ) wird damit gleichzeitig der Anspruch formuliert, dass sie einen messbaren Beitrag zu Gewaltprävention, Konfliktbearbeitung und friedlicher Entwicklung leisten soll und dafür neue, flexible und integrierte Ansätze und Strategien entwickeln muss.

Dies ist Ausdruck der historisch gewachsenen Bedeutung des Handlungsfelds "Gewaltprävention und Konfliktbearbeitung" in der EZ: Bereits Mitte der 1990er Jahre, als eine Schlussfolgerung der Aufarbeitung des Krieges und Völkermords in Ruanda, hielt die Friedensarbeit Einzug in die Entwicklungsarbeit. Hintergrund war die Erfahrung, dass wirtschaftliche Entwicklung und Beschäftigungsförderung nicht "automatisch" zu einem nachhaltigen strukturellen Wandel und zur Verhinderung von Gewalt und Konflikttransformation beitragen. Die Anschläge vom 11. September 2001 und die Interventionen der USA im Irak und Afghanistan veränderten erneut die Erwartungen an die EZ in der Krisenprävention und Konfliktbearbeitung. Sie sah sich zunehmendem Druck ausgesetzt, zur kurzfristigen Stabilisierung und Terrorismusbekämpfung beizutragen und dazu direkt mit Sicherheitsakteuren zusammenzuarbeiten. Die unterschiedlichen Wert- und Zielvorstellungen sowie Verständnisse von Kernbegriffen, wie "Stabilisierung" oder "Zusammenarbeit", führten in der Folge immer wieder zu Reibungspunkten zwischen entwicklungs-, friedens- und sicherheitspolitischen Akteuren.

Es gibt zwei weitere Trends, die die steigende Relevanz von Prävention und Konfliktbearbeitung in der EZ erklären: Zum einen verändert sich die globale Topographie der Armut. Während extreme Armut insgesamt abnimmt, lebt ein immer größer werdender Anteil der Ärmsten der Armen in fragilen und von Konflikten betroffenen Staaten. Laut jüngsten Schätzungen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) werden es im Jahr 2030 etwa 80% sein (OECD States of Fragility Report 2018). Bereits jetzt sind etwa 65% der Kooperationsländer des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) von gewaltsamen Konflikten, politischer und krimineller Gewalt und sozio-politischer Fragilität betroffen. Um dem Anspruch der Agenda 2030, "niemanden zurücklassen", gerecht zu werden, wird sich Entwicklungszusammenarbeit immer stärker auf diese Länder konzentrieren müssen.

Zum anderen zeigt die deutlich gestiegene Anzahl bewaffneter Konflikte in den letzten Jahren, dass Gewalt keinesfalls auf die ärmsten Länder beschränkt ist. Sie kann überall dort ausbrechen, wo politische, soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten auf gestörte Beziehungen zwischen Staat und Gesellschaft treffen – und staatliche Institutionen nicht willens oder in der Lage sind, den gesellschaftlichen und politischen Wandel friedlich zu gestalten.

Prävention und "nachhaltiger Frieden": Entwicklungszusammenarbeit im Fokus

Diese und andere globale Trends haben neuen Schwung in die internationale Debatte über die Themen Prävention, nachhaltiger Frieden und Entwicklung gebracht. Auch UN-Generalsekretär Antonio Guterres hat Prävention zum Kernthema seiner Amtszeit gemacht. Ein erstes Ergebnis dieser neuen Aufmerksamkeit ist die gemeinsame Studie von Weltbank und UN "Pathways for Peace: Inclusive Approaches to Preventing Violent Conflict", die Anfang 2018 veröffentlicht wurde. Ein zentrales Ergebnis: Krisenprävention ist wirksam, rettet Leben, schützt Entwicklungserfolge und ist deutlich kostengünstiger als ein späteres Eingreifen in gewaltsame Konflikte. Die Studie hebt die Bedeutung der Entwicklungszusammenarbeit für Prävention hervor. Anspruch müsse sein, politisch instabile Staaten vor dem Ausbruch einer Krise stärker und wirksamer zu unterstützen und strukturelle Ursachen von Konflikten zu beseitigen.

Laut der Studie bildet eine zielgerichtet, flexibel und langfristig angelegte Entwicklungszusammenarbeit, die lokale, nationale und regionale Strukturen stärkt, den Kern der Konfliktprävention. Interner Link: Ein Fokus auf Prävention ist in allen Konfliktphasen wichtig, auch dann, wenn gewaltsame Konflikte schon länger zurückliegen.

