Im Zuge der Interner Link: gestiegenen Fluchtzuwanderung nach Deutschland werden die Arbeitsmarktperspektiven von Geflüchteten kontrovers diskutiert. Die Standpunkte reichen von optimistischen Ansätzen, die Möglichkeiten zum Ausgleich des Fachkräftemangels sehen, bis hin zu Vermutungen, dass die Mehrheit der Geflüchteten Interner Link: funktionale Analphabeten seien, deren Integration in den Arbeitsmarkt kaum gelingen könne. Vor diesem Hintergrund gehen wir in diesem Beitrag der Frage nach, wie es den seit 2013 nach Deutschland Geflüchteten in Bezug auf ihre Arbeitsmarktintegration bislang ergangen ist. Dabei stehen drei Faktoren im Fokus des Beitrags: Die rechtlichen Bedingungen des Zugangs zum Arbeitsmarkt, die Qualifikationen der Geflüchteten sowie die Rolle der ArbeitgeberInnen. Dabei beziehen wir uns vor allem auf Ergebnisse einer Externer Link: Befragung von Geflüchteten, die vom Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB), dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und dem Sozio-oekonomischen Panel (SOEP) durchgeführt wurde und erstmals umfassende und repräsentative Daten zu volljährige Personen liefert, die zwischen 2013 und 2016 in Deutschland einen Antrag auf Asyl gestellt haben. Befragt wurden Mitte 2016 etwa 4.600 Erwachsene, die 2013 oder später in Deutschland angekommen sind.
Rechtliche Zugangsbedingungen
In der Interner Link: Vergangenheit dauerte der Arbeitsmarkteintritt von Geflüchteten im Durchschnitt länger als bei anderen Zuwanderergruppen. Die rechtlichen Zugangsmöglichkeiten Geflüchteter zum deutschen Arbeitsmarkt waren begrenzt und standen bei Arbeitsmarktexperten unter Verdacht, den Arbeitsmarkteintritt zu verlangsamen oder gänzlich zu verhindern. Daher wurden in den letzten Jahren unter anderem im Zuge des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes 2015 und des Interner Link: Integrationsgesetzes 2016 rechtliche Grundlagen geschaffen, um die Arbeitsmarkteinbindung von Geflüchteten zu erleichtern. In der Vergangenheit bestanden längere Wartefristen und phasenweise Arbeitsverbote für Geflüchtete. Nach den aktuellen Reformen entscheiden insbesondere der Aufenthaltsstatus und das Herkunftsland über die Externer Link: Möglichkeiten von Geflüchteten, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Geflüchtete, denen im Asylverfahren eine Interner Link: Schutzform (Asylberechtigung, Flüchtlingsstatus, subsidiärer Schutz) zugesprochen wurde, haben eine uneingeschränkte Arbeitserlaubnis. Auch Menschen, die aufgrund eines Abschiebungsverbots vorübergehend in Deutschland bleiben dürfen, und Menschen aus nicht Interner Link: sicheren Herkunftsländern, deren Asylverfahren noch nicht abgeschlossen ist, können von der Ausländerbehörde eine Genehmigung zur Ausübung einer Beschäftigung erhalten. Bei Geflüchteten aus sicheren Herkunftsländern, die ihren Asylantrag nach dem 31. August 2015 gestellt haben, besteht ein Beschäftigungsverbot, auch wenn sie eine Interner Link: Duldung erhalten. Somit haben sich seit 2015/16 die rechtlichen Möglichkeiten des Zugangs zum Arbeitsmarkt für den Großteil der Geflüchteten verbessert. Dies gilt auch für Personen, die zwar weder eine Asylberechtigung noch den Flüchtlingsstatus erhalten, jedoch in absehbarer Zeit nicht in ihre Herkunftsländer zurückkehren können.
Qualifikationen von Geflüchteten aus dem Herkunftsland
Die Mehrheit der erwachsenen Geflüchteten hat ihre Bildungs- und Berufsqualifikationen im jeweiligen Herkunftsland erworben. Bei solchen im Ausland erworbenen Qualifikationen besteht das Risiko, dass sie mit der Einreise nach Deutschland entwertet werden. Ob ausländische Abschlüsse und Zertifikate in Deutschland eingesetzt werden können, hängt davon ab, ob sie Interner Link: anerkannt und somit als gleichwertig mit deutschen Abschlüssen betrachtet werden.
