Ab 1884 war das Deutsche Reich mit dem Erwerb von Deutsch-Südwestafrika, dem heutigen Namibia, offiziell eine Kolonialmacht. Zum deutschen Kolonialreich gehörten in Afrika weiterhin Kamerun, das in etwa das heutige Kamerun und ab 1911 Teile der heute angrenzenden Staaten im Westen und Süden umfasste, Togoland – das heutige Togo mit Teilen von Ghana – und Deutsch-Ostafrika, das im Wesentlichen den heutigen Ländern Tansania, Ruanda und Burundi entspricht. Hinzu kamen in Nordostchina die Bucht Kiautschou und im Pazifik Deutsch-Samoa, das heutige Samoa, sowie Deutsch-Neuguinea, das heutige Papua-Neuguinea mit weiteren Inselstaaten.
Anfangs sollten die Territorien nach dem Vorbild der britischen Kolonie Indien durch Handelsgesellschaften verwaltet werden. Das Deutsche Reich übernahm allerdings im Laufe der Zeit in all diesen Gebieten die Regierung, baute Kolonialverwaltungen auf und entsandte Kolonialbeamte und Soldaten. Völkerrechtlich galten die Kolonien als Teil des Deutschen Reichs. Staatsrechtlich wurden sie allerdings nicht in das Staatsgebiet aufgenommen und blieben so "Ausland" – mit weitreichenden Folgen. So erhielt die Bevölkerung der Kolonien nicht die deutsche Staatsangehörigkeit, und auch das deutsche Recht galt nicht automatisch in den Kolonien.
Der Erste Weltkrieg beendete die Zeit formaler deutscher Kolonialherrschaft. Zunächst eroberten im Verlauf der Kriegshandlungen andere europäische Mächte die Kolonien. Mit dem Versailler Vertrag trat das Deutsche Reich dann seine kolonialen Besitzungen ab. Formell wurden sie dem Völkerbund unterstellt. Damit endete die deutsche Kolonialgeschichte in engerem Sinne. Eine postkoloniale deutsche Kolonialgeschichte geht allerdings räumlich, zeitlich und thematisch über die historischen Entwicklungen in diesen überseeischen Gebieten unter deutscher Herrschaft hinaus.
Ansätze postkolonialer Theorie entwickelten in den 1980er Jahren vor allem Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in den Literatur- und Kulturwissenschaften, die aus dem Globalen Süden stammten und an westlichen Universitäten lehrten. Als theoretisches und (wissenschafts-)politisches Projekt sind sie angetreten, um die westliche Dominanz in der wissenschaftlichen Theoriebildung herauszufordern. Indem sie eigene Perspektiven auf den Prozess der Kolonialisierung formulieren, kritisieren sie auch das Wissenschaftssystem und seine Machtasymmetrien. Seit Ende der 1980er Jahre sind diese Ansätze breit rezipiert, kritisiert und in anderen Disziplinen aufgegriffen und weiterentwickelt worden. Im Folgenden werden anhand von fünf zentralen Erweiterungen einer Kolonialgeschichte im engeren Sinne die Grundzüge postkolonialer Ansätze in der Geschichtswissenschaft dargestellt und an Beispielen gezeigt, wie sich diese auf die deutsche Kolonialgeschichte übertragen lassen.
Jenseits der Kolonien
Postkoloniale Ansätze machen auf die fundamentale und anhaltende Bedeutung des Kolonialismus für alle beteiligten Bevölkerungsgruppen aufmerksam. Die Erfahrung des Kolonialismus – so die Grundthese – prägte nicht nur die kolonisierten Gesellschaften. Kolonialgeschichte kann somit nicht als eine Geschichte geschrieben werden, in der Europa einseitig den Rest der Welt beeinflusste. Kolonialismus prägte auch die Kolonialmächte, ihr Selbstverständnis, ihre Kultur und ist Teil ihrer nationalen Geschichten. Kolonialgeschichte muss als verflochtene Geschichte zwischen diesen nationalen Geschichten und der Geschichte in den jeweiligen Kolonien geschrieben werden und ebenso als Teil eines wechselseitig verflochtenen Prozesses zwischen den Kolonialmächten.
