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Wider den Fetisch Auto | Das Auto | bpb.de

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Wider den Fetisch Auto Warum die Zeit des Automobils vorbei ist

Edo Reents

/ 11 Minuten zu lesen

Es erstaunt, dass der triftigste Maßstab, der bei der Beurteilung des Automobils anzulegen ist, in der öffentlichen Debatte praktisch nicht zur Sprache kommt: die unmittelbaren, nachweisbaren Schäden für Leib und Leben der Menschen, unbeteiligter inbegriffen.

Es ist merkwürdig, dass das Auto gar nicht in dem Land zum Fetisch geworden ist, das nach allgemeinem Dafürhalten immer noch die schönsten davon baut, sondern in dem, das, ebenfalls nach allgemeinem Dafürhalten, bloß die besten baut. In Deutschland fahren nicht nur erheblich weniger demolierte Autos als in Italien, woran sich schon zeigt, dass es hier weit mehr als ein Gebrauchsgegenstand ist, bei dem schon geringfügige Beschädigungen nicht geduldet werden – hier gilt es der herrschenden Öffentlichkeit auch nicht etwa nur als Sachbeschädigung, sondern geradezu als Verbrechen, das geeignet ist, die öffentliche Ordnung, ja, die Demokratie zu gefährden, wenn man, aus natürlich falschverstandenen Protestgründen, eines davon anzündet, wie dies in Berlin im Durchschnitt ein- bis zweimal am Tag geschieht. Bei Gewalt gegen diese sehr spezielle Sache sieht man die Menschenwürde praktisch schon mitgemeint. Woher kommt diese Einstellung?

Aus Italien immerhin kam die, man muss es so formulieren: vulgärphilosophische Handreichung für diese Hätschelei. Filippo Tommaso Marinetti, der Schriftsteller und nachmalige faschistische Politiker, schlug am 20. Februar 1909 seine elf Thesen aufs geduldige Papier der französischen Zeitung "Le Figaro" und begründete damit sein Futuristisches Manifest. Die vierte These lautet: "Wir erklären, dass sich die Herrlichkeit der Welt um eine neue Schönheit bereichert hat: die Schönheit der Geschwindigkeit. Ein Rennwagen, dessen Karosserie große Rohre schmücken, die Schlangen mit explosivem Atem gleichen … ein aufheulendes Auto, das auf Kartätschen zu laufen scheint, ist schöner als die Nike von Samothrake." Abgesehen davon, ob es nicht ein Kategorienfehler ist, schon die Geschwindigkeit als solche "schön" zu nennen, kann man sich auch fragen, warum es des Aufheulens bedürfen soll, damit ein Auto schöner als die antik griechische Skulptur, ob und warum also ein nicht aufheulendes Auto weniger schön ist. Doch Marinetti, das ist bekannt, liebte auch den Lärm.

Aber ob nun schön oder nicht – auch andere Mord- und Totschlaginstrumente können schön sein, ohne deswegen schon unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung zu stehen. Und dass Letzteres auf das Automobil und die es herstellende Industrie zutrifft, bestreitet nicht einmal die Bundesregierung. Erst jüngst auf der Internationalen Automobilausstellung in Frankfurt versicherte Bundeskanzlerin Angela Merkel den ausrichtenden Verband der Automobilindustrie ausdrücklich ihrer Unterstützung und schwieg dabei beredt über die nicht abreißende Zahl der Verfehlungen einer zweifellos wichtigen, aber eben auch betrügerisch agierenden, wenigstens hierzulande bisher weitgehend ungestraft davonkommenden Industrie.

Wer weint um die Toten?

Der Begriff "Mordinstrument" verlangt nach einer Präzisierung: Das Auto ist, wie das Messer, das Gewehr und der schwere Stein, ein potenzielles Mordinstrument, aus dem ein reales wird, sobald vorsätzliche Raserei mit Todesfolge gerichtlich als Mord eingestuft wird, wie dies in jüngerer Zeit immerhin vorkommt. Wäre das Auto nicht schon von sich aus so gefährlich, dann würden wohl auch Trunkenheitsdelikte nicht so intensiv verfolgt und empfindlich geahndet werden, wie dies richtigerweise der Fall ist – seine Beherrschung muss unter allen Umständen sichergestellt sein.

