Die Zuwanderung intensivierte sich ab Mitte des 19. Jahrhunderts, da es im Zuge des Industrialisierungsprozesses, bei gleichzeitig sinkenden Geburtenraten, zu einem Mangel an Arbeitskräften gekommen war. Damit stellte Frankreich in dieser Phase eine Ausnahme in Westeuropa dar. Die meisten anderen Industriestaaten, darunter auch Deutschland, hatten höhere Geburtenraten und waren primär Auswanderungsländer.
Debatten um Zuwanderung und Integration seit den 1980er Jahren
Spätestens seit Mitte der 1980er Jahre gibt es Debatten um die Integration von Zuwanderern – insbesondere aus den Maghreb-Staaten – und über die Grenzen des republikanischen Integrationsmodells. In diesem Modell erfolgt die Integration von Einwanderern als Teil einer gesamtgesellschaftlichen Integrationsstrategie, die auf universellen Werten basiert. Grundlage ist ein politisches Nationenkonzept, welches alle Staatsbürger vor dem Gesetz gleichstellt und ethnische oder religiöse Identitäten ausblendet.
Seit den 1990er Jahren hat sich zudem das Spannungsverhältnis zwischen den republikanisch-glaubensneutralen Werten (laïcité) der Republik und dem Recht auf freie Religionsausübung, insbesondere der wachsenden muslimischen Gemeinschaft, weiter verstärkt und ist zu einem zentralen Streitthema geworden (vgl. das Kapitel
Gleichzeitig zeichnet sich zu dieser Entwicklung aber auch ein wachsendes Bewusstsein darüber ab, dass Einwanderung einen integralen Bestandteil und eine Bereicherung der französischen Gesellschaft darstellt. Als symbolträchtige Beispiele für diese Entwicklung können die Fußball-Weltmeisterschaft 1998 (die équipe tricolore holte im eigenen Land den Titel, die meisten Spieler hatten einen Migrationshintergrund), die Eröffnung eines Museums zur Geschichte der Einwanderung (Cité nationale de l‘histoire de l’immigration, CNHI, eingeweiht am 10. Oktober 2007) sowie die Ernennung von Rachida Dati zur ersten Ministerin aus einer Einwandererfamilie (im Amt 2007–2009) gelten.
Phasen migrationspolitischer Öffnung und Schließung (1990er bis 2010er Jahre)
Die Einwanderungs- und Integrationspolitik der letzten Jahrzehnte unterliegt einem permanenten Wechsel, in starker Abhängigkeit von der jeweiligen Regierungskonstellation. In den späten 1980er und frühen 1990er Jahren verfolgte der konservative Innenminister Charles Pasqua (Rassemblement Pour la République, RPR) das Ziel einer Null-Einwanderungs-Politik (immigration zéro). Zahlreiche migrationspolitische Regelungen wurden dabei verschärft. So verlängerte sich die Wartezeit für Familienzusammenführungen von einem auf zwei Jahre und ausländische Absolventen französischer Universitäten durften keine Arbeit in Frankreich mehr aufnehmen. Insbesondere der "Kampf" gegen irreguläre Migration rückte in den Fokus. Die Einführung der sogenannten "Pasqua Gesetze", mit denen u.a. die Einbürgerung erschwert wurde, war heftig umstritten. Die Proteste fanden ihren Höhepunkt 1996 in der Besetzung einer Kirche in Paris durch Migranten aus afrikanischen Staaten und China, die lange Jahre ohne Aufenthaltsstatus in Frankreich gelebt hatten und auf ihre prekäre Situation aufmerksam machen wollten. Tausende von Menschen unterstützten die Protestaktionen der Sans-Papiers.
Die Mitte-Links-Regierung unter Premierminister Lionel Jospin (Parti Socialiste, PS) nahm ab 1997 viele der restriktiven Regelungen zurück oder schwächte sie ab. Zudem schuf sie einen speziellen Einwanderungsstatus für hochqualifizierte Arbeitnehmer, Wissenschaftler und Künstler. Im Jahr 1997 wurde außerdem ein Legalisierungsprogramm für Ausländer aufgelegt, die sich ohne entsprechende Erlaubnis im Land aufhielten (vgl. das Kapitel Irreguläre Zuwanderung ). Bei den Präsidentschaftswahlen 2002 erreichte Jean-Marie Le Pen, der Kandidat des rechtsextremen Front National, überraschend und erstmalig in der Geschichte die zweite Wahlrunde. Mit einem migrations- und europafeindlichen Programm erhielt Le Pen mehr Stimmen als Lionel Jospin und versetzte weite Teile Frankreichs in einen Schockzustand.
Die Jahre 2002-2012, in denen sowohl Regierung als auch Präsident (Jacques Chirac bis 2007 und Nicolas Sarkozy 2007-2012) von Konservativen gestellt wurden, waren geprägt von einer Rückkehr zu einer restriktiveren Einwanderungspolitik und einem konfliktvolleren Umgang mit dem Thema Einwanderung und Integration. Umstritten war insbesondere die Rhetorik des damaligen Innenministers Sarkozy, der im Jahr 2005 Vorstadtbewohner u.a. als "racaille" (dt. Gesindel oder Abschaum) bezeichnet und angekündigt hatte, die Vorstädte mit einem "Kärcher" reinigen zu wollen.
Migrationspolitische Restriktionen schlugen sich u.a. in einem neuen Einwanderungsgesetz (loi relative à l‘immigration et à l’intégration) nieder, das am 30. Juni 2006 verabschiedet wurde und die Zuwanderung stärker nachfrageorientiert steuern sollte (immigration choisie; dt.: gewählte Einwanderung). Es enthält härtere Auflagen für den Familiennachzug, eine neu geschaffene Aufenthaltserlaubnis für besonders qualifizierte Arbeitnehmer (carte compétences et talents) sowie einen verpflichtenden Aufnahme- und Integrationsvertrag (contrat d‘accueil et d’intégration, CAI) für Ausländer, die dauerhaft im Land bleiben wollen. Der Integrationsvertrag sieht die Teilnahme an zivilgesellschaftlichen Schulungen und Sprachkursen vor. Kommen Zuwanderer ihrer Integrationsverpflichtung nicht nach, so kann dies die Verlängerung ihrer Aufenthaltsgenehmigung gefährden.
Die sozialistische Regierung unter Präsident François Hollande (2012-2017) verfolgte erneut einen moderateren Kurs. Dieser wurden jedoch stark von anhaltenden ökonomischen Problemen, der europäischen "Flüchtlingskrise" und mehreren schweren Terroranschlägen in Frankreich überlagert (vgl. das Kapitel