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Zentralafrikanische Republik | Kriege und Konflikte | bpb.de

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Zentralafrikanische Republik

Tim Glawion

/ 8 Minuten zu lesen

Seit 2013 dauert die Gewalt in der Zentralafrikanischen Republik an – mit dramatischen humanitären Folgen. Die internationale Friedensmission konnte das Land nicht befrieden. Außerhalb der großen Ortschaften sind weiterhin zahlreiche Rebellengruppen und dörfliche Milizen aktiv.

06.03.2024: Flüchtlinge aus der Zentralafrikanischen Republik in Kamerun. (© picture-alliance, Matrix Images)

Aktuelle Konfliktsituation

Die aktiven Kämpfe im ersten Halbjahr 2024 fanden hauptsächlich in den peripheren Regionen des Nordwestens, Nordostens und Südostens statt. Die Rebellengruppen und Milizen spalten sich immer weiter in verschiedene Formationen auf und bekämpfen sich gegenseitig. Teilweise, wie vor der Wahl 2020, schließen sie sich aber auch zu unerwarteten Bündnissen zusammen, um gemeinsam gegen die Regierung und ihre russischen Verbündeten zu kämpfen. Bei den Kämpfen geht es vornehmlich um die Kontrolle von Rohstoffen (Diamanten, Uran, Gold) und Transportkorridoren (Vieh und Waren). Infolge des einseitig militärischen Ansatzes der Regierung und ihrer russischen Verbündeten eskaliert die Situation an vielen Orten erneut. Regelmäßig werden UN-Einsatzgruppe, internationalen Hilfsorganisationen und Journalistinnen und Journalisten gezielt von bewaffneten Gruppierungen angegriffen.

Seit dem Beginn des Bürgerkrieges kamen bei Angriffen, Überfällen und Racheakten von Rebellengruppen und kriminellen bewaffneten Gruppen tausende Menschen ums Leben. Beide Konfliktparteien begingen grausame Menschenrechtsverbrechen. Bei einer Bevölkerung von knapp sechs Millionen gelten über 500.000 Menschen als Binnenflüchtlinge. 2022 gab es bei diesen Zahlen einen deutlichen Rückgang von über 700.000 Binnenflüchtlingen, aber seit 2024 nimmt die Zahl langsam wieder zu. Bei den über 700.000 Flüchtlingen außerhalb des Landes, verzeichnet das UNHCR seit Jahren stagnierende oder gar leicht wachsende Zahlen. Laut einer umfangreichen Studie der Weltbank (Weltbank 2023) leben knapp 70 % der Bevölkerung unterhalb der (nationalen – und damit sehr niedrigen) Armutsgrenze.

Ursachen und Hintergründe

Seit etwa 2012 hatten Aufständische die Regierung unter Druck gesetzt, die nördlichen Regionen stärker an den nationalen Ressourcen zu beteiligen. Weil sich die Regierung nicht an die Absprachen hielt, ging die Rebellenallianz Séléka („Koalition“) 2013 zu bewaffneten Aktionen über, eroberte die Hauptstadt Bangui und stürzte im März 2013 Präsident Bozizé. Dem brutal herrschenden Rebellenregime stellten sich die Kämpfer der Anti-Balaka („Gegen die Macheten“) entgegen. Der lose Verbund aus Milizen war aus dörflichen Selbstverteidigungsgruppen und ehemaligen Soldaten aus den südlichen Landesteilen hervorgegangen.

Die rohstoffreiche ZAR gehört zu den ärmsten Ländern der Welt. Im Human Development Index der UNO von 2019 rangierte es an drittletzter Stelle von 190 Staaten. Die Provinzen im Nordosten sind nur schwer erreichbar und werden von der Regierung völlig vernachlässigt. Straßen, Krankenhäuser oder Schulen sind hier nicht zu finden – dafür aber Erdöl, Uran und Diamanten. Traditionell leben in der Provinz Vakaga muslimische Bevölkerungsgruppen. Viele sind Viehnomaden oder Händler.

