Geschlecht und Sexualität sind existenzielle Facetten menschlicher Erfahrung. Geschlechts- und sexualitätsgeschichtliche Perspektiven nehmen die vielfachen zwischenmenschlichen intimen Beziehungen und sozialen Gefüge auch imperialer und (post-)kolonialer Gesellschaften in den Blick. Dabei geht es nicht nur darum, Handlungsmöglichkeiten von Frauen zu rekonstruieren oder den Emanzipationsbemühungen homosexueller, transgeschlechtlicher und transsexueller Menschen auf den Grund zu gehen. Vielmehr beschäftigen sie sich ebenso mit Heiratsverhältnissen, häuslichen Ordnungen, Körperbildern, Moralvorstellungen und Gesundheitspolitiken. Dabei versuchen sie zu erklären, wie diese ein integraler Bestandteil imperialer und (post-)kolonialer Herrschaftspraktiken waren. Im Folgenden werden zentrale Erkenntnisse neuerer Forschung zu Geschlecht und Sexualität in den Themenfeldern (Post-)Kolonialismus und Globalgeschichte anhand mehrerer, u.a. visueller Beispiele zusammengefasst und diskutiert. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der Verschränkung von Geschlecht und Sexualität mit „Rasse“ und sozialer Herkunft, und wie diese Intersektionen in verschiedenen imperialen und postkolonialen Konstellationen Ausdruck fanden.
Geschlecht, Sexualität und koloniale Expansion
Vom 15. bis ins 17. Jahrhundert war Europas imperiale Expansion in der modernen Welt ein überwiegend männliches Projekt. Abenteurer, Seefahrer, Händler und Missionare „entdeckten“ die Welt und etablierten Handelsstützpunkte in Amerika, Afrika und Asien. Frauen und „respektable Weiblichkeit“ galten nach damaliger Meinung als ungeeignet für ein Leben in Siedlungen an den Grenzen westlicher Zivilisation. An manchen Orten, wie beispielsweise in Kanton (Guangzhou, China) oder Dejima (künstliche Insel in Nagasaki, Japan) verbot die lokale Regierung zudem die Anwesenheit von westlichen Frauen. Dies führte zu der Bildung von fast ausschließlich männlichen Gemeinschaften in frühen europäischen Handelsposten in Übersee. Gleichzeitig, so argumentieren kontrovers diskutierte Studien, sei die Abwesenheit strenger Sexualnormen und das Klischee der sexuellen Freizügigkeit und Zügellosigkeit in den Tropen ein Motor imperialer männlicher Expansion gewesen, da die für Europäer unerforschten Gebiete sexuelle Möglichkeiten darstellten.
Männlich dominierte, sexualisierte Vorstellungen der Entdeckung und Expansion hatten eine enorme Wirkmächtigkeit und erzählen uns viel über die Mechanismen und Weltbilder westlicher Imperien. Sehr anschaulich ist die Zeichnung „America“ (c. 1575) von Jan van der Straet, die Amerigo Vespuccis (c. 1451-1512) Ankunft in Amerika darstellt und zu einem Sinnbild westlicher Entdeckung wurde [Abb. 1].
Geschlecht und Sexualität: Inklusion und Exklusion im Zeitalter des Imperialismus
In der Geschichte von Kolonialismus und Imperialismus ist diese scheinbar widersprüchliche Gleichzeitigkeit von Hierarchisierung zwischen Westen und Nicht-Westen über Geschlecht und Sexualität immer wieder zu finden. Das Fortbestehen und Garantieren überwiegend männlicher Sexualfantasien und die potenzielle Unterwanderung männlicher Kontrolle durch ausschweifenden Sex sind ebenfalls wiederkehrende Themen. Wie bereits das Beispiel von Vespuccis Entdeckung Amerikas verdeutlicht hat, waren Fragen nach Geschlecht und Sexualität stets mit imperialen Ordnungsprinzipien verbunden. Sexualität ist dabei ein Faktor, durch den imperiale Herrschaftsverhältnisse konstruiert und bestätigt, aber eben auch unterlaufen werden konnte.
