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Schön, edel, prunkvoll: Die französische Erfolgsgeschichte der Luxusindustrie

Markus Gabel

/ 7 Minuten zu lesen

Die herausragende Stellung Frankreichs im Luxusmarkt beruht auf einem erfolgreichen, jahrhundertealten Zusammenspiel zwischen Staat, Handwerk und Gesellschaft, gepaart mit einer in den letzten Jahren sehr effizienten Unternehmensstrategie. Große Luxusholdings und weltbekannte Marken garantieren Frankreich in diesem Segment einen Weltmarktanteil von über einem Drittel. Der Erfolg ist allerdings auf die traditionelle Luxusgüterindustrie beschränkt.

Der Kuppelsaal der Galerie Lafayette. Eins der ältesten und luxuriösesten Kaufhäuser Paris. (Jorge Royan) Lizenz: cc by-nc-sa/3.0/de

Luxus bedeutet ursprünglich Üppigkeit und Vielfalt. In Frankreich heißt es, steht dabei die Freude am Genuss im Vordergrund. Die Bedeutung des Luxus in Frankreich, mit seinen emotionalen und gesellschaftlichen Aspekten, hat jedoch etwas mit den geschichtlichen Wurzeln des Industriezweiges zu tun: Luxus als Handels- und Wertgegenstand geht in Frankreich zurück bis in das 17. Jahrhundert, die Epoche Ludwigs XIV. Noch heute steht der Sonnenkönig wie kein anderer für Prunk und royalen Glanz. Wichtiger aber als der französische Monarch war in diesem Zusammenhang sein Finanzminister Jean-Baptiste Colbert. Seine Idee war es, die Staatskassen durch Außenhandel zu füllen: mehr Export als Import. Um das zu erreichen, förderte Colbert intensiv die Gründung und den Ausbau von Manufakturen, die hochwertige Produkte fertigen und in das Ausland liefern sollten, darunter edle Stoffe und Porzellan. Diese Entwicklung hat sich über die Jahrhunderte in Frankreich zu einer Tradition entwickelt, die auch Bedeutung für das nationale Bewusstsein errungen hat. Nicht zuletzt aus diesem Grund half der Staat der Branche während der Finanzkrise 2009 auch mit weitreichenden Subventionen.

Luxus ist nicht gleich Luxus

Angesichts dieser langen Tradition ist es wenig erstaunlich, dass sich in Frankreich eine so erfolgreiche Luxusindustrie, die vor allem Bekleidung, Accessoires, Schmuck, Uhren, Düfte, Kosmetik und Möbel umfasst, herausgebildet hat. Beispielsweise in Deutschland, das zwar auch über eine nicht zu verachtende Luxusgüterindustrie verfügt, sind vornehmlich andere Industriezweige etabliert, darunter luxuriöse Automobilmarken und Technik auf höchstem Niveau, die weltweit über eine starke Marktmacht verfügen.

Betrachtet man in beiden Ländern die Personen mit dem größten Vermögen, so finden sich laut Forbes-Ranking 2011 auf den ersten fünf Plätzen in Frankreich gleich vier Vertreter der Luxusgüterindustrie: Bernard Arnault (LVMH Gruppe), Liliane Bettencourt (Tochter des Gründers von L’Oréal), François Pinault (ehemaliger Präsident von Pinault-Printemps-Redoute – PPR) und die Gebrüder Wertheimer (Besitzer von Chanel). Einziger Industrieller ist Serge Dassault (Luft-und Raumfahrt) auf Platz vier. Diesseits des Rheins sind es nicht Luxusgüter, welche die reichsten Deutschen zu ihren Vermögen gebracht haben, sondern Discount-Einzelhandel (Karl und Theo Albrecht; Aldi) und Versandhandel (Micheal Otto; Otto-Versand). Gleichzeitig findet man auch Industrie (Familie Quandt – Johanna Quandt, Susanne Klatten und Stefan Quandt; BMW, Altana, SGL Carbon) und Logistik auf den vorderen Plätzen (Klaus-Michael Kühne; Kühne+Nagel). Der Dualismus wird somit fast bis zur Karikatur verzerrt: das Schöne, Edle, Prunkvolle versus das Vernünftige, Nützliche und sogar Billige.

