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Analyse: Welche Wirkung erzielt "Russia Today" über "YouTube"? | Russland-Analysen | bpb.de

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Analyse: Welche Wirkung erzielt "Russia Today" über "YouTube"?

Anthony Livshen, Elizabeth Nelson und Robert Orttung Autoren

/ 16 Minuten zu lesen

Der "Westen" auf der einen Seite - "Russland" auf der anderen: Die nationalen Ausgaben von "Russia Today" zeichnen ein polares Weltbild mit klaren Grenzen. Diese Analyse hat sich die Nachrichtenformate von "Russia Today" angeschaut. Welche Strategien lassen sich ausmachen? Und wie kommt das in den jeweiligen Zielgruppen an?

Russia Today (RT) sendet neben dem englischsprachigen Hauptprogramm auch für sieben weitere Länderausgaben. (© picture-alliance/dpa)

Publikumsorientierte Botschaften

Russische Propaganda, insbesondere die von RT, ist sorgfältig und nuanciert auf unterschiedliche Zuschauergruppen ausgerichtet; dabei soll der Westen anhand dessen eigener Kriterien unterminiert werden, Glaubwürdigkeit aufgebaut werden, indem über weniger prominente Stimmen in regionalen Nachrichten berichtet wird, und es werden Human Interest-Beiträge (als click-bait, "Klick-Köder") eingesetzt, um Zuschauer zu gewinnen. Dieser Ansatz lässt sich auch an den YouTube-Kanälen von "Russia Today" studieren, die in den englischsprachigen Hauptkanal (RT) und die Kanäle RT Amerika, RT Arabisch, RT Spanisch, RT Deutsch, RT Französisch, RT Großbritannien und RT Russisch aufgegliedert sind. Durch eine Aufteilung des Publikums nach sprachlichen Merkmalen setzt RT durch eine unterschiedliche Berichterstattung für jedes einzelne Publikum natürlich jeweils andere Prioritäten.

Russlands Propagandamaschine

Russland hat eine vielfältige, fein elaborierte Propagandamaschine entwickelt, um die Botschaften des Kreml weltweit zu verbreiten. Unsere Analyse konzentriert sich auf RT, da es die größte und sichtbarste der Propaganda-Sparten ist, über ein großes Budget verfügt und auf mehreren Sprachen über eine ganze Reihe von Plattformen Zuschauer erreicht. Zudem ist RT am leichtesten zu verfolgen; es gibt Instrumente zu einer ungefähren Abschätzung der Effizienz des Senders an die Hand, da YouTube registriert, wie oft ein Video aufgerufen wurde.

RT hat einen Jahreshaushalt von rund 236 Millionen US-Dollar (auch wenn diese Zahl ständig revidiert und nicht alle Mittel offengelegt wurden). Nach Angaben des Senders ist RT zwei Milliarden Mal auf YouTube aufgerufen worden, und allein der Hauptkanal, das englischsprachige RT, zählt fast anderthalb Millionen Abonnenten. 2014 betrug das Budget von RT 445 Millionen US-Dollar (bei einem Kurs von 30,5 Rubel pro Dollar). Im September 2014 berichtete die "BBC", dass die russische Regierung plane, den Haushalt von RT um 40 Prozent aufzustocken. Trotzdem musste RT seither eine Kürzung von 10 Prozent gegenüber 2014 hinnehmen. Hinzu kommt, dass rund 80 Prozent der Ausgaben von RT im Ausland anfallen und der Wert des Rubel stark abgesackt ist, so dass russische Offizielle erklärt haben, das Budget von RT werde 2015 doch nur 236 Millionen US-Dollar betragen. Es scheint allerdings, dass die Regierung Russlands RT weiterhin als wertvolle Plattform betrachtet und die Finanzierung beibehalten will – im Mai 2015 startete RT einen neuen Kanal in chinesischer Sprache (Dieser neue Kanal ist leider zu spät eingerichtet worden, um in unseren Daten berücksichtigt zu werden. Er belegt jedoch, dass die russische Regierung RT als erfolgreich genug einschätzt, um dessen Finanzierung fortzusetzen und das Programm sogar auszubauen, trotz der wirtschaftlich schwierigen Zeiten).

