Einleitung
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Die öffentliche Reaktion auf die internationalen Schulleistungsvergleichsstudien (PISA, TIMSS, IEA usw.) findet seit 2001 in einer Vielzahl bildungspolitischer Maßnahmen und Forderungen ihren Niederschlag. Zwar gibt es seit den sechziger Jahren internationale Studien dieser Art, aber erst PISA hat zu einer breiten öffentlichen Aufmerksamkeit geführt. Damit einhergehend ist von Seiten der Politik verstärkt Handlungsbedarf im Bildungssystem erkannt worden.
Über die Ursachen dieser Entwicklungen werden bisher nur Vermutungen angestellt: Es gibt in der Bevölkerung, insbesondere bei den Eltern, eine latente Unzufriedenheit mit der Schule. Die internationale Konkurrenzfähigkeit der deutschen Wirtschaft scheint durch das mittelmäßige Abschneiden des Bildungssystems bedroht. Erst die in den Medien erfolgte Deutung der schlechten Ergebnisse als "Katastrophe" hat öffentliche Reaktionen provoziert.
In den Bundesländern werden inzwischen unterschiedlichste Maßnahmen zur Qualitätssicherung eingeleitet. Gleichzeitig hat die Kultusministerkonferenz (KMK) auf nationaler Ebene im Dezember 2003 Bildungsstandards für die Fächer Deutsch, Mathematik, erste Fremdsprache, 2004 für Physik, Chemie und Biologie verabschiedet. Das Fach Politische Bildung gehört noch nicht dazu, doch muss es ebenfalls einbezogen werden.
An der Berliner Humboldt-Universität wird das "Institut für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen" eingerichtet, um Tests und Aufgabenpools zu entwickeln, die Standards konkretisieren und messbar machen. In Standards für das Bildungssystem wird ein Instrument gesehen, Qualität zu sichern und anzuheben. Damit hat ein Paradigmenwechsel stattgefunden. Bisher wurde das Bildungssystem durch den Input von Richtlinien, Haushaltsplänen etc. gesteuert. Jetzt wird sich die Bildungspolitik mit Hilfe von Standards auch an den Lernergebnissen der Schülerinnen und Schüler, d.h. am Output, orientieren.
Es ist nicht davon auszugehen, dass man mit der Einführung von Standards schnell zueiner Leistungssteigerung gelangen kann. Vielmehr ist ein langwieriger Prozess zu erwarten. Dies zeigen die Erfahrungen der USA, die bereits in den achtziger Jahren mit der Entwicklung von Standards begonnen haben.
Dort wird bis heute darüber diskutiert, welche Art von Standards gebraucht (z.B. content, performance oder opportunity-to-learn-standards ) und wie sie entwickelt werden. Hinzu kommen politische Streitfragen etwa zwischen den Bundesstaaten und der Regierung oder Verteilungskämpfe bezüglich der Fächer, die in den Kreis der standardbasierten Fächer aufgenommen werden wollen.
In den USA scheinen sich die Experten einig darüber zu sein, "dass Standards nur dann Schule und Unterricht verändern und Lernergebnisse verbessern können, wenn (a) Lehrer über die notwendigen Kompetenzen und Einstellungen verfügen bzw. diese erwerben; (b) Schulen - gestützt durch externe Beratung - beginnen, ihre eigene Praxis zu evaluieren und weiter zu entwickeln; (c) die eingesetzten Testverfahren die anspruchsvollen Lernziele tatsächlich abbilden und (d) Schulen bzw. Lehrkräften und Schülern, deren Ergebnisse unbefriedigend sind, gezielte Unterstützung gegeben wird". Es scheint des Weiteren so zu sein, dass Lehrerinnen und Lehrer die Unterrichtspraxis weniger an den Standards und mehr an den Testsystemen ausrichten (teaching to the test).
Daraus ergibt sich eine Reihe von politischen Steuerungsaufgaben. Angesichts der offenen Implementations- und Forschungsfragen in den USA lässt sich ermessen, welche pädagogischen und fachdidaktischen Herausforderungen auf das deutsche Bildungssystem zukommen. Es ist wichtig, die Ansprüche der politischen Bildung im laufenden politischen Prozess zur Geltung zu bringen. Diesem Vorhaben diente die Entwicklung eines eigenen Entwurfs nationaler Bildungsstandards durch die "Gesellschaft für Politikdidaktik und politische Jugend- und Erwachsenenbildung" (GPJE).