Persönliche Luxusgüterindustrie: Frankreich steht vorne

Frankreich verfügt mit seiner Luxusgüterindustrie über einen höchst profitablen Sektor, der einen erstrangigen Bestandteil der französischen Wirtschaft und Gesellschaft darstellt: Luxus ist für eine deutliche Mehrheit der Franzosen ein zentrales Symbol des Landes, wofür sie auch bereit sind überdurchschnittlich viel auszugeben. Paris gilt als das weltweite Zentrum für Luxusgüter: im "Triangle d’or" zwischen der Rue du Faubourg Saint-Honoré, der Avenue Georges-V und der Avenue Montaigne, sowie in der Rue de la Paix und der Place Vendôme haben viele der großen Marken ihren Firmensitz.

Der Anteil der traditionellen Luxusindustrie am Sozialprodukt liegt in Frankreich bei knapp einem Prozent (zum Vergleich: in Italien liegt er bei 1,1 Prozent, in Deutschland – ohne Automobilmarkt – bei 0,3 Prozent). 2012 wird der weltweite Umsatz des Luxusgütermarktes erstmals die 200-Milliarden-Euro-Marke übersteigen. Den größten Marktanteil hat immer noch Europa (circa 35 Prozent) knapp vor Amerika. Die westeuropäischen Märkte sind zwar teilgesättigt, Deutschland zählt allerdings zu den Ländern mit Nachholbedarf im Luxusgüterkonsum. Während Japan hier mit über 10 Prozent weiterhin ein wichtiger Markt ist, liegen die stärksten Wachstumsraten in den BRIC-Ländern Brasilien, Russland, Indien und China.

Die größten Luxusunternehmen nach Umsatz 2011. (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/

Weltweit entfallen auf die äußerst exportorientierten französischen Hersteller knapp 40 Prozent des Umsatzes. Dabei handelt es sich weniger um mittelständische Firmen, als um die großen internationalen Player. Unter den zehn umsatzstärksten Unternehmen weltweit finden sich auf den beiden vorderen Plätzen LVMH und PPR. Hermès auf dem achten Platz rundet die französische Vormachtstellung ab. 53 Prozent des Umsatzes der zehn größten Hersteller von Luxusgütern wurden 2011 jenseits des Rheins erwirtschaftet. Auf den Plätzen folgen Hersteller aus den Vereinigten Staaten, der Schweiz und Italien.

Der Sektor verfügt in Frankreich über eine effiziente Interessenvertretung in Form des Comité Colbert. 1954 auf Initiative von Jean-Jacques Guerlain gegründet, vertritt es heute 75 französische Markenhersteller – von Bacara und Boucheron über Chanel, Christian Dior, Lacoste, S.T.Dupont, Givenchy, Hédiard, Lancôme, bis hin zu Remy Martin und Van Cleef and Arpels. Seit 2011 vereint es mit Leica, Montblanc (beide deutsch), Herend (ungarisch) und Moser (tschechisch) auch nicht-französische Hersteller.

Luxusholdings und Markenkontrolle

Im Zuge des weltweiten wirtschaftlichen Einbruchs von 2008/2009 wurde der Luxusindustrie zunächst eine trübe Zukunft prophezeit. Die Branche erholte sich allerdings sehr rasch, und erklomm neue Höchststände. Eine Erklärung für diese Entwicklung liegt im stabilen Wachstum in den Schwellenländern sowie in der Tatsache, dass gerade Luxusartikel (Schmuck, Uhren und hochwerte Marken im Allgemeinen) in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit und Furcht vor Geldentwertung vermehrt als wertbeständige Anlagen und sichere Häfen betrachtet werden. Um die Exklusivität der Produkte nicht zu gefährden gab es daher im Luxussegment keine Dumpingpreise und Ausverkäufe während der Krise.