RT hatte mit Stand vom 10. Juni 2015 für sein "Flaggschiff", den englischsprachigen Hauptkanal, 1.520.000 Abonnenten, 255.000 Abonnenten für RT Amerika, 2.000 für RT Großbritannien, 7.000 für RT Französisch, 392.000 für RT Spanisch, 512.000 für RT Russisch, 31.000 für RT Deutsch und 304.000 für RT Arabisch. Dabei ist die Zahl der Zuschauer (Aufrufe) pro Monat noch beeindruckender. Unseren Monatsdaten zufolge betrug die durchschnittliche monatliche Zuschauerzahl von RT von Ende Januar 2015 bis Ende Mai 2015 beim Hauptkanal RT Englisch (Stand: 20. Mai) 8.718.971, bei RT Russisch 15.295.219, bei RT Spanisch 5.874.330, bei RT Arabisch 4.688.739, bei RT Deutsch 1.423.909, bei RT Amerika 1.062.460, bei RT Französisch 645.551 und bei RT Großbritannien 25.477 (s. Grafik 1). Diese Daten verdeutlichen, dass RT für sein englischsprachiges "Flaggschiff" eine große Zuschauerschaft gewinnen konnte, und auch über ein großes russischsprachiges, spanischsprachiges und arabischsprachiges Publikum verfügt. Der deutschsprachige und der amerikanische Kanal sind weniger populär, weisen aber monatlich über eine Million Aufrufe auf. Die Kanäle RT Französisch und RT Großbritannien sind mit 2.000 bis 7.000 Abonnenten relativ klein.

RT brüstet sich oft damit, das Nachrichten-Netzwerk Nr. 1 auf YouTube zu sein, mit einer Rekordzahl von zwei Milliarden Aufrufen seit seinem Start (mittlerweile sind es 3 Milliarden). Nach Angaben von RT ist der Sender für 700 Millionen Menschen in über 100 Ländern auch als TV-Format zugänglich. Bei dieser unglaublichen Reichweite und der höchst tendenziösen Berichterstattung von RT ist es keine Überraschung, dass die Strategie von RT und dessen Wirksamkeit zu wichtigen Themen in der akademischen und außenpolitischen Diskussion geworden sind.



Die Datenbasis

Dieser Beitrag analysiert Daten der YouTube-Kanäle von RT vom 20. Januar bis zum 19. Mai 2015, die grob in Monatspaketen erhoben wurden, d. h. die Aufrufe wurden von dem Augenblick, als das Video in jenem Monat eingestellt wurde, bis zum Zeitpunkt der monatlichen Datenerhebung akkumuliert; dieser Wert wird dann bei der Zählung Aufrufe pro Monat genutzt. Diese Methode wurde gewählt, um eine Zufallsauswahl an Videos in den unterschiedlichen Phasen ihres Lebenszyklus zu erfassen. Hiermit soll auch die Ermittlung eines Proxy-Werts (ausgedrückt als Anteil von Videos zu einem bestimmten Thema an der Gesamtzahl aller Videos) für den relativen "Aufwand" ermöglicht werden, den RT einem Thema widmet.

