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Helene Lange | Frauenbewegung | bpb.de

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Helene Lange Eine Lehrerin in der bürgerlichen Frauenbewegung

Dr. Kerstin Wolff Kerstin Wolf

/ 6 Minuten zu lesen

Helene Lange (1848 - 1930) ist eine der wichtigsten Persönlichkeiten der bürgerlichen Frauenbewegung des 19. Jahrhunderts. Sie setzte sich für gleiche Bildungs- und Berufschancen für Frauen ein.

Helene Lange um 1890.Interner Link: Bildnachweis (© AddF (Bild 21))

Bereits zu Lebzeiten war Helene Lange eine der wichtigsten und wegweisendsten Persönlichkeiten der bürgerlichen Frauenbewegung – und daran hat sich in der Wahrnehmung bis heute auch nichts verändert. Ihr Name, der heute einigen Schulen ihre Bezeichnung gegeben hat, steht für eine unerschrockene Kämpferin für Mädchenbildung einerseits und andererseits für eine liberale Publizistin, die mit ihrer Zeitschrift "Die Frau" die theoretischen Diskussionen innerhalb der bürgerlichen Frauenbewegung massiv beeinflusst hat.

Helene Henriette Elisabeth Lange wurde am 9. April 1848 in Oldenburg als Tochter des Kaufmanns Carl Theodor Lange (1819-1864) und seiner Gattin Johanne Sophie Amalie geb. tom Dieck geboren. Die Mutter starb bereits im Jahr 1855, der Vater 1864, was die sechzehnjährige Helene Lange zur Vollwaise machte. Da sie noch nicht volljährig war, wurde ihr der Wunsch, das Lehrerinnenexamen ablegen zu dürfen, abgeschlagen. Sie musste erst 23 Jahre alt werden, bis sie 1871 mit einem kleinen ererbten Vermögen nach Berlin ziehen konnte, um sich hier ihrem Ziel zu widmen. Sechs Monate Vorbereitungszeit hatte sie sich selber zugestanden und 1872 legte sie als Externe an der Königlichen Augusta-Schule (heute Sophie-Scholl-Gesamtschule) in Schöneberg die Lehrerinnenprüfung erfolgreich ab.

Von der organisierten Frauenbewegung nahm sie in diesen Anfangsjahren noch keine Notiz, vielmehr fand sie Kontakt zu den liberalen Kreisen in Berlin die ihr diese wiederum näherbrachten. Trotz der Bekanntschaft mit Persönlichkeiten der Berliner bürgerlichen Frauenbewegung wie Hedwig Heyl, Henriette und Franziska Tiburtius oder Henriette Schrader-Breymann erfolgte der Sprung Helene Langes in die Frauenbewegung über ihren Beruf als Lehrerin.

Durch ihre Tätigkeit als Lehrerin an höheren Töchterschulen wurde sie mit den Missständen in der Lehrerinnenausbildung aber auch mit den ungenügenden Lehrinhalten für Mädchen konfrontiert. Vor allem bürgerliche Mädchen sollten nach wie vor auf ein müßiges Leben an der Seite eines Ehemannes vorbereitet werden, ein Lebensmodell was aber in eine nicht mehr zu übersehende Krise geraten war.

Immer mehr Frauen und Mädchen des Bürgertums waren in der Situation, sich ihren Lebensunterhalt selbst verdienen zu müssen, ein Problem, auf das sie die höheren Töchterschulen nur sehr ungenügend vorbereiteten.

Es war Helene Lange, die diese Veränderung erkannte. Sie begann nun, nach einem Weg zu suchen, Mädchen eine gleichwertige Ausbildung wie Jungen zukommen zu lassen. Gleichzeitig versuchte sie, diese Ausbildung in qualifizierte Frauenhände zu legen. Mädchen sollten nach den Vorstellungen von Lange dazu befähigt werden, eine eigenständige Persönlichkeit zu entfalten.

Die Idee, das Schulwesen der höheren Töchterschulen grundsätzlich zu reformieren, schien unter der Regierung des liberalen Kaisers Friedrich III. 1888 gelingen zu können. Allerdings wurde recht schnell klar, dass diese Regentschaft aufgrund des Gesundheitszustandes des Kaisers nicht lange andauern würde. Doch vor allem seine Gattin Viktoria (Kaiserin Friedrich) hatte schon immer in engem Kontakt zur liberalen Frauenbewegung gestanden und so entschlossen sich einige Frauen einen Vorstoß in dieser Sache zu wagen.