Die IAB-BAMF-SOEP-Daten zeigen ein kontrastreiches Bild vom Bildungs- und Ausbildungsniveau erwachsener Geflüchteter (siehe Tabelle): Einem vergleichsweise hohen Anteil an Personen, die gar keine Schule (13 Prozent) oder höchstens die Grundschule (12 Prozent) besucht haben, stehen 40 Prozent gegenüber, die eine weiterführende Schule besucht haben. Während sich der Abschluss von vier Prozent nicht zuordnen lässt, haben 31 Prozent eine Mittelschule abgeschlossen, was in etwa einem Haupt- oder Realschulabschluss entspricht. Teilweise bestehen sehr große Unterschiede zwischen den einzelnen Herkunftsgruppen: Geflüchtete aus Syrien, Iran und der ehemaligen Sowjetunion stechen durch ein besonders hohes durchschnittliches Bildungsniveau hervor, während das Gegenteil auf Geflüchtete insbesondere aus Afghanistan, Somalia und Eritrea zutrifft.
In den meisten Ländern werden berufliche Qualifikationen vor allem über praktische Erfahrungen im Beruf erworben und nicht, wie in Deutschland üblich, im Rahmen beruflicher Ausbildungen. Es ist daher wenig überraschend, dass nur ein geringer Anteil der Befragten in der IAB-BAMF-SOEP-Erhebung angibt, im Herkunftsland eine betriebliche Ausbildung beziehungsweise berufliche Schule abgeschlossen zu haben. Eine mit Deutschland vergleichbare Form der beruflichen Ausbildung findet in vielen Ländern an (Fach-)Hochschulen statt, die etwa von einem Fünftel der Befragten in ihrem Herkunftsland besucht wurden. Insgesamt lässt sich festhalten, dass die Mehrheit der Geflüchteten keine formale berufliche Ausbildung im Herkunftsland abgeschlossen hat. Allerdings stellen informell erworbene Qualifikationen bei Zugewanderten durchaus Potenziale für den deutschen Arbeitsmarkt dar. So verfügt die Mehrheit der erwachsenen Geflüchteten über Berufserfahrung und damit Fertigkeiten, die sie sich über On-the-job-Training angeeignet hat. Rund 70 Prozent aller Befragten waren bereits im Herkunftsland berufstätig. Hier ist jedoch ein starkes Geschlechtergefälle zu beobachten: Waren nur rund 45 Prozent der Frauen vor ihrer Ankunft in Deutschland erwerbstätig, sind es bei den Männern 80 Prozent.
(Weiter-)Qualifizierungsmöglichkeiten in Deutschland
Neben dem Nachholen von Bildungs- und Berufsqualifikationen können allgemeine Weiterqualifizierungsmaßnahmen in Form von Sprachkursen oder spezifischen berufsbezogenen Kursen die Chancen auf eine erfolgreiche Arbeitsmarktintegration erhöhen. Um die Integration von Geflüchteten in Deutschland zu fördern, wurden mit dem Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz (2015) und dem Interner Link: Integrationsgesetz (2016) Möglichkeiten für einen schnelleren Zugang zu Sprachkursen geschaffen. Gleichzeitig wurde festgelegt, dass ein gewisses Sprachniveau als Voraussetzung für eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis (Niedererlassungserlaubnis), die anerkannte Flüchtlinge in der Regel nach einem fünfjährigen Aufenthalt in Deutschland erhalten können, gilt. Demnach können AsylbewerberInnen und Geduldete mit guter Bleibeperspektive sowie aufenthaltsberechtigte Geflüchtete ohne den Ablauf einer Frist abwarten zu müssen direkt an einem Interner Link: Integrations- und Sprachkurs teilnehmen, sofern entsprechende Kapazitäten in diesen Kursen vorhanden sind. Den Ergebnissen der IAB-BAMF-SOEP-Befragung zufolge besaß der Großteil der zwischen 2013 und 2016 nach Deutschland eingereisten Geflüchteten bei der Ankunft keine Deutschkenntnisse. Da Sprache als Schlüsselfaktor für eine erfolgreiche Integration gilt, sind positive Effekte des Kursbesuchs auf die Arbeitsmarktperspektiven von Geflüchteten zu erwarten.
