Die Rolle der
Das Gesetz über Ausländer und internationalen Schutz von 2013
Im Jahr 2013 erließ die Türkei ein neues Gesetz mit dem Titel "Gesetz Nr. 6.458 über Ausländer und internationalen Schutz". Es wurde vom Innenministerium in Zusammenarbeit mit verschiedenen Akteuren wie internationalen Organisationen, Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen, Menschenrechtsverbänden und Wissenschaftlern entworfen. Dieser Prozess dauerte insgesamt drei Jahre. Bestimmungen des neuen Gesetzes in Bezug auf die Verwaltungsstruktur und die Benennung von zuständigem Personal traten mit der Veröffentlichung des Gesetzes im Amtsblatt am 11. April 2013 in Kraft. Zusätzliche Regelungen des Gesetzes gelten seit dem 11. April 2014.
Das Gesetz über Ausländer und internationalen Schutz ist im Einklang mit dem Migrations- und Asylrecht der
Grundlagen des internationalen Schutzes im türkischen Recht
Eine der wichtigsten Grundlagen internationalen Schutzes ist das Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention, GFK) von 1951 und das ergänzende Protokoll von 1967. Beide Rechtsinstrumente wurden 1961 bzw. 1968 von der Türkei ratifiziert. Die Türkei zählt allerdings zu den vier Unterzeichnerstaaten, die bis heute einen geografischen Vorbehalt bei der Anwendung der Konvention geltend machen. Deswegen ist die Türkei nur verpflichtet, die Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 auf Flüchtlinge anzuwenden, die aus Europa kommen.
Die zweite Rechtsgrundlage für die Gewährung internationalen Schutzes in der Türkei ist das Gesetz über Ausländer und internationalen Schutz von 2013. In diesem Gesetz wird bestimmt, dass Leitlinien und Abläufe in Bezug auf die Umsetzung des Gesetzes in nachfolgenden Verordnungen festgelegt werden sollen. Drei Vorschriften sind dabei bereits in die Praxis umgesetzt worden. Eine davon ist die Verordnung über die Einrichtung, den Betrieb und die Überwachung von Aufnahme- und Abschiebezentren, die am 22. April 2014 in Kraft trat. Eine andere Bestimmung ist die Vorschrift über temporären Schutz, in Kraft seit dem 22. November 2014. Die Diskussionen über den Abbau bürokratischer und rechtlicher Hürden beim Zugang temporär geschützter Personen zum türkischen Arbeitsmarkt mündeten in der Vorschrift vom 15. Januar 2016 über Arbeitsgenehmigungen für Ausländer.
Arten des internationalen Schutzes im türkischen Recht
Neben der Anerkennung als Flüchtling wurden im Gesetz über Ausländer und internationalen Schutz auch die Schutzformen "bedingter Flüchtling", "subsidiärer Schutz" (auch bekannt als "zusätzlicher Schutz", "untergeordneter Schutz", "sekundärer Schutz" oder "komplementärer Schutz") und "temporärer Schutz" aufgenommen.
Damit ein Ausländer von der Türkei als Flüchtling anerkannt werden kann, müssen folgende Bedingungen erfüllt sein:
Die Ereignisse, die zur Flucht geführt haben, müssen in Europa stattgefunden haben,
der Ausländer, der Flüchtlingsstatus beantragt, muss Verfolgung aufgrund seiner "Rasse", Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Überzeugung fürchten,
die Angst vor Verfolgung muss wohlbegründet sein,
der Ausländer, der Flüchtlingsstatus beantragt, muss sich außerhalb seines Herkunftslandes befinden,
er muss außerstande sein, den Schutz des Herkunftsstaates in Anspruch nehmen zu können oder wegen der Angst vor Verfolgung nicht willens sein, den Schutz des Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen.
Demnach können nur Menschen, die aus einem europäischen Land stammen und die Bedingungen erfüllen, die in Artikel 1A(2) der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 niedergelegt sind, im Rahmen aktuell geltender türkischer Rechtsvorschriften als Flüchtlinge anerkannt werden. Gemäß der Bestimmungen des Gesetzes über Ausländer und internationalen Schutz gelten Staatsangehörige eines außereuropäischen Landes nicht als Konventionsflüchtlinge, sondern stattdessen als "bedingte Flüchtlinge". Ihnen kann eine Aufenthaltsgenehmigung ausgestellt werden, die sie berechtigt, in der Türkei zu bleiben, bis sie zum Beispiel über das Resettlement-Programm des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) von einem Drittstaat als Flüchtlinge anerkannt und in diesen Staat umgesiedelt werden.
Einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte aus dem Jahr 1999 zufolge, verstößt die Entscheidung der Türkei, die Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention auf Menschen aus einem europäischen Land zu beschränken, nicht gegen Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention. Die Türkei darf daher an dem geografischen Vorbehalt festhalten.
Subsidiärer oder komplementärer Schutz kann einem Ausländer oder einem Staatenlosen gewährt werden, der zwar nicht als Konventionsflüchtling oder bedingter Flüchtling anerkannt werden kann, dem aber bei einer Rückkehr in sein Herkunftsland oder das Land, in dem er seinen gewöhnlichen Wohnsitz hat, die Todesstrafe, Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Strafe oder Behandlung droht oder der im Falle eines internationalen oder nationalen bewaffneten Konflikts den Schutz seines Herkunftsstaates oder des Staates, in dem er seinen gewöhnlichen Wohnsitz hat, nicht in Anspruch nehmen kann oder will, weil sein Leben dort durch willkürliche Gewalt bedroht wird.
Um temporären Schutz zu erhalten, müssen ausländische Staatsangehörige
gezwungen worden sein, ihr Herkunftsland in Massen zu verlassen,
nicht imstande sein, in ihr Herkunftsland zurückzukehren und
dringend auf temporären Schutz angewiesen sein.
Die Türkei gewährt Syrern temporären Schutz, die vor dem
Zentrale Akteure im Hinblick auf die Gewährung von internationalem Schutz
Das Gesetz über Ausländer und internationalen Schutz führte zu einer Umorganisation der Verwaltungsstruktur in Migrationsangelegenheiten. Alle Aufgaben und Befugnisse der Ausländerbehörden, die ursprünglich unter dem Dach der Polizeidirektionen angesiedelt waren, gingen an die Generaldirektion der Migrationsverwaltung über, eine der Generaldirektionen im Innenministerium. Die Generaldirektion der Migrationsverwaltung installiert in einigen türkischen Botschaften im Ausland Migrationsberater oder Migrationsattachés. Die Türkei besteht aus 81 Provinzen, die jeweils von einem Gouverneur verwaltet werden. Die Generaldirektion der Migrationsverwaltung unterhält Geschäftsstellen in allen 81 Provinzen und Zweigstellen in 147 Bezirken. Alle Gouverneure werden vom Innenminister ernannt, die Provinzverwaltungen gelten als Zweigstellen des Innenministeriums. Das Gesetz über Ausländer und internationalen Schutz bestimmt, dass Anträge auf internationalen Schutz persönlich bei der jeweils zuständigen Provinzgeschäftsstelle des Migrationsamtes gestellt werden müssen. Die endgültige Entscheidung über den Antrag trifft aber die zentrale Generaldirektion der Migrationsverwaltung.
Unterbringung von Asylbewerbern und Personen, denen internationaler Schutz gewährt wurde
Das Gesetz über Ausländer und internationalen Schutz legt Leitlinien für die Einrichtung und den Betrieb von Aufnahme-, Abschiebe- und Unterbringungszentren fest. Detaillierte Bestimmungen zu den Prozessabläufen und Prinzipien in Bezug auf die Einrichtung, die Leitung, den Betrieb und die Überwachung dieser drei Typen von asylbezogenen Zentren legt eine Verordnung vom 22. Oktober 2014 fest. Demnach werden Aufnahme- und Unterbringungszentren eingerichtet, um Asylbewerber und Personen, denen internationaler Schutz gewährt wurde, mit Nahrungsmitteln, Gesundheits-, Sozial- und anderen Leistungen zu versorgen. Temporäre Zentren können unter außergewöhnlichen und dringenden Umständen eingerichtet werden und als Aufnahme-, Unterbringungs- oder Abschiebezentrum fungieren. Ein typisches Beispiel für ein temporäres Zentrum ist ein Lager für Syrer mit temporärem Schutzstatus.
Aus Gründen der öffentlichen Sicherheit können bedingte Flüchtlinge und subsidiär geschützte Personen von der Generaldirektion der Migrationsverwaltung dazu verpflichtet werden, in einer ihnen zugewiesenen Provinz zu wohnen und sich in regelmäßigen Abständen bei der Generaldirektion zu melden. Ihr Wohnort wird im Melderegister gespeichert und die Information wird an die zuständige Provinzgeschäftsstelle des Migrationsamtes weitergeleitet.