Präventionsstrategien im Rahmen der EZ müssen sich laut Studie auf die wesentlichen Risiken für Gewalt und Konflikt konzentrieren, genannt werden u.a. der Zugang zu Land, der Abbau von Rohstoffen, Sicherheit, Justiz und Rechtsstaatlichkeit sowie die Bereitstellung von Basisdienstleistungen. Prävention erfordert die Etablierung von geeigneten Dialogplattformen auf lokaler, nationaler und regionaler Ebene unter Einbeziehung der Zivilgesellschaft, Frauen und Jugendlichen. Für eine wirksame Prävention ist vor allem der Staat in der Verantwortung. Es braucht allerdings eine Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft, dem Privatsektor und Regionalorganisationen.

Einbettung in kohärente Gesamtstrategie

Gewaltsame Konflikte werden immer komplexer und hartnäckiger. Nicht nur sind mehr nichtstaatliche, regionale und internationale Gewaltakteure beteiligt, häufig sind die Konflikte auch eng mit globalen Herausforderungen, wie Klimawandel oder internationale organisierte Kriminalität, verbunden. Ihre Folgen sind meist grenzübergreifend – Migrationsbewegungen sind nur ein Beispiel. Globale Faktoren, wie der Schmuggel mit Waffen, Drogen und Menschen, der Handel mit Rohstoffen oder die Landnahme zur Energie- und Ernährungssicherung in Industrieländern des globalen Nordens, haben massive Auswirkungen auf die Dynamiken dieser Konflikte. So entzündeten sich beispielsweise in Tansania gewaltsame Auseinandersetzungen am Zugriff internationaler Konzerne auf Busch- und Weideland und an der Frage der Entschädigungen für Land. In Kambodscha, Kolumbien oder Indonesien wurde die Landbevölkerung für großflächige Anbauprojekte gewaltsam vertrieben (Geuder-Jilg 2014). Konflikte um den Zugang und die Nutzung von Land werden sich aufgrund des Klimawandels und des globalen Wettbewerbs um Anbauflächen weiter verschärfen.

Vor diesem Hintergrund muss Entwicklungszusammenarbeit in ein Gesamtkonzept zur Konfliktbearbeitung und Friedensförderung eingebettet sein. In den Leitlinien "Krisen verhindern, Konflikte bewältigen, Frieden fördern" der Bundesregierung (2017) ist die Bedeutung der Entwicklungspolitik für Krisenprävention, Konfliktbewältigung und Friedensförderung neben den Instrumenten der Diplomatie und der Sicherheitspolitik fest verankert. Und ihr wird eine entscheidende Rolle zugeschrieben: Sie kann im besten Fall Konflikte schon im Vorfeld verhindern und mögliche Ursachen erfolgreich überwinden. Insbesondere partizipative und strukturfördernde Ansätze können einen wichtigen Beitrag zum Abbau von Konfliktursachen und zum Aufbau von Mechanismen der gewaltfreien Konfliktbearbeitung leisten. Und nach gewaltsamen Krisen und Kriegen hilft sie, Gesellschaften zu versöhnen und ihre Transformation voranzubringen.

Die neuen Leitlinien der Bundesregierung orientieren sich an der Agenda 2030 und am Leitbild eines positiven, nachhaltigen Friedens. Die Handlungsfelder ergeben sich insbesondere aus den fünf Peace and Statebuilding Goals des New Deal for Engagement in fragile States:

  • legitime Politikgestaltung und inklusive Konfliktbearbeitung,

  • Sicherheit unter Stärkung des staatlichen Gewaltmonopols,

  • Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit,

  • Beschäftigungsschaffung und Stärkung der Lebensgrundlagen,

  • faire Verteilung der staatlichen Einkünfte und gleichberechtigter Zugang zu Dienstleistungen.

Zur Erreichung der Ziele sollen die Instrumente der Entwicklungszusammenarbeit beitragen. Die Leitlinien tragen der Einsicht Rechnung, dass kurzfristige Stabilisierungsmaßnahmen nicht ausreichen, um gewaltsame Konflikte und Krisen dauerhaft zu beenden. Vielmehr muss es darum gehen, so früh wie möglich und mit einem langen Atem gesellschaftliche Transformationsprozesse zu unterstützen.

