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Simbabwe | Kriege und Konflikte | bpb.de

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Simbabwe

Locardia Shayamunda

/ 10 Minuten zu lesen

Nach dem Sturz des Langzeit-Präsidenten Robert Mugabe und dem Machtantritt seines Stellvertreters Emmerson Mnangagwa 2017 steckt Simbabwe weiter in einer tiefen Krise. Die ZANU PF kontrolliert den Staat mit harter Hand. Die Bevölkerung leidet unter der sozioökonomischen Lage und massiven Menschenrechtsverletzungen.

Polizisten verhaften und misshandeln Demonstranten in Harare, 16.08.2019. Sicherheitskräfte und Jugendkommandos der Regierungspartei ZANU PF schrecken vor der Einschüchterung, Verhaftung, Entführung und Folter von Demonstranten nicht zurück. (© picture-alliance/AP, Tsvangirayi Mukwazhi)

Aktuelle Konfliktsituation

Trotz der Versprechungen von Präsident Emmerson Mnangagwa unternimmt die Regierung wenig, um das stark klientelistisch geprägte politische und wirtschaftliche System umzugestalten und die grassierende Korruption auszumerzen (BTI, 2020). Die sich verschlechternden sozioökonomischen Bedingungen führen immer wieder zu Protesten und Streiks. Sicherheitskräfte und Jugendkommandos der Regierungspartei ZANU PF schrecken vor der Einschüchterung, Verhaftung, Entführung und Folter von Demonstranten nicht zurück. Betroffen sind vor allem Mitglieder der politischen Opposition, zivilgesellschaftliche Aktivisten sowie kritische Journalisten und Künstler, die der Subversion bezichtigt werden. Im Jahr 2019 wurden mehr als 50 Aktivisten entführt.

Selbst Mandatsträger des größten Oppositionsbündnisses, der MDC-Alliance , bleiben nicht verschont. So wurden der stellvertretende Vorsitzende und Abgeordneten Tendai Biti und der Abgeordnete Job Sikhala verhaftet. Ihm wird der Aufruf zu Protestaktionen vorgeworfen. Außerdem nutzt die ZANU-PF-Regierung den Staatsapparat, einschließlich Polizei und Justiz, um den Machtkampf innerhalb der Opposition zwischen der MDC-Alliance und einer Abspaltung zu schüren. So kann die Splitterpartei MDC-T aufgrund eines Gerichtsentscheids weiter denselben Namen führen wie die größte Kraft der MDC-Alliance.

Die Covid19-Pandemie ist ein willkommener Vorwand für die Regierung, um die demokratischen Freiheiten weiter einzuschränken und politische Gegner zu verfolgen. Beispielsweise wurde der prominente Regierungskritiker und Journalist Hopewell Chin'ono, bereits mehrfach "wegen Anstiftung zur Gewalt" verhaftet. Im Frühjahr 2020 hatten seine Enthüllungen über den Betrug bei der Beschaffung von Schutzausrüstungen für medizinisches Personal in Höhe von 60 Mio. US-Dollar zur Entlassung des Gesundheitsministers geführt.

Aufgrund der "Notwendigkeit, die Rolle von Akteuren der Sicherheitskräfte bei Menschenrechtsverletzungen zu untersuchen", verlängerte die EU am 19. Februar 2021 ihr Waffenembargo und das Einfrieren der Vermögenswerte des staatseigenen Unternehmens Zimbabwe Defense Industries. Großbritannien hatte bereits am 1. Februar 2021 gegen vier Kommandierende des Sicherheitsapparates Sanktionen wegen des Vorgehens gegen regierungskritische Demonstranten seit 2017 verhängt, darunter das Verbot von Reisen und das Einfrieren von Vermögenswerten.