Seit dem 18. und zunehmend im 19. Jahrhundert entwickelten sich koloniale Gesellschaften in Afrika, Amerika und Asien, die sich in der Ausbreitung, Form und Organisation von den früheren Siedlungskolonien unterschieden. Dies markiert auch eine veränderte Zusammensetzung der Bevölkerung, denn zunehmend siedelten Kolonialverwalter, Plantagenbesitzer, private Händler, Soldaten und Arbeiter mit unterschiedlicher sozialer Herkunft in den Kolonien; zudem wuchs die Präsenz europäischer Frauen. Dieses neue soziale Gefüge war eng verbunden mit der Entwicklung des industrialisierten kapitalistischen Marktes, der Beschleunigung globaler Vernetzung und Mobilität, und dem Entstehen neuer Arbeitsverhältnisse, neuer Eliten, neuer Lebenswelten und neuer Herrschaftspraktiken. Wichtige Impulse dieser globalen Entwicklung kamen aus der Entstehung einer bürgerlichen Kultur, die auch ein neues Verständnis von Geschlecht und Sexualität hervorbrachte. Mit dieser Kultur waren nicht nur eine bestimmte soziale Herkunft, ökonomisches Kapital, Bildung oder Religion verbunden, sondern auch eine bestimmte Sexualität: in ihr gründeten die Körperbilder, Geschlechterrollen und Familienideale, über die sich die europäische Bourgeoisie identifizierte. Ein disziplinierter, gesunder und selbst-optimierter Körper galt als Grundlage von Bildung und Vernunft, ökonomischer Produktivität, politischer Mündigkeit, Staatsbürgerschaft und, ganz entscheidend, regulierter und bewusster Fortpflanzung.
Dieses Verständnis von Sexualität war eng verbunden mit neuen Vorstellungen von „Rasse“ – deren Ausprägungen im frühen 20. Jahrhundert in der neueren Forschung als „wissenschaftlicher Rassismus“ diskutiert werden – und entwickelte sich nicht isoliert in Europa, sondern bedurfte des Kontakts und Austauschs mit kolonialen Erfahrungen und ganz konkret mit dem „kolonialen Anderen“. Ein sehr plakatives Beispiel sind die Menschenschauen mit Saartjie Baartman, einer Khoi aus dem heutigen Südafrika, die auch unter dem diffamierenden Namen „Hottentottenvenus“ bekannt wurde. Wegen ihrer stark ausgeprägten primären und sekundären Geschlechtsmerkmale wurde Baartman in Südafrika, London und Paris ausgestellt und in Grafiken und Karikaturen porträtiert. Baartman sollte eine vermeintlich primitive Sexualität und Exotik darstellen, mit der die ebenso mutmaßlich zivilisierte Sexualität weißer Frauen kontrastiert werden konnte [Abb. 2].
Eine weitere weit verbreitete Inszenierung nicht-westlicher Sexualität sind die Fotografien barbusiger Frauen aus den Kolonien. In der Mehrzahl der zirkulierenden Bilder war nicht-westliche Sexualität eindeutig rassistisch mit Merkmalen wie Hautfarbe kodiert. Jedoch stellte sich die Verschränkung von Geschlecht und Sexualität mit „Rasse“ aber auch sozialer Herkunft im British Empire oftmals sehr viel komplexer dar als eine eindeutige Zweiteilung in weiß/europäisch und nicht-weiß/außereuropäisch. Der Umgang mit Konkubinat und Prostitution im British Empire veranschaulicht beispielsweise, wie imperiale Verwaltungen auf die angebliche Bedrohung sexueller Beziehungen zwischen weißen Kolonialisten und nicht-weißen Kolonisierten reagierten. Sie befürchteten, dass so genannte „Mischlinge“, unkontrollierter Sex sowie sexuell übertragbare Krankheiten die Reputation des Empires und die Legitimation kolonialer Herrschaft unterwandern und „Rassendegeneration“ fördern könnten. Obwohl die meisten Kolonialverwaltungen diesen intimen Beziehungen misstrauten und oftmals legale Hochzeiten verboten, duldeten die britischen Kolonialbehörden Konkubinat und Prostitution, u.a. als Verkörperung der Vormachtstellung des weißen Mannes gegenüber der nicht-weißen Frau, die häusliche und sexuelle Arbeit leistete. Dadurch beabsichtigten sie, den Zuzug von Frauen aus Europa in die Kolonien zu minimieren sowie die Disziplin, Gesundheit und Moral von Soldaten, Arbeitern und Angestellten zu kontrollieren.
