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Open Data und Transparenz

Christiane Schulzki-Haddouti

/ 8 Minuten zu lesen

Die Überzeugung, dass politisches Handeln "effizienter" und demokratischer gestaltet werden kann, wenn Daten und Informationen für alle Beteiligten leichter verfügbar sind, ist in der Debatte um Open Data und Open Government fest verankert.

Blick in den Bundestag - können Open Data Anwendungen staatliches Handeln transparenter, effizienter und besser machen? (© AP)

Die Überzeugung, dass politisches Handeln "effizienter" und demokratischer gestaltet werden kann, wenn Daten und Informationen für alle Beteiligten leichter verfügbar sind, ist in der Debatte um Open Data und Open Government fest verankert. Wenn Bürger, wenn Unternehmen, zivilgesellschaftliche Organisationen und nicht zuletzt die Verwaltung selbst sich einfach und umfassend informieren können, stärkt dies den deliberativen Prozess auf allen Ebenen. Umgekehrt gilt, dass dort, wo Informationen nicht oder nur teilweise verfügbar sind, der Informationfluss und damit auch politisches Handeln behindert wird, da die für Entscheidungen notwendigen Informationen nicht oder unzureichend verfügbar sind.

Die amerikanische Sunlight Foundation, die sich für die Entwicklung von Projekten für Transparenz und offene Daten in den USA einsetzt, benannte sich nach einem Ausspruch des US-amerikanischen Juristen Louis D. Brandeis. In einer Schrift, die sich mit den Möglichkeiten der Bankenkontrolle befasste, schrieb er: "Sonnenlicht soll das beste Desinfektionsmittel sein." (Brandeis 1914) Transparenz wird in vielen Projekten daher als Werkzeug verstanden, das vor allem Korruption unmöglich macht.

"Qualitätsnachrichten und -informationen sind notwendig, damit Menschen am Leben ihrer Gemeinden voll teilnehmen können", schreibt die Knight Foundation in einem Bericht über den "Aufbau starker Gemeinschaften durch Informationsaustausch" (Knight Foundation 2011). Sie fügt hinzu: "Exakte und zeitgerechte Informationen müssen auf eine zugängliche Weise zur Verfügung gestellt werden - und diese müssen von ihren Urhebern auf einfache Weise dorthin fließen können, wo sie am meisten gebraucht werden." Dies sei ein "Markenzeichen" einer "transparenten und rechenschaftspflichtigen Regierung, ein zentrales Merkmal für eine effektive Zivilgesellschaft und ein entscheidender Baustein für einen erfolgreichen Privatsektor mit Geschäftsethik" (Knight Foundation 2011: 32).

Ansätze für Transparenz im aufklärerischen Denken

Immanuel Kant verknüpfte das Prinzip der Transparenz untrennbar mit Rechtmäßigkeit und Legitimität einer Regierung. In seiner Schrift "Vom ewigen Frieden" (1795) überlegt er, unter welchen Umständen Staaten keinen Krieg mehr gegeneinander führen würden. Die Publizität spielt bei ihm dabei die Hauptrolle: Nur wenn Regierungen ihre Politik transparent und öffentlich machen, ist Frieden möglich. Wenn die Interessen der Regierungen mit denen der Regierten übereinstimmen, sei Krieg nicht mehr möglich. Die "transzendentale Formel des öffentlichen Rechts" beschreibt er folgendermaßen: "Alle auf das Recht anderer Menschen bezogene Handlungen, deren Maxime sich nicht mit der Publizität verträgt, sind unrecht." Mit Publizität könne "alles Misstrauen" entfernt werden. Eine Konsequenz daraus ist, dass es keine geheimen Nebenabreden zu internationalen Verträgen geben darf, damit die Bürger alles jederzeit kontrollieren können.