Die wertvollsten Luxusmarken weltweit 2012. (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/

Die Marke ist im Markt für Luxusgüter das wichtigste Gut. Luxusmarken zählen zu den wertvollsten Labels weltweit. Lässt man den Automobilsektor außen vor, ist die wertvollste Luxusmarke unangefochten Louis Vuitton (weltweit auf dem 17. Platz). Gucci, Hermès, Cartier, Tiffany oder Prada sind ebenfalls herausragende Labels mit entsprechendem Renommee.

Bernard Arnault hat das in der Luxusgüterindustrie liegende Potenzial sehr früh erkannt. In den 1980er und 1990er Jahren legte er mit dem Kauf von Dior den Grundstein für die heute größte Luxusholding weltweit, LVMH (Umsatz 2011: 23 Milliarden Euro, Gewinn: über 3 Milliarden Euro). Der Name setzt sich aus den Anfangsbuchstaben bekannter Luxusmarken zusammen. Der Erfolg beruht auf einer besonders breiten Aufstellung mit über 60 Luxusmarken, die global in über 2.500 Geschäften vertrieben werden und fast 100.000 Menschen beschäftigen. Die Palette umfasst Weine und Spirituosen (u. a. Moët & Chandon, Hennessy), Mode und Lederwaren (u. a. Louis Vuitton, Kenzo), Parfum und Kosmetik (u. a. Christian Dior, Givenchy), Uhren und Schmuck (u. a. TAG Heuer, Zenith) sowie Einzelhandel (u. a. Sephora).

Wie LVMH trägt auch das weltweit zweitgrößte Unternehmen der Luxusbranche, PPR eine relativ nichtssagende Abkürzung. Gegründet von François Pinault und heute geführt von seinem Sohn François-Henri, erwirtschaftet PPR einen etwas mehr als halb so großen Umsatz und Gewinn wie LVMH. Die Ursprünge von PPR liegen im Versand- und Einzelhandel. Die Hinwendung zum Luxussektor fand in den 1990er Jahren mit der Übernahme des Kaufhauses Printemps und der italienischen Marke Gucci statt. Das deutsche Label Puma (eher ein Sorgenkind) gehört seit 2007 ebenfalls zum Konzern.

Zahlreiche andere französische Marken wie Chanel oder Hermès führen weiterhin den Namen ihrer Marke und konnten ihre Unabhängigkeit bis heute bewahren. Viele der Unternehmen sind in Familienbesitz – so hält die Gründerfamilie von Hermès auch nach dem Börsengang weiterhin rund zwei Drittel der Anteile – oder werden von erfahrenen Top-Managern geführt, die eine langfristig ausgerichtete Strategie verfolgen.

Ein Erfolgsrezept stellt die weitgehende Kontrolle der eigenen Marke dar. So wird der Vertrieb von repräsentativen Flaggschiffgeschäften in Eigenregie gesteuert, um die wichtige Preissetzung in der Hand zu behalten. Des Weiteren basiert die Stärke der französischen Marken auf der internen Fertigung und der Absicherung der Zulieferkette; Louis Vuitton und Hermès, Marken die besonders hoch positioniert sind, weisen auch einen überdurchschnittlichen Fertigungsanteil unter dem eigenen Dach auf (rund 80 Prozent). Bei Prada oder Hugo Boss liegt er bei nur 20 Prozent.

Mit der Kombination von starker Marke, teuren Produkten und Exklusivität werden hohe Gewinne erzielt. Die für französische Unternehmen auf den Weltmärkten nicht immer anzutreffende Preisgestaltungskraft ist vergleichbar mit der deutscher mittelständischer Hidden Champions, den versteckten Weltmarktführern, die oft auf Nischenmärkten dank ihrer Qualität und Innovationskraft über monopolartige Stellungen verfügen.

Segen oder Fluch?

