Einleitung
Warum zahlen wir Rundfunkgebühren? Warum brauchen wir einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk? Worin unterscheiden sich öffentlich-rechtliche und private Rundfunkprogramme? Fragen, die immer wieder gestellt werden: von den Gebührenzahlern, den privaten Rundfunkanbietern und den "Wettbewerbshütern" der Europäischen Union. Kernpunkt der Kritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunk sind natürlich die - (überwiegend) zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erhobenen - Rundfunkgebühren: Während sie für das Fernsehpublikum (insbesondere für das "Stammpublikum" privater Rundfunksender) eine "ungerechtfertigte Belastung" darstellen, bilden sie für die privaten Rundfunkanbieter - die in ihrer Argumentation ordentlich Schützenhilfe von den "Wettbewerbshütern" der Europäischen Union bekommen - eine "wettbewerbsverzerrende Subventionierung" oder zumindest eine "Quersubventionierung kommerzieller Aktivitäten" des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.
Im Folgenden wird jedoch entgegen dieser Kritik deutlich gemacht, dass öffentlich-rechtliche Rundfunkprogramme sowie damit auch die Rundfunkgebühren eine Legitimation haben - und auch in Zukunft (trotz Digitalisierung etc.) haben werden. Dazu wird zunächst auf die Entwicklung der (Dualen) Rundfunkordnung in Deutschland sowie auf die dieser Entwicklung inhärenten Funktionszuweisung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk eingegangen. Im Anschluss daran erfolgt eine vergleichende Analyse des Angebots und der Nutzung bzw. der Bewertung öffentlich-rechtlicher sowie privater Rundfunkprogramme in Deutschland am Beispiel der Fernsehprogramme.
Entwicklung der (Dualen) Rundfunkordnung
Der parteipolitische Wille zur Einführung des privaten Rundfunks lässt sich in der Bundesrepublik Deutschland weit vor dem "medienpolitischen Urknall" (dem Beginn des Kabelfernsehpilotprojekts in Ludwigshafen am 1. Januar 1984) verorten. Natürlich entsprang dieser weniger "gemeinwohlfördernden Absichten" als vielmehr parteipolitischen Kalkülen: "Vielfach wurde von politischer Seite ein unausgewogenes Programm zuungunsten der jeweils eigenen Partei unterstellt. Vor allem die CDU fühlte sich im Programm vieler Anstalten nicht hinreichend repräsentiert." Diesen "Missstand" versuchte die CDU/CSU-Bundesregierung Anfang der sechziger Jahre mit der Gründung der Deutschland-Fernsehen GmbH zu beheben: "Mit der Unterzeichnung der Gründungsurkunde der Deutschland-Fernsehen GmbH durch Bundeskanzler Konrad Adenauer am 25. Juli 1960 besiegelte die Bundesregierung endgültig ihre Pläne eines kommerziellen, bundesweit verbreiteten zweiten Fernsehprogramms, das in Konkurrenz zum bestehenden öffentlich-rechtlichen Fernsehprogramm der ARD treten sollte." Diese GmbH war eine privatrechtliche Gesellschaft, die allerdings vom Bund beherrscht war und inhaltlich eindeutig auf CDU-Linie lag. Das - aus diesen Gründen - so genannte "Adenauer-Fernsehen" scheiterte jedoch am Widerstand des Bundesverfassungsgerichts, das in seinem ersten Rundfunkurteil von 1961 entschied, dass die Deutschland-Fernsehen GmbH keine hinreichende Staatsferne aufweise und nur die Länder aufgrund ihrer Kulturhoheit die Befugnis zur Organisation und Regelung des Rundfunks (als kulturelles Gut) haben. Die Verfassungsrichter wiesen jedoch auch darauf hin, dass privater Rundfunk in Deutschland grundsätzlich möglich, zum gegenwärtigen Zeitpunkt jedoch (wegen des Frequenzmangels sowie der hohen Kosten) nur ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk mit ausgewogenem Gesamtprogramm bzw. binnenpluralistischer Struktur denkbar ist. In der Folge wurde die Rundfunkpolitik zur Länderpolitik und die Einführung des privaten Rundfunks zu einem Postulat der Länderregierungen, wobei die unionsgeführten weitaus stärker als die SPD-geführten Länderregierungen mit dem privaten Rundfunk sympathisierten und - aufgrund der (aus ihrer Sicht bestehenden) Benachteiligung durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk - z. T. sogar vehement dessen Einführung forderten.
