Der Bau der Berliner Mauer im August 1961 zementierte die deutsche Teilung. Die von Bundeskanzler Konrad Adenauer mit Entschiedenheit betriebene Westbindung wurde zur Existenzgrundlage bundesdeutscher Staatlichkeit. Parallel dazu setzte mit dem in Westdeutschland aufmerksam verfolgten Eichmann-Prozess (11.4.-15.12.1961) in Jerusalem eine neue Phase der Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit ein. Ins Zentrum der gesellschaftlichen Auseinandersetzung in der Bundesrepublik Deutschland rückte jetzt die Frage nach Schuld und Verantwortung, mit der auch eine neue Sicht auf die deutsche Nachkriegsdemokratie verbunden war. Studentenproteste, Außerparlamentarische Opposition und die erste SPD-geführte Bundesregierung waren dann Zeichen dieser tief greifenden Veränderung der westdeutschen Gesellschaft. Schließlich ließen die ab 1966 einsetzende Rezession - ein erster Bruch in der bis dahin ungetrübten Erfolgsgeschichte der westdeutschen sozialen Marktwirtschaft – und das Erstarken der NPD in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre erkennen, dass sich Politik und Bildung auf Veränderungen des politischen und gesellschaftlichen Koordinatensystems einzustellen hatten.
Organisatorische Neuordnung und Umbenennung
Im September 1961 fand eine Organisationsreform statt. Die zuvor unmittelbar dem Direktor unterstellten Referate wurden in drei Arbeitsgruppen aufgeteilt. Die Arbeitgruppen "Verwaltung und Verlagswesen" sowie "Unterrichtshilfsmittel" hatten jeweils zwei Referate. Weitere sieben Referate wurden in der Arbeitsgruppe "Publizistik, Film, Tagungswesen, Psychologische Fragen, Generalplanung" zusammengefasst; 1966 kam das Referat "Zusammenarbeit mit dem Fernsehen" hinzu. Die Leitung dieser Arbeitsgruppe oblag einem neu eingeführten Generalplanungsreferenten, der auch für die Koordination der Arbeit des gesamten Hauses verantwortlich zeichnete. Das Ostkolleg, das 1960 seine Bildungsangebote durch den Bau eines Hörsaals am Kölner Dienstsitz spürbar ausweiten konnte, blieb direkt dem Direktor der Bundeszentrale für Heimatdienst unterstellt.
Zum 15.6.1963 erfolgte die Umbenennung in "Bundeszentrale für politische Bildung", für die sich später das Kürzel "BpB" (ab 2001 in der Schreibweise "bpb") einbürgerte. Mit der Namensänderung wurde nicht nur der überkommene Heimatdienst-Begriff ad acta gelegt, sondern auch das Aufgabenfeld klarer benannt Begleitet wurde dieser Wandel durch einen Generationswechsel im Haus. Zunehmend wurden jetzt Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingestellt, deren berufliche Sozialisation in die Zeit nach 1945 fiel. Bis zum Ende des Jahrzehnts stieg die Zahl der Mitarbeiter/innen auf über 80, der Etat belief sich im Jahr 1969 auf 15 Mio. DM. Schließlich hatte die bpb 1964 - nach dem Umzug von Bad Godesberg nach Bonn und dortigen Zwischenstationen in der Viktoriastraße und der Königsstraße - in der Berliner Freiheit 7 eine Liegenschaft bezogen, die dann fast vier Jahrzehnte ihr Hauptdienstsitz bleiben sollte.
Ausgebaut wurde in den 1960er Jahren die Kooperation mit den Externer Link: Landeszentralen für politische Bildung , die seit 1954 nach und nach in den elf Bundesländern entstanden waren. Die "föderative Freundschaft" der Einrichtungen manifestierte sich in gemeinsamen Fachkonferenzen. Inhaltliche, methodische und didaktische Probleme wurden hier ebenso thematisiert wie die Frage nach der gesellschaftlichen Positionierung der staatlichen politischen Bildung.
Politische Bildung auf dem Prüfstand
Die antisemitische Welle von 1959/1960, in deren Verlauf eine Vielzahl antisemitisch motivierter Straftaten wie Schändungen von jüdischen Friedhöfen und rassistische Schmierereien insbesondere durch junge Menschen verübt worden waren, stellte das Selbstverständnis der jungen Bundesrepublik in Frage und ließ Zweifel an der Wirksamkeit der politischen Bildung laut werden. Im Jahr 1960 wurde daher eine Kommission zur Beratung der Bundesregierung in Fragen der politischen Bildung berufen. Es kam zu einer verstärkten Förderung politischer Bildung auf Bundes- und auf Länderebene und zum kritischen Hinterfragen der bisherigen Bildungsinhalte. Hatte in den vergangenen Jahren die Vermittlung von Wissen über die Rechte und Pflichten im Staat im Vordergrund gestanden, so wurde dies nun zunehmend als unzureichend erkannt. Die Stärkung der Urteilskraft des einzelnen Staatsbürgers und die Ermutigung zur Vertretung der eigenen Interessen gewannen an Bedeutung.