Angesichts der Welle der Repression hat die simbabwische Kirche ihr Schweigen gebrochen. Der Hirtenbrief der katholischen Bischöfe zur Lage in Simbabwe vom 14. August 2020 beklagt das mangelnde Engagement der Regierung für Reformen und kritisiert die willkürlichen Verhaftungen und die Unterdrückung der Proteste. Die Regierung – so die Bischöfe - betrachte jeden als Feind, der eine andere Meinung vertrete. Zudem habe die Korruption im Land ein alarmierendes Ausmaß angenommen.

Situation in Simbabwe 2008: Landnutzung und Gewalt
Interner Link: Hier finden Sie die Karte als hochauflösende PDF-Datei (mr-kartographie) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/

Ursachen und Hintergründe

Die Krise in Simbabwe hat drei Ebenen: (1) der Konflikt zwischen der ehemals herrschenden weißen Siedler-Oligarchie und der schwarzen politischen Elite, die die Regierungspartei ZANU PF und den Staat kontrolliert; (2) der Machtkampf zwischen der ZANU-PF-Regierung und der politischen Opposition sowie (3) die Auseinandersetzungen zwischen der korrupten schwarzen Oberschicht und der großen Mehrheit der Bevölkerung, die an den Folgen der schlechten Regierungsführung, der sozioökonomischen Krise und der Ausplünderung der öffentlichen Kassen leidet.

Der Konflikt zwischen der ehemals herrschenden weißen Siedler-Oligarchie und der schwarzen politischen Elite flammt seit der Unabhängigkeit im Jahr 1980 immer wieder auf. Nachdem die von der weißen Oberschicht kontrollierten Farmen mit den besten landwirtschaftlichen Flächen (Moyo 2000) lange unangetastet geblieben waren, leitete der damalige Präsident Mugabe im Jahr 2000 eine gewaltsame Enteignung mit dem Ziel der Umverteilung des Landes an die neue politische und militärische Elite ein. Sein Kalkül war, nach der Niederlage im Verfassungsreferendum im Februar 2000 gegen die MDC wieder in die politische Offensive zu kommen. Von der ZANU-PF unterstützte Veteranen des Befreiungskampfes vertrieben weiße Farmer von ihrem Besitz. Ihnen wurde vorgeworfen, die Oppositionspartei zu unterstützen. Daraufhin verhängten Großbritannien und die EU Sanktionen und Reisebeschränkungen gegen führende Parteifunktionäre und Regierungsbeamte.

Dass der Konflikt bis heute virulent ist, zeigt die Ankündigung von Präsident Mnangagwa im Juli 2020, Entschädigungszahlungen in Höhe von 3,5 Mrd. US-Dollar an enteignete weiße Farmer zu leisten. Beobachter sehen darin einen politischen Schachzug, um die Unterstützung der westlichen Staaten sowie internationaler Finanzinstitutionen und Geldgeber für das international isolierte Regime zu gewinnen. Die Kosten hätte in jedem Fall die breite Mehrheit der Bevölkerung tragen.

Der Machtkampf zwischen der regierenden ZANU PF und der politischen Opposition geht auf die Rivalität zwischen den Befreiungsbewegungen ZANU und ZAPU um die politische Vormacht und die Kontrolle des Staates nach der Erringung der Unabhängigkeit zurück. Die ZANU gewann als Vertretung der größten ethnischen Gruppe der Shona schließlich die Oberhand, weil sie als stärkste politische Kraft und Regierungspartei den Staatsapparat, einschließlich des Sicherheitssektors (Militär, Polizei, Geheimdienst), kontrollierte. Im Bürgerkrieg (1983-1987) – manche sprechen von einer gezielten Straf- und Vernichtungsaktion gegen die ZAPU-Aufständischen – wurden von der Armee mehr als 20.000 Zivilisten getötet. Die Massaker, die vor allem in den Provinzen Midlands und Matabeleland stattfanden und den hauptsächlich Ndebele zum Opfer fielen, sind als "Gukurahundi" in die Geschichte eingegangen.

