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Analyse: Das öffentliche Beschaffungswesen in der Ukraine: Hintergründe und Einschätzungen des Reformprozesses | Ukraine-Analysen | bpb.de

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Analyse: Das öffentliche Beschaffungswesen in der Ukraine: Hintergründe und Einschätzungen des Reformprozesses

Susan Stewart

/ 10 Minuten zu lesen

Bei der Verteilung von öffentlichen Geldern ist die Frage nach Transparenz nicht unerheblich, ebenso wie die Rolle von zivilgesellschaftlichen, aber auch wirtschaftlichen Akteuren. Seit dem Regierungswechsel lässt sich ein Wandel in Prozessen des öffentlichen Beschaffungswesens verzeichnen.

Nicht nur im Fall des Auschreibungsprozess für die Europäische Fußballmeisterschaft 2012 ist die Rolle ukrainischer Oligarchen wie Rinat Achmetow umstritten. (© picture-alliance/dpa)

Das öffentliche Beschaffungswesen ist ein Schlüsselbereich für die Bekämpfung der Korruption in der Ukraine. Ein Vergleich mit der Janukowitsch-Präsidentschaft zeigt, dass seit 2014 wichtige Fortschritte gemacht wurden, um diesen Bereich transparenter und fairer zu gestalten. Dies liegt insbesondere am gesteigerten Einfluss zivilgesellschaftlicher Kräfte in der Ukraine sowie an den Bemühungen externer Akteure. Gefahren für die Weiterentwicklung der Reform sind allerdings weiterhin vorhanden; sie wurzeln im neopatrimonialen Charakter des ukrainischen Regimes. Dieser macht sich im Fall des öffentlichen Beschaffungswesens in den Elitenetzwerken bemerkbar, die u. a. einen starken Einfluss wirtschaftlicher Akteure auf das ukrainische Parlament ermöglichen.

Einleitung

Die Entwicklung der Reformen im öffentlichen Beschaffungswesen in der Ukraine verrät einiges über den Charakter des politischen Regimes sowie über seine Bereitschaft, auf externe Forderungen einzugehen. Öffentliche Beschaffungen sind in den meisten Ländern ein sensibler Bereich, in dem Probleme mit Transparenz und fairem Wettbewerb weitverbreitet sind. Da der Staat erhebliche Gelder zur Verfügung stellt, treffen in dieser Sphäre einflussreiche politische und wirtschaftliche Interessen aufeinander. Dabei ist das öffentliche Beschaffungswesen ein Bereich, der für externe Partner in politischer wie ökonomischer Hinsicht von großem Interesse ist. Zum einen stellen die Entscheidungsprozesse über die Verteilung von Geldern für staatlich finanzierte Projekte einen Lackmustest für zentrale Aspekte von Demokratisierung und guter Regierungsführung dar. Zum anderen beeinflussen die Regeln des öffentlichen Beschaffungswesens die Möglichkeiten ausländischer Unternehmen, gleichberechtigt mit einheimischen Firmen an Ausschreibungen für lukrative Projekte teilzunehmen. Wie die öffentlichen Beschaffungen gestaltet werden spielt deshalb eine Rolle für die Wahrnehmung des Geschäftsklimas durch externe Wirtschaftsakteure.

Ein Vergleich zwischen den Phasen vor und nach 2014 im Bereich der öffentlichen Beschaffungen kann hilfreich sein, um Schlussfolgerungen über die Art und die Tiefe der Änderungen zu treffen, die die Ukraine in den letzten drei Jahren vollzogen hat. Sicherlich kann die Auseinandersetzung mit lediglich einem Bereich nur bedingt aufschlussreich sein, besonders in einer Phase, in der die Ukraine auf zahlreichen Ebenen und in vielen Sphären wesentliche Reformen versucht. Dennoch werden bestimmte generalisierbare Tendenzen sichtbar.

