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Aktuelles Migrationsgeschehen und Frankreichs Einwandererbevölkerung | Frankreich | bpb.de

Frankreich Frankreich und die Einwanderung

Aktuelles Migrationsgeschehen und Frankreichs Einwandererbevölkerung

Dr. Marcus Engler

/ 7 Minuten zu lesen

Die Einwanderung nach Frankreich hat in den letzten Jahren kontinuierlich an Gewicht gewonnen. Sie hat die Bevölkerungszusammensetzung nachhaltig geprägt. Heute leben rund 13,1 Millionen Menschen mit Einwanderungsgeschichte in Frankreich. Das sind rund 20 Prozent der Gesamtbevölkerung.

Fans des FC Porto bejubeln am 26.05.2004 auf den Champs Elysees in Paris den Sieg in der Champions League ihres Fußballteams am 26.05.2004 gegen den AS Monace in Gelsenkirchen. (© picture-alliance, epa/Olivier Hoslet)

Die Einwanderung nach Frankreich ist in den letzten zehn Jahren stetig, aber auf einem auch im internationalen Vergleich eher moderaten Niveau gestiegen. Dies lässt sich an der Vergabe von erstmaligen Aufenthaltserlaubnissen an Drittstaatsangehörige ablesen, wobei die durchaus signifikante Zuwanderung aus anderen EU-Mitgliedstaaten allerdings nicht berücksichtigt wird. Wurden im Jahr 2007 noch rund 172.000 Aufenthaltstitel an Neuzuwanderer aus Drittstaaten vergeben, waren es 2015 217.533 und 2016 nach vorläufigen Angaben 227.550 (vgl. Abbildung 1). Die überwiegende Form der Neuzuwanderung ist nach wie vor der Familiennachzug (2016: ca. 88.000 Aufenthaltstitel dieser Kategorie vergeben), gefolgt von Bildungsmigration (2016: ca. 70.250 Aufenthaltstitel für ausländische Studierende), dem Zuzug von Schutzsuchenden (2016: ca. 32.300) und Arbeitsmigration (2016: ca. 22.600 wirtschaftliche Aufenthaltstitel vergeben).

Abbildung 1: Vergebene Aufenthaltstitel an Drittstaatsangehörige nach Zuwanderungsmotiven 2007-2016 (Interner Link: Grafik zum Download) (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/

In Bezug auf Drittstaatenangehörige waren zwischen 2008 und 2015 Algerien und Marokko die wichtigsten Herkunftsländer. Aus jedem der beiden Länder kamen in diesem Zeitraum pro Jahr rund 25.000 Neuzuwanderer nach Frankreich. Auf den Plätzen drei und vier folgten China (rund 15.000 pro Jahr) und Tunesien (rund 13.000).

Insgesamt war der Migrationssaldo (Nettozuwanderung) in den letzten Jahren durchgehend positiv und ist leicht angestiegen. Der Saldo wird in Frankreich nachträglich berechnet, da die Fortzüge nicht unmittelbar statistisch erfasst werden. Die Zahlen liegen daher immer erst mit einiger Verzögerung vor. 2013 lag er bei etwa 107.000 Personen. Somit trug die Migration zum Wachstum der französischen Bevölkerung bei. Im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern wie z.B. Deutschland hat Frankreich auch einen deutlichen Geburtenüberschuss, der aber seit einigen Jahren sinkt und 2016 nach vorläufigen Zahlen erstmals unter die Schwelle von 200.000 gefallen ist. Durchschnittlich lag die Geburtenrate in Frankreich 2016 bei 1,93 Kindern pro Frau und damit zwar niedriger als noch 2010 (2,01 Kinder pro Frau), aber dennoch über dem europäischen Durchschnitt. Die Geburtenrate von eingewanderten Frauen liegt im Durchschnitt etwas höher, die Geburtenrate von Nachfahren von Einwanderern ist nahezu identisch mit der von Französinnen ohne Migrationshintergrund.

