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Klimaschutz im Alltag

Michael Kopatz

/ 6 Minuten zu lesen

Für die meisten Treibhausgase in Deutschland sind Energiewirtschaft, Industrie und Verkehr verantwortlich. Auf letzteren können Einzelpersonen direkten Einfluss nehmen. Viele in der Bevölkerung finden Klimaschutz wichtig, doch oft hinkt die Umsetzung. Wie lässt sich die Kluft zwischen Bewusstsein und Handeln überbrücken?

Wer mit dem Fahrrad, statt mit dem Auto unterwegs ist kann viel zum Klimaschutz im Alltag beitragen. (© picture alliance/dpa | Gregor Bauernfeind)

Befragungen zeigen regelmäßig, dass weite Teile der Gesellschaft dem Klimaschutz eine sehr große Bedeutung beimessen. Nicht nur in Deutschland, sondern auch in der gesamten Europäischen Union. Über 90 Prozent sehen den Klimawandel als ein schwerwiegendes Problem. Und dreiviertel der Menschen wünschen sich, dass die Treibhausgase schnell verringert werden. Sie wünschen sich, dass die Externer Link: EU bis zum Jahr 2050 klimaneutral wird.

Offenbar sind die Menschen über das Klimaproblem recht gut informiert und erwarten von der Politik, etwas gegen die Erhitzung des Klimas zu unternehmen. Doch die persönliche CO2 Bilanz zu verändern, fällt vielen Menschen schwer. In Schulen, Zeitungen und Zeitschriften, Fernsehsendungen und sozialen Medien werden wir regelmäßig dazu aufgefordert. Und tatsächlich könnten die Menschen durch ihr Verhalten einen maßgeblichen Beitrag zum Klimaschutz leisten (siehe unten Interner Link: Klimafreundlich leben).

In der Theorie ist das richtig, doch in der Praxis sieht es eher so aus, dass die Menschen nur sehr ungerne ihre Gewohnheiten und Routinen dauerhaft ändern möchten. Noch schlechter sieht es mit Verzicht aus. Ganz im Gegenteil geht der Trend häufig zum "mehr" von klimaschädlichen Aktivitäten statt zum "weniger". Die durchschnittliche Wohnfläche ist heute Externer Link: zwölf Quadratmeter größer als im Jahr 1990. Diese zusätzliche neue Wohnfläche muss nicht nur beheizt werden, auch wird für den Bau neuer Häuser enorm viel Energie benötigt. Trotz der erzielten Energieeffizienz gehen die CO2-Emissionen in Interner Link: Klimaneutrale Gebäude kaum zurück. Noch schwieriger ist die Situation im Verkehr: Es werden immer mehr neue Autos in Deutschland zu gelassen. 2005 waren etwa 40 Millionen PKW zugelassen, 15 Jahre später waren es schon Externer Link: 48 Millionen PKW (vgl. Kraftfahrtbundesamt, Externer Link: www.kba.de, Stichtag 01.01.2021) Doch nicht nur die Zahl der Autos nimmt zu, auch deren Größe und Gewicht steigt. Auch der Flugverkehr wächst und durch den Onlinehandel hat der Straßengüterverkehr ebenfalls zugenommen. Im Ergebnis kam es im Interner Link: Sektor Verkehr zu keinerlei Minderung der CO2-Emissionen, verglichen zum Jahr 1990.

Der Unterschied zwischen Bewusstsein und Verhalten

In der Praxis gibt es viele systematische und psychologische Gründe dafür, dass Bewusstsein und Handeln nicht übereinstimmen, dass also die Menschen nicht tun, was zu den von ihnen als wichtig benannten Zielen wie Klimaschutz beitragen würde.

Bus und Fahrrad helfen beim Klimaschutz im Alltag (© picture-alliance, photothek | Florian Gaertner)

Menschen können sich z.B. benachteiligt fühlen, wenn sie "allein" auf den Flug oder das Auto verzichten oder sich einschränken. Wenn "die anderen", also die Freund*innen, Nachbar*innen und Kolleg*innen nicht mitmachen, stellt sich schnell das Gefühl ein, der persönliche Verzicht sei wirkungslos. Grundsätzlich ist es schwierig, Routinen oder das Konsumverhalten zu verändern. Die Menschen ändern nur ungerne ihre Gewohnheiten.

Wie lässt sich diese Kluft zwischen Bewusstsein und Handel überbrücken? Oder anders gefragt: Was muss geschehen, "damit wir tun, was wir für richtig halten"? So lautet der Untertitel meines Interner Link: Buches "Ökoroutine". Dieser Begriff meint, dass ökologisch verantwortliche Handlungen überwiegend durch strukturelle Veränderungen zur Routine werden. Wenn sich also die Gegebenheiten und Rahmenbedingungen ändern, dann ändern sich auch die Menschen. Anders formuliert: Verhältnisse ändern Verhalten.