Es erstaunt, dass der triftigste Maßstab, der bei der Beurteilung des Automobils anzulegen ist, in der öffentlichen Debatte praktisch nicht zur Sprache kommt: die unmittelbaren, nachweisbaren Schäden für Leib und Leben der Menschen, unbeteiligter inbegriffen. Die Statistik spricht eine deutliche, außerordentlich brutale Sprache: Seit 1950, seit überhaupt regelmäßig Zahlen erhoben werden, kamen auf deutschen Straßen mehr als 780.000 Menschen ums Leben; das sind mehr, als Frankfurt am Main Einwohner hat. Ein Höchststand wurde im Jahr 1970 mit mehr als 21.000 Toten erreicht; seither sind die Zahlen, mit wenigen Ausschlägen, rückläufig, mittlerweile haben sie sich bei rund 3.300 pro Jahr eingependelt – immer noch die Einwohnerzahl eines größeren Dorfs.

Diese Opfer gehen nicht alle auf das Konto der Autos. Aus dem Bericht der Weltgesundheitsorganisation (WHO) lässt sich, von Unterschieden nach Art und Grad der Motorisierung in den einzelnen Ländern einmal abgesehen, die Faustregel ableiten, dass ungefähr die Hälfte der Verkehrstoten Pkw-Fahrer sind; der Rest entfällt auf Lkw-, Motorrad- und Radfahrer sowie Fußgänger, wobei auch hier davon auszugehen ist, dass meistens ein Auto mit im Spiel ist, wenn jemand unter den anderen Verkehrsteilnehmern umkommt. Jährlich und durchschnittlich werden in Deutschland mehr als 2,5 Millionen Straßenverkehrsunfälle erfasst, bei denen rund 300.000 Personenschäden auftreten. Für das erste Halbjahr 2019 teilt das Statistische Bundesamt diese Zahlen mit: 1465 Verkehrstote (2,7 Prozent weniger als 2018), 178.500 Verletzte (5,1 Prozent weniger).

Es ist die Funktion von Zahlen, Sachverhalte zu relativieren. Deutschland liegt, gemessen an der Kraftfahrzeugzulassungs- und der Bevölkerungszahl, mit seinen Verkehrstoten an 33. Stelle in einer Welt, in die es freilich sehr viele Autos exportiert, die dann eben auf ausländischen Straßen andere Menschen Leib und Leben kosten. Anhänger des hiesigen Individualverkehrs verweisen gerne auf die seit Jahrzehnten rückläufigen Schadensbilanzen, für welche die Gründe auf der Hand liegen: verbesserte Sicherheitstechnik, strengere Verkehrsregeln, engmaschigere Überwachungen hinsichtlich Tempo und Alkohol sowie härtere Strafen. Der für sich genommen erfreuliche Rückgang der immer noch skandalösen Schadenszahlen führt dann zu relativierenden Bekenntnissen, die in keinem anderen gesellschaftlichen Bereich geduldet würden. Der ehemalige "Spiegel"-Chefredakteur Stefan Aust sprach im Mai 2019 in der "Welt" von den "immer noch zu vielen" Verkehrstoten, deren Zahl liege "immer noch zu hoch". Natürlich: Wo Menschen sich in Massen bewegen, ganz gleich, auf welche Art, kann es zu Unfällen kommen. Die auch andernorts gebrauchte Wortwahl bei solchen Beschwichtigungen irritiert gleichwohl – welche jährliche Totenzahl wäre denn hinzunehmen: statt der gut 3000 vielleicht 1.500? Oder 500?