Die Gelbe Broschüre

Am 9. Januar 1888 reichten sechs Frauen (Helene Lange, Minna Cauer, Anna Luise Dorothea Jessen, Henriette Schrader-Breymann, Marie Loeper-Housselle und Frau Eberty) eine Petition an das Preußische Unterrichtsministerium und das Preußische Abgeordnetenhaus ein. Die Begleitschrift zu dieser Petition, die so genannte Gelbe Broschüre hatte Helene Lange verfasst. In ihr hatte sie zwei konkrete Forderungen aufgestellt:

Zitat

1. dass dem weiblichen Element eine größere Beteiligung an dem wissenschaftlichen Unterricht auf Mittel- und Oberstufe der öffentlichen höheren Mädchenschulen gegeben und namentlich Religion und Deutsch in Frauenhand gelegt werden. 2. dass von Staatswegen Anstalten zur Ausbildung wissenschaftlicher Lehrerinnen für die Oberklassen der höheren Mädchenschulen mögen errichtet werden.

Diese Gelbe Broschüre machte Helene Lange mit einem Schlag auch über liberale und pädagogische Kreise hinaus bekannt. Ihre Broschüre wurde zum entscheidenden Anstoß zur Reform des Mädchenschulwesens. Die Petition selbst hatte keinen politischen Erfolg. Sie wurde im Abgeordnetenhaus nicht behandelt und von Seiten der Regierung nach einem Jahr abgelehnt.

Trotzdem gab Helene Lange ihre Idee nicht auf. Nach dem klar geworden war, dass "Vater Staat" an der Erziehung seiner "Töchter" kein Interesse hatte und der liberale Kaiser bereits 1888 verstorben war, griff Helene Lange zur Selbsthilfe. Zusammen mit Minna Cauer und Franziska Tiburtius gelang es ihr, 1889 "Realkurse" für Mädchen aufzubauen. Die Realkurse sollten Mädchen nach dem Besuch der höheren Töchterschule befähigen, innerhalb von zwei Jahren eine "allgemeine Bildungsgrundlage für praktische – gewerbliche und kaufmännische – Berufe und, soweit das möglich war, für die [Schweizer] Universität" zu erlangen. Das Ganze war ein Experiment und spiegelt auch Helene Langes politisches Verständnis wider. Sie hoffte darauf, dass durch die Leistungen der jungen Frauen die Rechtmäßigkeit der Forderungen offensichtlich werden würden.

Neben den Inhalten der Mädchenschulen setzte sich Helene Lange auch für die Lehrerinnen ein. 1890 organisierte sie die Lehrerinnen und gründete den Allgemeinen Deutschen Lehrerinnenverein (ADLV). Der Verein wuchs recht schell, von 85 Mitgliedern 1890 auf 19.581 Mitglieder in den Jahren 1904/05.

1893 gründete sie dann auch eine eigene Zeitschrift, die für die Entwicklung der Frauenbewegung sehr entscheidend sein sollte. Die Zeitschrift "Die Frau – Monatsschrift für das gesamte Frauenleben" sollte ganz bewusst kein Unterhaltungsblatt sein. Es sollte als Kommunikationsblatt der bürgerlichen Frauenbewegung fungieren und deren Themen und Fragen verbreiten und unterstützen. "Die Frau" war – trotz kleiner Anfänge – recht erfolgreich und begleitete die Frauenbewegung über mehrere Jahrzehnte. Auch über den Tod von Helene Lange hinaus wurde das Blatt von ihrer späteren Lebensgefährtin Gertrud Bäumer herausgegeben. Es konnte sogar im Nationalsozialismus bis 1944 erscheinen.

Um das Jahr 1900 stand Helene Lange als einflussreiche Persönlichkeit im Zentrum der bürgerlichen Frauenbewegung – nicht nur in Berlin. Sie war Vorsitzende des ADLV, saß im Vorstand des BDF und des ADF und gab eine eigene Zeitschrift heraus. Sie wohnte im "Neuen Westen" von Berlin, wo sich recht viele Frauenrechtlerinnen niedergelassen und durch ihre Arbeit ein Netz von Freundschaften und Kontakten geknüpft hatten.