Öffentlichkeit und Transparenz waren auch für den französischen Aufklärer Marquis de Condorcet ein wesentliches Moment aufklärerischer Werte wie Gleichheit und Freiheit. Er glaubte, wenn allen Bürgern gleichberechtigt Zugang zum Wissen gewährt würde, dass alle über die Macht verfügen könnten, ihr eigenes Schicksal zu bestimmen. Er entwickelte ein Schema für die Klassifizierung sämtlichen Wissens mit Hilfe eines Dezimalsystems. Und er skizzierte die Vision einer Sprache aus universellen Zeichen, die logisches Denken ersetzen könnte. Sie sollte nicht nur auf soziale, sondern auch auf logische Beziehungen anwendbar sein und "allen von der menschlichen Intelligenz erfassbaren Dingen die Möglichkeit eines Rigorismus und einer Präzision" eröffnen, "welche die Erfahrbarkeit der Wahrheit erleichtern und Irrtümer nahezu ausschließen" würde. (zit. nach Alder 2003: 183)

Condorcet unterstützte die Einführung des metrischen Systems und hoffte in Folge einer Währungsreform Wirtschaftsbeziehungen effizienter gestalten zu können. Dies würde sicherstellen, "dass sich künftig alle Bürger bei allen Berechnungen hinsichtlich ihrer eigenen Interessen auf sich selbst verlassen können; denn ohne diese Unabhängigkeit können sie weder jemals rechtlich gleichgestellt ... noch wahrhaft frei sein". (ebd.)

Indikatoren für das Zusammenwirken von Transparenz und Demokratie

Aus den Jahresberichten von Transparency International, der Organisation, die sich der Bekämpfung von Korruption weltweit verschrieben hat, lässt sich immer wieder auch ein Zusammenhang zwischen Korruption und Demokratie herstellen: In demokratischen Staaten sind korrupte Handlungen weniger verbreitet. Zum Selbstverständnis von Transpareny gehört die Überzeugung, dass "Demokratie gleiche Zugangsmöglichkeiten zu politischen Entscheidungen" bedeutet und "den gleichen und freien Zugang zu den entscheidungsrelevanten Informationen" vorausssetzt. Die demokratische Staatsform werde nur als eine nicht-korrupte Demokratie überleben. Hierfür müssten ihre "Grundlagen - Transparenz, Rechtsstaatlichkeit und Meinungsfreiheit - für den Einzelnen erfahrbar bleiben" (Transparency International 2011).

Genauso gibt es auch einen deutlichen Zusammenhang zwischen Presse- und Meinungsfreiheit und Demokratie: Dort, wo Öffentlichkeit leichter hergestellt werden kann, gibt es in der Regel demokratische Regierungsformen. Dies zeigt beispielsweise der jüngste Bericht "Freedom on the Net 2011" von Freedom House. Er weist darauf hin, dass Zensurmaßnahmen in allen Staaten von Intransparenz gekennzeichnet sind: Bürger werden nicht oder kaum darüber informiert, warum welche Inhalte zensiert werden (Cook, Kelly 2011: 4). Dies führe etwa in China zur Selbstzensur bei Bloggern (ebd. 100). Gleichwohl macht der Bericht darauf aufmerksam, dass bereits in zwei Demokratien, nämlich der Türkei und Südkorea, politische Zensur im Internet zu beobachten ist. Zensur schränkt also nicht nur Öffentlichkeit ein, sondern geht in der Regel mit intransparenten Entscheidungen einher, die den öffentlichen Raum über die konkreten Maßnahmen hinaus noch mehr schrumpfen lassen.

Die Ökonomin Roumeen Islam zeigte in einer Analyse für die Weltbank anhand eines Transparenz-Index und einem Informationszugangs-Index, dass beide hinsichtlich der Qualität der Regierungsführung positiv korrelieren. Sie wies außerdem darauf hin, dass empirisch nachgewiesen eine bessere Regierungsführung wiederum mit einem höheren Wirtschaftswachstum einhergeht. Sie sieht daher eine enge Beziehung zwischen besseren Informationsflüssen und höheren Wachstumsraten von Volkswirtschaften (Islam 2003: 36)

Wo sind die Grenzen der Transparenz?

Das Ziel der "radikalen Transparenz" wurde unlängst vor dem Hintergrund der Wikileaks-Veröffentlichungen heftig kritisiert. Die Veröffentlichung der Depeschen des US-Außenministeriums bzw. deren Auswertung durch internationale Medienorganisationen sei ein 9/11 der Diplomatie, hieß es. Assange sei wie ein Terrorist zu behandeln, forderten einzelne US-Politiker. Bereits anlässlich der Veröffentlichung der Afghanistan-Kriegsprotokolle wurde die Befürchtung geäußert, die Dokumente enthielten zu viele Informationen über Informanten, die nun in Lebensgefahr schwebten. Durch den massenhaften Verstoß gegen eine rechtlich legitimierte Intransparenz der Regierung forderte Wikileaks die staatliche Macht heraus und zeigte, dass die Kontrolle über die Offenlegung von Information eine Machtfrage ist. Befürworter der offenen Daten stehen nach den Wikileaks-Veröffentlichungen nun vor der Aufgabe, das Vertrauen der Verwaltung wieder zu gewinnen (Schellong, Stepanets 2011: 26). Eine Abgrenzung bzw. klare Darstellung des eigenen Verständnisses von "offenen Daten" sowie die eigene Zielsetzung ist daher wichtig (ebd. 3). Im Gegensatz zu Wikileaks geht es bei offenen Daten nicht um die Veröffentlichung vertraulicher Informationen über anonyme Kanäle. Kritisch diskutiert werden offene Daten daher weniger hinsichtlich ihrer Quellen bzw. ihrer Legalität, sondern hinsichtlich der Zielrichtung sowie der unmittelbaren und mittelbaren Folgen.

Der Jurist Lawrence Lessig warnt in seiner Streitschrift "Against Transparency" (2009) vor einer naiven Heilserwartung an Open Data und Open Governance, die indirekte Folgen einer "nackten Transparenz" nicht berücksichtige. Auswertungen von Parteispenden könnten zwar deutlich machen, ob hinter den Ja-Stimmen zu bestimmten Entscheidungen mehr Geld stecke als hinter Nein-Stimmen. Doch diese Art von Transparenz könnte in der Öffentlichkeit die Meinung untermauern, dass parlamentarische Entscheidungen grundsätzlich käuflich seien. Unterschiedliche Gründe würden jedoch die Entscheidungen eines Abgeordneten beeinflussen. In einer Debatte, in der das Geld eine Rolle spiele, sei es allerdings schwer, glaubhaft weitere Gründe zu vermitteln. Gegenwärtige Debatten seien durch kurze Aufmerksamkeitsspannen des Publikums geprägt, was differenzierte Diskussionen erschwere. Eine Konsequenz der radikalen Transparenz von Parteispenden könnte daher darin bestehen, dass das parlamentarische System in eine Glaubwürdigkeitskrise gerate, die nur durch radikale Umstrukturierung der Parteienfinanzierung zu überwinden sei. Unerwartete Konsequenzen bzw. umwälzende Entwicklungen seien aber auch in anderen Bereichen zu erwarten, in denen neue Veröffentlichungsformate und Auswertungstechniken neue Darstellungen und Erkenntnisse ermöglichen.

Ein weiterer Diskussionspunkt betrifft die Qualität der verwendeten Daten und die Aussagekraft des gewählten Datensets. Beispielhaft wird dies bei der Aufgabe, Staatsausgaben transparent und vollständig darzustellen: Die Kontrolle von Haushaltsausgaben ist in Demokratien vornehmliche Aufgabe der Volksvertreter. Sekundiert werden sie dabei von Rechnungshöfen. In jüngster Zeit wurden verschiedene Formen der Bürgerbeteiligung in Form von Bürgerhaushalten auf kommunaler Ebene getestet. Auch gibt es den Versuch, die Haushaltszahlen auf Websites so aufzubereiten, dass sie auch für Laien verständlicher werden. Projekte wie beispielsweise der "Offene Haushalt" oder "Open Spending" stellen Haushaltsdaten grafisch dar und suggerieren so, eine optimale Transparenz darüber herzustellen, wie Regierungen mit Steuergeldern umgehen. Dahinter steht die Überzeugung, dass größere Transparenz und öffentliche Beteiligung die Prioritäten im Interesse der gesamten Gesellschaft beeinflussen können. Eine regelmäßige Kontrolle soll Korruption und Missmanagement reduzieren, periodische Veröffentlichungen sollen öffentliche Debatten und Verantwortlichkeit der Beteiligten fördern (vgl. Masud, Laking 2011: 65).

Open-Budget-Projekte berücksichtigen bislang nicht, wie es um die Qualität der Daten bestellt ist. Dass Budgets sehr unterschiedliche Transparenzqualität aufweisen können, zeigt der Open Budget Index der zivilgesellschaftlichen International Budget Partnership (IBP), der in einen seit 2006 zweijährlich erstellten Open Budget Survey einfließt, der auf einer Länderumfrage basiert. Als so genannte "schwarze Löcher" bezeichnen die IBP-Mitarbeiter Harika Masud und Jason Lakin Vorgänge, die ein vollständiges Abbild des Haushalts verhindern. Dazu zählen sie Budgets, die nicht der parlamentarischen Kontrolle unterzogen werden, Steuererleichterungen sowie Rückstände in der Schuldenzurückzahlung (Masud, Lakin 2011: 71-72). In Deutschland ist beispielsweise der Finanzmarktstabilisierungsfonds SoFFin keiner parlamentarischen Kontrolle unterworfen. Es gibt damit systemimmanente Grenzen der Transparenz, die durch eine Abbildung von Zahlen nicht überwunden werden können.

Schließlich schwingt bei manchen Projekten zu offenen Daten und Transparenz die Vision von der gesellschaftlichen Steuerbarkeit mit, die nicht unumstritten ist: Wüssten Behörden, wüssten Bürger über alles Bescheid, was für sie wichtig ist, könnten sie unerwünschten Entwicklungen effizienter begegnen. Zu den Optimisten dieser Art von Datennutzung zählt der ehemalige BKA-Chef Horst Herold, der als "Vater der Rasterfahndung" bekannt wurde. Herold dachte daran, die Kriminalitätsdaten mit Daten der Stadt- und Raumsoziologie zu verknüpfen. Auf diese Weise könnte die Polizei mit Ordnungsämtern, Jugendämtern, dem Roten Kreuz, der Ausländerbehörde, Schulen oder Gesundheitsämtern zusammenarbeiten. Mit weiteren Daten zur Flächennutzung, Arbeitsplatzdichte, Wohndichte, Dichte an kulturellen Angeboten oder Parkdichte könnte man noch stärker steuernd eingreifen. Diese Vorstellung Herolds kritisierte Hans Magnus Enzensberger zu den Hochzeiten der RAF-Fahndung als Vorstellung von einem "sozialdemokratischen Sonnenstaat", "eine Insel Felsenburg für Sozialautomaten" sei "gelenkt und gesteuert von den allwissenden und aufgeklärten Hohenpriestern des Orakels von Wiesbaden." (zit. nach Dietl 2000: 113)

Fazit

Transparenz ist untrennbar mit einem Mehr an Öffentlichkeit verbunden. Öffentlichkeit wiederum ist eine Grundvoraussetzung für Demokratie, da Bürger wissen müssen, worüber sie entscheiden. Sie müssen in der Lage sein, Argumente zu entwickeln und auszutauschen.Transparenz ist insofern eine Grundbedingung von und damit ein Indikator für Demokratie. Die Entscheidung darüber, was transparent sein soll, ist eine Entscheidung darüber, was im öffentlichen Raum verhandelt werden darf. Damit sind Transparenzentscheidungen auch Machtentscheidungen. Ermöglicht der Staat den Bürgern den Zugang zu Information, erweitert er den öffentlichen Raum - und umgekehrt. Transparenz ist insofern auch ein Gradmesser der Demokratie.

Weitere Inhalte

Christiane Schulzki-Haddouti, geb. 1967, arbeitet seit 1996 als freie IT- und Medienjournalistin. Seither hat sie in über 50 Tageszeitungen, Online-Medien, Fachzeitungen und -zeitschriften veröffentlicht. Ihre Berichterstattung befasst sich mit dem Leben in der Informationsgesellschaft und all seinen Chancen und Schwierigkeiten.