Diese Forderung fand starke Unterstützung durch die technische Innovation bzw. "neuere Entwicklungen in der Kabel- und Satellitentechnik Anfang der 70er Jahre". Schließlich wurde mit den neuen Verbreitungsmöglichkeiten (Kabel und Satellit) die begrenzte (terrestrische) Übertragungskapazität erheblich erweitert, damit das Problem des Frequenzmangels behoben und so wiederum die Grundvoraussetzung für die Zulassung privater Rundfunkveranstalter in Deutschland geschaffen. So beschlossen die Ministerpräsidenten der Länder 1978, Kabelpilotprojekte in Mannheim-Ludwigshafen, München, Berlin und Dortmund durchzuführen. Als diese jedoch 1984 starteten, war die Entscheidung für den privaten Rundfunk auf Länderebene weitestgehend gefallen: "Die Intention der Erprobung der neuen medialen und technischen Möglichkeiten ließ sich allerdings nicht durchhalten, da in einigen Ländern schon die medienpolitische Grundentscheidung zur Einführung von privatem Rundfunk gefallen war und Landesmediengesetze in Vorbereitung waren." Diese wurden maßgeblich durch das dritte Rundfunkurteil des Bundesverfassungsgerichts von 1981 beeinflusst, in dem dieses über die Verfassungsmäßigkeit des saarländischen Rundfunkgesetzes von 1967 entschied, das unter bestimmten Bedingungen die Veranstaltung privaten Rundfunks im Saarland vorsah. In diesem Urteil machten die Verfassungsrichter u.a. deutlich, dass die Veranstaltung privater Rundfunkprogramme, sofern der Frequenzmangel und die hohen Kosten für ein Fernsehprogramm als technische Probleme entfallen, zwar möglich wird, diese jedoch einer gesetzlichen Regelung zur Sicherung der Freiheit des Rundfunks bedarf.
In der Folge wurden auf Länderebene gesetzliche Regelungen für den privaten Rundfunk verabschiedet und auch die Kabelpilotprojekte durchgeführt. Das erste - in diesem Zuge entstandene - Landesgesetz, das die Zulassung privater Rundfunkveranstalter außerhalb der Pilotversuche regelte, war das niedersächsische Landesrundfunkgesetz von 1984. Dieses stieß das vierte Rundfunkurteil des Bundesverfassungsgerichts an. Darin machten die Verfassungsrichter deutlich, dass dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk aufgrund seiner Reichweite und seiner Unabhängigkeit von Einschaltquoten der Auftrag zur Grundversorgung zukommt: "In dieser Ordnung ist die unerlässliche Grundversorgung` Sache der öffentlich-rechtlichen Anstalten, zu der sie imstande sind, weil ihre terrestrischen Programme nahezu die gesamte Bevölkerung erreichen und weil sie nicht in gleicher Weise wie private Veranstalter auf hohe Einschaltquoten angewiesen, mithin zu einem inhaltlich umfassenden Programmangebot in der Lage sind." Zudem betonten die Verfassungsrichter, dass die Notwendigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auch dann besteht, wenn die privaten Rundfunksender eine ähnliche Reichweite wie die öffentlich-rechtlichen Rundfunksender erreichen: "Unabhängig davon kann von privatem Rundfunk kein in seinem Inhalt breit angelegtes Angebot erwartet werden, weil die Anbieter zur Finanzierung ihrer Tätigkeit nahezu ausschließlich auf Einnahmen aus Wirtschaftswerbung angewiesen sind. Diese können nur dann ergiebiger fließen, wenn die privaten Programme hinreichend hohe Einschaltquoten erzielen. Die Anbieter stehen deshalb vor der wirtschaftlichen Notwendigkeit, möglichst massenattraktive, unter dem Gesichtspunkt der Maximierung der Zuschauer- und Hörerzahlen erfolgreiche Programme zu möglichst niedrigen Kosten zu verbreiten." Somit hat das Bundesverfassungsgericht die aus der