Einleitung
Es geht nicht um umfassende Überwachung, sondern um Befugnisse, um Sie als Bürger vor terroristischen Anschlägen zu schützen." So lautete die Antwort des Bundesinnenministers Dr. Hans-Peter Friedrich auf die in einem Interview gestellte Frage, ob die nach dem 11. September 2001 in Kraft getretenen befristeten Sicherheitsgesetze entfristet werden sollten.
In der Tat führten die Anschläge vom 11. September 2001 zu einer Zäsur in der deutschen Innen- und Sicherheitspolitik. Die mediale Inszenierung der Anschläge spiegelte die tatsächliche Komplexität der neuen Sicherheitslage und ihrer Erfordernisse wider.
Aus staatstheoretischer Perspektive ist Sicherheit ein Kollektivgut, das für alle Mitglieder einer Gesellschaft gleichzeitig und im gleichen Umfang bereitgestellt wird. Grundsätzlich besteht die Aufgabe des Sicherheitssektors darin, reale und potenzielle Gefährdungen zu verhindern. In diesem Zusammenhang bestimmt das Sicherheitsmanagement als Verbindung zwischen security policy
Auch die deutsche Sicherheitspolitik ist einer Reihe von strukturellen und organisatorischen Zwängen unterworfen, die komplizierte Entscheidungsstrukturen verursachen und damit die Gestaltung von Sicherheit erschweren. Hier sind insbesondere auf nationaler Ebene die föderalistische Organisation der Bundesrepublik und nach außen hin die Rolle der Europäischen Union und die Einbindung in die NATO zu nennen. Auf Letzteres kann im Rahmen dieses Beitrags nicht eingegangen werden. Ersteres wird im Folgenden dargestellt.
Innenpolitische Maßnahmen
Ausgelöst durch den Schock der Ereignisse vom 11. September 2001 kam es rasch zu gesetzlichen Veränderungen in den Bereichen, die zur Gewährleistung der nationalen Sicherheit beitragen. Hinter den beschlossenen Maßnahmen steht immer die Frage, wie viele Eingriffe in die individuelle Freiheit des Einzelnen zugelassen werden können, und wo die gesellschaftspolitische Akzeptanzgrenze ist, ohne die demokratische rechtsstaatliche Kultur Deutschlands infrage zu stellen.
Die erste Reaktion des damaligen Bundesinnenministers Otto Schily auf die Anschläge in den USA war der Ruf nach einer übergeordneten Behörde, um die Sicherheitsmaßnahmen auf Landes- und Bundesebene besser koordinieren zu können. Das zum 1. Mai 2004 errichtete "Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe" (BBK) war ein erster Beitrag des Bundes zur "Neuen Strategie zum Schutz der Bevölkerung in Deutschland".
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die im Rahmen des Sicherheitspakets erlassenen Gesetze und Neuregelungen die Aufhebung des Religionsprivilegs aus dem Vereinsgesetz vorsahen. Das Religionsprivileg in Paragraf 2, Absatz 2, Nummer 3 Vereinsgesetz besagte, dass Vereinigungen, die sich der gemeinschaftlichen Pflege einer Weltanschauung verpflichtet haben, grundsätzlich erlaubt und keine Vereine im Sinne des Vereinsgesetzes waren. In der Konsequenz unterlagen sie nicht den für Vereine bestehenden Kontrollen und Einschränkungen. Die Neufassungen, die unter anderem eine Streichung des in Nummer 3 beschriebenen Privilegs vorsahen, führten dazu, dass seitdem weltanschauliche Gemeinschaften den gleichen Verbotskriterien unterzogen werden wie alle anderen Vereinigungen. Hinzu kam, dass laut Gesetzgeber alle Vereine, deren Mitglieder oder Leiter überwiegend Ausländer aus Staaten außerhalb der Europäischen Union sind (sogenannte Ausländervereine), künftig verboten werden können, wenn ihr Zweck oder ihre Tätigkeit den Prinzipien des Grundgesetzes widersprechen (Paragraf 14 Vereinsgesetz
Ferner wurde Paragraf 129a des Strafgesetzbuches, der die Bildung terroristischer Vereinigungen unter Strafe stellt, durch Paragraf 129 b ergänzt, so dass nun die Mitgliedschaft in terroristischen Vereinigungen sowie Sympathieerklärungen strafbar sind, selbst wenn die Terrorgruppe in Deutschland keine Infrastruktur unterhält.