1987 wurde zwischen Robert Mugabe (ZANU) und Joshua Nkomo (ZAPU) ein Abkommen unterzeichnet, das den Bürgerkrieg beendete. Die beiden Parteien fusionierten und wurden in ZANU PF umbenannt. Doch die politische und wirtschaftliche Ausgrenzung der Ndebele ist bis heute eine Ursache des Konflikts (Mzumara, 2012). In Matabeleland sind nicht nur Arbeitslosigkeit und Armut höher als in anderen Landesteilen, die dort lebenden Ndebele werden auch bei der Verteilung von Nahrungsmittelhilfen benachteiligt. Hohe Verwaltungsposten in der Region werden überproportional von Shona besetzt, die nicht selten kein Ndebele sprechen. Unter den Ndebele ist das Misstrauen gegenüber Mnangagwa besonders groß, weil er als Chef des Geheimdienstes in den 1980er Jahren eine maßgebliche Mitverantwortung an den Massakern trägt.

Die Auseinandersetzung zwischen der schwarzen Oberschicht und der großen Mehrheit der Bevölkerung überschattet die gesamte jüngere Geschichte des Landes. Oberstes Ziel der ZANU-PF ist der Machterhalt durch Repression, Kooptation und Patronage. Dazu dient ein ausgeklügeltes System der Übertragung von Landbesitz, Firmenanteilen und der Verteilung von Erlösen aus staatlichen Unternehmen an wichtige Akteure, um diese an den Präsidenten und die Parteiführung zu binden. Das Ergebnis ist die Verschmelzung von Staat und Partei. Die Machtstrukturen werden durch den Sicherheitssektor abgeschirmt, der sich auch auf Schlägertrupps der Regierungspartei, Kriegsveteranen und Jugendmilizen stützt.

Infolge falscher wirtschaftspolitischer Entscheidungen und der Selbstbereicherung der herrschenden Eliten geriet Simbabwe 2017 in eine tiefe Krise. Steigende Preise, eine Auslandsverschuldung von 17 Mrd. US-Dollar, eine veraltete Infrastruktur und der mit über 60 % zweitgrößte informelle Sektor der Welt in Verbindung mit einer geringen Kapazitätsauslastung der lokalen Industrie (unter 45 %) brachten das Land an den Rand des Zusammenbruchs. Die Versorgung mit lebenswichtigen Gütern ist nicht gesichert. Nach UN-Angaben waren 2018 5,3 Mio. Menschen von Hunger betroffen bzw. bedroht (Mbae 2019).

Die Covid19-Pandemie traf auf ein chronisch unterversorgtes Gesundheitssystem, das noch nicht den zweitgrößten Choleraausbruch der jüngeren Geschichte des Landes verkraftet hatte. Außerdem grassiert seit 2017 eine Typhusepidemie, die schon mehr als 17 Tote gefordert hat. Von HIV sind mehr als 13 % der Bevölkerung betroffen (Mbae 2019). Führungskräfte nutzten in der Vergangenheit Millionen von US-Dollar für ihre eigene medizinische Behandlungen im Ausland und tragen so eine Mitschuld für die verheerenden Zustände im simbabwischen Gesundheitswesen. Das waren Gelder, die Simbabwe von der internationalen Gemeinschaft u.a. für den Kampf gegen Cholera, Typhus und HIV erhalten hat.

Die sich verschlechternden sozioökonomischen Bedingungen wurden und werden durch Naturkatastrophen, wie Dürren und Zyklone, noch verschlimmert. Vom Zyklon IDAI 2018 waren ca. 270.000 Menschen betroffen, etwa 340 starben (Oxfam International: 2019).