Perspektive der ArbeitgeberInnen
Laut einer Studie der Sächsischen Industrie- und Handelskammer, für die im Jahr 2015 2.582 IHK-Unternehmen befragt wurden, schätzen größere Unternehmen die Fluchtzuwanderung eher als eine Chance für ihren Wirtschaftszweig ein als kleinere Unternehmen. Dabei wurden Geflüchtete in der Vergangenheit vor allem Interner Link: in kleinen Unternehmen beschäftigt. Den Zugang zu den Unternehmen erhalten sie eher über Brückentätigkeiten wie Praktika und Ausbildungen als über ein unmittelbares Arbeitsplatzangebot. ArbeitgeberInnen in Westdeutschland können sich eher vorstellen, Geflüchtete zu beschäftigen, als UnternehmerInnen in Ostdeutschland. Auch zeichnen sich zwischen den Wirtschaftszweigen deutliche Unterschiede in der Bereitschaft, Geflüchtete einzustellen, ab. So geben ArbeitgeberInnen aus dem Gastgewerbe häufiger als solche aus anderen Branchen an, Geflüchtete in ihrem Unternehmen einzustellen und schätzen die Möglichkeit, dass Geflüchtete den Fachkräftemangel in ihrer Region ausgleichen könnten, mit Abstand am höchsten ein.
Als Hürden für die Beschäftigung von Geflüchteten stehen für ArbeitgeberInnen an erster Stelle sprachliche Barrieren sowie fehlende Qualifikationen. Die rechtlichen Bedingungen, die bei der Einstellung von Geflüchteten beachtet werden müssen, schaffen auf Seiten der ArbeitgeberInnen zusätzlich Unsicherheiten und erhöhen den administrativen Aufwand bei Einstellungen.
Empirischer Blick auf die Erwerbsbeteiligung und die Erwerbschancen von Geflüchteten
Unter den Befragten der IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Geflüchteten in Deutschland im Alter von 18 bis 65 Jahren waren etwa fünf Prozent der weiblichen und 15 Prozent der männlichen Geflüchteten in irgendeiner Form in den deutschen Arbeitsmarkt eingebunden, z.B. über Vollzeitbeschäftigungen, Praktika oder Ausbildungen. Welche Faktoren fördern die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit? Um dieser Frage nachzugehen, haben wir auf Basis der IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Geflüchteten eine eigene Auswertung vorgenommen. Die im folgenden berichteten Zahlen beziehen sich auf Personen zwischen 18 und 65 Jahren, die einen Aufenthaltstitel besitzen, der den Eintritt in den Arbeitsmarkt erlaubt und die zwischen 2013 und Januar 2016 in Deutschland einen Antrag auf Asyl gestellt haben.
Zum einen hat das Geschlecht Auswirkungen auf die durchschnittliche Erwerbswahrscheinlichkeit. Werden Männer und Frauen mit ähnlichen Merkmalen verglichen, wie z.B. ein ähnliches Qualifikationsniveau, Alter und vergleichbare Deutschkenntnisse, so zeigt sich, dass männliche Geflüchtete statistisch betrachtet im Durchschnitt eine um sieben Prozentpunkte höhere Wahrscheinlichkeit als weibliche Geflüchtete haben, erwerbstätig zu sein.
Neben dem Geschlecht zeigen sich auch für andere soziodemografische Charakteristika statistisch signifikante Unterschiede. Beispielsweise fällt die Wahrscheinlichkeit, erwerbstätig zu sein, für Personen zwischen 31 und 40 Jahren im Durchschnitt am höchsten und für Personen zwischen 51 und 65 Jahren am niedrigsten aus. Das Herkunftsland, der Rechtsstatus sowie der Bildungsabschluss haben hingegen keine deutlichen Auswirkungen auf die Arbeitsmarktintegration. Dass höher Gebildete keinen Vorteil gegenüber geringer Gebildeten haben, könnte einerseits daran liegen, dass sie die (z.T. zeitaufwändige) Interner Link: Anerkennung ihrer im Ausland erworbenen Qualifikationen anstreben, bevor sie in den Arbeitsmarkt eintreten. Darüber hinaus ist es denkbar, dass sie eine Beschäftigung aufnehmen möchten, die ihrer Qualifikation entspricht und dadurch länger nach einer geeigneten Stelle suchen müssen. Andere Merkmale und Eigenschaften scheinen für die Arbeitsmarktintegration relevanter zu sein. So liegt die Erwerbswahrscheinlichkeit von Personen, die Berufserfahrungen im Herkunftsland sammeln konnten, um zehn Prozentpunkte höher als bei Personen, die noch nie gearbeitet haben. Auch die Aufenthaltsdauer spielt eine entscheidende Rolle: Je länger Geflüchtete in Deutschland leben, desto höher ist ihre Erwerbswahrscheinlichkeit.