Indem der Kolonialismusbegriff erweitert wird, geraten ganz unterschiedliche Verhältnisse der Einflussnahme und der Eroberungen des Deutschen Reichs in den Blick. Hierbei ist eine Perspektive wichtig, die das deutsche koloniale Projekt als Teil des europäischen Imperialismus reflektiert. In postkolonialer Perspektive ist Kolonialisierung Teil eines globalen Prozesses, der nicht allein von Europa auf die Kolonien gerichtet war.
Wenn man zum Beispiel die deutsche Kolonie Deutsch-Südwestafrika zusammen mit anderen Peripherien des Deutschen Reichs, wie den östlichen Provinzen Preußens, untersucht, treten neben einigen Unterschieden auch frappierende Ähnlichkeiten hervor.
Verbindungen zwischen überseeischer und kontinentaler Expansion nachzuweisen, kann dazu beitragen, Kolonialgeschichte stärker an die allgemeine deutsche Geschichte anzubinden und gängige geografische Trennungen innerhalb der Disziplin aufzubrechen. Diese Zusammenschau wirft auch die Frage auf, inwieweit spätere Entwicklungen wie die nationalsozialistische Bevölkerungspolitik im Osten auch im Lichte dieser kolonialen Vorläufer gesehen werden müssen, und trägt damit zur Debatte über die Verbindungen von Kolonialismus und Nationalsozialismus bei.
Eine postkoloniale Perspektive erweitert die engen Grenzen einer an den Kolonien orientierten Kolonialgeschichte nicht nur räumlich. Wie an diesem Beispiel deutlich wird, sprengen postkoloniale Perspektiven auch die an der formalen Kolonialherrschaft orientierte zeitliche Begrenzung der Kolonialgeschichte.
Jenseits der Kolonialzeit
Diese Erweiterung hängt mit der zeitlichen Bestimmung des Postkolonialen zusammen. Zwar folgt es auf die Kolonisierung, das heißt aber nicht, dass die Kolonisierung und ihre Auswirkung abgeschlossen sind. Postkoloniale Ansätze gehen im Gegenteil davon aus, dass wesentliche koloniale Machtbeziehungen, Kategorien, Diskurse und Vorstellungen nicht an die Zeiten formaler Kolonialherrschaft gebunden sind.
Aus postkolonialer Perspektive ist es also notwendig, den deutschen Kolonialismus in seinen Wirkungen während, aber auch vor und nach den Zeiten formaler Kolonialherrschaft von 1884 bis 1919 zu untersuchen und seine Spuren und Nachwirkungen bis in die Gegenwart zu verfolgen.
Eine postkoloniale Perspektive auf das Erbe des deutschen Kolonialismus und seine Nachwirkungen fragt, wie zivilisationsmissionarische Denkfiguren und gewaltvolle Praktiken fortwirken, die den kolonialen Eingriffen in politische und gesellschaftliche Zusammenhänge zugrunde lagen. Inwieweit prägten sie beispielsweise spätere entwicklungspolitische Zusammenhänge? Die Leitlinie einer "Hilfe zur Selbsthilfe" dominierte in den 1960er Jahren die deutsche Entwicklungspolitik und läutete einen Bruch mit vorherigen Praktiken ein. Weg von westlicher Bevormundung sollten im ständigen, wohlwollenden Austausch Projekte entwickelt werden, die aus den lokalen Gegebenheiten selbst erwuchsen. Die nachhaltigen Effekte dieser Arbeit sollten zu größerer Selbstständigkeit und Selbstverantwortung führen.
Interessanterweise lässt sich nun zeigen, dass diese Politik entgegen ihrer vordergründigen Rhetorik durchaus in einer kolonialen Traditionslinie stand und etwa koloniale Vorgänger in der Erziehung zu Arbeit und einem produktiven Leben hatte.