Bearbeitungs- und Lösungsansätze

Nach dem knappen Sieg von Mnangagwa (50,8 %) bei den Präsidentschaftswahlen im Februar 2018 hat sich der Konflikt zwischen ZANU-PF und MDC-Alliance weiter verschärft. Die EU-Wahlbeobachtermission kritisierte u.a. die Wettbewerbsverzerrung zugunsten der ZANU-PF, die Einschüchterung von Wählergruppen und Korruption und lehnte es deshalb ab, die Wahlen als "frei und fair" zu bewerten (Europäische Union 2018; Müller 2019: 22). Der Vorsitzende der MDC-Alliances, Nelson Chamisa, der 44,39 % errang, warf dem Regierungslager Betrug vor und erkennt die Wahl Mnangagwas nicht an.

Der simbabwische Kirchenrat (ZCC) bemüht sich um Vermittlung. Der Rahmen für den Friedensprozess wird von der Verfassung abgesteckt, die während der gemeinsamen Regierungszeit der ZANU-PF und der MDC ausgehandelt und 2013 per Referendum angenommen wurde. Eckpunkte sind die Verwirklichung der Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung, die Gewährung der Presse-, Meinungs- und Demonstrationsfreiheit, die Aufarbeitung der Vergangenheit mit der Einrichtung einer Kommission für Frieden und Versöhnung (NPRC), die Durchsetzung der parlamentarischen Kontrolle gegenüber dem Sicherheitssektor sowie eine beschleunigte Dezentralisierung (Niabeze 2015; Müller 2019: 26).

Die MDC-Alliance fordert, die Bestimmungen der Verfassung endlich konsequent umzusetzen. Neben der Demokratisierung und Wirtschaftsreformen sieht sie dabei die Aufarbeitung der Konfliktvergangenheit und die Reform des Sicherheitssektors als Schwerpunkte.

In der Verfassung ist die Gründung einer unabhängigen Nationalen Kommission für Frieden und Versöhnung (NCPR) fixiert (Zimbabwe’s Constitution of 2013). Ihr Fünfjahresplan (2018-2022) enthält u.a. Unterstützungsmaßnahmen für von Gewalt betroffene Personen, die Erarbeitung von Gesetzesvorschlägen zur Verhinderung von Gewalt, die Prävention von Konflikten sowie den Aufbau von Strukturen zur Sicherung des Versöhnungsprozesses. Außerdem hat die Regierung Untersuchungen zu wichtigen Ereignissen angekündigt. Dazu gehören das Gukurahundi-Massaker, die Vorgänge um die Landenteignungen in den Jahren 2001/02 sowie die Exzesse politischer Gewalt zwischen 2002 und 2008.

Die Durchführung einer Sicherheitssektorreform wird zwar nicht ausdrücklich in der Verfassung festgeschrieben, doch sie enthält alle dafür wichtigen Bestimmungen, u.a. die Kontrolle der Sicherheitskräfte durch das Parlament und die politische Rechenschaftspflicht für ihren Einsatz, das Verbot der politischen Parteinahme und der Amtsausübung im Interesse irgendeiner politischen Partei" sowie die Achtung der "Grundrechte und -freiheiten jeder Person" (Zimbabwe’s Constitution of 2013; Nyabeze 2015: 18). Angesichts der Durchsetzung von Regierung, Verwaltung und ZANU-PF durch ehemalige und aktive Militärs wäre die konsequente Trennung zwischen Politik und Sicherheitsapparat ein wichtiger erster Reformschritt (Müller 2019: 29/30).

Doch die Regierung verweigert sich bislang substanziellen Reformen. Als Signal an die internationale Öffentlichkeit hat sie eine Plattform "Dialog der politischen Akteure" gebildet, die sich aus ausgewählten Vertretern der Opposition zusammensetzt. Nelson Chamisa, der Führer der MDC-Alliance, weigerte sich jedoch, an dem "Fassadendialog" teilzunehmen. Mnangagwa sei, wie sein Vorgänger Robert Mugabe, nicht an einem echten Friedensprozess interessiert. In Simbabwe gebe es eine Geschichte von Lippenbekenntnissen zu Frieden und Versöhnung.