Da die KMK 2003 bereits Bildungsstandards in Auftrag gegeben hatte, ergaben sich folgende Konsequenzen für die Erarbeitung eines Entwurfs durch eine wissenschaftliche Fachgesellschaft: Erstens musste der Entwurf sich in formaler Struktur, Umfang und Konzeption an die Vorgaben der KMK für die anderen Fächer halten, wenn er überhaupt Chancen auf Wahrnehmung und Wirkung in der Bildungspolitik haben wollte. Zweitens musste er sich an eine breitere Öffentlichkeit (politische Bildungseinrichtungen, Verlage, Lehrerverbände, Lehrerschaft) und nicht in erster Linie an ein wissenschaftliches Fachpublikum wenden. Drittens durfte kein neuer fachdidaktischer Ansatz erwartet werden, sondern die Standards mussten pragmatisch einen breiten Konsens in der wissenschaftlichen Politikdidaktik repräsentieren.Dies war notwendig, da der zeitliche Rahmen für die Entwicklung durch den Zeitplan der KMK für 2003 zunächst auf fünf Monate begrenzt schien. So wenig die Standards Kontroversen in der Politikdidaktik entscheiden, so wenig verpflichten sie auf ein einheitliches didaktisches Konzept. Gleichwohl zeigen sie konsensfähige Lösungsperspektiven für die Aspekte auf, die für die weitere Entwicklung notwendig sind.
Die Vorlage eines Standardentwurfs durch eine wissenschaftliche Fachgesellschaft ist eine bisher einmalige bildungspolitische Intervention. Die Initiative zur Formulierung von Standards für die Fächer geht ansonsten ausschließlich von den Kultusbürokratien aus. Die KMK konzentriert sich aber zunächst auf Fächer mit hohem Stundenanteil und etablierter Forschungslandschaft. Gleichwohl dürfen sich die politischen Bemühungen um die Qualität von Unterricht nicht auf diese Fächer beschränken. Auch die gesellschaftswissenschaftlichen Fächer müssen im Rahmen eines System-Monitorings regelmäßig erfasst werden, wenn die Bildungsreform erfolgreich sein soll. Vorarbeiten in der politischen Bildung sind durch die internationalen Civic-Education-Studien geleistet worden.
In diesen Studien schneiden die deutschen Schülerinnen und Schüler eher mittelmäßig ab, sodass für die Bildungspolitik gleichfalls Steuerungsbedarf besteht. Der Paradigmenwechsel von der Input- zur Outputorientierung darf nicht auf einige Fächer begrenzt sein. Denn bei aller grundsätzlichen Kritik an der Einführung von Bildungsstandards besteht doch Einigkeit darüber, "dass Unterricht etwas bewirken soll". Die konsensfähigen Bildungsstandards der GPJE sollten Anlass für die Einsetzung einer Kommission durch die KMK sein. Fachdidaktisch wünschenswerte Aktivitäten sind mit politisch-strategischem Vorgehen zu verknüpfen. Entwicklung von Standards für die politische Bildung
Der Begriff Bildungsstandard wird weder national noch international einheitlich benutzt. So erarbeiten Bundesländer in Fortführung ihrer bisherigen Lehrpläne bzw. Richtlinien neue "Bildungsstandards" für die einzelnen Fächer. Gleichzeitig werden von der KMK "nationale Bildungsstandards" beschlossen. In der wissenschaftlichen Diskussion haben Eckhard Klieme u.a. folgende Begriffsverwendung vorgeschlagen: "Bildungsstandards formulieren Anforderungen an das Lehren und Lernen in der Schule. (...) Bildungsstandards (...) greifen allgemeine Bildungsziele auf. Sie benennen die Kompetenzen, welche die Schule ihren Schülerinnen und Schülern vermitteln muss, damit zentrale Bildungsziele erreicht werden. Die Bildungsstandards legen fest, welche Kompetenzen die Kinder oder Jugendlichen bis zu einer bestimmen Jahrgangsstufe erworben haben sollen. Die Kompetenzen werden so konkret beschrieben, dass sie in Aufgabenstellungen umgesetzt und prinzipiell mit Hilfe von Testverfahren erfasst werden können."
Bildungsstandards sind in ihren normativen Vorgaben demnach am Output orientiert. Ihr Fokus ist darüber hinaus auf den Aufbau fächerübergreifender und fach- bzw. domänenspezifischer Kompetenzen gerichtet. Dadurch können unterschiedliche Erwartungsniveaus formuliert werden (Mindest-, Regel- und Idealstandards). Die KMK lässt durch Regelstandards das durchschnittliche Leistungsniveau festlegen. Da die Bildungsstandards auf Schulfächer bezogen sind, kommt insbesondere den Fachdidaktiken eine wichtige Rolle bei der Ausarbeitung, Operationalisierung und Implementation zu.
Die Entwicklung von Bildungsstandards steht vor dem prinzipiellen Dilemma, ein fachlich fundiertes Lernen gewährleisten und zugleich die Bedingungen des realen Unterrichts berücksichtigen zu sollen. Gute Bildungsstandards müssen realisierbar sein und die Rahmenbedingungen sowie individuellen Interessen in Rechnung stellen. Nach Kristina Reiss ist die Einbindung der Standards "in die Praxis allerdings noch nicht bzw. nicht hinreichend untersucht worden".
Psychometrische Kompetenzmodelle, die für die Domäne Politik verschiedene Stufen oder Niveaus der Leistung unterscheiden, fehlen bisher. Ihre Entwicklung befindet sich in den Anfängen. Festzuhalten aber ist, dass sich die deutsche Standarddiskussion vom Modell der performance standards leiten lässt, für das ein Gefüge von domänenspezifischen Anforderungen, die von der Schülerschaft bewältigt werden müssen, zu beschreiben ist. Diese Komponenten einer domänenspezifischen Kompetenz sind wissenschaftliche Konstrukte, die für die Testverfahren benötigt werden.
