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Frauengruppen unter dem Dach der Kirche | Frauenbewegung | bpb.de

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Frauengruppen unter dem Dach der Kirche Weibliche Opposition in der DDR

Dr. Eva Sänger Eva Sänger

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In der DDR dominierte die Frauenpolitik der SED das offizielle Bild. Ab den 1980er Jahren aber gelang es verschiedenen Frauenoppositionsgruppen – die vor allem unter dem Dach der Kirche organisiert waren – ein anderes Frauenbild und ein anderes Gesellschaftsbild zu diskutieren.

Die Gruppe 1985 zur Friedenswerkstatt in der Berliner Erlösergemeinde. (© Samirah Kenawi: Frauengruppen in der DDR der 80er Jahre. Eine Dokumentation, hrsg. von GrauZone, Berlin 1995, S. 91.)

Politische Herrschaft und Gesellschaft in der Ära Honecker

In der DDR übte die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) die politische Herrschaft aus. Die BürgerInnen der DDR hatten nicht die Möglichkeit, im Rahmen demokratischer Partizipationsformen an Willensbildungs- und Entscheidungsprozessen mitzuwirken. Die DDR-Regierung bzw. die SED ging von der marxistisch-leninistischen Auffassung aus, dass die Partei bzw. der Staat mit der Arbeiterklasse identisch sei. Diese Auffassung schloss die Vertretung von Interessen durch unterschiedliche gesellschaftliche Gruppierungen aus. Die SED legitimierte damit ihren Führungsanspruch als Avantgarde der Arbeiterklasse und als Vollstreckerin des real existierenden Sozialismus unter Erich Honecker (1971–1989).

Der Parteivorsitzende der SED, Erich Honecker, war zugleich der Ministerpräsident der DDR. Unabhängige Vereine und Verbände waren verboten. Die Teilung der Gewalten in eine exekutive, legislative und judikative Gewalt als Garant individueller Rechte war abgeschafft. Die DDR-BürgerInnen waren jedoch sozial abgesichert. Erich Honecker leitete die Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik ein. Preissubventionen im Bereich des Wohnungs- und Bekleidungssektors, der Grundnahrung und im Transportwesen führten zu einer Verbesserung des allgemeinen Lebensstandards. Soziale Missstände und kritische politische Themen wurden am ehesten in der Literatur, im Theater und in Kabarettaufführungen angesprochen.

Frauengruppen unter dem Dach der Kirche

In den 1980er Jahren gab es unter dem Dach der evangelischen Kirche ca. 100 Frauengruppen, die verschiedenen Strömungen angehörten.

Frauen für den Frieden

Die Frauen für den Frieden kritisierten die atomare Aufrüstung und die Militarisierung der DDR-Gesellschaft insbesondere bei der Erziehung der Kinder. Die Frauenfriedensgruppen verstanden sich als Teil der internationalen Frauenfriedensbewegung und hatten sich anlässlich eines Protestes gegen ein neues Wehrdienstgesetz gegründet, das am 25. März 1982 verabschiedet worden war. Nach diesem Gesetz konnten Frauen bei Mobilmachung für Aufgaben in der Armee herangezogen werden. Im Gefolge dieser Protestaktion gründeten sich in mehreren Städten und Bezirken Frauengruppen, so in Ostberlin, Halle, Magdeburg, Dresden und Weimar. Die Frauen für den Frieden riskierten viel bei ihrem Engagement. Drei Frauen, Bärbel Bohley, Kathrin Eigenfeld und Ulrike Poppe, wurden zeitweise inhaftiert, aufgrund des Drucks der internationalen Öffentlichkeit aber wieder freigelassen.

Kirchliche Frauengruppen

Aktive Christinnen bildeten eigene Netzwerke und Gruppen im Rahmen der Kirche. Kirchliche Mitarbeiterinnen unterstützten sich gegenseitig bei der Gemeindearbeit, so zum Beispiel im Rahmen des innerkirchlichen Treffens "Feministische Werkstatt Hirschluch". Der überregionale Arbeitskreis "Feministische Theologie" diente dem Austausch zwischen Theologinnen und theologisch interessierten Frauen über Ansätze feministischer Theologie, die aus den USA und Westdeutschland in die DDR gelangt waren.

Lesbische Frauengruppen

Lesbengruppen unter dem Dach der Kirche gründeten sich 1982 in Berlin, 1985 in Dresden und 1987 in Jena, gefolgt von weiteren Gruppen in den späten 1980er Jahren. Lesbische Frauen beteiligten sich zunächst in den gemischt-
geschlechtlichen kirchlichen Arbeitskreisen "Homosexualität", zu denen auch Nicht-Kirchenmitglieder zugelassen waren.

Gemeinsam mit schwulen Männern setzten sie sich für eine Verbesserung der Situation homosexueller Menschen ein und versuchten, pathologisierenden Sichtweisen auf homosexuelle Beziehungen entgegenzutreten. Die Erfahrung, dass die Lebenswirklichkeit lesbischer Frauen in der DDR nur gegen den Widerstand von schwulen Männern thematisiert werden konnte, war eine wichtige Motivation für Frauen, sich eigenständig zu organisieren. Eine weitere beruhte auf dem Wunsch, sich mit der eigenen Situation in einem geschützten Rahmen auseinanderzusetzen und sich mit anderen betroffenen Frauen auszutauschen.