Jenseits politischer Herrschaft
Postkoloniale Ansätze betonen darüber hinaus, dass Kolonialismus nicht nur ein politisches oder ökonomisches Herrschafts- und Ausbeutungssystem war. Hingegen ist für das Verständnis des Kolonialismus zentral, wie er sich kulturell manifestierte, welche Stereotype und Narrative koloniale Herrschaft stabilisierten und welche psychischen und affektiven Bedingungen die kolonialen Beziehungen strukturierten. Im Zentrum steht dabei der Vorgang des othering, also die oft abwertende und bisweilen romantisierende Konstruktion der Kolonien und ihrer Bevölkerungen als "Anderes" Europas, die konstitutive Bedeutung für die koloniale Identitätsbildung hatte.
Homi Bhabha, einer der zentralen Denker des Postkolonialismus, differenzierte in der Folge die Funktion von Selbst- und Fremdbildern weiter aus. Stereotype des mächtigen Kolonisators und machtloser Kolonisierter dürfen nach Bhabha nicht als einfach abzugrenzende Gegenbilder begriffen werden. Stattdessen müssen wir aufmerksam sein für die Ambivalenzen und Widersprüche des kolonialen Diskurses, der die Autorität und Identität der Kolonisatoren zugleich begründet und destabilisiert. Insbesondere hat Bhabha die Ambivalenz von Zivilisierungsmissionen herausgestellt, die integraler Bestandteil kolonialer Projekte und deren Rechtfertigung waren.
Dass koloniale Kategorien vom Selbst und Anderen zentral für die koloniale Ordnung und zugleich doch instabil waren, lässt sich für die deutsche Kolonialgeschichte zum Beispiel anhand zweier diskursiver Figuren verdeutlichen: dem "verkafferten Deutschen" und dem "Hosenneger". Als "Verkafferung" wurde in den afrikanischen Kolonien ein Prozess bezeichnet, in dem sich weiße Deutsche während ihres Aufenthalts in den Kolonien vermeintlich an die afrikanische Kultur anglichen.
Komplementär dazu wurden Schwarze, die eine europäische Lebensweise annahmen, entgegen aller Zivilisationsrhetorik als "Hosenneger" diffamiert. Der Begriff implizierte, dass sie sich oberflächlich etwa durch ihre Kleidung anglichen, insgesamt aber scheiterten, europäisch zu werden. Die Figur des "Hosennegers" verkörperte in ihrem Anspruch auf Gleichheit und Teilhabe eine Bedrohung. Sie stellte die angeblich unüberbrückbare kulturell oder biologisch begründete Differenz zwischen Kolonisator und kolonisierter Bevölkerung infrage, die das Fundament der rassisch segregierten kolonialen Ordnung darstellte.
Beide Figuren sind ein Ausdruck dafür, wie instabil zentrale koloniale Kategorien waren, zuallererst die angebliche fixe Kategorie der "Rasse". Die sozialen Sanktionen, die auf diese Formen der sozialen und symbolischen Grenzüberschreitungen folgten, waren zugleich der Versuch, die koloniale Ordnung wiederherzustellen.
Jenseits der Kolonialmacht
Postkoloniale Ansätze fordern zudem, die Handlungsmacht (agency) und Perspektiven der Angehörigen der kolonisierten Bevölkerungen einzubeziehen. Postkoloniale Ansätze fassen Herrschaft als Aushandlungsprozess. Sie vernachlässigen dadurch nicht die Gewalt und Machtasymmetrien der kolonialen Situation. Aber sie machen gängige, dualistische Erzählungen von Herrschaft und Widerstand komplexer. Es geraten vielfältige Formen der Aneignung, der Kooperation, der Weigerung und des Protests in den Blick. Jenseits einer starren Trennung in Kolonisator und Kolonisierte geht es also darum, wie Personen, die nicht zur Kolonialmacht gehörten, mit ihren Handlungen und Widerständen koloniale Herrschaftsausübung beeinflusst haben.