Klimafreundlich leben

Je nach sozialer Lage, gibt es zahlreiche Externer Link: Möglichkeiten die persönliche CO2 Bilanz zu verbessern. Einen enormen Einfluss haben beispielsweise die Zahl und Entfernung der Flüge, insbesondere zwischen Kontinenten. Wer seine Zimmertemperatur von 23 auf 21 Grad Celius verringert, spart rund 12 % Heizkosten. Weniger Fleisch essen und das Auto öfter stehen lassen oder bestenfalls abzuschaffen und stattdessen mit dem Fahrrad, Bahnen und Bussen zu fahren, ist wirkungsvoll. Auch weniger Dinge zu kaufen (hier unter "sonstiger Konsum" aufgeführt), ist ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz.

Auch nachhaltige Geldanlagen können den persönlichen CO2-Fußabdruck reduzieren. Wer mit Sparverträgen oder Erbe darauf achtet, dass zumindest keine Fossile Energieerzeugung im Portfolio enthalten ist, auf ohne großen Aufwand etwas für den Klimaschutz bewirken.

CO2-Rechner des Umweltbundesamt

Wer genau wissen möchte, wie es um den persönlichen Beitrag zum Klimaschutz bestellt ist, kann mit dem Externer Link: CO2-Rechner des Umweltbundesamtes seinen Fußabdruck überprüfen. Mit ihm lassen sich auch persönliche Verhaltensänderungen, wie zum Beispiel der Verzicht auf Interkontinentalflüge einfach überprüfen. Das Tool zeigt auch, wie schwierig es ist, die 2045 geltenden Ziele von maximal zwei Tonnen pro Kopf einzuhalten. Zumal bespielweise Mieter*innen keinen Einfluss auf den Energiestandard des Hauses haben.

Umstrittene CO2-Rechner

Der ökologische Fußabdruck, oder auch CO2-Bilanz, zählt die Ressourcen des Alltags und berechnet die Menge an Treibhausgasen, die durch den persönlichen Lebensstil entstehen. Der Nachhaltigkeitsindikator ist weitverbreitet, doch es gibt daran Kritik:

Der Carbon Footprint Calculator (dt. CO2-Rechner) wurde 2004 als PR-Strategie vom britischen Ölkonzern BP (ehemals British Petroleum) verbreitet. Damit hielt eines der größten globalen Energieunternehmen Privatpersonen dazu an, die Auswirkungen ihres Alltags auf die Erderwärmung zu berechnen.

Der CO2-Rechner wurde von vielen Akteur*innen – auch aus dem Klimaschutz – adaptiert. Denn es kann durchaus sinnvoll sein den eigenen CO2-Ausstoß zu berechnen, um sein individuelles Verhalten zu reflektieren. Doch CO2-Rechner können den Anschein erwecken, Individuen seien allein für den fortschreitenden Klimawandel verantwortlich. Diese Individualisierung ist eine Strategie, wie im Beispiel von BP, um von der gesellschaftlichen Verantwortung des Klimawandels abzulenken. Denn den größten CO2-Ausstoß verursachen nicht Privathaushalte, sondern Energiewirtschaft und Industrie .

Fußnoten

Zur Zeit verursacht eine Person in Deutschland im Durchschnitt jährlich fast elf Tonnen Kohlendioxid. Darin berücksichtigt sind Emissionen, die durch den Konsum von im Ausland hergestellten Produkten entstehen.

Ein großer Teil entfällt auf den Bereich Wohnen. Vielen Menschen ist gar nicht bewusst, wie groß der Einfluss der Wohnungsgröße auf das Klima ist. Beispielsweise erhöht sich die CO2 Bilanz von Eltern spontan drastisch mit dem Auszug der Kinder. Junge oder arme Menschen haben oft eine vergleichsweise gute CO2-Bilanz, einfach weil sie sich nicht so große Wohnungen, Reisen und sonstige Dinge leisten können. Das heißt, mit steigendem Einkommen erhöht sich in der Regel auch der persönliche CO2-Ausstoß.

Einkommen und Umweltbelastung

Wie viele Treibhausgase ein Mensch verursacht, ist nicht allein mit dem individuellen Verhalten zu erklären, sondern viel mehr mit strukturellen Faktoren – wie der sozialen Lage eines Menschen. Beispielsweise sind Besserverdienende häufiger mit dem Auto und dem Flugzeug unterwegs und leben in größeren Wohnungen und Häusern. Mit dem Einkommen steigen also im Schnitt der Ressourcenverbrauch und damit auch die Umweltbelastung.

Für die meisten Treibhausgase in Deutschland sind die Sektoren Energie, Industrie und Verkehr verantwortlich. Eine Externer Link: Studie (2021) des Umweltbundesamtes hat den Einfluss des Einkommens auf den Ressourcenverbrauch untersucht und kommt unter anderem zu dem Ergebnis, dass höheres Einkommen durch mehr Mobilität dem Klima schadet.

