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Hintergrundinformationen | Irland | bpb.de

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Hintergrundinformationen

Emma Quinn

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Irland zeichnete sich lange durch eine schrumpfende Bevölkerung und hohe Auswanderungsquoten aus, doch in den letzten zwei Jahrzehnten hat sich die Situation drastisch gewandelt: Starkes wirtschaftliches Wachstum brachte deutlich mehr Einwanderer ins Land. Anfangs bestanden die Zuwanderungsströme hauptsächlich aus irischen Rückkehrern, doch ab 2000 kam erstmals auch eine nennenswerte Anzahl von Nicht-EU-Staatsbürgern ins Land – hauptsächlich, um Arbeit zu suchen, aber auch, um Asyl zu beantragen.

Irland (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/2.0/de

Das Ausmaß dieser Entwicklung setzte die politischen Entscheidungsträger unter Druck, und häufig waren ihre Antworten übereilt. So wurde als Erstes die Asylpolitik vorangetrieben. Bis heute basiert die irische Einwanderungspolitik zum Großteil auf Behördenentscheidungen anstatt auf Gesetzen. Versuche, Irlands Einwanderungs- und Asylpolitik durch ein neues Gesetz umfassend zu kodifizieren (Immigration, Residence and Protection Bill), scheiterten bisher an wiederholten Verzögerungen bei der Verabschiedung des Gesetzes.

In vielerlei Hinsicht ist Irland heute in eine neue Phase seiner Einwanderungsgeschichte übergegangen. Wegen des starken wirtschaftlichen Rückgangs ist die Zuwanderung seit 2007 erheblich gesunken, und Irland könnte sogar bald wieder mehr Auswanderer als Einwanderer verzeichnen. Es bleibt abzuwarten, ob bereits zugewanderte Arbeitskräfte in ihre Heimatländer zurückkehren, aber wahrscheinlich werden einige bleiben. Zwar haben Migranten nach kurzem Aufenthalt in Irland keinen Anspruch auf Sozialleistungen, doch entsteht schon durch diejenigen, denen staatliche Unterstützung zusteht, eine nicht zu unterschätzende Belastung des staatlichen Sozialsystems. Insofern ist es angesichts der schnellen Veränderung der Bevölkerungszusammensetzung vielleicht sogar überraschend, dass Irland noch keine ernst zu nehmenden Integrationsprobleme hat. Die Erfahrung in anderen Ländern zeigt jedoch, dass es zu Spannungen kommen kann, wenn der Wettbewerb um Arbeitsplätze zunimmt. Diese Situation könnte zusätzlich dadurch erschwert werden, dass Irlands Integrationspolitik nach wie vor kaum entwickelt ist.

InfoIrland

Hauptstadt: Dublin
Sprachen: Englisch, Irisch
Fläche: 69 825 km2
Bevölkerungszahl (2006): 4 239 848
Bevölkerungsdichte (2006): 60 Einwohner pro km2
Bevölkerungswachstum (2002-2006): 8,2 %
Anteil der im Ausland Geborenen an der Gesamtbevölkerung (2006): 15 %
Anteil der ausländischen Staatsangehörigen (2006): 11 %
Erwerbsquote (Dezember, 2009): 62,5 %
Arbeitslosenquote (Dezember, 2009): 12,5 %
Religionen (2006): 87 % römisch-katholisch, 3 % Church of Ireland (inkl. Protestanten), 1 % muslimisch, 9 % andere

Historische Entwicklung der Migration

In großen Teilen seiner Geschichte war Irland ein Auswanderungsland. So lebten 1841 auf dem heutigen Gebiet der Republik Irland mehr als 6,5 Millionen Menschen. Bis 1901 ging die Bevölkerung auf 3,25 Millionen zurück, hauptsächlich wegen der Auswanderungen und Todesfälle infolge der großen Hungersnot (Great Famine) von 1847.

Die Bevölkerung schrumpfte weiter, allerdings nicht mehr so schnell, und 1961 wurde mit 2.818.000 Menschen der niedrigste Stand der Geschichte erreicht. Die Mehrheit der Auswanderer, die Irland im 19. Jahrhundert und zu Beginn des 20. Jahrhunderts verließen, ging nach Nordamerika. Mit dem Beginn der Großen Depression in den 1930er-Jahren brachen diese Auswanderungsströme abrupt ab. Seitdem reisten die meisten irischen Auswanderer in das Vereinigte Königreich aus, besonders während des Zweiten Weltkriegs und direkt danach, da viele Iren im Rahmen der britischen Kriegsführung und des folgenden Wiederaufbaus Arbeit fanden. Schätzungen zufolge emigrierten zwischen 1946 und 1951 fast 83 Prozent der irischen Auswanderer in das Vereinigte Königreich.