Jenseits ihrer Demokratisierungs- und Versöhnungsrhetorik hat die Regierung einen überwiegend repressiven Kurs der Konflikteindämmung eingeschlagen, wie die willkürlichen Verhaftungen, Entführungen und Folterungen aller abweichenden Stimmen belegen. Bereits 2019 wurde z.B. das Gesetz über die Aufrechterhaltung von Frieden und Ordnung (MOPA) verabschiedet, das die Versammlungsfreiheit massiv einschränkt. Im Parlament initiierte die ZANU-PF die Revision von 30 Abschnitten der Verfassung. Dadurch erhält der Präsident mehr Befugnisse, was die demokratische Machtteilung und Kontrolle weiter erschweren dürfte.

Geschichte des Konflikts

In den ersten Jahren der Unabhängigkeit war Simbabwe (ehemals Südrhodesien) noch auf Erfolgskurs. Angesichts der weitgehend positiven sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung (u.a. Landwirtschaft sowie Bildungs- und Gesundheitssektors) wurden die ersten massiven Rückschläge in der demokratischen Entwicklung im Ausland nicht bemerkt. Das Massaker an den Ndebele hatte im Westen keine Folgen, ebenso wenig wie der 1987 erzwungene Zusammenschluss der ZAPU mit der ZANU-PF, der faktisch die Einparteienherrschaft der ZANU besiegelte. Die unter Druck der Weltbank umgesetzte Sparpolitik führte zu niedrigeren Löhnen, steigender Arbeitslosigkeit und Massenverarmung. Die aufstrebende Zivilgesellschaft und die MDC mobilisierten zunehmend gegen das Mugabe-Regime. Die 1999 gegründete MDC rekrutiert sich hauptsächlich aus der meist jüngeren und besser ausgebildeten städtischen Mittelschicht und aus Gewerkschaftsmitgliedern. Trotz gewaltsamer Einschüchterungsversuche gewann die MDC bei den Wahlen vom Juni 2000 57 der 120 Parlamentssitze.

Auf die Niederlage reagierte Präsident Mugabe 2000 mit der "Landreform", in deren Verlauf Farmen im Besitz der weißen Minderheit geplündert und enteignet, 350.000 Landarbeiter vertrieben und zahlreiche Bauern getötet wurden. Ihnen wurde vorgeworfen, die Opposition zu unterstützen. Darauf folgte der Niedergang der Landwirtschaft und des Nahrungsmittelsektors, was wiederum verheerende Auswirkungen auf die gesamte wirtschaftliche Entwicklung hatte. Dem ehemaligen Getreideexporteur Simbabwe fehlten nun Devisen, sodass die Versorgung der Bevölkerung nicht mehr gewährleistet war. Das Bruttosozialprodukt sank bis 2008 um gut ein Drittel, der Gesundheits- und Bildungssektor stand am Rande des Zusammenbruchs

2009 drängten die Südafrikanische Entwicklungsgemeinschaft (SADC) und die südafrikanische Regierung auf die Einbeziehung der MDC in eine Koalitionsregierung mit Mugabe als Präsident und dem MDC-Vorsitzenden, Morgan Tsvangirai, als Premierminister. In den folgenden Jahren scheiterten die politischen Reformen jedoch regelmäßig am Widerstand Mugabes und der ZANU PF. Die langjährige Regierungspartei kontrollierte weiterhin den mächtigen Sicherheitsapparat sowie das Justiz- und das Innenministerium; Repression und Menschenrechtsverletzungen bestimmten den Alltag.

Weitere Inhalte

Locardia Shayamunda ist Promotionsstudentin an der Universität Freiburg i.Br. Sie untersucht die Strategien von Kleinbäuerinnen und -bauern im Umgang mit Krisen. Vorher war sie als Consultant für verschiedene für verschiedene Entwicklungsprojekte und -organisationen tätig (z.B Catholic Agency for Overseas Development (CAFOD) und Misereor Southern Africa).