Handlungsfelder und Instrumente der Entwicklungszusammenarbeit

Im Rahmen der EZ wurden eine Reihe von Analyseinstrumenten, Verfahren und spezifischen Maßnahmen entwickelt, um strukturelle Konfliktursachen direkt und wirksam zu reduzieren und substanzielle Fortschritte in Bezug auf die langfristige Prävention von Gewaltkonflikten zu erreichen. Da jeder Konfliktkontext einzigartig ist, wurden unter anderem im BMZ-Sektorkonzept "Entwicklung für Frieden und Sicherheit" Methoden und Instrumente entwickelt, um die spezifischen Konflikt- und Gewaltpotenziale differenziert zu analysieren und Vorhaben konfliktsensibel auszurichten. Dabei geht es in der Praxis längst nicht mehr nur allein um die Prävention, Beendigung und Nachbereitung von bewaffneten Konflikten im herkömmlichen Verständnis. Die EZ ist zunehmend mit komplexen Gewaltphänomenen konfrontiert, in denen die klassische Unterscheidung zwischen politischen, militärischen, ökonomischen und zivilen Akteuren verschwimmt. Interner Link: Dazu gehören z.B. gewaltsame Konflikte unterhalb der Kriegsschwelle in peripheren Regionen, massive organisierte Kriminalität sowie Jugend- und "Alltagsgewalt".

Gewalt und bewaffnete Konflikte stellen dabei besondere Anforderungen an die Effektivität und Wirksamkeit der Entwicklungspolitik. Komplexe Probleme, wie chronische Armut, Marginalisierung und strukturelle Ausgrenzung bestimmter Bevölkerungsgruppen, sind in erster Linie politischer Natur und lassen sich nicht mit den herkömmlichen technischen Ansätzen lösen. Aufbauend auf einer eingehenden – und möglichst auf lokalem Wissen gründenden – Analyse der politischen Machtdynamiken und Akteure muss gezielt nach Einflussmöglichkeiten im politischen Prozess gesucht werden.

Eine einseitige Fokussierung auf Beschäftigungsförderung und die Stärkung staatlicher Institutionen reicht in diesen Kontexten nicht aus. Es gibt bisher keine aussagekräftigen Daten, die den positiven Zusammenhang zwischen Beschäftigungsförderung und Frieden belegen. Zwar sind Menschen durch Armut und Perspektivlosigkeit eher bereit, sich Gewaltakteuren anzuschließen, aber gewaltsame Konflikte sind in der Regel ethnisch oder religiös verstärkte Auseinandersetzungen von Eliten um Macht und Ressourcen. Um einen effektiven Beitrag zur Konflikttransformation zu leisten, sollte sich die EZ vor allem auf die langfristige Unterstützung von Reformeliten und die Unterstützung inklusiver politischer Prozesse konzentrieren (van Veen/Dedouet 2017). Bei Wirtschafts- und Beschäftigungsoffensiven in Konfliktregionen sollte hingegen in erster Linie sichergestellt werden, dass diese konfliktsensibel ausgerichtet sind, d.h. nicht zusätzlich Spannungen anheizen und Gewalt noch weiter fördern.

Eine wichtige Rolle für eine friedliche und inklusive Entwicklung spielen zivilgesellschaftliche Organisationen. Häufig haben sie in fragilen und von Konflikten betroffenen Staaten einen besseren Zugang zur lokalen Bevölkerung, führen Dialogmaßnahmen durch und fordern Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit ein. Wird jedoch ihr Handlungsspielraum durch restriktive Gesetze eingeschränkt, ist auch ihr positiver Beitrag für Krisenprävention und Konfliktbearbeitung gefährdet. Dem Schutz zivilgesellschaftlicher Handlungsspielräume muss daher in der Entwicklungszusammenarbeit mit fragilen und von Konflikten betroffenen Staaten besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden.

Fazit

Sämtliches internationales Engagement in einem fragilen Umfeld muss von der Planung bis zur Umsetzung gezielt auf Krisenprävention, Konfliktbearbeitung und Friedensförderung ausgerichtet sein, um die anspruchsvollen Entwicklungsziele (SDGs) in diesen Staaten zu erreichen. Dafür braucht es vor allem erhöhte Analysekapazitäten (auch vor Ort), innovative Instrumente, Kohärenz der Ansätze, Instrumente und Strategien, mehr Risikobereitschaft sowie eine verlässliche und planbare Bereitstellung der erforderlichen Mittel.

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ist stellvertretender Leiter und Referent für international Prozesse bei der Arbeitsgemeinschaft Frieden und Entwicklung (FriEnt). FriEnt ist ein Zusammenschluss von staatlichen Organisationen, kirchlichen Hilfswerken, zivilgesellschaftlichen Netzwerken und politischen Stiftungen. Marc Baxmann unterstützt die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft dabei, internationale Prozesse zu Friedensförderung und Krisenprävention zu begleiten, organisiert Fach- und Dialogveranstaltungen und ist verantwortlich für den Informationsaustausch und das Wissensmanagement. Zuvor hat er beim Verband Entwicklungspolitik deutscher Nichtregierungsorganisationen (VENRO) gearbeitet und war als Gutachter für wissenschaftliche und zivilgesellschaftliche Organisationen tätig. Sein Magisterstudium der Politikwissenschaft hat er 2006 an der Universität Bonn abgeschlossen.