Die täglichen Aufrufzahlen wären natürlich ebenfalls ein interessanter Wert, doch gab es hierfür keinen offensichtlichen Vergleichspunkt hinsichtlich der Zahl der Videos, die pro Monat hochgeladen werden, da nicht alle Themen täglich abgedeckt werden. Unsere Datenbasis umfasst derzeit 10.957 Videos aus allen RT-Kanälen auf YouTube. Jeder gesammelte Datensatz enthält Angaben zum RT-Kanal, Titel des Videos, die URL und die Zahl der Aufrufe, die von YouTube über den Monitoringdienst für soziale Netzwerke "Quintly" erhoben wird. Allerdings sind in den vier Monaten insgesamt 210 Videos herausgenommen worden, weil der Video-Link defekt war, was eine Kategorisierung verhinderte, oder weil sie unter keiner der unten skizzierten Kategorien zu fassen waren. Die herausgenommenen Videos waren nicht bei einem der Kanäle konzentriert und für gewöhnlich entweder inhaltlich nicht identifizierbar oder stellten Sendungen dar, in denen eine Person einen Wochenrückblick bot.

Methodologie

Für eine inhaltliche Einordnung der RT-Beiträge wurden diese entsprechend der in Tabelle 1 auf der nächsten Seite aufgeführten Kategorien unterteilt. Die Kategorien sind vor allem geographischer Natur, doch unterschieden wir auch Videos zu Human Interest- und Technologiethemen, die keinen geographischen Schwerpunkt haben.

Grenzübergreifende Berichte lassen sich nur schwer kategorisieren, doch haben wir allgemein die Kategorisierung anhand der Überlegungen vorgenommen, durch die der Bericht motiviert wurde. So wurden beispielsweise Berichte über Südamerika, in denen es in Wirklichkeit um die Stellungnahme eines russischen Offiziellen zu Südamerika geht, der Kategorie "Russland" zugeordnet, da von dem Ereignis nicht berichtet worden wäre, wenn sich ein Vertreter eines anderen Landes geäußert hätte. Hinsichtlich der Ukraine wurden alle Berichte, die sich auch auf die Ukraine beziehen, der Kategorie "Ukraine" zugeteilt, selbst dann, wenn andere Akteure präsent sind.

Die unterschiedlichen Kanäle von RT haben unterschiedlich große Zuschauerzahlen und platzieren unterschiedlich viele Videos. Also betrachteten wir nicht die absolute Anzahl der Videos pro Monat und die absoluten Zuschauerzahlen, die diese Videos erzielten, sondern verglichen die Anteile. So wurde der prozentuale Anteil aller Videos einer Kategorie an allen Videos, die pro Monat hochgeladen wurden, als Proxy für den Grad der Aufmerksamkeit genommen, die RT auf die entsprechende Region oder ein Thema richtet. Der Anteil der Aufrufe an der Gesamtzahl der Aufrufe des Kanals im entsprechenden Monat wurde als Proxy für das Zuschauerinteresse an der Darstellung des Themas durch RT verwendet. Nehmen wir beispielsweise (rein hypothetisch) an, dass das englischsprachige Flaggschiff von RT von Januar bis Februar zu 40 Prozent aus Videos mit Ukraine-Bezug besteht, aber nur 10 Prozent der Aufrufe in diesem Monat Ukraine-Videos galten, dann könnten wir sehen, dass die Berichterstattung von RT zur Ukraine im Vergleich zur Menge der Berichte wenig Erfolg aufweist.



Analyse und Diskussion

RT verfügt über eine ausgefeilte Strategie, um sein ausländisches Publikum zu erreichen. Zum einen richtet es unterschiedliche Nachrichten-Mixe an die unterschiedlichen Zuschauergruppen. Zweitens ist dieses Vorgehen nicht statisch, da die Berichterstattung von RT zu Ereignissen und Themen mit dem populären Nachrichtenzyklus geht. Drittens behält RT, selbst wenn es seine Berichterstattung auf das jeweilige Publikum zuschneidet, eine ideologische Ausrichtung bei, die in der Berichterstattung zu den Vereinigten Staaten, zu Europa und der Ukraine besonders sichtbar wird. Schließlich versucht RT hinsichtlich des Inhalts der Videos, dem Westen dadurch entgegenzutreten, dass es diesen anhand der selben Kriterien angreift, nach denen westliche Länder Russland kritisieren: Demokratie, Freiheit, Transparenz, Gerechtigkeit und Effizienz. Zweck dieser Berichte ist es, die "Lufthoheit" des Westens dadurch zu unterminieren, dass in den Köpfen des Publikums in den Regionen der Welt Zweifel an der Fähigkeit des Westens genährt werden, den eigenen Werten gerecht zu werden. RT setzt darüber hinaus Human Interest-Beiträge und Berichte ohne ideologischen Gehalt ein, um Zuschauer für seine Kanäle zu gewinnen.

