Abbildung 1 zeigt den auffallend konstanten Anstieg marokkanischer Bevölkerungsteile, die im Ausland leben – den immer restriktiveren Einwanderungsrichtlinien in den ehemaligen Anwerbeländern Europas zum Trotz.
Darüber hinaus veranschaulicht die Grafik eine abnehmende Fokussierung auf Frankreich. Die Kombination der Faktoren Familienzusammenführung, Familiengründung, demographische Entwicklung, irreguläre Zuwanderung und neue Formen der Arbeitsmigration nach Südeuropa und Nordamerika erklärt die Zunahme der marokkanischer Bevölkerung in den wichtigsten europäischen Zielländern von 300.000 im Jahre 1972 – unmittelbar vor Einstellung der Rekrutierungsmaßnahmen – auf 2,7 Millionen im Jahre 2005. Dies bedeutet eine neunfache Zunahme bzw. eine jährliche Zunahme von durchschnittlich 73.000 Menschen. Dabei sind irreguläre Migranten und kleinere Zuwanderergruppen im Vereinigten Königreich und Skandinavien, deren Zahl auf wenigstens 100.000 Personen geschätzt wird, noch nicht eingerechnet.
Abbildung 2: Entwicklung von Bevölkerungsanteilen mit marokkanischer Staatsbürgerschaft in europäischen Zielländern, 1972-2005 (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/2.0/de
Abbildung 2: Entwicklung von Bevölkerungsanteilen mit marokkanischer Staatsbürgerschaft in europäischen Zielländern, 1972-2005 (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/2.0/de
Insgesamt 85 % der marokkanischen Bevölkerung im Ausland, wie aus Abbildung 3 hervorgeht, lebt in Europa. Auch 2005 noch wohnten die meisten legal ansässigen Marokkaner mit rund einer Millionen Menschen in Frankreich, gefolgt von Spanien (500.000), Italien (350.000), Belgien (350.000), den Niederlanden (325.000) und Deutschland (108.000). Kleinere, aber rasant anwachsende Gemeinden höher qualifizierter Auswanderer leben in den USA (mindestens 100.000) und Kanada (mindestens 78.000). Schätzungsweise 300.000 Marokkaner leben in anderen Staaten des Maghreb oder in Staaten im Nahen Osten.
Marokkaner stellen die größte und am weitesten zerstreute Gruppe afrikanischer Zuwandererbevölkerung in Europa und sind dort nach Zahlen stärker vertreten als alle anderen Migranten aus Westafrika zusammen. Nach der türkischen Bevölkerung bilden sie die zweitgrößte Gruppe von Zuwanderern aus Nicht-EU-Staaten. Die Zuwanderung aus der Türkei stagniert jedoch, während Marokko zu den wichtigsten Herkunftsländern der Zuwanderung in die EU zählt, so dass zu erwarten ist, dass Marokko die Türkei in den kommenden zehn Jahren als wichtigstes Herkunftsland von Zuwanderung aus Nicht-EU-Staaten ablösen wird.
Abbildung 3: Verteilung der im Ausland lebenden marokkanischen Bevölkerung, 2004 (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/2.0/de
Abbildung 3: Verteilung der im Ausland lebenden marokkanischen Bevölkerung, 2004 (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/2.0/de
Wichtig ist dabei zu beachten, dass diese Daten ein zu großes Bild der tatsächlichen Nettozuwanderung abgeben, da sie auf Zahlen marokkanischer Konsulatsaufzeichnungen beruhen, die sowohl Auswanderer als auch die zweite Generation mit doppelter Staatsbürgerschaft erfassen. Beispielsweise lebten im Jahr 2003 etwa 1,5 Millionen in Marokko geborene Zuwanderer in Frankreich, Italien, Spanien, Portugal, im Vereinigten Königreich und in den Niederlanden
Während in den 1960er und frühen 1970er Jahren die große Mehrheit der Arbeitsmigranten, die nach Europa kamen, verheiratete oder unverheiratete Männer waren, ist der Anteil an Frauen und Kindern in der marokkanischen Auswandererbevölkerung stetig angestiegen, bedingt vor allem durch Familienzusammenführung, aber auch durch die gestiegene Arbeitsmigration von Frauen. In den ersten Jahren des neuen Jahrtausends waren 45 % der in Frankreich registrierten Migranten weiblich. Der Anteil der Frauen betrug zur gleichen Zeit in Belgien 48 %, in Deutschland 42 % und 49 % in den Niederlanden. In Spanien und Italien waren nur 33 % bzw. 40 % aller registrierten marokkanischen Migranten Frauen, was möglicherweise damit zusammenhängt, dass die Emigration in diese Länder noch vergleichsweise neu ist.