Ebenso wollten sie gleichgeschlechtlichen Begegnungen zwischen Männern in den überwiegend männlichen Gemeinschaften entgegentreten, da zunehmend Homosexualität – ein Begriff aus dem 19. Jahrhundert – und nicht nur der sexuelle Akt der „Sodomie“ als Strafbestand verhandelt wurde. Aufgrund von Prostitution und Konkubinat konnten aber auch Gehälter von mittelständischen Angestellten des Empires gedrückt werden, ohne dass diese auf Bedienstete verzichten mussten. Dies war nicht allein eine ökonomische Kostenrechnung, sondern folgte dem politischen Kalkül, dass eine verarmte weiße Bevölkerung ohne entsprechenden Lebensstandard das Ansehen und die Legitimation des Empires schwächen könnte. Entsprechend dieser Logik unterlagen Prostituierte regelmäßigen Gesundheitskontrollen. Die Kolonialverwaltung beabsichtigte damit, sexuelle Begegnung zwischen weißen Männern und nicht-weißen Frauen frei von Geschlechtskrankheiten und ohne weitere familiäre Verpflichtungen zu regulieren; denn geschlechtskranke Kolonialisten galten gleichermaßen als Zeichen mangelnder kolonialer Kontrolle. Gleichzeitig diente die Existenz von Prostitution als mutmaßlicher Beweis für die „primitive Sexualität“ und Unterentwicklung der kolonisierten Frau und damit kolonisierter Gesellschaften im Allgemeinen, was Interventionen seitens der Kolonialverwaltungen rechtfertigte.
Ein großes Dilemma stellten jedoch die Nachkommen intimer Beziehungen zwischen Kolonialisten und Kolonisierten dar, mit denen die verschiedenen Kolonialverwaltungen unterschiedlich umgingen. Dennoch zeigen vergleichende Studien zur „Rassenmischung“ (métissage/miscegenation/mestizaje) in Französisch-Indochina und Niederländisch-Indien, dass es Imperien und Kolonien übergreifende Debatten über Inklusion und Exklusion gab. Diese machen deutlich, dass Hautfarbe und Herkunft allein nicht immer ausschlaggebend waren, ob Kinder weißer/nicht-weißer Partnerschaften offiziell anerkannt wurden oder nicht. Oftmals entschieden Gerichte darüber, ob diese Kinder bspw. die französische oder holländische Staatsbürgerschaft erhielten, ob sie in den Staatsdienst eintreten durften und damit Versorgungsansprüche an die jeweilige Regierung stellen konnten, oder ob Kinder ihren Eltern aberkannt wurden, um Privilegien der weißen Bevölkerung zu schützen. Dabei konnte das Maß an „Zivilisiertheit“ (civilité) durch Elternhaus, Bildung oder Manieren ebenso Einfluss auf die richterliche Entscheidung haben wie aktuelle Haushaltsdebatten in den Parlamenten der imperialen Metropolen. Dies verweist erstens auf die grenzüberschreitendenden Verflechtungen von kolonialen Peripherien und imperialen Zentren in den Bemühungen zur Trennung von Kolonialisten und Kolonisierten; zweitens wird dadurch deutlich, dass Weiß- sowie Nicht-Weiß-Sein auch in kolonialen Gesellschaften keine selbstevidenten Einheiten darstellten, sondern mit anderen Kriterien wie Geschlecht und Sexualität, aber auch Klasse, Bildung, Religion, Moral und dem konkreten politischen Klima eng verwoben waren.