"Die politische Bildungsarbeit kann nicht mehr dabei stehen bleiben, zu unterrichten, zu interessieren und zu diskutieren. Mit dem Wissen von Rechten und Pflichten im Staat, von den Forderungen, Verantwortungen und Gefahren ist noch nichts erreicht: die Bereitschaft zu politischem Verhalten, zur freien bewussten Entscheidung ist der Effekt, dem das Bemühen der staatlichen Arbeit im Bereich der politischen Bildung gelten soll", hieß es im Planungsbericht der bpb von 1963. Damit gerieten auch tagesaktuelle Fragen in den Fokus der politischen Bildungsarbeit. Durchaus strittig blieb allerdings, wie weit die Förderung aktiven politischen Handelns gehen sollte.
Auch die Radikalisierungserscheinungen in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre, die sich auf der einen Seite im Erstarken der NPD und auf der anderen Seite in der Studentenbewegung niederschlugen, machten die Diskussionen um die politische Bildung zu einem zentralen Thema. Einerseits drängte sich die Frage auf, inwiefern die politische Bildung bislang versagt habe, andererseits wurde ihr die Funktion eines Krisenmanagers zugewiesen und Überlegungen angestellt, wie sie auf diese Herausforderungen reagieren sollte. In der Antwort der Bundesregierung im Jahr 1968 auf zwei Große Anfragen der Fraktionen im Deutschen Bundestag zur politischen Bildung wurden u.a. zwei Forderungen vorgetragen, die auf veränderte Ansprüche an die politische Bildung hindeuteten:
Die bislang intensiv geführte Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und dem Kommunismus sollte etwas eingeschränkt werden, weil die immerwährende Betonung einer abwehrenden Haltung Überdruss erzeuge und vom Verständnis der in Gegenwart und Zukunft gestellten Aufgaben ablenke.
Die in der politischen Bildung bislang praktizierte "harmonisierende" und "verklärende" Darstellung der Demokratie und die Überbetonung von Gemeinschaft, Verständigung und Partnerschaft führten leicht zu einer Verkennung des Wesens der Politik. Zukünftig müssten Begriffe wie Interesse, Konflikt und Macht stärker berücksichtigt werden, um ein realistischeres Bild der Demokratie zu zeichnen.
Neue Arbeitsfelder
Auch in den sechziger Jahren blieb die Bundeszentrale für politische Bildung ihren traditionellen Themenbereichen treu: Förderung des demokratischen und des europäischen Gedankens, Auseinandersetzung mit Kommunismus und Nationalsozialismus sowie die Bekämpfung von Antisemitismus waren zentrale Aufgaben. In Reaktion auf die antisemitische Welle wurden neue Wege gesucht, um Vorurteilen durch politische Bildungsangebote zu begegnen. So veranstaltete die Bundeszentrale für politische Bildung im Jahr 1963 ihre erste Externer Link: Studienreise nach Israel - zwei Jahre vor der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Israel! In den darauf folgenden Jahrzehnten haben mehrere Tausend Menschen an diesen Reisen teilgenommen.
Ab dem Jahr 1965 wurden die traditionellen Themenbereiche um einen weiteren ergänzt. Im Tätigkeitsbericht 1965 hieß es: "Im Arbeitsprogramm wurde das Bemühen verstärkt, den Mitbürgern den raschen Wandel der Umwelt, vor allem im wirtschaftlichen und sozialen Bereich, verständlich zu machen und die Probleme von morgen zu diskutieren. Hierin deutete sich eine wachsende Hinwendung zu aktuellen Themen der Politik an."
Eine weitere Forderung, die an die Bundeszentrale gestellt wurde, bestand in der Verstärkung ihrer Breitenwirksamkeit. So verlangte das Kuratorium 1967 nach Innovationen: "Trotz beachtlicher Leistungen der Bundeszentrale lässt es der augenblickliche Stand der politischen Bildung geraten erscheinen (...) Experimente zu wagen, andere Akzente zu setzen und neue Methoden zu entwickeln, um auch breitere Bevölkerungskreise anzusprechen, die bisher nicht erreicht wurden." Bereits seit 1963 stellte die bpb sogenannte "Maternseiten" her, die als einseitige Vorlagen für den Abdruck in Lokalzeitungen produziert wurden und auf diese Weise hohe Auflagen erzielten. In den Maternseiten wurden tagespolitisch relevante Themen aufgegriffen, die die unterschiedlichsten gesellschaftlichen Bereiche abdeckten. Um aber das Ziel, mehr Menschen zu erreichen, besser verfolgen zu können, erschien außerdem eine engere Zusammenarbeit mit der empirische Sozialforschung angeraten. So wurde in den Jahren 1967/68 der Frankfurter Politikwissenschaftler Thomas Ellwein mit einem umfassenden Forschungsprojekt zur politischen Beteiligung in der deutschen Bevölkerung beauftragt und auch in den folgenden Jahren blieb die Forschungsförderung ein wichtiger Bestandteil in der Arbeit der Bundeszentrale.