Aktuelle politische Situation
Die Vereidigung des neuen kongolesischen Präsidenten Félix Tshisekedi im Januar 2019 stellte die erste friedliche Machtübernahme seit der Unabhängigkeit des Kongo von Belgien im Jahr 1960 dar. Die Demokratische Republik Kongo
Auch wenn weiterhin Zweifel an der Integrität des Gesamtprozesses bestehen, sind die Präsidentschaftswahlen trotz erheblicher organisatorischer Mängel insgesamt glaubwürdig ausgegangen. Das hat u.a. die Beobachtungsmission der nationalen Bischofskonferenz evangelischer Kirchen bestätigt.
Tshisekedi reformierte im Vergleich zu seinem Vorgänger sein Land sowohl politisch als auch wirtschaftlich deutlich. Er führte z.B. eine kostenlose primäre Schulbildung ein und arbeitet auf eine Verbesserung des Gesundheitssystems hin. Eine wichtige Voraussetzung dafür war die Festigung der Beziehungen zu internationalen Geldgebern, wie dem Internationalen Währungsfonds und den Regierungen in Brüssel, Paris und Washington. Kinshasa betont immer wieder selbstbewusst, dass man – unabhängig von ideologischen Gemeinsamkeiten – mit allen Ländern zusammenarbeite. Obwohl die VR China inzwischen der Haupthandelspartner des Landes ist, kann die kongolesische Regierung als grundsätzlich prowestlich bezeichnet werden. Kongos Wirtschaft hängt weiterhin in hohem Maße von der Ausfuhr von Bodenschätzen (insbesondere Kupfer, Kobalt, Coltan und Gold) ab und ist von Korruption, fehlender Rechtssicherheit, bürokratischer Willkür sowie der desolaten Infrastruktur geprägt.
Weniger erfolgreich ist die Regierung mit Blick auf die Einlösung ihres Versprechens, die Sicherheit im Osten des Kongo zu verbessern. Zu Beginn seiner ersten Amtszeit unternahm Tshisekedi zahlreiche diplomatische Schritte in Richtung der Nachbarländer, um die politischen Beziehungen nachhaltig zu verbessern – was einen Schlüssel für die regionale Stabilität in der Region der Großen Seen darstellt. Auch deshalb ist die DR Kongo der Ostafrikanischen Gemeinschaft (EAC) beigetreten. Trotz dieser innenpolitisch z.T. heftig kritisierten Bemühungen hat sich das Verhältnis zu Ruanda massiv verschlechtert. Die International Crisis Group warnt vor dem zunehmenden Risiko eines direkten Krieges zwischen beiden Staaten.
Hintergrund ist die laut UN-Berichten nachgewiesene militärische Unterstützung Ruandas für die „Bewegung des 23. März“ (M23). Die M23, eine von über einhundert Rebellengruppen, gewann seit Ende 2021 wieder an Stärke und brachte weite Teile der Provinz Nord-Kivu unter ihre Kontrolle. Sie wird laut UN-Berichten von bis zu 4.000 ruandischen Soldaten unterstützt.
Ursachen und Hintergründe
Die gewaltsamen Konflikte im Kongo lassen sich auf drei wesentliche Ursachen zurückführen: erstens das Fehlen eines tragfähigen Konsenses zwischen den politischen Eliten, auf Gewalt als Mittel zur Durchsetzung politischer und wirtschaftlicher Interessen zu verzichten; zweitens das Unvermögen des Staates, insbesondere im rohstoffreichen Osten des Landes, mit einem funktionierenden Gesundheits-, Bildungs- und Sozialsystem präsent zu sein und das staatliche Gewaltmonopol durchzusetzen sowie drittens die Praxis wichtiger Staaten Zentral- und Ostafrikas, eigene Macht-, Sicherheits- und Wirtschaftsinteressen über die Stabilität und Prosperität der gesamten Region zu stellen.
In der ersten Amtszeit von Präsident Tshisekedi ist eine gewisse Befriedung des Wettbewerbs zwischen politischen Parteien und Gruppierungen zu beobachten. Das gilt jedoch nicht für den Ostkongo. Dort ist die Rebellenorganisation M23 der im Dezember 2023 gegründeten Kongo-Fluss Allianz (AFC) beigetreten.