Eine weitere Etappe des Sicherheitspakets war die Änderung des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes, die zunächst auf fünf Jahre befristet wurde. Demnach soll eine Sicherheitsüberprüfung aller Personen stattfinden, die an sicherheitsempfindlichen Stellen arbeiten. Auch Angestellte von Krankenhäusern, Rundfunkanstalten oder Energieerzeugern sollen einer Sicherheitsüberprüfung unterzogen werden. Neu ist dabei, dass die einfache Überprüfung in die Zuständigkeit des Bundes überführt wurde. Nach Paragraf 8 des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes wurde geregelt, dass der öffentliche Arbeitgeber vor der Einstellung eines bestimmten Personenkreises Auskünfte beim Verfassungsschutz des Bundes und der Länder, dem Bundeskriminalamt, dem Bundesgrenzschutz, den Nachrichtendiensten des Bundes und gegebenenfalls dem Bundesbeauftragten für Stasi-Unterlagen einholen muss.
Zweites Sicherheitspaket: Terrorismusbekämpfungsgesetz
Das Gesetz zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus (Terrorismusbekämpfungsgesetz)
Das Gesetz zielte auf die Schaffung von Rahmenbedingungen, die einen besseren Informationsaustausch gewährleisten sowie die Einreise terroristischer Straftäter nach Deutschland verhindern und identitätssichernde Maßnahmen bilden. Es sollten eine Sicherheitsüberprüfung von Mitarbeitern in wichtigen Einrichtungen ermöglicht und die Fahndung effektiver gestaltet werden. Das Terrorismusbekämpfungsgesetz schaffte zudem die Grundlage für die Erhebung biometrischer Daten wie Fingerabdrücke, Handform oder die Gestalt der Augeniris.
Der Beobachtungsauftrag des Bundesamtes für Verfassungsschutz wurde erweitert, so dass nun auch Bestrebungen, die gegen die Völkerverständigung gerichtet sind, dazugehören. Die Arbeit des Verfassungsschutzes soll weit im Vorfeld terroristischer Bestrebungen erfolgen, um die Gefahrenabwehr zu garantieren. Was unter diesen Bestrebungen zu verstehen ist, wird dagegen nicht weiter ausgeführt. Hier besteht ein weiter Ermessensspielraum der Behörden.
Für die Erfüllung ihrer Aufgaben erhält die Verfassungsschutzbehörde die Möglichkeit, von Banken, Luftfahrtunternehmen und Postdienstleistern Kundendaten anzufordern. Zwar wurden hier bürokratische Hürden eingebaut, um einen Missbrauch zu verhindern und die Bürgerrechte zu wahren.
Ein weiterer Ausbau der nachrichtendienstlichen Kompetenzen ergibt sich durch die sogenannten G-10-Maßnahmen, über welche die Kommunikations- und Reisewege von Privatpersonen leichter nachvollzogen werden können. Die "G-10-Maßnahmen" werden im Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses geregelt.
Die Einrichtung des Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrums im Jahr 2004 in Berlin ist zudem ein weiterer Schritt, den schnellen Zugriff auf vorhandene Informationen zu organisieren. Hier laufen sämtliche geheimdienstliche Informationen zusammen, so dass sie mit weniger Personalaufwand und aus unterschiedlichster Perspektive ausgewertet werden können. Das Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum, das die Spezial- und Analyseeinheiten des Bundeskriminalamtes und des Bundesamtes für Verfassungsschutz zusammenführt, soll die Sicherheitsbehörden unterstützen sowie Informations- und Wissensbestände verschiedener Behörden miteinander verknüpfen.
Durch die Einbindung von Bundesnachrichtendienst, Kriminal- und Verfassungsschutzämtern der Länder, Bundesgrenzschutz, Zollkriminalamt und Militärischem Abschirmdienst in die gemeinsamen Arbeitsabläufe entstanden wichtige Synergieeffekte, so dass jenseits institutioneller Barrieren die rechtlichen Voraussetzungen für gemeinsame Projektdateien geschaffen werden konnten. Entsprechend wurde am 30. März 2007 auf Grundlage des Gesetzes zur Errichtung einer standardisierten zentralen Antiterrordatei von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten von Bund und Ländern (Antiterrordateigesetz) die Antiterrordatei in Betrieb genommen.