Gewinn- bzw. Publikumsorientierung resultierende Unterhaltungsorientierung des privaten Rundfunks vorausgesehen und daraus die Notwendigkeit der (gleichzeitigen) Existenz eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks abgleitet: "Die schwächere Sicherung gleichgewichtiger Vielfalt lässt sich hinnehmen, weil und solange eine zureichende Sicherung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk vorhanden ist." Die Duale Rundfunkordnung, das Nebeneinander von öffentlich-rechtlichem und privat-kommerziellem Rundfunk, wie es 1987 im "Staatsvertrag zur Neuordnung des Rundfunkwesens" (heute: "Staatsvertrag über den Rundfunk im vereinten Deutschland") bundesweit einheitlich geregelt wurde, basiert letztlich auf diesem zentralen Grundgedanken. Infolgedessen lässt sich argumentieren, dass die Frequenzvielfalt die Einführung des privaten Rundfunks möglich, die Existenz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks jedoch nicht obsolet gemacht hat - und der öffentlich-rechtliche Rundfunk gewissermaßen durch den privaten Rundfunk bzw. dessen Angebot legitimiert wird.
Das Angebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
Was ist im öffentlich-rechtlichen bzw. im privaten Fernsehen zu sehen? "Bianca - Wege zum Glück" oder "Verliebt in Berlin"? Ski-Alpin oder Skispringen? Harald Schmidt oder Stefan Raab? Die Frage "Wie privat sind die öffentlich-rechtlichen Sender?" ist berechtigt. Dahinter verbirgt sich natürlich die Frage nach dem Unterschied zwischen dem öffentlich-rechtlichen und dem privaten Fernsehen - und dahinter wiederum die Frage nach der Legitimation des öffentlich-rechtlichen Fernsehens sowie (damit verbunden) der Rundfunkgebühren. Schließlich legitimiert sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk über sein Programm und dabei insbesondere über den Programmunterschied zum privaten Rundfunk. Schenkt man den Vertretern der so genannten Konvergenzhypothese Glauben, so gleichen sich die (zuschauerstarken) Vollprogramme öffentlich-rechtlicher und privater Sender in der Konkurrenz um die Gunst der Zuschauer strukturell sowie inhaltlich (und damit auch qualitativ) an. Wenngleich eine gewisse Annäherung zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunkprogrammen nicht zu leugnen ist, so lässt sich jedoch allenfalls von einer Annäherung, keinesfalls von einer Angleichung sprechen. Sicherlich ist - die Telenovela "Bianca - Wege zum Glück" im ZDF zu sehen -, allerdings weist diese doch gewisse Unterschiede zur SAT.1-Telenovela "Verliebt in Berlin" auf und folgt danach nicht die Doku-Inszenierung "K 11 - Kommissare im Einsatz", sondern die Nachrichtensendung "heute". - Skispringen mittlerweile (auch) auf RTL zu sehen -, allerdings erst, seit Martin Schmitt zur absoluten Weltspitze und in der Folge Skispringen zu einer höchst populären Sportart avanciert ist. - Harald Schmidt mittlerweile (wieder) im Ersten (ARD) zu sehen -, allerdings hat es zwischen Harald Schmidt und anderen Moderatoren des privaten Fernsehens, wie z.B. Stefan Raab, auch schon immer einen gewissen Unterschied gegeben, einen Unterschied, der seit Schmidts (erneutem) Engagement für das Erste (ARD) im Übrigen wieder zugenommen hat.