In dieser Analyse wird der Fokus auf einen Vergleich der Janukowitsch-Präsidentschaft (2010–2014) mit dem Zeitraum seit Februar 2014 gelegt. Die Janukowitsch-Phase stellt eine Etappe dar, in der negative Merkmale des ukrainischen Regimes sich schneller und ausgeprägter entwickelten als in früheren Phasen. Diese Feststellung sollte allerdings nicht davon ablenken, dass wichtige Fundamente für den Umgang von Janukowitsch und seiner Entourage mit öffentlichen Geldern bereits während der Präsidentschaften von Leonid Kutschma und Viktor Juschtschenko gelegt bzw. gefestigt wurden. Auch wenn die entsprechende gesetzliche Grundlage weitgehend in Ordnung war, wurden Mechanismen geschaffen, die Intransparenz und die illegitime Bevorzugung bestimmter Akteure ermöglicht haben. Insbesondere zu nennen wäre hier die "Ausschreibungskammer", die zwischen 2004 und 2008 für Entscheidungen über die Vergabe öffentlicher Gelder zuständig war und als Nicht-Regierungsorganisation keiner Aufsicht unterlag. Zwischen 2008 und 2010 wurde das öffentliche Beschaffungswesen hauptsächlich durch Resolutionen des Ministerkabinetts gesteuert, was eine Manipulierung bestimmter Ausschreibungen begünstigte.

Bereits diese Beispiele weisen auf einige Probleme hin, die das öffentliche Beschaffungswesen (nicht nur) in der Ukraine begleiten. Es erscheint lohnenswert, einige Faktoren herauszustellen, die dafür verantwortlich waren, dass dieser Bereich zum Schlüssel zur Ausplünderung des Landes durch einen engen Elitenkreis werden konnte. Von erheblicher Bedeutung für die problematische Entwicklung in dieser Sphäre waren: 1) die Menge des zur Verfügung stehenden Geldes; 2) die Intransparenz der entsprechenden Vergabeverfahren; 3) der Einfluss wirtschaftlicher Akteure auf das ukrainische Parlament; 4) die Rolle externer Akteure; 5) die Rolle der ukrainischen Zivilgesellschaft. Ein Vergleich dieser Faktoren in den beiden hier analysierten Phasen ermöglicht Schlussfolgerungen über den Charakter und die Nachhaltigkeit von Reformprozessen im ukrainischen Kontext.

Merkmale des öffentlichen Beschaffungswesens unter Janukowitsch

Unter Janukowitsch wurden bis zu 75 % des Staatshaushalts für öffentliche Beschaffungen ausgegeben. Als Präsident hat er selbst zugegeben, dass zwischen zehn und fünfzehn Prozent des Staatshaushalts pro Jahr durch Korruption im öffentlichen Beschaffungswesen verloren gegangen sind. Er nannte dabei die Summe von 7,4 Mrd. US-Dollar. Nach seinem Sturz haben offizielle Vertreter der neuen Regierung unter Arsenij Jazenjuk behauptet, dass die verlorenen Gelder eher 11 Mrd. US-Dollar jährlich betrugen. Hierbei seien 75 % der öffentlichen Beschaffungen "manipuliert" worden.

Trotz der zuerst einigermaßen zufriedenstellenden Gesetzeslage war die Intransparenz der Entscheidungen in diesem Bereich sehr hoch. Dies lag teilweise daran, dass Gesetzesvorschriften ungestraft umgangen bzw. ignoriert wurden. Mit der Zeit fing man an, diese Vorgehensweise zu legalisieren, indem man Gesetzesänderungen vornahm, die für konkrete Personen oder Unternehmen bzw. Branchen von Vorteil waren. Für die Europäische Fußballmeisterschaft 2012 wurde der übliche Ausschreibungsprozess ausgesetzt, so dass Ausschreibungen mit lediglich einem Bieter legal durchgeführt werden konnten. Dieser Schritt stellte erst den Anfang einer ganzen Reihe von Gesetzesänderungen dar, die Ausnahmen für immer mehr (Teil-)Sektoren schufen und dadurch die Intransparenz der Entscheidungen über öffentliche Beschaffungsmaßnahmen wesentlich erhöhten.

Dass zahlreiche Gesetzesänderungen durchgehen konnten, die in der Folge spezifische Akteure bei der Vergabe öffentlicher Gelder begünstigten, weist auf ein System von klientelistischen Netzwerken hin, die erheblichen Einfluss auf das ukrainische Parlament unter Janukowitsch ausübten. Solche Netzwerke zeugen von einem neopatrimonialen Regime, bei dem informelle Beziehungen und Praktiken die demokratischen Funktionen von formellen Institutionen aushöhlen. Hiermit verknüpft ist auch das Problem der Interessenkonflikte, die in der Ukraine zahlreich vorhanden sind, ohne dass es effektive Mechanismen gäbe, um sie zu identifizieren, geschweige denn zu bearbeiten. Die Natur und Anzahl solcher Konflikte weist auf eine gefährliche Symbiose von Politik und Wirtschaft hin, die sich in der Janukowitsch-Phase stark verdichtet hat. Die genannten Regimemerkmale, die sich am Beispiel der öffentlichen Beschaffungen veranschaulichen lassen, stellen eine wesentliche Gefahr für Rechtsstaatlichkeit in der Ukraine dar.