Eine politische Lebensgemeinschaft

Helene Lange hatte wohl ihr gesamtes Leben keine sehr kräftige Gesundheit. In dieser Phase verschlimmerte sich ein altes Augenleider wieder. Sie überlegte ernsthaft, sich von allen Ämtern zu trennen, da an ein eigenständiges Lesen und Schreiben wohl nicht mehr zu denken war, eine fähige Sekretärin aber auch nicht gefunden werden konnte. In dieser Notsituation fand Gertrud Bäumer den Weg in die Wohnung von Helene Lange. Aus der Anstellung als Sekretärin entwickelte sich eine "politische Lebensgemeinschaft", die bis zum Tode von Helene Lange andauern sollte.

Helene Lange 1929. (© AddF (Bild 22))

In den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg konnten wichtige Erfolge von der Frauenbewegung erreicht werden. 1906 wurden 22 Frauen, unter ihnen Helene Lange und Gertrud Bäumer vom Preußischen Kultusministerium in eine Kommission zur Reform des Höheren Mädchenschulwesens berufen. Die eingesetzte 45-köpfige Kommission erarbeitet die Preußische Mädchenschulreform, die 1908 in Kraft trat. Die Forderungen von Helene Lange nach einem sechsklassigen (Real)Gymnasium für Mädchen wurde zwar stattgegeben, in der Frage der Anerkennung von Lehrerinnen als Leiterinnen innerhalb von Mädchenschulen ging es allerdings keinen Schritt weiter. Hier beschloss die Preußische Unterrichtsverwaltung, dass mindestens ein Drittel der Lehrkräfte an Mädchenschulen männlich sein musste. 1908 schließlich errang die Frauenbewegung ein neues Vereinsgesetz, was ihnen endlich erlaubte, Mitglied in einer politischen Partei zu werden. Auch Helene Lange ergriff diese Chance sofort und wurde Mitglied in der liberalen Freisinnigen Vereinigung.

Helene Lange hatte zwar mit Hilfe von Gertrud Bäumer wieder zurück ins politische Leben gefunden, ihre labile Gesundheit zwang sie allerdings sich immer häufiger zurück zu ziehen. Dem großen Frauenaufbruch, der durch den Ersten Weltkrieg und die Gründung des Nationalen Frauendienst zustande kam – zum ersten Mal arbeiteten bürgerliche und sozialdemokratische Frauen zusammen – konnte sie sich nicht mehr mit aller Kraft zur Verfügung stellen. Innerhalb des Krieges kam es noch zu einem gemeinsamen Umzug. Gertrud Bäumer hatte die Leitung der Sozialen Frauenschule in Hamburg übernommen und so zogen beide Frauen während des Krieges nach Hamburg um. Als Mitglied der liberalen Deutschen Demokratischen Partei erlebte Helene Lange 1919 noch die Einführung des Wahlrechtes auch für Frauen. Selbstverständlich ließ sie sich noch einmal in die Pflicht nehmen und eröffnete am 24. März 1919 als Alterspräsidentin die erste Hamburger Bürgerschaft. Doch die Kräfte der nunmehr über 70-Jährigen nahmen immer mehr ab. Nach einem erneuten Umzug 1920 wieder zurück nach Berlin zog sich Helene Lange immer mehr aus der Öffentlichkeit zurück, trat von ihren verschiedenen Ämtern und Posten zurück und verfasste ihre Lebenserinnerungen.

Am 13. Mai 1930 starb Helene Lange. Ihre Beerdigung glich einem Staatsbegräbnis. Alles was Rang und Namen hatte und zur liberalen Bewegung oder zur Frauenbewegung gehörte, gab ihr die letzte Ehre auf dem Charlottenburger Friedhof, wo auch heute noch ihr Ehrengrab zu finden ist.

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geb. 1967, Studium der Geschichte und Politikwissenschaften, historische Promotion 2002 an der Universitaet Kassel. Seit 1999 Mitarbeiterin bei der Stiftung Archiv der deutschen Frauenbewegung hier zustaendig fuer Publikationen und Forschungskontakte. Forschungsschwerpunkt ist die Geschichte der Frauenbewegungen in Deutschland.