Die Einwandererbevölkerung

Abbildung 2: Entwicklung der Gesamtbevölkerung Frankreichs (Metropole) sowie des Einwanderer- und Ausländeranteils nach Ergebnissen der Volkszählungen seit 1911. (Interner Link: Grafik zum Download) (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/

In der französischen Statistik werden Einwanderer (immigrés) und Ausländer (étrangers) separat erfasst. Einwanderer sind Personen, die im Ausland mit nicht-französischer Staatsbürgerschaft geboren wurden und sie bleiben auch dann als solche erfasst, wenn sie die französische Staatsangehörigkeit annehmen. Laut dem letzten verfügbaren Zensus lebten 2013 5,84 Millionen Einwanderer in Frankreich, davon 5,72 Millionen im Mutterland (France métropolitaine, ohne Überseegebiete). Gegenüber dem Zensus von 2008 (5,34 Millionen) ist die Zahl um eine halbe Million gestiegen. 2,36 Millionen Einwanderer hatten im Jahr 2013 die französische Staatsbürgerschaft angenommen. Insgesamt hat sich sowohl die absolute Zahl der Einwanderer als auch der Einwanderanteil an der französischen Bevölkerung seit Mitte der 1970er Jahre etwas erhöht. Damals lag er bei 7,4 Prozent und blieb bis zur Jahrtausendwende auf diesem Niveau. Bis 2008 war er auf 8,4 Prozent angestiegen. 2013 betrug er 8,9 Prozent (vgl. Abbildung 2).

In die statistische Kategorie Ausländer fallen Personen mit nicht-französischer Staatsbürgerschaft, auch wenn sie in Frankreich geboren wurden. Insgesamt lebten 2013 4,08 Millionen Ausländer in Frankreich, davon 3,96 im Mutterland. 3,48 Millionen von ihnen waren im Ausland geboren worden; rund 600.000 in Frankreich. Der Ausländeranteil lag bei 6,2 Prozent. Sowohl die absolute Zahl der Ausländer als auch der Ausländeranteil steigen somit seit Ende der 1990er Jahre an.

Abbildung 3: Einwanderer und Ausländer in der amtlichen Statistik

Abbildung 3: Einwanderer und Ausländer in der amtlichen Statistik (Nationales Institut für Statistik und Wirtschaftsstudien (INSEE), Zensus 2013, eigene Darstellung.) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/

Gleichzeitig zum relativen und absoluten Anstieg der Einwandererbevölkerung hat sich deren Zusammensetzung nach Herkunftsregionen gewandelt. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam der überwiegende Teil der Einwanderer aus Europa (1962: 79 Prozent). Dieser Anteil ist kontinuierlich gesunken. Im Jahr 2013 lag er bei 36,5 Prozent. Im Jahr 2005 lebten zum ersten Mal mehr Einwanderer aus afrikanischen Staaten in Frankreich (1962: 15,3 Prozent; 2005: 42,2 Prozent) als aus Europa.

Auch im Jahr 2013 bildeten Migranten aus Afrika die größte Ausländergruppe in Frankreich (43,5 Prozent). Vertreten sind vor allem Zuwanderer aus den ehemaligen französischen Kolonien im Norden des afrikanischen Kontinents – Algerien, Marokko und Tunesien. Auch die Zuwanderung aus Asien hat deutlich zugenommen (1962: 2,4 Prozent; 2005: 13,9 Prozent; 2013: 14,4 Prozent). Die Türkei ist das wichtigste Herkunftsland aus dem asiatischen Raum.

Die wichtigsten Herkunftsländer der in Frankreich lebenden ausländischen Bevölkerung im Einzelnen waren 2013 Portugal (519.500), Algerien (476.470), Marokko (443.379), die Türkei (216.423), Italien (177.171), Tunesien (161.451), Großbritannien (153.608) und Spanien (138.672).

Tabelle 1: Einwandererbevölkerung nach Geburtsland 2013

In ProzentIn absoluten Zahlen
Portugal 10606.897
Italien 5288.964
Spanien 4245.669
Andere Mitgliedstaaten der EU-27 12710.207
Andere europäische Länder 5274,775
Algerien 13760.289
Marokko 12709.619
Tunesien 5258.812
Andere afrikanische Länder 14811.490
Türkei 4248.640
Andere Länder 16919.981
Gesamt 1005.835.344

Quelle: Nationales Institut für Statistik und Wirtschaftsstudien (INSEE), Zensus 2013.