Die Wirksamkeit der Strategie von RT variiert zwischen der Vielzahl unterschiedlicher Kanäle und Regionen. Bei einigen Kanälen ist der Nachrichtenmix erfolgreich, indem er entsprechende Zuschauerzahlen erzeugt, während andere nicht in der Lage sind, eine erhebliche Anzahl von Zuschauern anzuziehen oder Zuschauer auf die vom Kreml gewählten Botschaften einzustimmen.

Die Distribution der Videos des Hauptkanals von RT in Grafik 2 auf der nächsten Seite zeigt, wie RT seine Prioritäten unter Berücksichtigung des aktuellen Nachrichtenzyklus anpasst. Die Grafik zeigt den allmonatlichen Anteil der RT-Videos der unterschiedlichen Kategorien und die Aufrufzahlen dieser Videos im Verhältnis zur Gesamtzahl der Aufrufe des Kanals für den jeweiligen Monat. Bei jeder Kategorie steht der jeweils erste Balken (in Goldton) für den Anteil der Videos, während der jeweils nachfolgende Balken (in wärmeren Tönen) den Anteil der Aufrufe dieses Videos darstellt.



Während der Anteil vieler Themen über die vier Monate hinweg unverändert blieb, nahm die Aufmerksamkeit für die Ukraine mit der Zeit ab, während sich gleichzeitig die Konzentration auf Russland erhöhte. Sobald die Ukraine zu einem weniger populären Thema wurde, fuhr RT seine Berichterstattung zur Ukraine herunter und intensivierte seine Berichterstattung zu Russland, um die Möglichkeit zu nutzen, aus Anlass des 70. Jahrestags des Sieges im Zweiten Weltkrieg positiv über Russland zu berichten. Eine ähnliche Kurskorrektur war auch bei anderen Kanälen zu beobachten. Grafik 3 unten verdeutlicht, wie der Prozentanteil der Videos zur Ukraine und der Prozentanteil an der Gesamtzahl der Aufrufe von Videos zum Thema Ukraine abgenommen hat; da RT dem populären Nachrichtenzyklus folgt, konnte dies erwartet werden.



Am Hauptkanal von RT ließ sich ebenfalls der Erfolg von RT beim Einsatz von Human Interest-Geschichten untersuchen, mit denen Zuschauer angezogen werden sollen. RT Arabisch und RT Spanisch zeigen diese Strategie von RT allerdings mit größerer Deutlichkeit.

RT Arabisch ist ein weiteres Beispiel für einen Kanal, der Human Interest-Sendungen einsetzt, um Zuschauer zu gewinnen. Es ist darüber hinaus ein deutliches Beispiel dafür, wie RT auf einigen Kanälen den Fokus auf regionale Nachrichten legt, um Glaubwürdigkeit zu erzeugen. Um Zuschauer dazu zu bewegen, die extrem tendenziösen Berichterstattung von RT zu Themen wie der Ukraine anzunehmen, muss RT Glaubwürdigkeit aufbauen und eine legitime "zweite Meinung" anbieten, zumindest manchmal. Dementsprechend ist auf dem Kanal RT Arabisch die übergroße Mehrheit der Berichterstattung Themen aus dem Nahen und Mittleren Osten gewidmet. Die meisten Berichte gelten Themen, die für die Region von besonderer Bedeutung sind, etwa dem "Islamischen Staat" (IS), wobei die Berichterstattung hierzu relativ frei von der Ideologie des Kreml ist; bei anderen Themen allerdings, bei Berichten etwa zu Syrien, dem Jemen oder zu Israel / Palästina weist die Berichterstattung deutlicher hervorstechende ideologische Merkmale auf. RT scheint eher propalästinensisch zu sein, doch mag das wohl mehr eine anti-US-amerikanische Reaktion denn Nahost-Politik sein. Die Haltung von RT in Syrien ist entschieden pro Assad, was angesichts der russischen Außenpolitik wenig überraschend ist. RT berichtet daher von Assads Kommentaren über den Westen und die Bedeutung Russlands im Nahen und Mittleren Osten. Darüber hinaus hat RT viele Berichte platziert, die das Vorgehen Saudi-Arabiens im Jemen kritisieren.