Die schärfste strafrechtliche Neuerung wurde im Rahmen des Gesetzes zur Verfolgung der Vorbereitung von schweren staatsgefährdenden Gewalttaten (StraftVVG) vom 30. Juli 2009 erlassen. Gemäß den neu eingeführten Straftatbeständen in den Paragrafen 89a, 89b und 91 ist die Vorbereitung schwerer staatsgefährdender Gewalttaten, die Kontaktaufnahme zwecks Unterweisung zur Begehung von Gewalttaten sowie die Verbreitung oder Beschaffung einer entsprechenden Anleitung zu einer solchen Tat unter Strafe zu stellen.
Wirkungsrealität der Sicherheitsgesetze
Erklärtes Ziel der Sicherheitsgesetze nach "9/11" war es, die Bedrohungen durch den internationalen Terrorismus bereits im Vorfeld geplanter Anschläge effektiv zu "bekämpfen". Viele Maßnahmen wurden zeitlich befristet. Ihre Verlängerung wurde an die Notwendigkeit einer Evaluierung gekoppelt. Dies macht naturgemäß nur dann Sinn, wenn die Evaluierung tatsächlich vor der Verlängerung der Frist stattfindet.
Die Frage, ob eine Evaluierung der oben dargestellten Maßnahmen stattgefunden hat, und welche Ergebnisse diese hervorbrachte, rückt angesichts der grundsätzlichen programmatisch-ideologischen Divergenzen der politischen Entscheidungsträger in den Hintergrund. So lehnte die FDP noch als Oppositionspartei im Jahr 2006 das Terrorismusbekämpfungsgesetz mit der Begründung ab, dass die Balance zwischen Sicherheit und Freiheit, sprich ein ausgewogenes Verhältnis zwischen öffentlicher Sicherheit und Eingriffe in die bürgerlichen Grundrechte, nicht gewährleistet sei. Ihre Position hat sich insofern gewandelt, als dass sie als Mitglied der Regierungskoalition bereit ist, einer Verlängerung der Sicherheitsmaßnahmen zuzustimmen, wenn sich der Koalitionspartner im Gegenzug bei der Vorratsdatenspeicherung dem liberalen Standpunkt - keine verdachtsunabhängige Speicherung von Daten - annähert.
Der koalitionsinterne Streit entfachte sich unter anderem durch die Ankündigung der EU-Kommission im März 2011, die Richtlinie zur Speicherung aller Telekommunikationsdaten überarbeiten zu wollen.
Sicherheit, Legitimität, Elitendiskurs
Die seit dem 11. September 2001 erlassenen Gesetze und Neuregelungen wurden vom Gesetzgeber mit einem Verfallsdatum versehen, weil ihre Wirkungen auf die bürgerlichen Grundrechte nicht unproblematisch sind. Durch die Befristung soll sicher gestellt werden, dass die Entscheidungsträger die Öffentlichkeit angemessen über die Nutzung und Wirkung der Antiterrorgesetze informieren. Zwar sind die Sicherung der Freiheit, der sozialen Wohlfahrt und des inneren Friedens die vornehmsten Aufgaben eines Staates. Jedoch kann es im Rahmen der Organisation von Sicherheit passieren, dass die staatlichen Aktivitäten gesellschaftlich nicht akzeptiert werden, so dass zivilgesellschaftliche Akteure korrigierend eingreifen müssen. Es reicht nicht aus, dass ein Konsens innerhalb der Regierung hergestellt wird. Auch die Sachargumente müssen offen gelegt werden. Sollten sich die Gesetze als effektiv erwiesen haben, so muss dies ebenfalls in die Gesellschaft hineingetragen werden, "denn nur in dem Maße, in dem staatlicher Zwang seine Sicherheitsfunktion im Sinne der Wahrung der Freiheit seiner Bürger erfüllt, kann er Legitimität beanspruchen".
Sicherheitspolitik muss inhaltliche Handlungsprogramme verwirklichen und den dafür notwendigen gesellschaftlichen, aber auch institutionellen Konsens organisieren. Dabei entspricht das Management des Sicherheitssektors der stetig vorausschauenden Analyse von Gefahrenpotenzialen und Entwicklungen, der Gestaltung des Willensbildungs- und Entscheidungsprozesses sowie der Formulierung von sektorübergreifenden Handlungsanweisungen, die in ihrer Gesamtheit eine moderne diskursiv-kooperative Sicherheitspolitik darstellen. Diskursiv-kooperativ deswegen, weil sich eine effektive Sicherheitspolitik vermitteln lassen muss. Hier gibt es in Deutschland noch sehr viel Nachholbedarf. Der deutsche sicherheitspolitische Diskurs ist nach wie vor mehrheitlich ein Diskurs der Eliten.