Während der 1960er-Jahre verlangsamte steigendes Wirtschaftswachstum in Irland das Tempo der Auswanderung, und die Bevölkerungszahl stieg wieder an. Die 1970er-Jahre waren insofern bemerkenswert, da die Zahl der Einwanderer erstmals die der Auswanderer überstieg , jedoch hielt diese Tendenz nicht an: Die schwache Weltwirtschaftslage zu Beginn der 1980er-Jahre machte der irischen Wirtschaft schwer zu schaffen. Das Ergebnis war eine Rezession, die bis weit in die zweite Hälfte der 1980er hinein anhielt. Bis 1986 war die Arbeitslosenquote in Irland auf über 17 Prozent angestiegen und war damit bedeutend höher als im Vereinigten Königreich – ein Missverhältnis, das zu massiver Auswanderung führte. Der Wanderungssaldo betrug 1988/89 45 000 Menschen – 1,3 Prozent der damaligen Bevölkerung.

Zuzüge, Fortzüge und Wanderungssaldo (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/2.0/de

Die Abbildung zeigt, dass die 1990er-Jahre eine neue Phase der irischen Migrationsgeschichte einläuteten. Abwanderung und Zuwanderung waren mehr oder weniger ausgeglichen. Um 1996 herum nahm die Zuwanderung aber rapide zu, da Irland ein noch nie da gewesenes wirtschaftliches Wachstum erlebte. Dieser Boom, durch den Irland als "Keltischer Tiger" bekannt wurde, erklärt sich durch eine Reihe lang- und kurzfristiger Faktoren: Zu den langfristigen, die seit damals Wirkung zeigten, gehörten der schrittweise Abbau der Außenhandelsbarrieren, die Förderung von ausländischen Direktinvestitionen, die Einführung kostenloser sekundärer Schulbildung im Jahr 1967 und der Beitritt Irlands zur Europäischen Gemeinschaft 1973. Zu den kurzfristigen Faktoren zählte insbesondere der Beitritt zur Europäischen Währungsgemeinschaft (EWG) in den 1990er-Jahren. Investitionen in die Bildung hatten zu einer großen Zahl hoch qualifizierter irischer Absolventen geführt, die vom Wachstum der Informationstechnologie, der pharmazeutischen, medizinischen und anderer Branchen in Irland und im Ausland profitieren konnten. Die Beschäftigung nahm zwischen 1996 und 2001 fast um 30 Prozent zu, und es kam zu einem weit verbreiteten Mangel an Arbeitskräften, der viele Zuwanderer anzog.

Generell lässt sich die neueste Migrationsgeschichte Irlands ab den 1990er-Jahren in vier Phasen unterteilen:

  • Ab Mitte der 1990er- bis Anfang der 2000er-Jahre führte wirtschaftliches Wachstum zu steigender Zuwanderung meist irischer Rückkehrer. Die Zahl der Asylbewerber stieg ebenfalls drastisch an.

  • Zwischen 2002 und 2004 wurden neue Höchstwerte bei der Zuwanderung von Nicht-EU-Einwanderern und der Zahl der Asylanträge erreicht. Nach einem Höchststand im Jahr 2002 fiel die Zahl der Asylanträge schnell und stabilisierte sich ab 2004 auf einem deutlich niedrigeren Niveau.

  • Nach der Erweiterung der EU im Mai 2004 verwandelte sich ein Großteil der Nicht-EU-Zuwandererströme in EU-Zuwandererströme. Ein neues Rekordhoch bei der Gesamtimmigration wurde durch die neuen EU-Mitgliedsländer erreicht.

  • Seit 2007/2008 ist die Nettozuwanderung geringer, aber nach wie vor bedeutend. Der Rückgang liegt hauptsächlich an der wirtschaftlichen Rezession und der damit verbundenen niedrigeren Zuwanderung aus den neuen EU-Mitgliedsstaaten.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Siehe Sexton (1996).

  2. Siehe O' Connell (2008).

  3. Siehe Hughes und Quinn (2004).

Weitere Inhalte

Emma Quinn ist Forschungsmitarbeiterin des Economic and Social Research Institute (ESRI) und Koordinatorin des irischen Nationalen Kontaktpunkts im Europäischen Migrationsnetzwerk (EMN).