Der Einfluss westlicher Akteure auf das Janukowitsch-Regime blieb aus mehreren Gründen eher schwach. Trotz der fortschreitenden Ausplünderung der Staatskassen durch die Eliten kam das Land erst gegen Ende der Janukowitsch-Phase in einen Zustand des de facto Bankrotts. In dieser Situation nutzte Janukowitsch die Möglichkeit, auf Angebote aus Russland zurückzugreifen, die zumindest kurzfristig gesehen günstig erschienen. Kurz vor dem Gipfel zwischen der EU und den Staaten der Östlichen Partnerschaft im November 2013 hat der russische Präsident Wladimir Putin der Ukraine sowohl einen Kredit im Wert von 15 Mrd. US-Dollar als auch einen erheblich reduzierten Preis für russisches Erdgas angeboten. Obwohl die abgesprochenen Gegenleistungen für diesen Deal nicht bekannt sind, scheint es vom Timing her klar, dass Janukowitsch zumindest seine Unterschrift unter dem Assoziierungsabkommen mit der EU verweigern sollte, wie dies beim November-Gipfel auch geschehen ist.

Die russischen Angebote waren für Janukowitsch überzeugender als diejenigen der EU, weil sie eine schnelle finanzielle Erleichterung versprachen und mit weniger expliziten Bedingungen verknüpft waren. Daher wurden sie auch als weniger bedrohlich für die Zukunft des Janukowitsch-Netzwerks wahrgenommen. In dieser Situation hatte die EU kaum Möglichkeiten, effektiv auf Reformen in konkreten Bereichen wie dem öffentlichen Beschaffungswesen zu drängen. Dies traf für andere Akteure wie den IWF oder die Weltbank genauso zu.

Während der Janukowitsch-Präsidentschaft haben einige zivilgesellschaftliche Akteure versucht, Einfluss auf die Entwicklung im Bereich der öffentlichen Beschaffungen zu nehmen. Die Organisation Naschi Hroschi (Unser Geld) hat eine wichtige Monitoring-Rolle gespielt und Aufmerksamkeit auf die Höhe der involvierten Summen und auf Transparenzprobleme gelenkt. Außerdem wurde die Koalition "Für die Integrität der öffentlichen Beschaffungen" von einer Reihe von Nichtregierungsorganisationen sowie Medien und einigen Unternehmen gegründet, um die Entwicklung der Gesetzgebung in diesem Bereich zu beeinflussen. Allerdings waren solche Initiativen im Vergleich zu den relevanten politischen und wirtschaftlichen Akteuren mit wenigen Ressourcen ausgestattet.

Hinzu kam, dass keine Tradition der effektiven Einbeziehung zivilgesellschaftlicher Akteure in den politischen Prozess existierte und solche Akteure meistens von Politik und Wirtschaft mit großer Skepsis behandelt wurden, auch wegen des Interesses vieler Politiker und Unternehmer an der Beibehaltung intransparenter Strukturen. Seitens externer Akteure wie der EU existierte eine klare Bereitschaft, ukrainische zivilgesellschaftliche Akteure in den Prozess einzubinden. Oft beschränkte sie sich allerdings auf eine allgemeine Unterstützung für solche Akteure, statt eine Zusammenarbeit mit ihnen in konkreten Bereichen zu implizieren. Es gab zwar eine begrenzte Kooperation zwischen Akteuren wie der Weltbank und der ukrainischen Zivilgesellschaft in Bezug auf das öffentliche Beschaffungswesen, aber diese blieb punktuell und hatte keinen wesentlichen Einfluss auf die Entwicklung in diesem Bereich.