Die Luxusgüterindustrie stellt eine der industriellen Erfolgsgeschichten der jüngeren französischen Vergangenheit dar. Nicht nur hat sich die Branche, die in Frankreich ungefähr 200.000 Personen beschäftigt, dem allgemeinen industriellen Negativtrend entziehen können – der Anteil der Industrie am Sozialprodukt sank in Frankreich seit 2000 von etwa 18 auf ca. 12 Prozent – sie zählt auch zusammen mit dem Luft- und Raumfahrtsektor, der Pharmabranche und dem Agrarsektor zu den wenigen französischen Wirtschaftsbereichen, die einen stabilen und signifikanten außenwirtschaftlichen Überschuss erwirtschaften.

Bezieht man auch Luxusautos (insbesondere die deutschen Hersteller Porsche, Daimler und BMW) und gehobene Dienstleistungen (zum Beispiel Wellness-Hotels und sonstiger gehobener Tourismus) mit ein, so übersteigt der globale Markt für Luxus die 600-Milliarden-Euro-Grenze. Europa hält dabei einen Anteil von 70 Prozent (ca. 450 Milliarden Euro) – dies entspricht über 4 Prozent des Bruttoinlandsproduktes der Eurozone. Die Branche exportiert erfolgreich: Luxusgüter erwirtschaften ca. 10 Prozent aller europäischen Ausfuhren. Ebenso ist der Sektor wenig empfänglich für Delokalisierung und hat wichtige Spillover-Effekte (Ausstrahlungseffekte) auf Innovationen, Zuliefererketten und auf Teile der verarbeitenden Industrie. Insgesamt beschäftigt die Branche circa 1,5 Millionen Personen in Europa und ist somit ein wichtiger Stabilitätsanker für den Arbeitsmarkt.

Für die nächsten Jahre, wird dem Luxusgütermarkt eine konstant hohe Wachstumsrate vorausgesagt. Diese Entwicklung ist für Frankreich allerdings auch mit mehreren Herausforderungen verbunden. Der relative Anteil französischer Hersteller verringert sich, besonders in den traditionellen Bereichen. Schwellenländer bauen selbst Nobelmarken auf und streben auf westliche Märkte. Außerdem lassen sich im Luxusautomarkt weitaus höhere Umsätze (und somit Gewinne) erwirtschaften als im Bereich der persönlichen Luxusgüter (Ledertaschen und Parfüm). Hier sind französische Anbieter allerdings eindeutig im Hintertreffen. Zum Schluss darf auch daran erinnert werden, dass Länder, ähnlich wie Unternehmen, zunehmend ebenfalls als Marke begriffen werden. Frankreich steht hier für Luxus, für das Edle, Feine und Schöne. Auf den Weltmärkten, auf denen Massengüter und Industriemaschinen den Ton angeben, stellt diese Klassifizierung für die französischen Anbieter industrieller Gebrauchs- und Verbrauchsgüter zusehends ein Problem dar – vor allem im Vergleich mit seinem Nachbarn östlich des Rhein, der mit "Made in Germany" Rekordergebnisse erzielt.

Quellen / Literatur

Barmeyer, Christophe (2007), "Luxe, calme et volupté". Die französische Luxusgüterindustrie, Dokumente, 1/2007.

Frontier Economics (2012), The value of the cultural and creative industries to the European economy, Frontier Economics Ltd., London, Juni.

Problèmes économiques (2010), Le luxe ne connaît pas la crise, Dossier, La Documentation française, 8. Dezember.

Roland Berger und Direction général de la compétitivité de l’industrie et des services (2009), Etats généraux de l’industrie: industrie du luxe, 24. Dezember.

Schubert, Christian (2012), Der ferne Osten schlägt zurück, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21. September.

Links



Externer Link: www.comitecolbert.com

Externer Link: www.forbes.com

Fussnoten

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Dr. Markus Gabel ist Publizist bei La Documentation française (Direction de l’information légale et administrative, Paris) und freier wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut CIRAC (Centre d’information et de recherche sur l’Allemagne contemporaine).