Der Konflikt zwischen den südlichen und westlichen Bevölkerungsgruppen, die sich als ‚einheimisch‘ bezeichnen und überwiegend christlich geprägt sind, und den „fremden“ Bevölkerungsgruppen muslimischen Glaubens und arabischer Abstammung im Norden reicht weit in die Geschichte zurück: Auf dem Gebiet der heutigen ZAR fanden schon in vorkolonialer Zeit Sklavenraubzüge arabisch-muslimischer Gruppen aus dem Norden statt. Das ist tief im Gedächtnis der Bevölkerung verankert. Muslime werden noch in zweiter oder dritter Generation als Zuwanderer und Fremde angesehen und von der politischen Macht ausgeschlossen. Der Konflikt wird durch die Interessenunterschiede und Spannungen zwischen sesshaften Bauern und arabischstämmigen nomadisierenden Viehhirten zusätzlich verschärft. Zudem fühlt sich die Mehrheit der von der Subsistenzwirtschaft lebenden Bevölkerung des Südens gegenüber den wohlhabenderen Muslimen benachteiligt, die den größten Teil des Kleinhandels kontrollieren.

Die ehemalige Kolonialmacht Frankreich und der benachbarte Tschad tragen eine Mitverantwortung für den Konflikt. Beide Länder agierten häufig als Königsmacher in der ZAR. Die Abhängigkeit der politischen Elite von Frankreich ermöglichte französischen Unternehmen die Ausbeutung der Rohstoffe und dem französischen Militär bis 1998 die Nutzung der Militärbasen im Land. Als Bozizé sich von seinen ehemaligen Schutzmächten zu lösen versuchte und sich anderen internationalen Partnern zuwandte, nämlich China und Südafrika, ließen Paris und N‘Djamena ihn fallen.

Wegzölle ebenso wie der Handel mit Rohstoffen sind für Milizen und Rebellengruppen eine bedeutende Einnahmequelle. Daher flammt auch der Kampf um die Kontrolle der rohstoffreichen Gegenden und Diamantenminen immer wieder auf. Noch mehr als Frankreich profitieren inzwischen Russland und China von diesem Rohstoffhandel. Bei der Ausbeutung dieser Rohstoffe wird kaum Mehrwert für die nationale Wirtschaft generiert.

Bearbeitungs- und Lösungsansätze

Die Zentralafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (ECCAS) versuchte, sofort nach dem Ausbruch der Kämpfe 2013 eine politische Lösung zwischen den Konfliktparteien zu finden. Unter ihrer Ägide wurden mehrere Verträge abgeschlossen. Im Vertrag von Libreville (Gabun) vom Januar 2013 wurde ein Übergangsprozess vereinbart und in der Erklärung von N’Djamena vom 18. April 2013 erneut bekräftigt. Die Übergangsperiode unter einer Regierung der Nationalen Einheit endete vertragsgemäß mit den Wahlen von 2016. Damit galt der Bürgerkrieg als überwunden. Doch die Kämpfe zwischen den verschiedenen Fraktionen und ehemaligen Kombattanten der Ex-Séléka und Anti-Balaka brachen schnell wieder aus.

Der UN-Sicherheitsrat stimmte am 10. April 2014 für die Entsendung einer Blauhelm-Mission (Resolution 2149 (2014) und Resolution 2217 (2015)). Zu den Aufgaben der Integrierten multidimensionalen Mission für die Stabilisierung Zentralafrikas (MINUSCA) gehören u.a. der Schutz von Zivilisten, die Unterstützung bei der Organisation von Wahlen, einer Polizei- und Justizreform sowie der Entwaffnung, Demobilisierung, Wiedereingliederung und Repatriierung der Angehörigen der Milizen. Am 15. September 2015 löste die MINUSCA sowohl die französische Militärmission Sangaris als auch die Mission der Afrikanischen Union MISCA ab. Das Mandat der UN-Mission läuft aktuell bis zum 15. November 2024. Rwanda stellt, gefolgt von Bangladesch und Pakistan, den größten Teil des inzwischen rd. 16.400 Militärs und Polizisten sowie gut 1.200 ziviles Personal und Berater umfassenden Kontingents. Trotz ihrer hohen Zahl können sie die Zivilbevölkerung nicht ausreichend schützen.