Trotz des Wirtschaftswachstums der vergangenen Jahre, das hauptsächlich auf den Export von Bodenschätzen zurückzuführen ist, kommt der Aufbau und die Modernisierung landesweiter staatlicher Strukturen nur schleppend voran. Es gibt zwar Institutionen, wie Parlament, Polizei, und Militär, doch sind diese in erheblichem Maße von Korruption und Vetternwirtschaft betroffen und oftmals selbst Urheber von Gewalt gegen die Zivilbevölkerung. Die chronische Schwäche des Staates hatte zur Folge, dass sich Rebellengruppen ausbreiten und ihrerseits von der Ausbeutung der reichen Bodenschätze profitieren (konnten). Hinzu kommt, dass es insbesondere für die Bewohner im Osten des Landes, das zum Haupteinzugsgebiet der Rebellengruppen gehört, kaum wirtschaftliche Perspektiven gibt. Viele sehen in der Teilnahme am Krieg die einzige Option. Mittlerweile gibt es im Ostkongo eine ganze Generation junger Menschen, die nur Krieg, Flucht und Gewalt kennengelernt haben.
Zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen kommt es immer wieder zu Landstreitigkeiten, die durch die Anwesenheit von Flüchtlingen aus den Nachbarländern noch verstärkt werden. Besonders von Diskriminierung betroffen ist die Bevölkerungsgruppe der Banyamulenge (kongolesische Tutsi). Viele von ihnen sind während der belgischen Kolonialzeit als Plantagenarbeiter aus dem damaligen Ruanda-Urundi in den Kongo gebracht worden. Die Spannungen zwischen den Banyamulenge, die eine der Amtssprache des benachbarten Ruandas sehr ähnliche Sprache sprechen, und anderen Bevölkerungsgruppen im Ost-Kongo haben sich nach dem Genozid in Ruanda im Jahr 1994 und der Ankunft von Hunderttausenden Flüchtlingen noch zusätzlich verstärkt. Ruanda sieht sich seit dem Völkermord als Schutzmacht der im Kongo lebenden Tutsi, was zusätzlich Konflikte hervorruft.
Angesichts der großen Anzahl der Konfliktteilnehmer wurde die Situation im östlichen Kongo in den letzten Jahren immer unübersichtlicher. Ein Grund ist der illegale Rohstoffschmuggel über die Nachbarländer. Unterdessen agieren besonders im Osten des Landes neben der M23 noch immer zahlreiche nicht-staatliche Gewaltgruppen, wie etwa die Maji-Maji-Milizen.
Durch grenzüberschreitende Rebellenbewegungen zwischen Ruanda, Burundi, Uganda, Angola und der Zentralafrikanischen Republik hat sich der Konflikt in den vergangenen 20 Jahren stark regionalisiert. Ruanda und Uganda nahmen die andauernde regionale Unsicherheit mehrfach zum Anlass, um im Kongo zu intervenieren, (offiziell) um dort operierende oppositionelle Rebellengruppen zu neutralisieren. Zugleich nutzten und nutzen sie ihre militärische Präsenz aber auch, um die Kontrolle über lokale Bodenschätze, wie Gold oder Coltan, zu erlangen und abzusichern.
Bearbeitungs- und Lösungsansätze
Die UN-Mission MONUSCO sollte Sicherheit und Stabilität für die Zivilbevölkerung gewährleisten, um weitere Reformen, wie den Aufbau und die Stärkung staatlicher Strukturen und den Umbau und die Demokratisierung des Sicherheitssektors, zu ermöglichen. Die Friedenstruppe wurde bereits 1999 unter dem Namen MONUC entsandt, um das Land zu befrieden. Das Mandat wurde mehrmals verlängert und durch eine UN-Interventionsbrigade mit einem explizit „robusten“ Mandat ergänzt, um auch militärisch gegen Rebellengruppen vorgehen zu können. Doch wurde die ehemals größte UN-Mission der Welt ihren hohen Erwartungen nie gerecht.
Der im Dezember 2023 vom UN-Sicherheitsrat beschlossene Abzug der UN-Friedensmission kommt nur schleppend voran, weil die kongolesischen Sicherheitskräfte nicht in der Lage sind, das entstehende Vakuum zu füllen und für Sicherheit zu sorgen. Ein Grund sind die Aktivitäten der sog. Wazalendo („Patrioten“). Die u.a. vom Militär bewaffneten, aber nicht seinem Kommando unterstehenden Gruppen bilden ein unkalkulierbares Risiko und könnten zum Ausgangspunkt neuer Konflikte werden.
