Im Parlamentarischen Rat
Die vom Nordrhein-Westfälischen Landtag in den Parlamentarischen Rat entsandte Abgeordnete Helene Weber ist die einzige Frau innerhalb der CDU/CSU-Fraktion. Mit Wilhelm Heile (DP) und Paul Löbe (SPD) zählt sie zu den drei Mitgliedern, die bereits der Weimarer Nationalversammlung angehört haben. Im Parlamentarischen Rat gehört sie als Schriftführerin dem Präsidium an.
Wie schon 1919, so widmet sie sich auch nun als Mitglied des Ausschusses für Grundsatzfragen den Angelegenheiten der Kulturpolitik, der Ehe und Familie sowie der Gleichberechtigung der Geschlechter. Neben Adolf Süsterhenn (CDU) tritt sie in diesem Ausschuss als kulturpolitische Sprecherin der Union auf. So pflegt sie auch enge Kontakte zu den Vertretern der katholischen Kirche, wie z.B. zu Prälat Wilhelm Böhler, dem Beauftragten von Joseph Kardinal Frings, Erzbischof von Köln und Vorsitzender der Fuldaer Bischofskonferenz, beim Parlamentarischen Rat.
Ihr Grundrechtsverständnis gründet sich auf die Prinzipien des christlichen Naturrechts. So tritt sie entschieden für die Verankerung des Elternrechts im Grundgesetz ein. In Fragen der Gleichberechtigung wird sie vom tradierten Bild einer patriarchalischen Familienstruktur bestimmt, so dass sie - bei Anerkennung der staatsbürgerlichen und der Lohngleichheit - einer vollen Gleichstellung der Frau im Ehe- und Familienrecht mit Zurückhaltung begegnet. Dennoch unterstützt sie am Ende die von Elisabeth Selbert (SPD) beförderte Initiative auf weitergehende formale Gleichstellung der Geschlechter (Art. 3 Abs. II GG).
Biografie
Geboren am 17. März 1881 in Elberfeld, gestorben am 25. Juli 1962 in Bonn, römisch-katholisch.
1900-1905 ist Helene Weber als Volksschullehrerin im konfessionellen Schuldienst tätig. Nach einem Hochschulstudium von 1909-1916 im Höheren Schuldienst in Bochum und Köln. Seit 1909 Tätigkeit in der Sozialarbeit. 1914 Gründerin der Kriegszentrale für Heimarbeit in Köln, 1916 Übernahme der Leitung der Sozialen Frauenschule, zunächst in Köln, später in Aachen.
Mitbegründerin und Vorsitzende des Vereins Katholischer Sozialbeamtinnen, letzteres bis zum Lebensende. 1921-1930 Schriftleiterin der "Sozialen Berufsarbeit". Als Mitglied der Zentrumspartei für diese 1919-1920 in der Weimarer Nationalversammlung, 1921-1924 im Preußischen Landtag und 1924-1933 im Deutschen Reichstag, seit 1927 im Vorstand der Reichstagsfraktion. Zahlreiche zusätzliche Verbands- und Parteifunktionen, u.a. seit 1925 Mitglied des Parteivorstands und Vorsitzende des Reichsfrauenbeirats der Zentrumspartei.
Beruflich 1919-1932 im preußischen Wohlfahrtsministerium, ab 1920 als Ministerialrätin, 1932-1933 im preußischen Kultusministerium. Haupthandlungsfelder: Wohlfahrtspflege und Fürsorge, speziell im Bereich beruflicher Frauenbildung, Jugendwohlfahrt und Familie.
1933 stimmt sie trotz schwerer Bedenken mit der Fraktionsmehrheit im Reichstag für das "Ermächtigungsgesetz", gleichwohl Entlassung aus dem Öffentlichen Dienst. Seither Konzentration auf den Bereich katholischer Verbandsarbeit, so u.a. als Vorsitzende des Berufsverbands katholischer Fürsorgerinnen (später Hedwigsbund). 1943 Umzug von Berlin nach Marburg an der Lahn.
Nach Kriegsende Übersiedlung nach Essen, dort Wiederausweitung der katholischen Verbandsarbeit, u.a. neben dem Vorsitz im Berufsverband katholischer Erzieherinnen im Katholischen Deutschen Frauenbund. Tritt der CDU bei. Mitbegründerin und Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Frauen der CDU/CSU. 1946 Mitglied des ersten ernannten Landtags von Nordrhein-Westfalen, ab 1947 des Zonenbeirats der Britischen Zone.
Helene Weber gilt in der nachfolgenden Bundesrepublik als "einflussreichste Frau der Union": 1949-1962 Mitglied des Deutschen Bundestags, seit 1950 in der Beratenden Versammlung des Europarats, seit 1955 in der Versammlung der Westeuropäischen Union. 1950-1958 Vorstandsmitglied der Internationalen Liga der Katholischen Frauenverbände. Seit 1952 Vorsitzende im Kuratorium des Deutschen Müttergenesungswerks.
Nachlass: Institut für Zeitgeschichte, München.