Christliche und muslimische Führer und Amtsträger arbeiten eng zusammen, um die Menschen vom friedlichen Miteinander zu überzeugen. Im November 2015 besuchte der Papst das Land und betete in einer Moschee im muslimischen Viertel PK5 von Bangui. Im Mai 2015 versuchte das „Forum von Bangui“ auf Initiative religiöser Führer, die Gewaltspirale zu stoppen. Ca. 600 Teilnehmer aller Konfliktparteien, der Regierung und der Zivilgesellschaft einigten sich auf die Entwaffnung und Demobilisierung aller Kämpfer und ihre Integration in die nationale Armee sowie den Ausschluss bewaffneter Gruppenführer von politischen Ämtern und ihre strafrechtliche Verfolgung. Wenig später gingen die Kämpfe allerdings weiter.

Die internationale Strafgerichtsbarkeit spielt eine ambivalente Rolle. Derzeit sind zwei Anti-Balaka und ein Ex-Séléka vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt. Gleichzeitig wurden ein Anti-Balaka Anführer sowie ein kongolesischer Milizenführer, der Anfang des Jahrtausends Verbrechen in der ZAR begangen hat, trotz klarer Indizien aus verfahrenstechnischen Gründen freigelassen. Der hybride Strafgerichtshof mit Sitz in Bangui behandelt hauptsächlich Fälle der mittleren Ebene. In der Konsequenz werden die entscheidenden Rebellen- und Milizenführer entweder politisch gedeckt oder entziehen sich der Festnahme. Dadurch entsteht der Eindruck, dass regimetreue Kriegsverbrecher geschützt und jene der Opposition ausgeschaltet werden. Das war z.B. 2021 der Fall, als der Minister und ehemaliger Rebellenführer, Hassan Bouba, erst auf Antrag des hybriden Gerichtshofs festgenommen und dann von staatlichen Sicherheitsbeamten befreit wurde.

Am 6. Februar 2019 unterzeichneten die Regierung und 14 Rebellengruppen den unter der Ägide der Afrikanischen Union und von Nachbarstaaten in Khartum ausgehandelten Friedensvertrag von Bangui. Neben Entwaffnung sieht er die Schaffung einer Sondereinheit aus Sicherheitskräften vor, die aus Milizen und staatlichen Sicherheitskräften zusammengesetzt sein soll. Zusätzlich wurde eine Vertretung der beteiligten bewaffneten Gruppen in einer „inklusiven Regierung“ vereinbart. Nach mehreren Neuverhandlungen platzte allerdings im April 2020 der Kompromiss. Mindestens sieben Gruppierungen, darunter die „Union pour la Paix en Centrafrique“ von Ali Darassa und die FPRC von Nourredine Adam kündigten den Friedensvertrag.

2021 holte die Regierung die russische Wagner-Miliz (nun „Africa Corps“) ins Land. Sie startete gemeinsam mit der von der EU trainierten und von Russland aufgerüsteten Armee eine Offensive gegen die Rebellen, die militärisch zwar erfolgreich gewesen ist, aber mit vielen Gräueltaten gegen die Zivilbevölkerung verbunden war. Das einseitig militärische Vorgehen trägt nicht zur nachhaltigen Befriedung des Konflikts bei. Vielmehr verfestigen sich unter dem russischen Einfluss die autokratischen Machtstrukturen; friedliche Aushandlungs- und Demokratisierungsprozesse werden zurückgedrängt.

Geschichte des Konflikts

Seit der Unabhängigkeit von Frankreich im Jahr 1960 sind gewaltsame Machtwechsel in der ZAR die Regel. Wie schon in der Kolonialzeit verkaufte die jeweilige Regierungselite Konzessionen zur Ausbeutung der Rohstoffe des Landes an französische und andere internationale Konsortien. Unterdessen verarmte die Bevölkerung; das galt und gilt insbesondere für die wenig erschlossenen Regionen im Norden des Landes.