Die nach wie vor viel zu selten gestellte Frage ist: Warum nimmt eine Gesellschaft, ein Staat so etwas immer noch hin? Die Verfassung gestattet viele Freiheiten, auch die zum Risiko, zum eigenen wie zum fremden. Die Verletzten und Toten werden damit ganz offensichtlich in Kauf genommen. Dabei spielt es keine Rolle, ob dies billigend geschieht oder nicht. Gäbe es einen politischen Willen, daran grundsätzlich etwas zu ändern, wäre das längst geschehen. Das wäre freilich eine (wirtschafts)systemische Angelegenheit: Genauso wenig, wie die Hinweise auf die "Gier der Manager" etwas daran ändern werden, dass es auf dem Finanzsektor auch weiterhin zu unglaublichen persönlichen Bereicherungen und, daraus resultierend, großen volkswirtschaftlichen Schäden kommt, wird die Zahl der Verkehrsopfer auch nur annähernd gegen null gehen, solange Einzelne am Ausleben ihres Hedonismus und ihrer Risikobereitschaft nicht wirksam und ein für alle Mal gehindert werden. Wer jedoch die Systemfrage stellt und auch nur vorsichtig zu bedenken gibt, dass es "so", nämlich mit der sinnlosen Produktion immer neuerer, teurerer, schwererer Autos, vielleicht doch nicht in Ewigkeit weitergehen könne, der legt angeblich "die Axt an den Wohlstand" und will womöglich noch, dass das Land verarmt.

Statt aber anzuerkennen, dass die deutsche Automobilindustrie längst weit über einen vernünftigen Bedarf nicht nur der hiesigen Gesellschaft hinaus produziert und in weiten Bereichen zu einer Luxusgüterindustrie geworden ist, reden deren Verteidiger Gefahren für sie, die Industrie nämlich, herbei, die es gar nicht gibt. Es spricht Bände, dass vernünftige Argumente gegen den bundesdeutschen Autowahnsinn nicht etwa gehört, sondern sofort als Hass und moralische Überheblichkeit diffamiert werden, wie gerade wieder im Umfeld der Frankfurter Automobilausstellung zu beobachten war. "Dass der Hass auf das Automobil neue, bedrohliche Formen annimmt, steht außer Frage", war etwa im September 2019 in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" zu lesen: Was will man mit solchen im Ton des Alarmismus vorgetragenen Diagnosen eigentlich sagen? Dass am Ende auch jedes einzelne Auto eine "Würde" hat, die es zu schützen gelte? Seit wann haben die öffentliche Besorgnis und das Mitgefühl den Tötungswerkzeugen zu gelten und nicht den Toten und Verletzten? Eine Öffentlichkeit, die sonst schon auf rein rhetorische Verstöße gegen einen ungeschriebenen Sittenkodex mit äußerster Empfindlichkeit und hoher Sanktionsbereitschaft reagiert, schweigt sich über die konkreten Menschenopfer, die der Individualverkehr jahrein, jahraus fordert, weitgehend aus. Den Preis, den der Autostandort Deutschland seit Jahrzehnten zahlt, kann man aber nicht zum Kollateralschaden einer freiheitlichen Volkswirtschaft kleinreden. Dieselben Leute, die den Erfindungsreichtum und die Ingenieurskunst der Deutschen loben, zeigen sich, wenn es um Änderungen geht, auf einmal phantasie- und machtlos. An den Arbeitsplätzen hängt bis auf Weiteres alles.

Herz schlägt Hirn

Seit Langem ist vom "liebsten Kind" der Deutschen die Rede. Schon dieser betuliche, so harmlos daherkommende Ausdruck deutet auf das zutiefst irrationale, für vernünftige Argumente kaum zugängliche Verhältnis zum Auto. Ist schon die Eltern-Kind-Beziehung an sich von Loyalität und Aufopferungsbereitschaft geprägt, so sind diese Verhaltensmuster bei einem Lieblingskind noch einmal gesteigert, nicht selten bis hin zur kompletten Selbstaufgabe. Man hätschelt das Kind und lässt ihm alles durchgehen. Deswegen reagieren Autofahrer auch so allergisch auf jede Form von Verboten, ja, schon auf geringfügige Einschränkungen. In seinem Auto ist der Deutsche mit sich und seinen Affekten alleine, hier fühlt er sich sicher und lebt sie aus, was er anderswo nicht so ungehindert kann.

Der Soziologe Tilman Allert beschrieb 2015 im "Frankfurter Allgemeine Magazin" die spezifischen Gegebenheiten beim Abenteuer Individualverkehr so: "Der Vagabund, der Abenteurer, der Provokateur sind als Verfallserscheinungen der Fahrermoral vertraut. Sie sind der Ausgangssituation Straßenverkehr geschuldet – so erklärt sich die Rigidität der Verkehrsvorschriften, kehrseitig dazu die Versuchung, Verkehrsregeln zu missachten. Hohe Interaktionsdichte und eingeschränkte Interpretations- und Korrekturmöglichkeiten machen den Verkehr zu einer gefährdungsträchtigen Erfahrungssituation."

