Schulen und Hochschulen, wie wir sie heute in der Bundesrepublik Deutschland kennen, sind das Ergebnis einer langfristigen Entwicklung, die durch die Erfindung des Buchdrucks, die Reformation und Gegenreformation und die Entstehung von Nationalstaaten in Europa im 18. und frühen 19. Jahrhundert vorangetrieben wurde. Weil Deutschland bis zur Reichsgründung (1870) aus vielen größeren und kleineren Einzelstaaten bestand, war diese Entwicklung sehr uneinheitlich. Schulpolitik blieb auch nach der Reichsgründung Ländersache. In der Weimarer Republik und in der Bundesrepublik Deutschland blieben die föderalen Strukturen erhalten. Aufgehoben wurden sie nur in der Zeit des Nationalsozialismus (1933-1945) und in der Deutschen Demokratischen Republik (1949-1990). Das Erbe der einzelstaatlichen Kulturhoheit prägt bis heute als "Kulturföderalismus" die Bildungslandschaft in Deutschland. Bundeseinheitliche Regelungen bedürfen der Übereinkunft der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder (KMK).
Dennoch ist die Entwicklung des Schulwesens in allen deutschen Ländern durch sechs gemeinsame Merkmale gekennzeichnet:
die im europäischen Vergleich relativ frühe Einführung der Schulpflicht für die Kinder der Masse des Volkes,
eine konsequente Normierung von Schulformen und die Einführung von Abschlüssen je nach Schulform, die für bestimmte Berufslaufbahnen und Ausbildungsgänge die Eingangsvoraussetzung bilden,
die strikte Trennung zwischen "höheren" Schulen für die kleine Gruppe der Kinder des Adels und der gebildeten Stände und "niederen" Schulen für die große Masse der Kinder des übrigen Volkes,
die Einführung einer mittleren Schulform zu Beginn des 20. Jahrhunderts,
ein korporatives Modell der Berufsbildung, in dem Berufsverbände, staatliche Bürokratie und berufsbildende Schulen kooperieren und die Ausbildung im Unternehmen und in der Berufsschule stattfindet,
gesonderte Schulen ("Hilfsschulen", später "Sonderschulen") für Kinder mit Behinderungen.
Entscheidungen über Schulstruktur, Lehrpläne, Abschlüsse und Lehrerbildung waren also mit Ausnahme der Zeit des Nationalsozialismus und der DDR immer Ergebnis von Abstimmungsprozessen zwischen den einzelnen Ländern des Deutschen Reichs beziehungsweise der Bundesrepublik.
Die Daten in der Zeitleiste beziehen sich auf Preußen, wenn nicht ausdrücklich anders erwähnt.