Wie oben beschrieben, wird der Interner Link: Sprachkompetenz eine besonders wichtige Rolle bei der Arbeitsmarktintegration zugeschrieben. Dies spiegelt sich auch in den Ergebnissen unserer Untersuchung wider. Die Sprachkursteilnahme erhöht die Erwerbswahrscheinlichkeit im Durchschnitt um drei Prozentpunkte, wobei der Effekt statistisch nicht signifikant ist. Dies liegt vermutlich daran, dass wir zusätzlich zur Sprachkursteilnahme auch die Sprachkenntnisse berücksichtigen. Diejenigen, die ihre Deutschkenntnisse als "gut" einschätzen, haben durchschnittlich eine um 13 Prozentpunkte höhere Wahrscheinlichkeit, erwerbstätig zu sein, als jene, die ihre Sprachkompetenzen als "schlecht" bezeichnen.
Im Hinblick auf die Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten muss zudem die physische und psychische Gesundheit berücksichtigt werden, die durch Interner Link: (traumatische) Erlebnisse während der Flucht nach Deutschland eingeschränkt sein kann. Tatsächlich haben Personen, die von mittelstarken oder starken seelische Problemen berichten, eine niedrigere Wahrscheinlichkeit (vier bzw. acht Prozentpunkte), am Arbeitsmarkt integriert zu sein.
Auch die Region, in der Geflüchtete in Deutschland leben, hat Auswirkungen auf ihre Arbeitsmarktintegration. So liegt in Westdeutschland die Erwerbswahrscheinlichkeit Geflüchteter durchschnittlich um fünf Prozentpunkte höher als in Ostdeutschland. Diese Differenz lässt sich auf mehrere Erklärungen zurückführen. Beispielsweise kann dies das Resultat aus der oben skizzierten höheren Bereitschaft von ArbeitgeberInnen in Westdeutschland sein, Geflüchtete einzustellen. Andererseits können sich dahinter auch andere regionale Unterschiede, wie die Nachfrage nach Arbeitskräften, verbergen. In Regionen mit hoher Arbeitskräftenachfrage haben auch Geflüchtete bessere Chancen, einen Arbeitsplatz zu finden.
Fazit und Ausblick
Insgesamt lassen sich aus den bisherigen Entwicklungen vorsichtig optimistische Schlussfolgerungen für die Arbeitsmarktintegration der seit 2013 nach Deutschland zugewanderten Geflüchteten ziehen. In den vergangenen Jahren wurden einige rechtliche Hindernisse, die einer schnellen Arbeitsmarkteinbindung im Weg standen, abgebaut oder gelockert. Zusätzlich wurden integrationsförderliche Maßnahmen wie flächendeckende Sprach- und Integrationskurse eingeführt, die sich insgesamt positiv auf die gesellschaftliche Teilhabe auswirken sollten. Allerdings stellt ein schneller Einstieg in den Arbeitsmarkt keine Garantie für eine gelungene Integration dar. Sollen Geflüchtete innerhalb kürzester Zeit eine Erwerbstätigkeit aufnehmen, besteht die Gefahr, dass sie im Niedriglohnsektor einsteigen und dort auch langfristig verbleiben. Damit verbunden ist das Risiko, in einem Beruf zu arbeiten, der unter dem eigenen Qualifikationsniveau liegt. Dies bedeutet nicht nur eine Entwertung der (Lebens-)Leistung der Betroffenen, sondern auch einen volkswirtschaftlichen Verlust. Eine mögliche Gegenmaßnahme könnte die (zügige) Anerkennung der im Ausland erworbenen Qualifikationen Geflüchteter darstellen. Das 2012 in Kraft getretene "Anerkennungsgesetz" des Bundes eröffnet Menschen, die z.B. wegen einer Flucht aus dem Herkunftsland keine Zeugnisse und andere Unterlagen über erworbene Abschlüsse und Fertigkeiten beibringen können, Wege, ihre Qualifikationen anerkennen zu lassen. In den letzten Jahren wurden dazu Projekte wie Early Intervention, ValiKom oder Prototyping Transfer angeregt, die Verfahren zur Anerkennung informeller Qualifikationen entwickelt haben. Ob dadurch die Vermittlung von Geflüchteten in (hoch-)qualifizierte Tätigkeiten besser gelingt, wird sich in den kommenden Jahren zeigen.
Dieser Artikel ist Teil des Kurzdossiers Interner Link: Perspektiven auf die Integration von Geflüchteten in Deutschland.
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