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist hinsichtlich seines Angebots zwar "unterhaltsamer", "bunter" und damit in gewisser Weise auch "privater" geworden, jedoch eindeutig ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk geblieben. Dies wird sowohl bei einer Betrachtung der Struktur als auch bei einer Betrachtung der Inhalte des Programmangebots öffentlich-rechtlicher Rundfunksender deutlich. Ein Vergleich der Angebote der führenden Fernsehprogramme (ARD/Das Erste und ZDF sowie RTL, SAT.1 und ProSieben), die zusammen fast 60 Prozent des deutschen Fernsehpublikums erreichen, zeigt deutliche Unterschiede zwischen den öffentlich-rechtlichen und den privaten Programmen. So ist das Informationsangebot bei den privaten nur etwa halb so groß wie bei den öffentlich-rechtlichen Hauptprogrammen. Dagegen ist das nonfiktionale Unterhaltungsangebot bei den privaten Hauptprogrammen viermal so groß wie bei den öffentlich-rechtlichen Hauptprogrammen. Ein (differenzierter) Vergleich der Informationsangebote sowie der darin enthaltenen Nachrichtenangebote bzw. der darin enthaltenen politischen Angebote (Politik im weiteren Sinne, i.w.S.) der führenden Fernsehprogramme zeigt ein deutliches Gefälle zwischen den öffentlich-rechtlichen und den privaten Hauptprogrammen (vgl. Abbildung 1). Abbildung 1: Sparte "Information" und darin enthaltene Sendungsform "Nachrichten" bzw. darin enthaltenes politisches Angebot (Politik i.w.S.) 2005 (Sendezeitanteil in Prozent)
Ein ebenso deutliches, jedoch im Verlauf umgekehrtes Gefälle zwischen ARD/Das Erste und ZDF einerseits sowie RTL, SAT.1 und ProSieben andererseits zeigt einen (ebenso differenziert) Vergleich der nonfiktionalen Unterhaltungsangebote sowie der darin enthaltenen Doku-Inszenierungen bzw. Doku-Soaps der führenden Fernsehprogramme (vgl. Abbildung 2). Abbildung 2: Sparte "Nonfiktionale Unterhaltung" und darin enthaltene Sendungsform "Doku-Inszenierung/Doku-Soap" 2005 (Sendezeitanteil in Prozent)
Beachtung verdient auch, dass das Kinder- und Jugendprogramm bei den öffentlich-rechtlichen Hauptprogrammen deutlich besser ausgebaut ist als bei den privaten Hauptprogrammen und die öffentlich-rechtlichen Hauptprogramme innerhalb dieser Sparte im Gegensatz zu den privaten Hauptprogrammen auch - zu nicht übersehbaren Anteilen - nonfiktionale Kindersendungen, d.h. Kindersendungen mit pädagogischer Intention, anbieten.
Von größter Bedeutung ist, dass sich die oben aufgezeigten Unterschiede zwischen den öffentlich-rechtlichen und den privaten Programmen nicht nur auf der Ebene der Programmstruktur, sondern auch auf der Ebene der Programminhalte zeigen. Betrachtet man die Themenstruktur der Informationssendungen ohne Nachrichten - d.h. der nichttagesaktuellen Informationsangebote - in den führenden Fernsehprogrammen, wird deutlich, dass die privaten Hauptprogramme im Gegensatz zu den öffentlich-rechtlichen Hauptprogrammen außerhalb der Nachrichten kaum politische Themen (Politik i.w.S.) behandeln. So ist der Anteil politischer Themen (Politik i.w.S.) in den nichttagesaktuellen Informationsangeboten der öffentlich-rechtlichen Hauptprogramme weitaus größer als in nichttagesaktuellen Informationsangeboten der privaten Hauptprogramme, die völlig andere Schwerpunkte setzen: "Etwa die Hälfte ihres nichttagesaktuellen Informationsangebots zur günstigsten Sendezeit bestreiten die Privatprogramme (...) mit Themen des Alltags und Privatlebens sowie Themen aus der Traumwelt des Glamours und Vergnügens".
Auch eine Betrachtung der Themenstruktur der Nachrichtensendungen in den führenden Fernsehprogrammen zeigt, dass die öffentlich-rechtlichen und privaten Hauptprogramme sehr unterschiedliche Akzente setzen. So nehmen politische Themen (Politik i.w.S.) in den Nachrichtensendungen öffentlich-rechtlicher Hauptprogramme einen wesentlich größeren Anteil ein als in den Nachrichtensendungen privater Hauptprogramme.