Neben der Zusammensetzung der Herkunftsländer hat sich auch das Geschlechterverhältnis unter den Einwanderern im Laufe der Jahre gewandelt. Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen zunächst überwiegend alleinreisende Männer, um in Frankreich zu arbeiten. Seit 1974 überwiegt mit der Familienzusammenführung die weibliche Einwanderung. Seit dem Jahrtausendwechsel ist der Anteil der weiblichen und männlichen Einwanderer so gut wie ausgeglichen.

Nachkommen von Einwanderern

Als Nachkommen von Einwanderern (descendants d’immigrés) werden in Frankreich geborene Personen verstanden, von denen mindestens ein Elternteil mit ausländischer Staatsangehörigkeit im Ausland geboren wurde. Diese Erfassungsweise berücksichtigt also vor allem die zweite Generation. Schätzungen für das Jahr 2015 gehen davon aus, dass rund 7,3 Millionen in Frankreich lebende Personen zu dieser Gruppe gezählt werden können. Dies entspricht einem Anteil von 11 Prozent der Gesamtbevölkerung. Die Zusammensetzung der Gruppe der Nachkommen von Einwanderern spiegelt die Migrationsgeschichte Frankreichs wider. Rund 3,3 Millionen Personen (bzw. 45 Prozent) mit Zuwanderungsgeschichte hatten mindestens einen Elternteil, der aus einem europäischen Land nach Frankreich eingewandert war, vor allem aus Italien, Spanien und Portugal, also Ländern, die bereits in Frühphasen der Arbeitsmigration seit dem 19. Jahrhundert einen Großteil der ausländischen Arbeitskräfte in Frankreich stellten. Weitere rund 2,3 Millionen Personen (bzw. 31 Prozent) waren Nachkommen von Einwanderern aus dem Maghreb, also aus ehemaligen französischen Kolonien in Nordafrika. Die übrigen rund 1,3 Millionen Personen (bzw. 24 Prozent) mit Zuwanderungsgeschichte hatten ihre Wurzeln in anderen Regionen Afrikas und in Asien, also in Herkunftsgebieten, aus denen sich die jüngere Zuwanderung nach Frankreich speist. Bei den Nachkommen von Einwanderern handelt es sich um eine junge Bevölkerung. Fast die Hälfte sind unter 25 Jahre (47 Prozent). Bei der Gruppe ohne Migranteneltern waren es 30 Prozent.

Insgesamt leben also rund 13,1 Millionen Menschen mit einer Einwanderungsgeschichte in Frankreich (7,3 Millionen Nachkommen von Einwanderern und 5,8 Millionen Einwanderer). Zusammen entspricht dies einem Anteil von rund 20 Prozent der Gesamtbevölkerung. Das bedeutet, dass etwa jeder fünfte Einwohner Frankreichs eine direkte oder indirekte Migrationsgeschichte hat, die noch nicht sehr lange zurückliegt. Die Einwandererbevölkerung ist noch etwas größer, wenn man auch die dritte Generation hinzuzählt. Dabei handelt es sich aufgrund des sogenannten doppelten Bodenrechts (vgl. Kapitel Interner Link: Staatsangehörigkeit und Staatsangehörigkeitserwerb ) ausschließlich um französische Staatsbürger. Eine Schätzung, die auf Daten von 2011 basiert, kommt für die dritte Generation auf rund 4,7 Millionen Menschen.

Lebenslage der Einwandererbevölkerung

In Bezug auf die Arbeitsmarktintegration von Zuwanderern zeigt sich gegenüber der französischen Gesamtbevölkerung eine deutliche Benachteiligung. Das gilt vornehmlich für Drittstaatsangehörige. Sie sind häufiger von Arbeitslosigkeit und prekären Beschäftigungsverhältnissen betroffen und zeigen niedrigere Erwerbsquoten auf.

Im Jahr 2015 lag die Erwerbsquote in der eingewanderten Bevölkerung bei 54,8 Prozent gegenüber 56,3 Prozent in der nichteingewanderten französischen Bevölkerung. Die niedrigere Erwerbsquote ergab sich dabei vor allem aus der im Vergleich zu nichteingewanderten Frauen (52,2 Prozent) niedrigen Erwerbsquote von Einwanderinnen (47,8 Prozent), wobei es bedeutsame herkunftslandspezifische Unterschiede gibt. Besonders niedrig war die Erwerbsquote bei Frauen aus Nicht-EU-Staaten.