In der prekären Schnittmenge zwischen (labiler, hedonistischer) Psyche und (vermeintlich sicherer) Technik sind Mäßigung oder Zurückhaltung nicht vorgesehen. Und gerade die deutschen Autobauer bieten Produkte an, mit denen sich die Grenzen des risikoreichen, oft schon unverantwortlichen Fahrens immer weiter verlegen lassen. Die technischen Voraussetzungen sind dafür einfach zu gut. Stefan Aust: "Die deutschen Autos sind für hohe Geschwindigkeiten konstruiert: Lenkung, Fahrwerk, Bremsen, die gesamte Sicherheit ist an der – zumeist nur in der Theorie vorhandenen – unbegrenzten Fahrtgeschwindigkeit ausgerichtet." Wo schon ein Tempolimit, das Deutschland, wie Nordkorea, als eines der wenigen Länder der Erde auf den Autobahnen faktisch nicht hat, als Freiheitsberaubung gilt, da kann man Fahrverbote vollends vergessen, selbst wenn in den dafür vorgesehenen Bereichen bald der Erstickungstod droht. Eingriffe in die freie Fahrtmöglichkeit für freie Bürger gelten hierzulande als Menschenrechtsverletzungen.

Erst auf dieser affektiven Ebene, auf der sich die Freunde des Automobils ja nicht weniger rechthaberisch und rabiat verhalten als die Gegner, kommen technische, ästhetische und kulturelle Aspekte zum Tragen. Man hört in diesem Zusammenhang oft vom "Versprechen der Moderne auf Freiheit (und Geschwindigkeit)" – eine blumige Ausrede von Autofanatikern, deren Freiheitsverständnis dermaßen schlicht ist, dass sie die Möglichkeit, auch das vernunftgesteuerte, freiwillige Akzeptieren gewisser Unfreiheiten und Beschränkungen (Tempolimits, Fahrverbote) könnte eine Form von Freiheit sein, gar nicht in Betracht ziehen. Das "Versprechen", auf das sie sich in ihren immer gleichen kulturgeschichtlichen Betrachtungen andauernd berufen, wurde von niemandem gegeben, auch von Herrn oder Frau Moderne nicht, da können sie noch so oft Marinetti oder den französischen Philosophen Roland Barthes, der Autos mit gotischen Kathedralen verglich, mit ihren abwegigen Überlegungen zitieren. In den romanischen Ländern, aus denen diese beiden Propagandisten stammen, hat man aber nicht nur mehr Sinn für ästhetische Gesichtspunkte und weiß seine Liebe zum Automobil deshalb auch schlüssiger zu begründen; man sieht auch die Notwenigkeit gewisser Einschränkungen ganz pragmatisch ein, die im Interesse der Sicherheit und der Gesundheit der Allgemeinheit erfolgen.

Weniger wäre mehr

Im Grunde ist es egal, welcher Anlass letztlich den Ausschlag dafür gibt, dass der Straßenverkehr einmal ganz grundsätzlich auf den Prüfstand kommt. Die 780000 Toten haben dies offensichtlich nicht vermocht. Auch die nicht enden wollenden, in den Anklagen gegen die VW-Spitze gerade erst wieder sichtbar werdenden Fehlleistungen der einschlägigen Konzernmanager nicht; denn bisher war es immer noch so, dass sich, mochte auch ein Autohersteller moralisch diskreditiert sein, an den Absatzzahlen nichts Nennenswertes änderte. So sind es nun eben das Klima und die Luftreinheit in den Städten, die dazu führen, dass schärfer über den Unsinn und den Schaden der Autonutzung in Deutschland nachgedacht wird, wo auf zwei Einwohner, Kinder, Greise und Behinderte mitgerechnet, inzwischen schon mehr als ein Fahrzeug kommt.