In Grafik 4 wird deutlich, dass die Berichterstattung von RT zum Nahen und Mittleren Osten sowie zu Nordafrika zwischen 35 und 45 Prozent der Videos ausmacht, die im jeweiligen Monat hochgeladen wurden, und zwischen 23 und 60 Prozent aller monatlichen Aufrufe bei diesem Kanal. Human Interest-Beiträge machen mit 8 und 10 Prozent einen relativ kleinen Teil der Videos aus. In einigen Monaten allerdings erreichten die Aufrufe über 20 Prozent und sogar bis zu 40 Prozent aller Aufrufe des Kanals. Die Prozentanteile von Videos und Aufrufen zu anderen Themen oder Regionen bleiben übrigens recht unauffällig, abgesehen von der Russland-Berichterstattung, die permanent recht wenig geschaut wird. Im letzten Monat war die Zahl der Aufrufe von Videos zum Thema Russland beträchtlich größer als in den Vormonaten, doch ist das zum großen Teil auf einen Höhepunkt in der rückschauenden Berichterstattung zum Zweiten Weltkrieg und vor allem auf Übertragungen von russischen Militärparaden zum Gedenken an den Zweiten Weltkrieg zurückzuführen. Die südasiatische Zuschauerschaft ist im letzten Monat (April bis Mai 2015) vor allem wegen der Berichterstattung zu den Erdbeben in Nepal stark angestiegen. RT Arabisch veranschaulicht besonders deutlich die Strategie von RT zur Erhöhung der Glaubwürdigkeit durch Berichte zu lokalen Nachrichten und Human Interest-Themen, legt aber auch die Schwierigkeiten offen, die Russland bei der Justierung seiner Botschaft zur Ukraine hat. RT hat es nicht einmal versucht, auf dem Kanal von RT Arabisch seine Ukraine-Berichterstattung zu forcieren, und die Zahl der Aufrufe von Berichten zur Ukraine war minimal.

Ein weiteres Element der Strategie von RT ist seine Berichterstattung zu Ereignissen im Westen, sowohl hinsichtlich der Frage, über welche Ereignisse zu berichten, als auch, wie über die Geschichten zu berichten wäre. RT versucht, Europa und die Vereinigten Staaten zu unterminieren, und zwar auf der Grundlage der gleichen Kriterien, mit denen der Westen Russland kritisiert. Da Demokratie, Freiheit, Transparenz, Gerechtigkeit und Effizienz alles wichtige Teile des westlichen Narrativs sind, wählt RT Geschichten, die die mangelnde Fähigkeit diverser Länder kritisieren, den grundlegenden Werten, die sie so vehement vertreten, gerecht zu werden. Daher ist es logisch, dass RT massiv über Proteste gegen die Politik der Europäischen Zentralbank, über Polizeigewalt in den USA und Europa, über Rassenspannungen in den USA, Probleme mit der Einwanderung nach Europa oder ultralinke Parteien wie Syriza und Podemos berichtet. RT betont die Europäische Uneinigkeit, insbesondere hinsichtlich Finanzfragen und politischer Konflikte zwischen Deutschland auf der einen sowie Griechenland und Spanien auf der anderen Seite. RT konzentriert sich auch auf Probleme mit Wahlen in Großbritannien und Griechenland sowie auf Proteste gegen Polizeigewalt in den Vereinigten Staaten. Den Nachrichten von RT zu diesen Themen und wo es um Europa, die USA oder die Ukraine geht, ist ein markanter Blickwinkel eigen, der bereits anhand der Titel der hochgeladenen Videos sichtbar wird. Unter den Titeln der Videos, die am 22. und 23. Januar 2015 auf den Hauptkanal von RT hochgeladen wurden, war unter anderem zu finden: "Peter Schiff zum "billigen Geld" der EZB – Die Lage wird sich verschlimmern"; "Zombie-Banken und handlungsunfähige Unternehmen"; "Wahlfieber: Griechen "verzweifelt", Syriza liegt vorn, Brüssel ist nervös"; "Celente: Wir leben im Bankismus, nicht im Kapitalismus, die Quantitative Lockerung der EZB ist massiver Betrug" und "Kontroverse zu Griechenland: Sind die Wahlen eine Farce?"

