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"Es hat ihn keiner gezwungen"– Ein Arzt im Dienste der Stasi | Kontraste - Auf den Spuren einer Diktatur | bpb.de

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"Es hat ihn keiner gezwungen"– Ein Arzt im Dienste der Stasi

Dr. Ilko-Sascha Kowalczuk

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Kontraste begleitet ein Opfer zu seinem Peiniger. Der Stasi-Psychiater hatte ihn unter den Einfluss von Medikamenten gestellt und dann verhört. Im vereinigten Deutschland darf der ehemalige Stasi-Offizier als niedergelassener Arzt weiter praktizieren.

Vernehmer im weißen Kittel: Dr. Horst Böttger, ehemaliger Arzt im Stasi-Untersuchungsgefängnis Berlin-Hohenschönhausen (© KONTRASTE, Rundfunk Berlin-Brandenburg)

Einer der wohl berühmtesten Schwüre ist der "Eid des Hippokrates", den Mediziner in aller Welt ablegen. Darin heißt es unter anderem: "In wie viele Häuser ich auch kommen werde, zum Nutzen der Kranken will ich eintreten und mich von jedem vorsätzlichen Unrecht und jeder anderen Sittenlosigkeit fernhalten ... Über alles, was ich während oder außerhalb der Behandlung im Leben der Menschen sehe oder höre und das man nicht nach draußen tragen darf, werde ich schweigen und es geheim halten." Der Schwur endet mit den Worten: "Wenn ich diesen meinen Eid erfülle und ihn nicht antaste, so möge ich mein Leben und meine Kunst genießen, gerühmt bei allen Menschen für alle Zeiten; wenn ich ihn aber übertrete und meineidig werde, dann soll das Gegenteil davon geschehen."

Diesen Eid legten auch die Mediziner in der DDR ab, auch jene, die im Ministerium für Staatssicherheit (MfS) arbeiteten. Gewissenskonflikte hatten dabei offenbar die wenigsten, denn sie hatten gegenüber dem MfS einen Eid abzulegen und Tätigkeiten auszuüben, die in krassem Widerspruch zum hippokratischen Eid standen: Sie schworen, dass sie alle Feinde der DDR unnachgiebig verfolgen, ihr Leben zum Schutz des Sozialismus einsetzen und dem MfS in allen Fragen streng gehorchen würden.

"Es hat ihn keiner gezwungen"

Ein Arzt im Dienste der Stasi

"Es hat ihn keiner gezwungen"

KONTRASTE begleitet ein Opfer zu seinem Peiniger. Der Stasi-Psychiater hatte dem Häftling Psychopharmaka verabreicht und ihn dann verhört. Heute darf er als niedergelassener Arzt weiter praktizieren.

Der 1939 geborene Arzt Horst Böttger trat im selben Jahr, 1971, in dem er sein Medizinstudium erfolgreich abschloss dem MfS als Leutnant bei. Als MfS-Offizier absolvierte er eine mehrjährige Facharztausbildung Neurologie/Psychiatrie. Zwischen 1978 und 1988 war er dann als forensischer Psychiater im MfS-Haftkrankenhaus Berlin-Hohenschönhausen tätig. 1989 arbeitete er als Offizier im besonderen Einsatz an der Humboldt-Universität zu Berlin, Sektion Kriminalistik. Böttger hatte nicht nur in Medizin promoviert, sondern 1985 an der MfS-Hochschule auch zum "Dr. jur.". In seiner "Dissertation" hatte er sich mit "feindlich-negativen Einstellungen" und "feindlich-negativen Handlungen" von DDR-Bürgern auf der Grundlage konkreten Materials des MfS beschäftigt und Ratschläge erarbeitet, wie in Zukunft die Feinde des Sozialismus noch effektiver bearbeitet und bekämpft werden könnten. Das MfS urteilte im April 1988 über Böttger, dass der Arzt als "Tschekist auch operative Belange" gebührend berücksichtige. Besonders wurde hervorgehoben, dass er im Bereich der so genannten Staatsverbrechen effektiv mitwirke und an der "Lösung operativer Fragestellungen im Zusammenwirken mit" den MfS-Vernehmern arbeite. Das hieß im Klartext, dass Dr. med. Dr. jur. Horst Böttger gegen die Interessen seiner Patienten allein die politischen Absichten des MfS verfolgte. Er agierte als Vernehmer im weißen Kittel. Das wog schwerer, weil er das Vertrauen der ihm anvertrauten Häftlinge missbrauchte, um Informationen zu gewinnen, die seinen Patienten zum Nachteil gereichten. Obwohl gegen Böttger im vereinigten Deutschland immer wieder einstige Häftlinge öffentlich aussagten, praktizierte er in Berlin-Hohenschönhausen weiter als Arzt. Dafür sorgte unter anderen sein Rechtsanwalt, Frank Osterloh, früher im Range eines Majors selbst für Vernehmungen im MfS zuständig. Neben Böttger gab es weitere Ärzte, die als hauptamtliche oder inoffizielle Mitarbeiter des MfS ihre Patienten verrieten und den Medizinereid brachen. Beruflich schadete ihnen das aber auch nach der Revolution 1989 größtenteils nicht.

Fussnoten

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