Diese Frage lässt sich für die deutsche Kolonialgeschichte zum Beispiel anhand der Dolmetscher der Kolonialverwaltung stellen. Die Dolmetscher, die Kenntnisse europäischer Sprachen oft an den Missionsschulen erworben hatten, übernahmen weitreichende Aufgaben innerhalb der Verwaltung und Gerichtsbarkeit. Sie vermittelten zwischen Kolonialverwaltung und kolonisierter Bevölkerung und kontrollierten so den Informationsfluss. Die Kolonialbeamten, die selten die in den Kolonien gesprochenen Sprachen verstanden, waren bei ihrer Arbeit von den Dolmetschern abhängig. Die Kolonialbeamten sahen die Dolmetscher als Beauftragte der kolonialen Verwaltung. In der Tat ermöglichten die Dolmetscher in vielen Fällen erst die koloniale Herrschaftsausübung. Dennoch arbeiteten die Dolmetscher auch für ihre eigenen Interessen beziehungsweise die Interessen ihrer Familien oder der Bevölkerungsgruppen, denen sie sich verpflichtet fühlten. Handlungen, die den Vorgaben der Kolonialverwaltung zuwiderliefen, nahmen die Kolonialbeamten allerdings als Amtsmissbrauch wahr, mit allen disziplinarischen und rechtlichen Konsequenzen.
Exemplarisch für die ambivalente Position der Dolmetscher im Verhältnis zur Kolonialverwaltung und zur kolonisierten Bevölkerung ist das Leben des Regierungsdolmetschers David Meetom in Kamerun.
Die Dolmetscher erlauben also eine postkoloniale Perspektive auf die deutsche Kolonialvergangenheit, wenn man sie als handelnde Subjekte mit ihren Interessen und Perspektiven ernst nimmt und versucht, ihre Handlungen vor dem Hintergrund dieser unterschiedlichen Wahrnehmungen einzuordnen. Die Dolmetscher illustrieren zudem beispielhaft das oft uneindeutige Geflecht aus Herrschaft und Widerstand, innerhalb dessen auch die Frage, wer zur Kolonialmacht gehört und wer zur beherrschten Bevölkerung, differenzierter beantwortet werden muss. Zugleich sind in der Abhängigkeit der Kolonialbeamten von den Dolmetschern situativ koloniale Machthierarchien infrage gestellt.
Gayatri Chakravorty Spivak, eine der zentralen Impulsgeberinnen postkolonialer Theorie, hat darauf hingewiesen, wie wichtig es ist, die Bedingungen von Handlungsmacht zu reflektieren. Wer konnte das Wort erheben und für eigene Belange kämpfen? Welche Ausdrucksweisen hatten die jeweiligen Subjekte überhaupt zur Verfügung, und wurden diese wahrgenommen? Wie werden sie erinnert?
Die Frage nach der Zugänglichkeit der Perspektiven verschiedener Akteure und Akteurinnen berührt auch die empirische Grundlage der Kolonialgeschichtsschreibung. Diese ist mit einer asymmetrischen Quellenüberlieferung konfrontiert. Eine relative, wenn auch lückenhafte Masse an schriftlichen Dokumenten der Kolonialverwaltungen steht einer Leerstelle entsprechender schriftlicher Überlieferung der kolonisierten Bevölkerung gegenüber. Eine postkoloniale Perspektive umfasst daher die kontinuierliche kritische Reflexion dieser Asymmetrien und Voreingenommenheiten der Quellen ebenso wie Versuche, alternative Quellen aufzuspüren oder vorhandene Quellen gegen den Strich zu lesen.
Jenseits des Maßstabs Europa
Die Forderung, die methodischen Voraussetzungen postkolonialer Geschichtsschreibung zu reflektieren, bezieht sich auch auf die verwendeten Begriffe und Narrative. Postkoloniale Ansätze als wissenschaftspolitisches Projekt zielen darauf, die Dominanz europäischer Erklärungsmodelle und Begriffe herauszufordern und Eurozentrismus, das heißt die Beurteilung der Welt nach europäischen Normen und Maßstäben, zu überwinden. Sie wollen die erkenntnistheoretischen Voraussetzungen unserer heutigen Wissensproduktion kritisch reflektieren und dadurch Prozesse anstoßen, die die geistige Kolonisierung überwinden, die die politische Kolonisierung begleitete. Insofern hat das "post" in postkolonial neben der zeitlichen auch eine epistemische Dimension.