Neben einer tendenziösen Berichterstattung zu Themen, die für die russische Außenpolitik wichtig sind, berichtet RT auch zu einigen Themen, die von anderen Medien in geringerem Maße behandelt werden, aber zu den Zielen der Außenpolitik Russlands passen. So berichtet RT gewöhnlich intensiv über Venezuela und führt auf seinem spanischen Kanal eine Vielzahl von Interviews mit prominenten spanischsprachigen Autoren und Politikern. RT wurde wegen seiner Berichterstattung über "Occupy Wall Street" für seine Amerika-Berichterstattung für einen Internationalen "Emmy" nominiert….

Wie oben gezeigt, ändert RT die Distribution der Themen, die den unterschiedlichen Zuschauergruppen vermittelt werden sollen, einschließlich des Einsatzes von Human Interest-Geschichten zur Gewinnung von Zuschauern und der Berichterstattung zu Themen und Standpunkten, die von anderen populären Medien nicht gebracht werden. RT variiert seine Berichterstattung entsprechend dem Nachrichtenzyklus, was die Notwendigkeit für RT wiederspiegelt, seine Legitimierung als "zweite Meinung" und als Alternative zu konventionellen westlichen Nachrichtenmedien aufrecht zu erhalten. Dennoch behält RT – auch wenn es seine Berichterstattung jeweils entsprechend zuschneidet und variiert – auch seine vom Kreml vorgegeben ideologische Optik bei. Das wird insbesondere in der Berichterstattung zum Westen und zur Ukraine deutlich, in der die Strategie verfolgt wird, den Westen entlang derselben Kriterien anzugreifen, die von westlichen Ländern selbst vertreten werden. Die jeweilige Wirksamkeit der unterschiedlichen Elemente dieser Strategie ist schwer festzustellen, doch können wir Einsichten gewinnen, indem wir im folgenden Abschnitt das Publikum der verschiedenen Kategorien vergleichen und uns die Zahl der Zuschauer anschauen, die jeder Kanal gewinnen konnte.

Wirksamkeit

Die Fähigkeit von RT, eine Bindung zum Publikum herzustellen, fällt von Region zu Region unterschiedlich aus. Es ist deutlich zu sehen, dass RT Französisch und RT Großbritannien ein kleineres Publikum haben, was auch an der Zahl der hochgeladenen Videos ersichtlich wird. Auch RT Amerika ist relativ klein, doch konzentriert sich der Kanal allein auf Nachrichten aus den USA und überlässt die internationalen Nachrichten dem englischsprachigen Hauptkanal. Dieses Flaggschiff von RT sowie RT Arabisch, RT Spanisch und RT Russisch haben beträchtliche Zuschauergruppen. Wie bereits erörtert, ist das auch an der Streuung der Abonnentenzahlen dieser Kanäle zu sehen. Der differenzierte Erfolg der Kanäle ist allerdings weniger markant als die Distribution von Inhalt und Zuschauer.