Ähnlichkeiten und Uneindeutigkeiten: „sex trafficking“ und Migration
Intime Begegnungen über die colonial divide hinweg ereigneten sich jedoch nicht allein zwischen weißen Männern und nicht-weißen Frauen. Manche Frauen der weißen Oberschicht unterhielten außereheliche, hetero- wie homosexuelle Beziehungen. Auch Frauen der weißen Unterschichten hatten sexuelle Kontakte zu nicht-weißen Männern, wobei die von Sexarbeiterinnen wohl bisher am besten erforscht sind. Bereits zum Ende des 19. Jahrhunderts hatte sich ein globales Netzwerk von Zuhältern, Schleppern und Bordellbesitzern gebildet, die europäische Frauen bis nach Südamerika, Südasien und Ostasien brachten. Zivilgesellschaftliche Gegner – meist Moralreformer sowie Feministinnen – skandalisierten diesen Handel mit weißen Frauen als „White Slavery“ und veröffentlichten grauenvolle Geschichten über Schicksale weißer Frauen, die als passive Opfer von Schlepperbanden in den Bordellen und Opiumhöhlen Indiens und Chinas missbraucht worden wären. Auch wenn sich einige Frauen selbst dazu entschieden als Sexarbeiterinnen oder Unterhaltungsdamen in die Kolonien zu siedeln, kolportierten die Skandale um „White Slavery“ bereits länger bestehende Vorurteile: nämlich die Paranoia weißer Männer um die Verletzung der Unversehrtheit weißer Frauen, die durch eine Hypersexualität fremder, nicht-weißer Männer bedroht seien. „White Slavery“ galt also nach damaliger Meinung als Zeichen des Kontrollverlusts imperialer Ordnungen, da Sex zwischen weißen Frauen und nicht-weißen Männern – in den Kolonien sowie in den Metropolen – als Bedrohung wahrgenommen wurde für das männlich dominierte Herrschaftsgefüge und die Privilegien und Vormachtstellung der weißen „Rasse“.
Der moderne Handel von Frauen für Sexarbeit, Unterhaltung und häusliche Arbeiten verlief jedoch nicht nur einseitig von Europa aus nach Afrika, in die arabische Welt, nach Südasien oder Südamerika. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts brachten Schlepperorganisationen auch als karayukisan bezeichnete Frauen (wörtlich übersetzt: „Die, die nach China gehen“) aus meist verarmten Gegenden Japans zur Sexarbeit in verschiedene Länder Ostasiens, Südostasiens, Britisch-Indiens, Russlands und bis an die Westküste der USA. Dieses „Yellow Slave Trafficking“ war in Japan Teil eines etablierten Systems staatlich lizenzierter Prostitution – ähnlich dem in europäischen Metropolen wie Paris und Berlin – , in dem Frauen der sozialen Unterschichten männliche sexuelle Begierden befriedigen sollten und polizeilicher Kontrolle mit regelmäßigen Gesundheitschecks unterlagen. Das Lizenzsystem, das auch in Japans Kolonien Taiwan und Korea eingeführt wurde, war eingebettet in eine patriarchale Sexualitäts- und Familienpolitik, die Männern außerehelichen Sex ohne Geschlechtskrankheiten ermöglichen sollte, ohne dabei reproduktiven Sex zu gefährden.