Präsident Patassé wurde 2003 von seinem Generalstabschef Bozizé mit tschadischer Unterstützung gestürzt. Doch Bozizés Herrschaft – er gehört zur größten ethnischen Gruppe der Gbaya – beschränkte sich lediglich auf den Großraum Bangui. Seine Familie, sein Clan und seine Anhänger besetzten die wichtigsten Posten in Wirtschaft und Politik. Gegen Bozizé gab es immer wieder Aufstände. Noch 2007 hatten französische und tschadische Militärs muslimische Rebellen aus Birao im Nordosten vertrieben. Aber als 2012 die Séléka vom Norden in Richtung Bangui marschierte, reagierten Paris und N’Djamena abweisend auf den Hilferuf Bozizés. Daraufhin formierten sich in den überwiegend christlich geprägten Regionen schon existierende dörfliche Selbstverteidigungsgruppen zur Anti-Balaka.

Der Chef der Séléka-Rebellen, Michel Djotodia, rief sich beim Einmarsch in Bangui im März 2013 zum Präsidenten aus. Er setzte die Verfassung außer Kraft und ernannte einen Übergangsrat, an dem auch Mitglieder der alten Regierung und Opposition beteiligt waren. Doch wurde er auf Betreiben Frankreichs und des Tschad schon am 10. Januar 2014 wieder seines Amtes enthoben. Der Nationale Übergangsrat wählte daraufhin am 20. Januar 2014 die Bürgermeisterin von Bangui, Catherine Samba-Panza, zur Interimspräsidentin. In der Übergangsregierung waren sowohl Angehörige der Séléka und der Anti-Balaka als auch der gestürzten Bozizé-Regierung vertreten. Doch der Übergangsregierung gelang es nicht, das Land zu befrieden. Gruppen der Séléka zogen marodierend durchs Land. Schnell eskalierten die Auseinandersetzungen zu einem blutigen Konflikt und weiteten sich zu einer Hetzjagd gegen Muslime aus. Alle Muslime wurden pauschal verdächtigt, die Séléka zu unterstützen, und deshalb brutal verfolgt, ermordet und vertrieben.

Die im Vertrag von Libreville vereinbarte Übergangsphase endete am 13. Dezember 2015 fristgerecht mit einem Verfassungsreferendum. Im Dezember sowie im Februar und März 2016 fanden Präsidentschafts- und die Parlamentswahlen statt. Der neue Präsident, Faustin Archange Touadéra, übernahm sein Amt am 30. März 2016 und beendete damit die Übergangsperiode unter Präsidentin Catherine Samba-Panza. Einen Neuanfang verkörperte der neue Präsident indes nicht; schließlich war er von 2008 bis 2013 bereits Ministerpräsident unter Bozizé. Selbst die neue Verfassung ließ er wieder ändern und schaffte dabei die Mandatsbegrenzung ab.

Aktuell sind die Konfliktopferzahlen auf einem niedrigen Stand. Dies zeugt nicht von einem Erfolg des derzeitig rein militärischen Ansatzes der Regierung und seiner russischen Verbündeten. Wie schon in der Vergangenheit schwankt der Konflikt zwischen niedrigschwelligen und hocheskalierten Phasen. Leider stehen die Zeichen derzeit auf erneuten Anstieg – möglichweise in Folge eines Staatsstreichs aus den inneren Reihen des Regimes oder eines erneuten Erstarkens der Rebellen.

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vertritt die Professur für Entwicklungspolitik an der Universität Freiburg und ist Senior Researcher am Arnold-Bergstraesser-Institut. Sein aktueller Forschungsschwerpunkt liegt auf Sicherheitsparadoxen und dem Gewaltmonopol im Libanon und der Externer Link: Zentral Afrikanischen Republik. Zuletzt veröffentlichte er das Buch Externer Link: The Security Arena in Africa: Local Order-Making in the Central African Republic, Somaliland and South Sudan (Cambridge University Press 2020) and zahlreiche Artikel zu Externer Link: hybrider Ordnung, Externer Link: lokaler Sicherheit, Externer Link: fragilen Staaten, und Externer Link: qualitativer Methodologie.