Einwanderer aus Drittstaaten waren im Jahr 2015 mehr als doppelt so häufig arbeitslos wie nichteingewanderte Personen – ihre Arbeitslosenquote lag bei 20,8 Prozent gegenüber 9,1 Prozent. Die höhere Arbeitslosigkeit vor allem unter Drittstaatlern sowie ihre Anstellung in oft prekären Beschäftigungsverhältnissen gehören zu den Ursachen eines erhöhten Armutsrisikos innerhalb dieser Bevölkerungsgruppe.

Das Bildungsniveau der Einwanderer ist im langfristigen Trend deutlich gestiegen und es ist ein Aufholen gegenüber der Nicht-Einwanderer-Bevölkerung zu beobachten. Dennoch besteht weiterhin eine Bildungsbenachteiligung, die sich insbesondere im Hinblick auf die Zahl der Schulabgänger ohne Abschluss zeigt. Studien zeigen, dass der Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und schulischen Leistungen in Frankreich stärker ausgeprägt ist als in den meisten anderen Industrieländern. Davon sind vor allem Kinder aus Einwandererfamilien betroffen, die somit nur geringe gesellschaftliche Aufstiegschancen haben.

Regional konzentrieren sich die Einwanderer in Frankreich auf die großen Ballungsgebiete und hier vor allem auf die Vororte. In den Ballungsgebieten lebten Daten aus dem Jahr 2012 zufolge etwa acht von zehn Einwanderern. Bei Einwanderern aus afrikanischen und asiatischen Staaten ist diese Konzentration besonders stark ausgeprägt. Die Region mit dem höchsten Einwandereranteil ist die Region Île-de-France (Großraum Paris), wo knapp 40 Prozent der Einwanderer leben bzw. ca. 2,2 Millionen Personen. In den sechs – nach Paris – größten Städten Frankreichs (Lyon, Marseille, Toulouse, Lille, Bordeaux und Nizza) leben zusammen rund 15 Prozent der Einwanderer bzw. 842.000 Personen. Die geografische Verteilung der zweiten Generation ähnelt stark jener der Einwanderer, wobei die Konzentration auf Paris etwas schwächer ausfällt.

Dieser Text ist Teil des Interner Link: Migrationsprofils Frankreich.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Eurostat, Tabelle "First permits by reason, length of validity and citizenship" [migr_resfirst], abgerufen am 24.3.2017.

  2. Pla/Beaumel (2012) und Pla/Beaumel (2011), INSEE (2017a).

  3. DSED (2015).

  4. INSEE (2016b). In Frankreich besteht keine Pflicht, den Wohnsitz zu melden. Umfassende Informationen über die Bevölkerung werden nur alle acht bis neun Jahre in allgemeinen Volkszählungen erhoben (recensements de la population) auf deren Basis sich dann auch Aussagen über die Zuwandererbevölkerung treffen lassen. Der letzte Zensus hat 2013 stattgefunden. Sensible Daten zu z.B. Religionszugehörigkeit oder ethnischer Abstammung dürfen dabei nicht erfasst werden, was Aussagen zu Einwanderungs- und Integrationsprozessen erschwert.

  5. Vor allem aus den Maghreb-Staaten (Tunesien, Marokko, Algerien).

  6. INSEE (2016b).

  7. Ministère de l’Intérieur (2017).

  8. INSEE (2017b).

  9. Tribalat (2015), S.12-14.

  10. Ministère de l'intérieur/DSED (2016).

  11. Peugny (2016).

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Marcus Engler ist Sozialwissenschaftler und Migrationsforscher. Seit langem verfolgt er die Entwicklungen in der französischen Migrations- und Integrationspolitik. Er absolvierte einen Freiwilligendienst in einer Beratungsstelle für Migranten in Marseille. Anschließend studierte er Sozial- und Wirtschaftswissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin und am Institut d’Etudes Politiques in Paris. Derzeit ist er als selbständiger Autor, Referent und Berater tätig und ist Mitglied im Netzwerk Flüchtlingsforschung und im Netzwerk Migration in Europa.
E-Mail: E-Mail Link: engler@migration-analysis.eu