Somit lassen sich Imperien übergreifend globale Ähnlichkeiten von patriarchalen, heteronormativen Herrschaftsverhältnissen feststellen, in denen meist nicht-weiße Frauen zur Kanalisierung männlicher Lust dienten. Diese stellten auch die Rahmenbedingungen, um bestimmten Frauen Keuschheit und Tugend zuzuschreiben und deren Körper als Symbol für Reinheit, Exklusivität und Reproduktion nationaler Gesellschaften und deren Privilegien zu erachten. Eine derartige Doppelmoral in der Geschlechterrollenverteilung lässt sich im British Empire genauso nachzeichnen wie im japanischen Kaiserreich, ebenso die ähnlichen Ängste männlicher Kolonialverwalter vor dem Verlust des imperialen Ansehens durch unkontrollierten und Geschlechtskrankheiten übertragenden Sex. Bei näherer Betrachtung waren die rassistisch und patriarchalisch kodierten Geschlechter- und Sexualitätsverhältnisse jedoch nicht immer eindeutig. Prostitution in den Kolonien des japanischen Empires beispielsweise bricht mit einer klassischen Einteilung in weiße Kolonialisten und nicht-weiße Kolonisierte, da die karayukisan eine Vielzahl von Kunden aus Europa, Ostasien und Südostasien bedienten und ihre Kontrolle nicht einer Ideologie der weißen Vormachstellung (white supremacy) unterlag, mit der sich die japanische Kolonialverwaltung hätte legitimieren können. Vielmehr musste sich Japan sogar gegenüber den westlichen Imperialmächten behaupten, was sich auch in einer rigorosen Kontrolle von japanischen Prostituierten zum Aufrechterhalten des Scheins vom „sauberen“ japanischen Empire äußerte. Ebenso ist der Blick auf die Verschränkungen von Geschlecht und Sexualität mit Klasse wichtig. Geschlecht bzw. in diesem Fall Frauen kann nicht vorschnell als Kollektivsingular betrachtet werden, der weltweit identischen androzentrischen Herrschaftsformen unterworfen ist. Denn Sexarbeiterinnen waren meist Frauen der Unterschichten, die aus Sicht der europäischen wie auch japanischen Verwaltungsakteure die gesunde und reproduktive Sexualität von Frauen der Oberschichten schützten aber gleichzeitig auch eine potenzielle Bedrohung für Reputations- und Kontrollverlust darstellten.
Die Vorstellungen eines derartigen Bedrohungsszenarios, das aus unmoralischer und kranker Sexualität resultiert, beeinflussten auch weltweit nationale Migrationspolitiken. In den USA waren bspw. ökonomische oder rassistische Gründe wie Angst vor Lohndumping und Fremdenfeindlichkeit nicht allein ausschlaggebend für den Erlass des Chinese Exclusion Act von 1882, um die Einwanderung von chinesischen Arbeiterinnen und Arbeitern massiv zu beschränken. Auch das etablierte Vorurteil der syphiliskranken chinesischen Prostituierten, die die Gesundheit und Moral der US-amerikanischen Gesellschaft bedrohen würden, war maßgeblich an der Entscheidung zum Ausschluss chinesischer Migration nach Amerika beteiligt. Zu den Formen unerwünschter Sexualität, die Amerikas soziale und ethnische Ordnung angeblich gefährdeten, zählten die Einwanderungsbehörden nicht nur Prostitution, sondern auch Homosexualität. Seit den 1950er Jahren versuchten sie, Homosexuelle von der Einwanderung in die USA ganz auszuschließen oder nur streng überwacht zuzulassen, und zwar mit der Begründung, dass Schwule und Lesben eine „psychopatische Persönlichkeit“ hätten und somit eine Bedrohung für die Nation darstellten.
Das Zusammenspiel von Geschlecht, Sexualität, "Rasse" und Klasse
Geschlecht und Sexualität waren und sind freilich keine Blaupausen, sondern immer Teil historisch spezifischer Machtverhältnisse. Gerade deshalb bieten geschlechts- und sexualitätsgeschichtliche Untersuchungen vielfach Möglichkeiten, um genau hinzuschauen und globalhistorische Ähnlichkeiten, Verflechtungen sowie Unterschiede in Herrschaftspraktiken, Ordnungsprinzipien und deren Erfahrungen in imperialen und (post-)kolonialen Alltagen zu untersuchen. Obwohl die hier diskutierten Ausführungen nur einige Facetten moderner Imperialismen und (post-)kolonialer Konstellationen ansprechen, sollten diese dennoch verdeutlichen, dass sich Geschlecht und Sexualität als höchst bedeutsame wie vielversprechende Themen und Perspektiven erweisen. In allen hier angeführten Beispielen zeigt sich u.a. deutlich, wie die Aspekte Geschlecht und Sexualität meist in ihrer Verschränkung mit „Rasse“ und Klasse besonders wirkmächtig waren. Dabei leisten geschlechts- und sexualitätsgeschichtliche Studien auch für gegenwärtige und zukünftige Lebensweisen einen besonders wichtigen Beitrag. Denn sie beweisen, dass Kategorien wie Geschlecht und Sexualität niemals ahistorische, biologisch determinierte Konstanten sind, sondern immer eine Geschichte haben und dementsprechend wandel- und verhandelbar waren – und auch bleiben.