In diesem Sinne kritisiert der Historiker Dipesh Chakrabarty eine auf Europa bezogene Geschichtsschreibung, die aus der Entwicklung Europas abgeleitete Konzepte als vermeintlich universale Kategorien auf außereuropäische Zusammenhänge überträgt.
Chakrabarty fordert, die zum allgemeinen Maßstab erhobene europäische Entwicklung und aus dieser Entwicklung abgeleitete Konzepte zu "provinzialisieren". Die Partikularität der europäischen Entwicklung soll so wieder sichtbar gemacht werden. Schließlich ist die Dominanz dieser Erzählungen und Begriffe selbst eine Folge des Kolonialismus, der die Entwicklung in Europa zum analytischen Maßstab erhob und anderes Wissen oder andere Erzählungen abwertete oder vereinnahmte. Die oft gewalttätigen Bedingungen, unter denen diese Konzepte universalisiert wurden, müssen – so Chakrabarty – mitbedacht werden.
Eine postkoloniale Kolonialgeschichtsschreibung nimmt daher die Funktionsweisen des Kolonialismus nicht nur als politisches Herrschaftssystem, sondern auch als Wissenssystem in den Blick. Sie fragt nach den Wechselwirkungen zwischen der kolonialen Eroberung und der Entwicklung von Wissensfeldern, wissenschaftlichen Disziplinen und ihren Forschungsmethoden.
Illustrieren lässt sich dies an der Erforschung außereuropäischen Rechts in Deutschland, das infolge der kolonialen Eroberungen des Deutschen Reichs verstärkte Aufmerksamkeit erhielt.
Die Fragebögen verwendeten zahlreiche Rechtsbegriffe, die aus der deutschen Rechtssystematik abgeleitet waren, wie etwa die Trennung in Zivilrecht und Strafrecht. Diese Begriffe wurden undifferenziert als universale Kategorien für die Erhebung des Rechts in verschiedensten Gesellschaften verwendet. Eine methodische Diskussion über indigene Informanten, die angeblich unzuverlässig und nicht zu abstraktem Denken fähig seien, kulminierte zudem in der Forderung, diese aus dem Forschungsprozess auszuschließen und nur auf die Beobachtung zu setzen. Dies ist nur ein Beispiel, wie sich rassistische Stereotype über die kolonisierte Bevölkerung in die europäische Wissensproduktion über diese Bevölkerung einlagerten. Zudem verwies die methodische Diskussion die kolonisierte Bevölkerung auf die Rolle des Untersuchungsgegenstands und trug so dazu bei, ihre Beteiligung an der Wissensproduktion zu verschleiern. Dadurch wurden symbolisch auch koloniale Hierarchien von Wissen und Unwissenheit wiederhergestellt, die im Forschungsprozess sowie bei der Ausübung der kolonialen Herrschaft faktisch immer wieder zusammenbrachen.
Jenseits der Kolonialgeschichte
Nicht zuletzt impliziert eine postkoloniale Perspektive, dass auch Historiker und Historikerinnen, die sich nicht mit deutscher Kolonialgeschichte an sich beschäftigen, sensibilisiert sein sollten für die potenziellen kolonialen Dimensionen ihrer Untersuchungsgegenstände. Deutsche Kolonialgeschichte aus einer postkolonialen Perspektive zu schreiben, heißt, die Kolonien und das Deutsche Reich zusammen zu betrachten und deren verflochtene Geschichte zu begreifen.
Die Geschichte der deutschen kolonialen Ansprüche, Fantasien und Eroberungen, die Entwicklungen in den deutschen Kolonien und deren Rückwirkungen auf das Deutsche Reich sind unverzichtbarer Teil der "allgemeinen" deutschen Geschichte. Deutsche Kolonialgeschichte kann daher nicht als abgeschlossene Subdisziplin geschrieben werden. Im Sinne postkolonialer Ansätze müsste die Frage also vielmehr lauten: "Deutsche Geschichte postkolonial schreiben: Was heißt das?"