Grafik 1 oben zeigt, dass der Erfolg von RT zwischen den einzelnen Kanälen variiert. RT ist am erfolgreichsten bei russischsprachigen Zuschauern, die im Schnitt 15 Millionen Videos pro Monat aufrufen. Auch die Kanäle RT Spanisch und RT Arabisch sind mit fast 6 bzw. rund 4,5 Millionen Aufrufen pro Monat recht beliebt. Die englischsprachige Berichterstattung von RT ist nur insoweit populär, als der Hauptkanal von RT aufgerufen wird; dieser ist der am stärksten international ausgerichtete Kanal und erreicht rund 9 Millionen Aufrufe pro Monat. Daneben weist der eindeutig auf Amerika ausgerichtete Kanal von RT mit einer Million Aufrufen nur eine geringe Zahl von Aufrufen auf. Das Publikum von RT in Großbritannien, Frankreich und in geringerem Maße Deutschland ist klein geblieben.

Wie die thematische Verteilung beispielsweise innerhalb des Kanals RT Spanisch zeigt (s. Grafik 5), sind bei einigen Kanälen Human Interest-Beiträge, die mehr von ihrem Schockwert als von Ideologie bestimmt sind, am erfolgreichsten. Der Ausreißer bei der Südasien-Berichterstattung ist vor allem auf die Erdbeben in Nepal zurückzuführen, die von vielen RT Spanisch-Konsumenten verfolgt wurden. Dies hat wohl Zuschauer von Human Interest-Sendungen abgezogen, da RT in dieser Sparte meist eine gewisse Menge "Zerstörungs"-Videos hochlädt, Motive zerstörter Häuser oder Katastrophenbilder. Diese Ergebnisse weisen darauf hin, dass die Strategie von RT, Zuschauer über Human Interest zu gewinnen, funktioniert. Auch die Human Interest-Berichte von RT Arabisch sind recht erfolgreich gewesen. Die lokale Berichterstattung von RT Arabisch kann nur einen weniger konsequenten Erfolg vorweisen, doch hat sie manches Mal Zuschauer anziehen können. Demgegenüber hat die Ukraine-Berichterstattung von RT nie einen großen Teil der Kanäle von RT Spanisch und RT Arabisch ausgemacht und wurde in beiden Kanälen nur wenig aufgerufen – selbst zu Zeiten, als die Ukraine weltweit eines der Topthemen war. Der kleine Anteil an Videos mit Berichten zur Ukraine und der noch geringere Anteil entsprechender Aufrufe machen deutlich, dass in jenen Regionen, in denen RT die meisten Zuschauer hatte (mit Ausnahme von RT Russisch), die Ukraine-Berichterstattung von RT nicht gegriffen hat.



In den Kanälen von RT Französisch (Grafik 6 auf der nächsten Seite) und RT Deutsch (Grafik 7 auf der nächsten Seite) ist die Ukraine zu gewissen Zeiten das vorherrschende Thema gewesen, sowohl bei der Zahl der Videos als auch hinsichtlich der Zahl der Aufrufe. Zu Beginn des Untersuchungszeitraums Ende Januar wiesen beide Kanäle über 40 Prozent Videos mit Ukraine-Bezug auf, und über 40 Prozent der Aufrufe galten Berichten über die Ukraine. Auch wenn der Umfang der Berichterstattung, dem normalen Nachrichtenzyklus folgend, erheblich zurückgegangen ist, ist die Ukraine immer noch ein prominentes Thema auf dem Kanal von RT Deutsch, mit 20 Prozent der Aufrufe. Die Berichterstattung mit Russland-Bezug ist zu bestimmten Zeiten auf beiden Kanälen ebenfalls intensiv gewesen. Die doppelte Konzentration auf Russland und die Ukraine (in Ergänzung zu den europäischen Standardnachrichten) zeigt, wie RT seinen auf Russland oder die Ukraine bezogenen Botschaften für das deutschsprachige und das französischsprachige Publikum Priorität verliehen hat. Darüber hinaus zeigen die Anteile an der Zahl der Aufrufe, dass die jeweilige Zuschauergruppe für die Berichterstattung von RT empfänglich war. Das befindet sich in Übereinstimmung mit der russischen Außenpolitik und den Bemühungen, die europäische öffentliche Meinung und somit die europäischen Regierungen zu spalten. Da die europäischen Einzelkanäle von RT ein kleineres Publikum bedienen und die demographischen Informationen hierzu fehlen, könnte es sein, dass RT das bestehende Publikum in diesen Ländern polarisiert oder neue Publikumsteile dessen Berichterstattung attraktiv finden.