Die kongolesische Regierung war und ist bemüht, über verschiedene Militärkooperationen mit regionalen Organisationen und Nachbarstaaten die chronische und institutionalisierte Schwäche der eigenen Streitkräfte (FARDC) wettzumachen. Nachdem Scheitern der nur einjährigen Friedensmission der EAC (2022–2023)
Zusätzlich sucht die Regierung die militärische Zusammenarbeit mit Nachbarstaaten, wie Uganda und Burundi, um die Konflikte im Osten des Landes einzudämmen. Auch wenn ausländische Truppen mit Blick auf die jüngste Geschichte in der Bevölkerung sehr kritisch gesehen werden, befinden sich derzeit ugandische und burundische Truppen im Rahmen von Militärkooperationen legal auf kongolesischem Staatsgebiet. Gemeinsam mit den kongolesischen Streitkräften gehen sie gegen Rebellengruppen vor, die in den beiden Nachbarländern in Opposition zu den Regierungen stehen. Doch die Friedensfindung in der Region wird derzeit insbesondere dadurch erschwert, dass bis zu 4.000 ruandische Soldaten illegal im Land präsent sind.
Die andauernde Gewalt, die sowohl von nicht-staatlichen Gewaltakteuren als auch vom kongolesischen Militär ausgeht, zeigt die Grenzen einer einseitig auf das Militärische konzentrierten Friedenssicherung auf. Auch auf lokaler Ebene sind die Ergebnisse zahlreicher Friedenbemühungen nicht befriedigend. Das Sagen haben weiterhin oftmals die alten Eliten aus der Kabila-Ära, die in der Regel die Verbindung zur lokalen Bevölkerung verloren haben und eher an persönlicher Bereicherung interessiert sind. Ein neuer, komplementärer Ansatz soll daher in stärkerem Maße Friedensarbeit und Projekte auf lokaler Ebene ermöglichen. Die Zusammenarbeit mit traditionellen Autoritäten vor Ort ist so wichtig, weil besonders Landstreitigkeiten und fehlende Erwerbsmöglichkeiten zu einem großen Teil lokalen Ursprungs sind.
Die juristische Aufarbeitung von Kriegsverbrechen im Kongo hat mit den Den Haager Tribunalen gegen die Rebellenführer Thomas Lubanga, Bosco Ntaganda und Jean-Pierre Bemba begonnen. Letzterer hat mittlerweile nach dem Amt des Verteidigungsministers in der aktuellen Regierung wieder den Posten des Infrastrukturministers inne. Bei der Aufarbeitung besteht das größte Problem darin, dass diese im weitentfernten Den Haag oder in Kinshasa stattfindet und nicht die Menschen vor Ort erreicht, die von den Verbrechen am meisten betroffen waren und sind.
Geschichte des Konflikts
Für das Verständnis der kongolesischen Konflikte sind die koloniale Ausbeutung durch den belgischen König Leopold II. (1888–1908)
Mit dem Ende des Kalten Krieges wuchs auch der internationale Druck auf Mobutu, das politische System in Kongo/Zaïre zu reformieren. Die Krise nahm in Folge des Genozids im benachbarten Ruanda (1994) und der Flucht sowohl hunderttausender Schutzsuchender als auch der Täter in den Ostkongo ein kaum zu bewältigendes Ausmaß an. Das Land versank im Chaos. Das Regime Mobutus wurde 1997 durch ein Bündnis zwischen der Alliance des Forces Démocratiques pour la Libération du Congo (AFDL)
Doch Kabila schaffte es nicht, einen Neuanfang in die Wege zu leiten und brachte schließlich sogar seine Verbündeten gegen sich auf. Besonders der Osten des Landes war von andauernder Gewalt rivalisierender Rebellengruppen geprägt, die von der Ausplünderung der Bodenschätze profitierten. Auch zogen sich aus den Nachbarstaaten Uganda, Ruanda, Burundi und Angola immer wieder regierungsfeindliche Rebellengruppen auf kongolesisches Territorium zurück. Im Jahr 1998 schmiedeten Ruanda, Uganda und Burundi eine Allianz und griffen den Kongo (erneut) an, um die Rebellengruppen zu bekämpfen und die regionale Unsicherheit einzudämmen. Präsident Kabila suchte seinerseits die Unterstützung von Simbabwe, Angola, Namibia und dem Sudan, um sich gegen die Intervention zur Wehr zu setzen. Die Staaten erhielten dafür Konzessionen für den Ressourcenabbau im Kongo. Aufgrund der Beteiligung vieler afrikanischer Staaten wird der Zweite Kongokrieg (1998–2003) auch als „Erster Afrikanischer Weltkrieg“ bezeichnet.