Die Entwicklung des öffentlichen Beschaffungswesens seit 2014

Nach Angaben des ukrainischen Ministeriums für Wirtschaft und Handel fließen zurzeit etwa 13 % des BIP in die öffentlichen Beschaffungen. Das entspricht für das Jahr 2015 etwa 11,8 Mrd. US-Dollar. Einschätzungen der durch Korruption bei öffentlichen Beschaffungen verlorenen Summen sind rar geworden, da die Betonung der meisten Beobachter jetzt auf den positiven Effekten der Reformen in diesem Bereich seit 2014 liegt. Hierbei geht es insbesondere um die Einführung des für die Ukraine von ehrenamtlichen Spezialisten entwickelten und zeitweilig unter dem Dach von Transparency International betriebenen Systems für elektronische öffentliche Beschaffungen "ProZorro". Der Name bezieht sich auf das ukrainische Wort für Transparenz: prozorist'.

Seit dem 1. August 2016 müssen alle öffentlichen Beschaffungen von Waren und Dienstleistungen über einem Wert von 200.000 Hrywnja (zum derzeitigen Wechselkurs knapp 7.000 Euro) sowie von Sachleistungen über 1.500.000 Hrywnja (gut 50.000 Euro) elektronisch abgewickelt werden. Hierbei werden wesentliche Informationen über Bieter und Angebote zum jeweiligen Verfahren öffentlich gemacht. So können informelle Absprachen weitgehend ausgeschaltet werden. Allerdings weisen kritische Beobachter darauf hin, dass miteinander liierte Unternehmen gleichzeitig bieten können, um Konkurrenz vorzutäuschen, und so erstens die Kosten des jeweiligen Projekts in die Höhe treiben und zweitens staatliche Gelder innerhalb ihres Netzwerks aufteilen. Die bisher existierenden Manipulationen werden so durch ProZorro wesentlich reduziert, aber nicht komplett ausgeschlossen.

ProZorro stellt den bislang wichtigsten Schritt auf dem Weg zur Beseitigung der weitverbreiteten Korruption im öffentlichen Beschaffungswesen dar. Darüber hinaus ist auch der breitere Kontext der Gesetzgebung und deren Umsetzung relevant. Seit dem Frühjahr 2014 wurde das entsprechende Gesetz mehrmals geändert, um problematische Ausnahmen und Möglichkeiten für korrupte Praktiken abzuschaffen. Im Februar 2016 wurden schließlich Änderungen eingefügt, die die vollständige Implementierung des ProZorro-Projekts in zwei Schritten ermöglicht haben. So wurden ab April 2016 alle Einrichtungen der nationalen staatlichen Exekutive sowie Monopolisten gezwungen, ihre öffentlichen Beschaffungen über ProZorro durchzuführen. Seit dem 1. August 2016 gilt dies auch für alle anderen Akteure.

Offensichtlich ist es gelungen, die notwendige Mehrheit im Parlament für diese Änderungen zu erhalten. Allerdings blockierte das Parlament ein Gesetz, das die oben beschriebene Vortäuschung von Wettbewerb durch miteinander kooperierende Firmen erschwert hätte. Dies weist darauf hin, dass der Einfluss von Wirtschaftsinteressen auf die Legislative weiter besteht. Unter anderem geschieht dies durch den Einfluss einiger ukrainischer Oligarchen (vor allem Ihor Kolomojskij aber auch Rinat Achmetow) auf das Abstimmungsverhalten einer bedeutenden Zahl von Abgeordneten. Eine Welle von Änderungsanträgen zum reformierten Gesetz, die der ähnelte mit der die Bestimmungen 2012 unter Janukowitsch ausgehöhlt wurden, konnte 2014 allerdings durch intensiven internationalen und internen zivilgesellschaftlichen Druck gestoppt werden.

Der internationale Druck weist auf die Bedeutung externer Akteure hin, die in der veränderten innenpolitischen und regionalen Lage seit dem Majdan und der anschließenden russischen Aggression erheblich zugenommen hat. Dies gilt nicht zuletzt für das öffentliche Beschaffungswesen. So widmet nicht nur der Internationale Währungsfonds (IWF) dem Bereich Aufmerksamkeit im Rahmen seiner konditionierten Unterstützung für die Ukraine, sondern externe Akteure (von deutscher Seite namentlich die GIZ) haben auch die Entwicklung von ProZorro finanziert.