Selbstverständnis der DDR-Frauenbewegung

Alle Gruppen waren durch übergreifende Frauengruppentreffen, Frauenzeitschriften, Kirchentagstreffen, Workshops und persönliche Bekanntschaften miteinander vernetzt. Das kollektive Selbstverständnis der Frauenbewegung wurde Anfang bis Mitte der 1980er Jahre durch die Auseinandersetzung mit den friedenspolitischen Themen der Frauen für den Frieden geformt. Mitte bis Ende der 1980er Jahre setzten die kirchlichen Lesbengruppen, die sich aus der Homosexuellenbewegung unter dem Dach der Kirche lösten und zur Frauenbewegung hin orientierten, feministische Schwerpunkte.

Aktionen

Die Zeitschrift frau anders wurde von einer lesbischen Frauengruppe aus Jena herausgegeben. (© Grau-Zone - Archiv der ostdeutschen Frauenbewegung im Robert-Havemann-Archiv, Berlin)

Die Frauengruppen gaben ab Mitte der 1980er Jahre im Selbstverlag Zeitschriften heraus, die mit dem Zusatz "nur für den innerkirchlichen Dienstgebrauch" versehen waren. Kirchliche Frauengruppen veröffentlichten "Das Netz" und "Lila Band". Eine lesbische Frauengruppe aus Jena gab die Zeitschrift "frau anders" heraus.

Eine Berliner Lesbengruppe veranstalteten mehrfach eine Aufklärungssendung im Rahmen der Ratgeber-Reihe "Mensch Du" des Jugendradios DT 64 und nahm an öffentlichen Lesungen teil. Die Berliner Gruppe "Lesben in der Kirche" legte bei einem Besuch des Ravensbrücker Konzentrationslagers einen Kranz nieder, um an die während des Nationalsozialismus ermordeten lesbischen Frauen zu erinnern. In den Gruppen unterstützten sich die lesbischen Frauen gegenseitig beim Coming-out.

Die Frauenfriedensgruppen versuchten, andere Menschen aus ihrer Gleichgültigkeit gegenüber atomarer Aufrüstung, Krieg und Umweltverschmutzung zu wecken. Sie verteilten beispielsweise in schwarzer Kleidung Handzettel auf der Straße, organisierten Klagegottesdienste und protestierten bei Parteiveranstaltungen.

Die Gruppen fungierten als relativ geschützte Räume, um Erfahrungen jenseits männlicher Dominanz und staatlichen Zugriffs zu sammeln und sich positiv auf andere Frauen zu beziehen. Insbesondere den Friedensgruppen dienten sie als solidarischer und ermächtigender Raum, um auch unter staatlichen Repressionen Zivilcourage zeigen und politisch aktiv sein zu können. Die in diesen Gruppen engagierten Frauen erweiterten zivilgesellschaftliche Handlungsräume, ohne allerdings angesichts der stabilen Machtverhältnisse in der DDR der 1980er Jahre eine realistische Chance zu haben, die Bevölkerung zu mobilisieren und eine Massenbewegung zu werden.

Herbst 1989: friedliche Revolution in der DDR

Ausgehend von der Reformpolitik Michail Gorbatschows, der Öffnung der Grenze nach Ungarn, den massiven Ausreisebewegungen von DDR-BürgerInnen und der Proteste von Friedens- und Menschenrechtsgruppen weiteten sich kirchliche Friedensgebete im September und Oktober 1989 zu massenhaften Demonstrationen aus. Die BürgerInnenbewegung protestierte erfolgreich gegen die SED-Herrschaft und beendete – unter den Bedingungen der Perestroika in der Sowjetunion – die Vorherrschaft der SED. Ein Gremium, das entscheidend zur Gewaltlosigkeit und zum friedlichen Übergang bis zu den ersten freien DDR-Wahlen am 18. März beitrug, war der Zentrale Runde Tisch, der vom 7. Dezember 1989 bis zum 12. März 1990 tagte. Er etablierte auf nationaler Ebene einen Dialog zwischen den Bürgerrechtsgruppen und der SED sowie weiteren Parteien und Vereinigungen und sollte aus Sicht der Bürgerrechtsgruppen der Kontrolle der Regierung dienen.

Der Unabhängige Frauenverband (UFV)

Der UFV verstand sich als basisdemokratische, weltanschaulich übergreifende, feministische Vereinigung. Er gründete sich bei einem euphorisch veranstalteten Fest in der Ostberliner Volksbühne am 3. Dezember 1989, an dem ca. 1.200 Frauen teilnahmen. Die Frauen hatten sich unter dem Motto "Wer sich nicht wehrt, landet am Herd" versammelt. Im Fokus ihrer Kritik stand neben dem Ausschluss von Frauen und geschlechterrelevanten Themen im demokratischen Umbruch vor allem die Kritik am konservativen Frauen- und Familienleitbild der BRD. Sie befürchteten, dass sich eine Wiedervereinigung negativ auf die Möglichkeiten wirtschaftlicher Unabhängigkeiten für DDR-Frauen auswirken könnte.

Der Unabhängige Frauenverband nahm am Zentralen Runden Tisch der DDR teil, stellte eine Ministerin, Tatjana Böhm, in der Übergangsregierung unter Hans Modrow (29.01.–18.3.1990) und nahm an den DDR-Volkskammerwahlen am 18. März 1990 sowie an den gesamtdeutschen Wahlen 1990 teil. Zugleich verstand er sich als Verein, der eng mit der ostdeutschen Frauenbewegung verbunden war und förderte den Ausbau von vielfältigen Frauenprojekten. Im Juni 1998 löste sich der Dachverband UFV e. V. offiziell auf.

Weitere Inhalte

geb. 1970, Soziologin, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachbereich Gesellschaftswissenschaften der Goethe-Universität Frankfurt. Arbeitsschwerpunkte: Frauen- und Geschlechterforschung, politische Soziologie, Körpersoziologie, Wissens- und Wissenschaftssoziologie.