Rechte von Asylbewerbern und Personen, denen internationaler Schutz gewährt wurde
Personen, die internationalen Schutz beantragen oder diesen bereits genießen sowie ihre Familienmitglieder haben Zugang zu Grund- und höherer Schulbildung. Bedürftigen Asylbewerbern und Personen mit humanitärem Schutzstatus kann zudem Zugang zu Sozialhilfe und anderen staatlichen Dienstleistungen gewährt werden. Sie haben darüber hinaus Zugang zur Gesundheitsversorgung. Einer Beschäftigung darf dann nachgegangen werden, wenn Personen, denen internationaler Schutz gewährt wurde, Syrer eingeschlossen, eine Arbeitserlaubnis vom Ministerium für Arbeit und soziale Sicherheit erhalten. Um den Zugang zum Arbeitsmarkt für temporär geschützte Flüchtlinge, insbesondere Syrer, zu beschleunigen, trat am 16. Januar 2016 eine Vorschrift über Arbeitsgenehmigungen für Personen mit temporärem Schutzstatus in Kraft. Diese ermöglicht es temporär geschützten Personen ohne Arbeitserlaubnis in der Landwirtschaft zu arbeiten. Einem bedürftigen Asylbewerber kann im Einklang mit dem Innenministerium und nach Zustimmung durch das Finanzministerium ein Taschengeld gewährt werden. Beispielsweise steht allen Syrern, die in einem der offiziellen Flüchtlingslager leben, ein solches Taschengeld zu.
Schlussbemerkung
Neben der EU kritisieren auch einige Menschenrechts- und Flüchtlingshilfsorganisationen sowie Wissenschaftler das Gesetz über Ausländer und internationalen Schutz, weil es die geografische Beschränkung des Geltungsbereichs der Genfer Flüchtlingskonvention aufrechterhält. Diese Einschränkung aufzuheben ist jedoch eine der Voraussetzungen, die die Türkei erfüllen muss, um der EU beitreten zu können. Obwohl die Türkei derzeit mit der EU über die Aufhebung des geografischen Vorbehalts verhandelt, sieht es so aus, als würde die Türkei vorläufig weiterhin an dieser Einschränkung festhalten. Einer der Gründe dafür ist sicherlich, dass die Türkei mit ihrer geografischen Lage zwischen Europa, Asien und Afrika eines der weltweiten Hauptaufnahmeländer von Menschen geworden ist, die internationalen Schutz suchen. Weitere Gründe sind geopolitische Gegebenheiten an den Landgrenzen, eine ineffektive Überwachung der Seegrenzen, Sicherheitsprobleme aufgrund von Terrorismus, eingeschränkte finanzielle Ausstattung für ein effektives Migrationsmanagement, andauernde politische Konflikte und Kriege in den Nachbarländern, Schwierigkeiten im Umgang mit der Massenzuwanderung aus den Nachbarländern und fehlende Rücknahmeabkommen mit Ländern im Nahen Osten, Asien und Afrika. Die Türkei könnte die Aufhebung der geografischen Beschränkung davon abhängig machen, ob es eine erfolgreiche internationale Lastenteilung bei der Flüchtlingsaufnahme gibt, ob Rücknahmeabkommen mit Ländern im Nahen Osten, Asien und Afrika zustande kommen und ob es Fortschritte in den Verhandlungen des Beitritts der Türkei zur EU gibt.
Die Türkei hat mit dem Erlass des Gesetzes über Ausländer und internationalen Schutz im Hinblick auf Migrations- und Asylfragen große Fortschritte gemacht. Vor der Implementierung des Gesetzes gab es keinen ausreichenden Rechtsrahmen zur Regelung von Asylangelegenheiten. Die Türkei hat diesen Fortschritt während des gleichzeitig stattfindenden Massenzustroms von syrischen Staatsangehörigen erzielt. Derzeit beherbergt sie mehr als 2,7 Millionen Syrer, die aus ihrem Heimatland geflohen sind. Das Gesetz über Ausländer und internationalen Schutz sowie untergeordnete Rechtsvorschriften führen neue Systeme und Institutionen im Bereich Migration und Asyl ein. Sogar Menschenrechtsorganisationen haben den menschenrechtsbasierten Ansatz des Gesetzes gewürdigt.
Übersetzung aus dem Englischen: Vera Hanewinkel
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