Der Vergleich der Angebote führender öffentlich-rechtlicher und privater Fernsehprogramme macht eine gewisse "Funktionsteilung zwischen den öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern" deutlich: Öffentlich-rechtliche Programme bieten überwiegend informationsorientierte, private Programme überwiegend unterhaltungsorientierte Inhalte. Zu betonen ist in diesem Zusammenhang, "dass der Zuschauer, der nur private Hauptprogramme nutzt, mit politisch und gesellschaftlich relevanten Themen sowie deren Hintergrund kaum konfrontiert wird".
Nachfrage nach öffentlich-rechtlichen Rundfunkangeboten
"Der Zuschauer darf sich seine Regierung wählen, also auch sein Fernsehprogramm. Ich wundere mich auch hin und wieder über die Wahl, aber der Wurm muss dem Fisch schmecken und nicht dem Angler. Und wir diskutieren aus der Angler-Perspektive", beschrieb Ex-RTL-Chef Helmut Thoma die Politik des privaten Rundfunks. Dabei handelt es sich prinzipiell um eine nachfrageorientierte Politik, der zufolge grundsätzlich gesendet wird, was das Publikum will. Allerdings will das Publikum in Deutschland offensichtlich mehr, als ihm vom privaten Rundfunk geboten wird. Ein Beleg dafür ist, dass sich der Fernsehkonsum in Deutschland nahezu gleichmäßig auf die öffentlich-rechtlichen und privaten Programme verteilt. Die "Funktionsteilung" zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern wird im Übrigen nicht nur bei der Betrachtung der "Angebotsseite", sondern auch bei der Betrachtung der "Nachfrageseite" deutlich: Öffentlich-rechtliche Programme werden überwiegend zur Information, private Programme überwiegend zur Unterhaltung genutzt (vgl. Abbildung 3). Abbildung 3: Zeitaufwand der Fernsehzuschauer 2005 (Anteil am TV-Konsum in Prozent)
Dementsprechend ist auch der Fernsehkonsum öffentlich-rechtlicher Nachrichtensendungen signifikant höher als jener privater Nachrichtensendungen. So sind die Marktanteile öffentlich-rechtlicher Fernsehnachrichten wesentlich größer als die Marktanteile privater Fernsehnachrichten.
Öffentlich-rechtliche und private Sender unterscheiden sich nicht nur hinsichtlich der Konzepte bzw. Aufgaben in der Dualen Rundfunkordnung, der Strategien der Rundfunkanbieter und der Programme auf dem Fernsehmarkt, sondern auch hinsichtlich der Nutzungsgewohnheiten und der damit verbundenen Nutzungsmotive und Imageprofile innerhalb des Publikums. So gilt für die Fernsehzuschauer in Deutschland das öffentlich-rechtliche Fernsehen überwiegend als sachlicher (79 zu 14%), glaubwürdiger (76 zu 14%), kompetenter (71 zu 20%), anspruchsvoller (70 zu 25%), informativer (65 zu 24%) sowie kritischer (65 zu 27%) und das private Fernsehen überwiegend als mutiger (69 zu 24%), unterhaltsamer (67 zu 25%), moderner (74 zu 19%), lockerer (81 zu 15%) bzw. ungezwungener. Interessant und auffallend ist in diesem Zusammenhang, dass das öffentlich-rechtliche Fernsehen auch von Zuschauern mit privatem Lieblingssender überwiegend als sachlicher, glaubwürdiger, kompetenter, anspruchsvoller, informativer sowie kritischer und das private Fernsehen auch von Zuschauern mit öffentlich-rechtlichem Lieblingssender überwiegend als mutiger, unterhaltsamer, moderner, lockerer sowie ungezwungener eingestuft wird. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen steht also überwiegend für "anspruchsvolles Fernsehen", das private für "emotionales Fernsehen". Entscheidend ist, dass das Medienpublikum in Deutschland - bei einer Gesamtbetrachtung - nicht nur ein Verlangen nach dem "emotionalen Fernsehen", sondern auch ein Verlangen nach dem "anspruchsvollen Fernsehen" hat: "Bei den Öffentlich-rechtlichen geht die Tendenz in Richtung Information, man sucht Denkanstöße, Rat und Orientierung im Alltag. Bei den Privaten will man sich eher entspannen und unterhalten oder den Alltag vergessen." Infolgedessen gibt es zwar eine Duale Rundfunkordnung bzw. eine duale Angebotsstruktur auf dem Rundfunkmarkt, aber - letztlich - kein "duales Publikum". Die Fernsehzuschauer in Deutschland nutzen überwiegend das öffentlich-rechtliche Fernsehen, um sich zu informieren, Denkanstöße zu bekommen, mitreden zu können sowie sich im Alltag zurechtzufinden, und das private Fernsehen, um Spaß zu haben, zu entspannen, sich nicht allein zu fühlen sowie den Alltag zu vergessen (vgl. Abbildung 4).