Diese Unterstützung schmälert allerdings nicht den beeindruckenden Einsatz ukrainischer Aktivisten und einiger Beamten, die maßgeblich für die Fortschritte im Bereich der öffentlichen Beschaffungen verantwortlich sind. Damit ist der Einfluss zivilgesellschaftlicher Akteure in der Ukraine auf diese Sphäre auch schon angesprochen. Der Organisationsgrad und die Entschlossenheit dieser Akteure sind seit 2014 erheblich gewachsen. Es gibt zudem mehr Personen in politischen Strukturen, die bereit sind, mit diesen Akteuren ernsthaft zusammenzuarbeiten. Außerdem finden sie Verbündete in der internationalen Gemeinschaft. All diese Aspekte haben bei der Reform des öffentlichen Beschaffungswesens eine Rolle gespielt. ProZorro ist aus Aktivistenkreisen gewachsen und wurde anschließend auf Initiative des Stellvertretenden Wirtschaftsministers Maksim Nefjodow vorangetrieben und in seinem Ministerium betreut – mit Hilfe von ausländischen Akteuren.

Schlussfolgerungen und Empfehlungen

Bezogen auf die Höhe der involvierten Summen ist das öffentliche Beschaffungswesen von zentraler Bedeutung für die Bekämpfung der Korruption und die Konsolidierung der Staatsfinanzen. Ein Vergleich der Janukowitsch-Präsidentschaft mit der Phase seit Februar 2014 zeigt deutliche Unterschiede. In der Zeit nach Janukowitsch haben die Möglichkeiten der Einflussnahme sowohl bei externen Akteuren (EU, IWF, Weltbank) als auch bei Teilen der ukrainischen Zivilgesellschaft erheblich zugenommen. Die Forderungen und der Einsatz solcher Akteure im Bereich öffentlicher Beschaffungen haben zu einer greifbaren Reduzierung von Intransparenz bei Schlüsselverfahren wie Ausschreibungen geführt. Allerdings haben weder externe Akteure noch die ukrainische Zivilgesellschaft es geschafft, den Einfluss wirtschaftlicher Akteure auf das ukrainische Parlament zu unterbinden.

Dies weist darauf hin, dass zentrale Elemente eines neopatrimonialen Systems, das auf klientelistischen Netzwerken basiert und sich informeller Absprachen bedient, in der Ukraine noch vorhanden sind. Die Bekämpfung dieser Aspekte und die Herstellung einer größeren Transparenz bei öffentlichen Verfahren und der Vergabe staatlicher Gelder lassen sich am effektivsten durch die Zusammenarbeit zwischen externen Akteuren und ukrainischen zivilgesellschaftlichen Aktivisten realisieren.

Dieser Befund gilt nicht nur für den Bereich der öffentlichen Beschaffungen, sondern auch für zahlreiche andere Sphären in der Ukraine, in denen Reformen stattfinden bzw. stattfinden sollten. Was das öffentliche Beschaffungswesen konkret betrifft, ist zu erwarten, dass sich Widerstand gegen die bislang eingeführten Reformmaßnahmen regt, vor allem im Hinblick auf besonders lukrative Ausschreibungen. Die neuen Regeln und das ProZorro-System der elektronischen Ausschreibungen gelten erst seit sechs Monaten für alle Vorhaben im Bereich der öffentlichen Beschaffungen. Ein genaues Monitoring der Entwicklung in dieser Sphäre wird dringend notwendig sein. Noch wichtiger bleibt die Frage, wie man neopatrimoniale Strukturen, die (nicht nur) im ukrainischen Fall von einer Symbiose zwischen Politik und Wirtschaft gekennzeichnet sind, nachhaltig abbauen kann.

Lesetipps

  • Susan Stewart, "Public Procurement Reform in Ukraine: The Implications of Neopatrimonialism for External Actors”, Demokratizatsiya: The Journal of Post-Soviet Democratization, Vol. 21, No. 2, Spring 2013, Special Issue on Ukraine: Politics and Society, 197–214.

  • Iryna Solonenko, "When the EU makes a difference in Ukraine’s reform process: the cases of public procurement and judiciary”, University of Ottawa, Danyliw seminar paper series, http://www.ukrainianstudies.uottawa.ca/pdf/P_Danyliw2011_Solonenko.pdf.

  • Steffen Halling und Susan Stewart, "Die "Deoligarchisierung" in der Ukraine: Vielversprechende Visionen, trübe Realitäten", SWP-Aktuell 2016/A 69, November 2016, https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2016A69_hll_stw.pdf.

Fussnoten

Dr. Susan Stewart ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin.