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Proteste mit Folgen 1968 in Berlin - Ein Erinnerungsmosaik | Prag 1968 | bpb.de

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Proteste mit Folgen 1968 in Berlin - Ein Erinnerungsmosaik

Ingo Juchler

/ 10 Minuten zu lesen

Die Folgen von Engagement 1968 konnten in West und Ost nicht unterschiedlicher sein. Während sich in der Bundesrepublik 1968 Studierende politisierten und durch ihr Studium Karrieren aufbauen konnten, hatte das Engagement junger Leute in der DDR gegenteilige Auswirkungen. Sie kamen in Haft und verloren ihre Studienberechtigung. Fallbeispiele aus den August 1968 in Berlin, gesammelt von Prof. Ingo Juchler.

Das Geschehen in der Nacht vom 20. auf den 21. August 1968 in Prag sprach sich weltweit wie ein Lauffeuer herum. Friedlich demonstrierten in den Folgetagen vielerorts aufgebrachte Bürger, in der DDR hatte dies allerdings für Beteiligte harte Konsequenzen. (© picture-alliance, CTK)

Vor der tschechoslowakische Militärmission in West-Berlin: Proteste gegen die Niederschlagung des "Prager Frühlings"

Am 21. August 1968 marschierten Truppen des Warschauer Paktes in die Tschechoslowakei ein, ohne sichtbare Beteiligung der DDR, aber auch von ihrem Boden aus, um der Entwicklung eines eigenständigen "Sozialismus mit menschlichem Antlitz" ein Ende zu setzen. Die Intervention rief weltweit Proteste hervor. In West-Berlin verabschiedeten u. a. die Studentenverbände SDS und SHB einen offenen Brief an die Zentralkomitees der intervenierenden Staaten. Darin kritisieren die Studentenorganisationen, dass "weder der Vernichtungskrieg der US-amerikanischen Imperialisten gegen die revolutionäre Bewegung in Südvietnam, noch die Terrorangriffe der US-Luftwaffe gegen das sozialistische Nordvietnam" es vermocht hätten, "die Streitkräfte des Warschauer Pakts in Marsch zu setzen". Dagegen würden diese Streitkräfte nun unter "fadenscheinigen Gründen" in die ČSSR einmarschieren und dort "alle Chancen für eine wirklich kommunistische Entwicklung" abschneiden.

Nach einer Diskussionsveranstaltung des AStA der TU und der FU im Audimax der TU mit etwa 1.200 Beteiligten formierte sich am Nachmittag eine Demonstration zur Militärmission der Tschechoslowakei in der Podbielskiallee, der auf 4 000 Personen anwuchs. Die Demonstranten trugen Transparente mit den Aufschriften "Wir grüßen Dubček und die KP der ČSSR", "Sowjetunion – Imperialist Nr. 2" und skandierten Sprechchöre wie "Dubček, Svoboda!" und "Amis raus aus Vietnam, Russen raus aus Prag!". Studenten übergaben dem Leiter der Militärmission, Dr. Kreplak, den offenen Brief an die Zentralkomitees der intervenierenden Staaten, den dieser als "sehr vernünftige Erklärung" bezeichnete.

Die Intervention in der ČSSR rief in West-Berlin allerdings keine weiteren großen Protestaktionen hervor. Rudi Dutschke erklärte im Rückblick, dass das entscheidende Ereignis des Jahres 1968 in Europa nicht Paris, sondern Prag gewesen sei: "Damals waren wir unfähig, dies zu sehen." Noch deutlicher in seiner Kritik an den fehlenden studentischen Protesten angesichts der Militärintervention in der ČSSR wurde Günter Grass in einer Rede am 8. September 1968 im Stadttheater von Basel: "Aber nicht Vaculík und Havel hießen die Vorbilder der Berliner und Pariser Studenten, vielmehr traf man eine fotogen-ästhetische Wahl: der argentinische Berufsrevolutionär Che Guevara wurde bis zum Pin-up-Format vergrößert. Mit anderen Worten: während die tschechoslowakischen Reformer bei widrigsten Umständen ihre Reform zu etablieren versuchten, gefiel sich die westliche radikale Linke in romantisch-revolutionärer Gestik."

Folgenreiche Proteste in Ost-Berlin: "Dubček!"-Rufe vor der Staatsbibiliothek

Aus Protest gegen den Einmarsch der Truppen des Warschauer Paktes in der Tschechoslowakei schrieben Frank Havemann und Hans Uszkoreit in der Nacht des 21. August 1968 den Namen der Leitfigur des Prager Frühlings an vier Häuserwände: "Dubček!" Nach ihrer letzten Aktion wurden sie von Volkspolizisten am Schiffbauerdamm verhaftet, ins Polizeigefängnis in der Keibelstraße gebracht und anschließend in das Stasigefängnis nach Hohenschönhausen überführt. Hans Uszkoreit hatte morgens von der Intervention erfahren und sich sogleich mit Freunden an verschiedenen Protesten beteiligt: Den ganzen Tag über schrieben sie Flugblätter und gegen Abend wollten sie vor der Sowjetischen Botschaft in der Straße Unter den Linden demonstrieren. Allerdings waren dort weit mehr Volkspolizisten als Oppositionelle, sodass die Demonstration frühzeitig unterbunden wurde.

"In den sächsischen Wäldern - August 1968". Ein Bild des Dresdener Malers Peter Herrmann, der im Sommer 1968 seinen Freund, den Maler Peter Graf, auf Lkw-Touren begleitete und in den Wäldern des Grenzgebiets DDR-ČSSR auf zahlreiche versteckte Soldaten getroffen war - einmarschbereit in die Tschechoslowakei." (© Peter Herrmann)

Hans Uszkoreit war wie viele andere, die gegen die Intervention in die ČSSR protestierten, ein Kind von Eltern, die der DDR-Politikprominenz angehörten – Hans-Georg Uszkoreit war Hauptabteilungsleiter für Musik im Ministerium für Kultur. Bereits als Jugendlicher rebellierte Hans Uszkoreit gegen die gesellschaftlichen Zwänge in der DDR. Ein wichtiges Ausdrucksmittel für diesen Protest war die Musik. Als er in seiner Schule eine Wandzeitung über Bob Dylan und Donovan präsentierte, wurde er als "bürgerlicher Jugendlicher" und "irregeleiteter Pazifist" gerügt. Uszkoreit verweigerte die vormilitärische Ausbildung, trug lange Haare und produzierte mit Freunden Aufnahmen von Tonbändern, auf denen Musik mit regimekritischen Texten gemischt wurde, die zum Nachdenken anregen sollten. Tonbänder hatten gegenüber Flugblättern den Vorteil, dass sie nicht sofort als system-kritisch erkannt werden konnten. Zum Ende des 11. Schuljahres flog Uszkoreit als 17-Jähriger aus "disziplinarischen" Gründen von der Schule.

Am Vorabend der Intervention war Hans Uszkoreit zusammen mit Nina Hagen im Kino gewesen, wo "Manche mögen’s heiß" von Billy Wilder lief. Anschließend traf man sich in Wolf Biermanns Wohnung, der dort sein Lied von der Prager Kommune vortrug. Uszkoreit wurde für seine Aktion gegen den Einmarsch der Truppen des Warschauer Paktes zu 15 Monaten Gefängnis verurteilt. Da er sich beharrlich den Anwerbungsversuchen der Stasi verweigerte, musste er seine Haftstraße bis zum letzten Tag absitzen. Zusammen mit Rosita Hunzinger floh er anschließend nach Westdeutschland. An seine Aktion zusammen mit Frank Havemann erinnert heute eine Gedenkstele an der Rückseite der Staatsbibliothek.

Die Inhaftierung des Schriftstellers Thomas Brasch

Nebenstehende Texte sind dem Buch "1968 in Berlin" von Prof. Ingo Juchler entnommen, erschienen 2017 im be.bra-berlag Berlin.

Als die Truppen der Warschauer Paktstaaten in die ČSSR einmarschierten, machte Thomas Brasch mit seiner Freundin Sanda Weigl gerade Urlaub an der Ostsee. Brasch studierte an der Filmhochschule in Babelsberg und wohnte in der Boxhagener Straße in Friedrichshain. Am Vormittag des 21. August 1968 versuchte er vergeblich, in Ahrenshoop eine Ausgabe des Neuen Deutschland zu kaufen. Erst durch eine Radiomeldung erfuhr er von der Intervention und beschloss sofort, mit seiner Freundin nach Berlin zu trampen. Am nächsten Tag trafen sich die beiden zunächst in der Buchhandlung Das gute Buch am Alexanderplatz mit Erika Berthold und schrieben dann in Sanda Weigls Wohnung – zusammen mit Vladimir Weigl, Rosita Hunzinger und Juliana Grigorowa – mit Filzstift Parolen wie "Hände weg vom roten Prag!", "Stalin lebt!" und "Ein Dubček für die DDR!".

Eigentlich wollte sich Thomas Brasch am Abend mit Florian Havemann am Kino International in der Karl-Marx-Allee treffen. Doch Havemann war bereits auf dem Weg dorthin verhaftet worden. Brasch kehrte in die Wohnung von Weigl zurück, wo die Gruppe noch etwa 400 Flugblätter schrieb, die sie in der Nacht in der Friedrichstraße und in Prenzlauer Berg in Briefkästen warfen und an S- und U-Bahnhöfen auslegten. Im Verlauf der nächsten Tage wurden die Flugblattschreiber verhaftet. Im Fall von Thomas Brasch erfolgte die Verhaftung unter besonderen Umständen: Er wurde in der Wohnung seiner Eltern festgenommen – nachdem ihn sein Vater angezeigt hatte. Horst Brasch war SED-Funktionär und stellvertretender Minister für Kultur der DDR.

Thomas Brasch wurde in das Untersuchungsgefängnis des Ministeriums für Staatssicherheit (Stasi) in der Magdalenenstraße gebracht und verhört. In dem weitläufigen Areal um die Frankfurter Allee, Magdalenen-, Normannen- und Ruschestraße befand sich die Zentrale des DDR-Unterdrückungsapparats. Brasch erklärte dort, dass er die Politik der tschechoslowakischen KP für richtig erachte – sie würde die "Voraussetzungen für einen demokratischen Sozialismus" schaffen: "Mit dieser Handlung verfolgte ich das Ziel, andere Bürger anzuregen, sich über die genannten Maßnahmen Gedanken zu machen und sie zu veranlassen, in Diskussionen gegen die Maßnahmen der sozialistischen Staaten Stellung zu nehmen." Zugleich betonte Brasch, dass er den Sozialismus als Staatsform prinzipiell unterstütze. Am 23. Oktober wurde Brasch wegen staatsfeindlicher Hetze zu zwei Jahren und drei Monaten Gefängnis verurteilt. Unter Bewährungsauflagen wurde er schließlich im November 1968 aus der Haft entlassen. Thomas Brasch starb 2010 und ist auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof beigesetzt.

Studienverbot nach Flugblattverteilung - Die Erlebnisse Bettina Wegners

Von der Intervention der Warschauer Paktstaaten in die CŠSR erfuhr die Liedermacherin Bettina Wegner über das Westfernsehen. Am Tag darauf kaufte die Studentin der Staatlichen Schauspielschule (heute Hochschule für Schauspielkunst "Ernst Busch") sämtliche erhältlichen Tageszeitungen, um sich über die Geschehnisse in Prag zu informieren. Die 19-Jährige war zutiefst empört. Am nächsten Tag kam Thomas Brasch, der Vater ihres knapp halbjährigen Kindes, in die Wohnung ihrer Eltern und erklärte ihr, dass er wohl bald wegen seiner Aktivitäten gegen die Intervention verhaftet würde. Sie sollte aber wegen des Babys keinesfalls etwas unternehmen. Doch für Bettina Wegner war klar, dass angesichts der "Ungeheuerlichkeit" der Intervention von "Bruderländern" in die ČSSR protestiert werden musste. Sie selbst hatte vor dem Hintergrund der dortigen Reformen auch auf politische Veränderungen in der DDR gehofft. Bislang war für Wegner klar gewesen, dass die DDR das bessere Deutschland sei – "ich hatte die Illusion, dass wir keine Nazis haben". Sie war "von ganzem Herzen gegen den Krieg in Vietnam" und hoffte auf "Internationale Brigaden, die wie im Spanischen Bürgerkrieg nun zur Unterstützung der Revolution in Vietnam aufgestellt würden".

Aber jetzt schrieb die Sozialistin in der Wohnung ihrer Eltern in der Elsa-Brändström-Straße 18 in Pankow handschriftlich Flugblätter, auf denen "Hände weg von Prag!", "Stalin lebt" oder "Hoch Dubček" zu lesen war. In einer Kneipe unweit der Wohnung erzählte sie von ihrem Vorhaben, die Flugblätter zu verteilen. Zusammen mit einem Bekannten warf sie diese in der Vineta-, Mühlen- und Florastraße in Briefkästen und über die Mauer eines Industriebetriebs. Tags darauf wurde sie bei ihren Eltern verhaftet, zunächst in die Untersuchungshaftanstalt der Stasi in die Pankower Kissingenstraße gebracht und anschließend für eine Woche in der zentralen Untersuchungshaftanstalt in Hohenschönhausen inhaftiert. In der Schauspielschule erhielt Bettina Wegner Hausverbot. Stattdessen musste sie sich eineinhalb Jahre in einer Rummelsburger Relaisfabrik "in der Produktion bewähren". "Richtig traurig und enttäuscht" war Bettina Wegner darüber, dass "sich von den Demonstranten in West-Berlin niemand für den Osten interessiert hat".

Ein neuer Hitler? In Prag fotografierte Karikatur des SED-Vorsitzenden Walter Ulbrichts in der DDR, der vehement für den militärischen Einmarsch in die CSSR plädiert hatte. (© Unbekannter Zeichner und Fotograf)

"Es lebe das rote Prag!" Begegnung mit der APO in der Ost-Berliner Wohnung der Bildhauerin Ingeborg Hunzinger

Ihre Wohnung galt als wichtiger Treffpunkt für Oppositionelle in Ost-Berlin: Die Bildhauerin Ingeborg Hunzinger führte in Rahnsdorf ein offenes Haus, in dem literarische Debatten und systemkritische Diskussionen stattfinden konnten. Hier trafen sich Heiner Müller, Manfred Krug, Wolf Biermann und Robert Havemann genauso wie ein Kreis junger politischer Rebellen um Thomas Brasch, Hans Uszkoreit, Florian und Frank Havemann, Rosita Hunzinger, Erika Berthold und andere. Viele Ideen der systemkritischen DDR-Opposition wurden in Hunzingers literarisch-politischem Salon entwickelt.

Angesichts der Bedeutung, die Hunzingers Haus als markanter Treffpunkt für regimekritische Menschen zukam, ist es nicht verwunderlich, dass es gerade hier am 27. Januar 1968 zu einer ost-westlichen Begegnung der besonderen Art kam: Die West-Berliner Kommunarden Dieter Kunzelmann, Fritz Teufel und Rainer Langhans sowie Rudi Dutschke diskutierten mit (angehenden) Ost-Berliner Kommunarden und deren Freunden über Möglichkeiten systemverändernder politischer Praxis. Allerdings erschienen die Vorschläge der West-Berliner Antiautoritären den Ost-Berliner Oppositionellen bisweilen sehr schulmeisterlich und wirklichkeitsfremd: So wurden die Ost-Berliner etwa angeregt, auf den Marx-Engels-Platz so große Parolen zu schreiben, dass sie vom Flugzeug aus zu lesen wären. Die West-Berliner Polit-Aktivisten zeigten offensichtlich wenig Einfühlungsvermögen in die Möglichkeiten oppositioneller Aktionen unter den Bedingungen des repressiven DDR-Staatsapparats.

Die Tochter Ingeborg Hunzingers, Rosita, verfasste nach der Intervention der Warschauer Paktstaaten in die ČSSR zusammen mit Thomas Brasch, Erika Berthold und Sanda Weigl handgeschriebene Flugblätter mit Texten wie "Es lebe das rote Prag!" und "Warschauer Pakt raus aus Prag!" Nachdem Hans Uszkoreit seine Haftstrafe wegen seiner Aktionen gegen die Intervention verbüßt hatte, floh er mit Rosita Hunziger in die Bundesrepublik. Die Planungen dafür erfolgten in Ingeborg Hunzingers Haus, von dort brachen sie auch zur Flucht auf.

Ingeborg Hunzingers wohl bekannteste Plastik steht in der Berliner Rosenstraße: Der Block der Frauen erinnert an den Protest von Frauen im Februar/März 1943 für die Freilassung ihrer jüdischen Männer. Die etwa 2.000 Männer wurden tatsächlich freigelassen – ob aufgrund des Protests ihrer Frauen und Angehörigen oder wegen anderer Gründe ist historisch umstritten. Ingeborg Hunzinger verstarb im Jahr 2009. Ihr Grab befindet sich auf dem Alten Friedhof Wannsee.

Vor der sowjetischen Botschaft - "Schweigedemonstration" mit Folgen

Der Einmarsch der Warschauer Paktstaaten in die ČSSR führte in Ost-Berlin auch zum Versuch, eine Demonstration vor der sowjetischen Botschaft durchzuführen. Die Sicherheitskräfte unterbanden die "Schweigedemonstration" jedoch schon in ihren Ansätzen. Der Demonstrationsversuch hatte eine längere Vorgeschichte: Am 21. August, dem Tag der Intervention, diskutierte der spätere Rockmusiker Toni Krahl ("City") mit zwei Freunden, wie man darauf reagieren könne. Der militärische Einmarsch geschehe nicht in ihrem Namen, so die jugendlichen Freunde, und sie beschlossen, dies auch kundzutun. Deshalb gingen die drei Freunde in die tschechoslowakische Botschaft in die Schönhauser Allee am Prenzlauer Berg. Dort wurden sie von einem Botschaftssekretär freundlich empfangen, dem sie ihre Ablehnung der Intervention bekundeten und ihre Solidarität erklärten. Doch die Freunde wollten mehr unternehmen.

In den folgenden Tagen schrieben sie Zettel, auf denen zu einer Schweigedemonstration vor der sowjetischen Botschaft am 24. August um 16 Uhr eingeladen wurde. Die Zettel verbreiteten sie im Bekanntenkreis, in einschlägigen Cafés und Kneipen. Die sowjetische Botschaft war Anfang der 1950er-Jahre im Stil des sozialistischen Klassizismus errichtet worden. Am Nachmittag des 24. August versammelten sich auf dem Mittelstreifen Unter den Linden vor der sowjetischen Botschaft schweigend Gruppen von Personen, die oftmals eine kleine tschechoslowakische Fahne am Revers trugen. Die etwa 50 bis 60 Leute wurden von mindestens ebenso vielen Personen begleitet, die trotz ihrer zivilen Kleidung unschwer als Sicherheitskräfte zu identifizieren waren. Die beiden Gruppen beäugten sich misstrauisch, bis plötzlich Mannschaftswagen der Polizei vorfuhren und die schweigenden Demonstranten, die nicht rechtzeitig fliehen konnten, festnahmen.

Toni Krahl konnte zunächst entkommen, wurde dann allerdings für den 13. September in die Stasi-Untersuchungshaftanstalt in der Kissingenstraße in Pankow einbestellt und dort verhaftet. Im November 1968 wurde er wegen "staatsfeindlicher Hetze" als Rädelsführer zur Höchststrafe von drei Jahren verurteilt, am 22. Dezember jedoch zur Bewährung entlassen, an eine Studienerlaubnis war aber nicht mehr zu denken. In Anerkennung seiner Aktivitäten gegen den Einmarsch der Warschauer Paktstaaten wurde Toni Krahl 2008 vom tschechischen Ministerpräsidenten Mirek Topolánek mit dem Karel-Kramar-Orden ausgezeichnet.

Alle Texte sind dem Buch entnommen: Ingo Juchler; "1968 in Berlin - Schauplätze der Revolte - Ein historischer Stadtführer", erschienen im "be.bra-verlag" Berlin, 2017. Die Veröffentlichung auf bpb.de erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

Zu weiteren Texten & Dokumenten aus dem Externer Link: Dossier Prag 1968

Fussnoten

Prof. Dr. Ingo Juchler; Studium der Politikwissenschaft, Deutsch und Erziehungswissenschaften; Forschungs- und Lehrtätigkeiten an mehreren Schulen und Universitäten; Professuren für Politikwissenschaft und ihre Didaktik in Weingarten, Göttingen und seit Mai 2010 Professor für Politische Bildung an der Universität Potsdam.