"[…] Haushalte mit höherem Einkommen verursachen mehr Treibhausgasemissionen. Sowohl im Längsschnitt, d.h. im Vergleich der Anzahl an jährlichen Reisen eines Haushaltes zu zwei verschiedenen Messzeitpunkten, als auch im Querschnitt, also im Vergleich der im selben Jahr durch verschiedene Haushalte zurückgelegten Kilometer, zeigt sich eindeutig, dass höhere Einkommen stets zu höherem Konsum und somit Ressourcenverbrauch führen. Dies gilt insbesondere für die Nutzung des Pkws, wo steigende Einkommen mit dem größten Effekt auf die Emission von Treibhausgasen verbunden sind. Den zweitgrößten Effekt auf das Klima hat der Flugverkehr. Der ÖPNV ist das einzige untersuchte Transportmittel, das mit steigendem Einkommen weniger genutzt wird und somit auch weniger Umweltauswirkungen verursacht. Dies ist vor dem Hintergrund, dass der ÖPNV pro Personenkilometer deutlich geringere Umweltauswirkungen hat als Individualverkehr, mit Blick auf die Reduktion von Ressourcenverbrauch besonders kontraproduktiv. […]"


Quelle: Externer Link: UBA (2021), S. 80

Rolle des individuellen politischen Engagements

Jede und jeder für sich hat also Möglichkeiten, den persönlichen CO2-Ausstoß zu verringern und damit etwas für den Klimaschutz zu tun. Dafür hilft es zu wissen, wo die großen Einsparungen möglich sind (siehe oben).

Aber insgesamt fällt es uns allen offenkundig extrem schwer, das zu tun, was wir laut Befragungen für richtig halten. Dabei kämpfen wir oft gegen strukturelle Probleme an (Warum Bahnfahren, wenn Fliegen billiger ist?) und fühlen uns alleine ohnmächtig (Wenn ich weniger Auto fahre bringt es das noch nicht!). Von daher erscheint es maßgeblich, nicht nur auf das persönliche Verhalten und den daraus resultieren CO2 Ausstoß zu achten, sondern auch einen Beitrag zur Veränderung der politischen Rahmenbedingungen zu leisten. Politik kann Regeln ins Werk setzen, die dafür sorgen, dass Produkte in den Geschäften nachhaltiger werden, Häuser sparsamer und Fahrzeuge klimafreundlicher.

Wenn die Produkte beim Discounter eines Tages genauso umweltfreundlich sind wie die beim Biosupermarkt, könnten die meisten Menschen gut damit leben. Ja, es kann sogar als Entlastung empfunden werden, wenn ich nicht ständig darüber nachdenken muss, was das ethisch richtige Produkt, was das korrekte Verhalten ist. Letztlich kommt es also auf die Politik an, sie muss dafür sorgen, dass es sich für Bürger*innen und Unternehmen lohnt, in umweltfreundliche Technologien zu investieren.

Wind- und Solarkraft waren noch zu Beginn der 1990er Jahre extrem kostspielige Formen der Energieerzeugung. Die Politik hat dafür gesorgt, dass es sich trotzdem gelohnt hat, in den Bau von Windkraft zu investieren. Inzwischen ist Windstrom günstiger als jede andere Form der Stromerzeugung. Autos und Häuser stoßen heute – relativ betrachtet – weniger CO2 pro Quadratmeter aus als vor zehn Jahren, weil der Gesetzgeber entsprechende Vorgaben gemacht hat. Doch allein technische Veränderungen reichen nicht aus. Notwendig sind auch gesetzliche Regelungen wie ein allgemeines Tempolimit, strengere Grenzwerte für Pestizide, Wohnflächen, Starts- und Landungen von Flugzeugen und vieles mehr. Doch viele Reformen und besonders Grenzen und Limits kommen erst dann, wenn sich Bürger*innen dafür engagieren.

Dies ist wahrscheinlich der mächtigste Hebel den wir als Individuen haben: uns politisch für den Klimaschutz zu engagieren. Hier gibt es viele verschiedene Möglichkeiten: Einen Verein, Verband oder Initiative unterstützen, eine Petition starten oder unterzeichnen, Briefe an Politiker*innen schreiben, Unterschriften sammeln und vieles mehr. Und natürlich kann man eine Partei unterstützen. Ein wichtiger Hebel sind sicherlich Demonstrationen. So hat die "Fridays vor Future" Bewegung nicht an die Bürger*innen appelliert, auf Flüge und Auto zu verzichten, sondern beispielsweise eine CO2-Steuer eingefordert – also systemische, strukturelle Vorschläge gemacht. Unzweifelhaft hatten diese Demonstrationen einen großen Einfluss auf die deutsche Klimapolitik.

Weitere Inhalte

Dr. Michael Kopatz, Umweltwissenschaftler und Buchautor, ist wissenschaftlicher Projektleiter im Wuppertal Institut. Ausgewählte Buchprojekte: "Ökoroutine. Damit wir tun, was wir für richtig halten". Sein vorletztes Buch hat den Titel "Schluss mit der Ökomoral!"