Es spielt dabei keine Rolle, dass man hier, anders als bei den Verkehrsunfällen, keinen handgreiflichen Kausalzusammenhang zwischen Schadstoffausstößen, vor allem Feinstaub, Kohlendioxid und Stickoxid, und Gesundheitsgefährdung vorliegen hat. Es liegt ja auf der Hand, wie gefährlich Abgase sind; die Wirkung ist, anders als bei einem Zusammenstoß, mittelbar, aber gewissermaßen nachhaltig. So ist es auch beim Rauchen, und trotzdem ist es in der Öffentlichkeit inzwischen so gut wie verboten. Über die Unsicherheiten und statistischen Probleme bei der Erfassung der tatsächlichen Schadensfälle durch Luftverunreinigung berichtete zuletzt der "Spiegel" im März 2019. Gleichzeitig berichtete der Deutschlandfunk darüber, dass die WHO für Feinstaub einen Grenzwert von zehn Mikrogramm pro Kubikmeter Luft empfehle, während die Bundesregierung sich darum bemühe, den EU-Grenzwert von 25 Mikrogramm noch aufzuweichen. Der Atmosphärenchemiker Johannes Lelieveld schätzt, dass allein in Deutschland jährlich ungefähr 100000 Menschen aufgrund der Feinstaubbelastung vorzeitig sterben und im Durchschnitt 17 Lebensjahre verlieren. Daran sind nicht nur die Kraftfahrzeuge schuld; aber es wäre nur vernünftig, den Autoverkehr als einen wichtigen Posten einzubeziehen, wenn die Luft sauberer und das Klima besser werden sollen.

Ein Problem für sich, aber nicht das eigentliche, sind schließlich die sogenannten sport utility vehicles (SUV). Bei ihnen ist aufgrund ihres protzigen, absolut unverhältnismäßigen Daherkommens auch Ideologie im Spiel, bei den Besitzern wie bei den Gegnern beziehungsweise schon Hassern. Auch wenn man von ihren gewichtsbedingt höheren PS-Zahlen und ihren dadurch erhöhten Ausstößen einmal absehen wollte, dann müsste man trotzdem immer noch sagen, dass sie selbst in den autofreundlichsten Städten, von denen es in Deutschland viel zu viele gibt, nichts zu suchen haben. Und auch wenn es dazu noch keine eigenen Untersuchungen gibt, so dürfte doch feststehen, dass bei ihnen die Fühlung zur Außenwelt und zu den anderen Verkehrsteilnehmern, die in der jüngeren Autoproduktion ohnehin geringer wird und durch ihrerseits fehleranfällige Assistenzsysteme auch nicht aufgefangen werden kann, noch defizitärer ist. Dass größere Autos in Unfällen zudem mehr Schaden anrichten und gefährlicher sind als kleinere Autos, ist freilich ein relatives Problem, das sich systemimmanent diskutieren lässt und zu keinem grundsätzlichen Umdenken führen wird. Ebenso wenig werden uns die rein moralisch geführten Auseinandersetzungen zwischen eher autoskeptischer Stadt- und aufs Auto eher angewiesener Landbevölkerung einem Wandel näherbringen. Es geht nicht um moralische Überheblichkeit, sondern um pragmatische Erwägungen.

Und hier ist noch eine ganze Menge Luft nach oben. Vorschläge wie der zur Abschaffung des Verbrennungsmotors oder zu Fahrverboten versprechen zwar wirkungsvoll zu sein, haben es (wirtschafts)politisch aber schwer. Erstaunlicherweise scheint sich niemand an eine Überprüfung und gegebenenfalls Steuerung der Automobilnutzung heranzutrauen. Dabei würde sich das lohnen: Jeder Bürger sollte ein stärkeres Bewusstsein dafür entwickeln, ob wirklich jede Autofahrt nötig ist. Hier kommen die verkehrstechnischen Alternativen vom Zu-Fuß-Gehen bis hin zur Bahn ins Spiel. Auf jeden Fall bedürfen die Lebensgewohnheiten eines Großteils der Bevölkerung gewisser, behutsam zu steuernder Eingriffe, für die man, sollte sich die Vernunft nicht durchsetzen können, am Ende sogar Anreize schaffen könnte – das Klima und alle nicht verunglückten oder krankgepesteten Menschen würden es danken.

ist Journalist und Redakteur im Feuilleton der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".