Die dritte wichtige Kraft in der Europäischen Union neben dem Rat und dem Parlament ist die Europäische Kommission. Wenn wir von der Kommission sprechen, meinen wir sowohl die Verwaltung als auch das Kollegium der Kommissare. Letzteres besteht aus je einer Person pro Mitgliedsland. Die Kommissarinnen und Kommissare sind allerdings keine Vertreter ihres Heimatstaates und nicht an dessen Weisungen gebunden. Sie sollen die europäische Sache vertreten. Deshalb nennt man die Europäische Kommission auch die "Hüterin der Verträge".
Kommissare und Verwaltung
Die einzelnen Kommissionsmitglieder haben bestimmte Aufgabengebiete. Allerdings trifft die Kommission Entscheidungen als Ganzes, und zwar mit Mehrheit. Der Deutsche im Kollegium ist seit 2009 der frühere baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger, der bis 2014 für Energiefragen zuständig war und nun den Bereich Digitale Wirtschaft und Gesellschaft verantwortet. Die Kommission wird von einem Präsidenten geleitet, der für fünf Jahre von den Staats- und Regierungschefs bestimmt und vom Europäischen Parlament gewählt wird. Seit 2014 ist dies der frühere luxemburgische Premierminister Jean-Claude Juncker.
Die Europäische Kommission ist darüber hinaus die Verwaltung der Europäischen Union. Hier laufen die administrativen Fäden zusammen. Zu diesem Zweck ist der Kommissionsapparat in über 40 Generaldirektionen (GD) und Dienste aufgeteilt. An der Spitze jeder GD steht ein Generaldirektor. Dem Apparat der Europäischen Kommission gehören ca. 25.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus allen 28 Mitgliedstaaten an, die sich meist auf Englisch oder Französisch verständigen. Offiziell ist auch Deutsch Arbeitssprache in der Kommission, es wird aber weniger benutzt.
Hüterin der Verträge
Die Europäische Kommission ergreift Initiativen zur Weiterentwicklung der Europäischen Union und legt dem Rat und dem Parlament entsprechende Vorschläge vor. Dieses Initiativrecht hat die Kommission exklusiv als einziges Organ der EU. Die Kommission übt zudem die Kontrolle darüber aus, dass sich alle in der EU, also sowohl die Mitgliedstaaten als auch Unternehmen, an die getroffenen Regeln halten. Wenn das nicht der Fall ist, kann sie Bußgelder gegen Unternehmen verhängen, wenn diese beispielsweise gegen Binnenmarktregeln verstoßen oder Kartelle für Preisabsprachen bilden.
So hat die Kommission im Dezember 2013 gegen europäische Banken eine Geldbuße von 1,7 Mrd. Euro verhängt, weil sie jahrelang Zinssätze zu Lasten der Verbraucher manipuliert hatten. Alleine die Deutsche Bank musste eine Strafe von 725 Mio. Euro zahlen. 2011 wurde eine Buße von 315 Mio. Euro gegen drei Waschmittelhersteller verfügt, weil diese ein Kartell gebildet hatten. Die deutsche Firma Henkel ging damals straffrei aus, weil sie als Kronzeuge die illegalen Absprachen angezeigt hatte.
Falls ein Mitgliedstaat gegen europäisches Recht verstößt und auf eine Mahnung durch die Europäische Kommission nicht reagiert, kann die Europäische Union ein Vertragsverletzungsverfahren gegen ein Land einleiten, das letztendlich, wenn man sich nicht vorher einigt, vor dem Europäischen Gerichtshof landet. Die Themen sind nicht immer spektakulär, aber für den einheitlichen Rechtsbestand wichtig. Da geht es um die Diskriminierung von ausländischen Kreditinstituten in Belgien, um die Mehrwertsteuer für Leistungen staatlicher Gerichtsvollzieher in Bulgarien, um die Besteuerung neuer Autos in Irland oder um Mehrwertsteuerleistungen von Reisebüros in Tschechien.
Dass die Europäische Kommission Ende 2013 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eröffnet hat, das sich auf die Rabatte auf die Öko-Umlage für Großverbraucher beim Erneuerbare-Energien-Gesetz bezieht, hat viel Aufmerksamkeit erregt. Auch wegen der Flugrouten des neuen, aber nicht fertiggestellten Berliner Flughafens BER hat die Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet, weil sie einen Verstoß gegen Umweltrichtlinien vermutet.