Interessant und auffallend ist in diesem Zusammenhang wiederum, dass das öffentlich-rechtliche Fernsehen auch von Zuschauern mit privatem Lieblingssender überwiegend genutzt wird, um sich zu informieren sowie sich im Alltag zurechtzufinden, und das private Fernsehen auch von Zuschauern mit öffentlich-rechtlichem Lieblingssender überwiegend genutzt wird, um zu entspannen sowie den Alltag zu vergessen.
Größte Bedeutung hat, dass "die Kompetenz des öffentlich-rechtlichen Fernsehens als Informationsvermittler und Meinungsbildungsfaktor ... auch bei denen, die am liebsten privat sehen, nach wie vor völlig unumstritten" ist. Selbst Zuschauer mit privatem Lieblingssender sehen das öffentlich-rechtliche Fernsehen mit Blick auf die Bedeutung für die politische Meinungsbildung, die Ausgewogenheit in der politischen Berichterstattung, die Zuverlässigkeit und Glaubwürdigkeit der Informationen sowie die Vermittlung der Werte unserer Gesellschaft vor dem privaten Fernsehen (vgl. Abbildung 5) - und sprechen ihm somit (wenn auch nur indirekt) eine Legitimation zu.
Die Nutzung und Bewertung des Rundfunkangebots durch das Medienpublikum in Deutschland macht deutlich, dass die Legitimation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks keineswegs nur aus den juristischen Begründungen des Bundesverfassungsgerichts, den (daraus resultierenden) politischen Weichenstellungen des Gesetzgebers und den (daraus resultierenden) spezifischen Programmangeboten der öffentlich-rechtlichen Rundfunksender, sondern auch aus den Bedürfnissen und Ansprüchen bzw. der sich daraus ergebenden Nachfrage des Medienpublikums resultiert. Der "Wurm" (das Programm) des öffentlich-rechtlichen Rundfunks "schmeckt" keineswegs nur dem "Angler" (dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk), sondern auch dem "Fisch" (dem Medienpublikum): Nahezu zwei Drittel der Bundesbürger, für die das Fernsehen eine relativ wichtige Informationsquelle darstellt, informieren sich eher bei öffentlich-rechtlichen als bei privaten Programmen über aktuelle Ereignisse aus Politik und öffentlichem Leben; nahezu drei Viertel der Bundesbürger betrachten den öffentlich-rechtlichen Rundfunk als unverzichtbaren Bestandteil der Kultur in Deutschland; mehr als vier Fünftel der Bundesbürger halten den öffentlich-rechtlichen Rundfunk auch in Zukunft für unverzichtbar.
Betrachtet man die Entwicklung der Dualen Rundfunkordnung in Deutschland sowie die damit einhergehende Funktionszuweisung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, das Angebot öffentlich-rechtlicher Programme sowie die Nachfrage nach diesen Programmen, wird deutlich: Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkprogramme haben eine Legitimation - und damit auch die Rundfunkgebühren.