Fazit

Nach einer Kategorisierung der Berichterstattung von RT auf YouTube über einen Zeitraum von vier Monaten ist zu beobachten, dass RT eine dezidierte Agenda von Botschaften verfolgt, die auf einzelne Zuschauergruppen unterschiedlicher Sprache abzielen. Wenn das beim jeweiligen Zielpublikum hinsichtlich der Wahrheit durch Fakten Verwirrung stiftet, dann zum Teil deshalb, weil einige Ereignisse mit relativer Objektivität dargestellt werden, während andere Geschichten aus ideologischen Gründen eindeutig verzerrt sind. Die Zusammensetzung der Berichterstattung von RT variiert ganz erheblich zwischen den Regionen, wobei die regionalen Interessen berücksichtigt werden; dabei ist RT nicht immer in der Lage, seine Kernbotschaft – etwa die vom Kreml unterstützte Linie zur Ukraine – an die unterschiedlichen Länder und Sprachen anzupassen. Darüber hinaus folgt die Berichterstattung von RT einem groben Plan, der mit den Werten arbeitet, auf die die USA und Europa ihre Kritik an Russland gründen. RT versucht die Glaubwürdigkeit und die Geschlossenheit des Westens zu unterminieren, indem über den Westen negativ berichtet wird und man sich dabei auf jene Werte stützt, die von westlichen Mächten selbst verwendet werden.

Es bleibt allerdings schwierig festzustellen, ob die antiwestlichen Botschaften tatsächlich Wirkung zeigen oder nicht. Frühere Untersuchungen haben die Wirkung von tendenziösen Nachrichten auf politische Ansichten in Fällen beleuchtet, bei denen die Publikumsteile bereits ausgeprägte Meinungen zum Thema hatten und den Ursprung des Nachrichtenmediums kannten. Es ist jedoch unklar, ob eine derartige Polarisierung erfolgen würde, wenn den Zuschauern der ideologische Hintergrund des Nachrichtenmediums nicht bekannt ist und sie nicht zuvor schon ausgeprägte Ansichten hatten. Für eine Einschätzung der Wirkung der Nachrichten von RT wäre es daher von zentraler Bedeutung, die Änderungen in den Zuschauerhaltungen konkreter zu erfassen. Obwohl wir die kanalspezifische Strategie von RT und die jeweiligen Erfolge (oder Misserfolge) bei der Gewinnung von Zuschauern untersucht haben, bleibt abzuwarten, wie die Wirkung bei den Zuschauern tatsächlich aussieht, wenn sie die Darstellung der Ereignisse durch RT sehen.

Übersetzung aus dem Englischen: Hartmut Schröder

Die Russland-Analysen werden von der Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen und der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde erstellt. Die Bundeszentrale für politische Bildung/bpb veröffentlicht sie als Lizenzausgabe.

Fussnoten

Robert Orttung ist Associate Research Professor für Internationale Angelegenheiten an der George Washington University. Elizabeth Nelson und Anthony Livshen sind dort als Forschungsassistenten tätig.