Betrachtet man den GPJE-Entwurf der Bildungsstandards für die politische Bildung aus lern- und testpsychologischem Blickwinkel, so wird deutlich, dass die 2003 gefundenen Formulierungen diesen Ansprüchen noch nicht in allen Punkten entsprechen. Die Standards müssen in diese Richtung weiterentwickelt werden. Dies geschieht inzwischen durch die Fachdiskussionen in Zeitschriften und auf Tagungen.
Der Prozess ist nicht überraschend, da die Entwicklung nationaler Bildungsstandards für die politische Bildung als Teststandards ein Neu-Denken traditioneller Vorstellungen erfordert. Die Gliederung der GPJE-Standards folgt den zuvor von der KMK vorgelegten Bildungsstandards in anderen Fächern. Es werden erstens der Beitrag des Faches Politische Bildung zur Bildung, zweitens die Kompetenzbereiche und schließlich drittens die Standards für die Kompetenzbereiche beschrieben. Philosophie der politischen Bildung
Die im ersten Kapitel der GPJE-Standards vorgenommene Formulierung der Bildungsziele des Faches im Fächerkanon der Schule folgt der Tradition politikdidaktischer Theoriebildung. Das Leitziel der politischen Mündigkeit ist ein Element der Philosophie des Faches und nicht als Kompetenz im Sinne eines psychologisch abgesicherten Kompetenzmodells zu verstehen.
Der Entwurf beschreibt des Weiteren einen umfassenden Politikbegriff, die Vorbereitung auf das Leben in einer modernen Demokratie und den Beutelsbacher Konsens.
Zur Fachphilosophie gehören ferner Partizipations- und Engagementbereitschaft als Elemente der politischen Kultur, die Orientierung an aktuellen politischen Ereignissen und den dahinter stehenden langfristigen Problemlagen sowie der Blick auf die Weiterentwicklung des demokratischen Systems, seine Menschenbilder und Ordnungsvorstellungen. In fachsystematischer Hinsicht werden Politik im engeren Sinn, wirtschaftliche Fragen, Probleme des gesellschaftlichen Zusammenlebens und rechtliche Probleme unterschieden. Die Fachphilosophie ist eingegangen in die Vorstellungen von kategorialer Politikdidaktik. Kategorien wie Macht, Recht, Interesse, Menschenwürde, Frieden etc. dienen in vielen Konzeptionen der Strukturierung von Unterrichtsinhalten.Das Medium ihrer pädagogischen Umsetzung sind Richtlinien und Kerncurricula, die der Verständigung darüber dienen, was politische Bildung ausmacht.
Die Fachphilosophie und die kategorialen Politikdidaktiken repräsentieren indessen kein Konzept von Kernideen des Faches, das benötigt wird, um empirisch valide Kompetenzanforderungen bestimmen zu können. Zu den Kernideen gehören grundlegende Begriffsvorstellungen, die damit verbundenen Denkoperationen und Verfahren sowie das ihnen zuzuordnende Grundlagenwissen.
Ihre Erforschung ist im Kontext der Politikdidaktik weitgehend ein Desiderat und aufzuarbeiten. Die Politikdidaktik muss auf unterschiedlichen Altersstufen Kernideen zu Politik, Macht, Interessen, Freiheit, Gerechtigkeit u.a.m. herausarbeiten, um dadurch den Anschluss an die lerntheoretische Begründung von Kompetenzmodellen zu finden.
Bisher gibt es noch kein lerntheoretisch abgesichertes Modell für die politische Bildung, das die Entwicklung von domänenspezifischen Verstehensleistungen und die Bedeutung der systematischen Vernetzung von unterschiedlichen Wissenselementen beschreibt. Das Verstehen hochkomplexer Inhaltsbereiche wie z.B. Politik erfordert, dass im Verlauf einer Lerngeschichte definitorische Merkmale für die Erschließung der Gegenstände immer wichtiger werden, während intuitive, alltägliche Merkmale wie z.B. eigene Meinungen in den Hintergrund treten. Der Aufbau elaborierter Konzepte ist ein aktiver und sehr zeitaufwendiger Prozess, der in der Grundschule beginnen muss. Die Schülerinnen und Schüler müssen Alternativen zu ihren intuitiven und oft nicht belastbaren politischen Erklärungen entdecken.
So beobachten wir, dass Kinder der 4. Klasse "Macht" den Parteien und der Hierarchie in interpersonalen Beziehungen zuschreiben, etwa wie: "Die CDU, die möchte der Chef sein." Diese Präkonzepte werden abgelöst durch wissenschaftlich belastbarere Konzepte, die politische Macht an eine Entscheidungskompetenz und Institution binden. Die Politikerinnen und Politiker im Bundestag "entscheiden darüber, jetzt zum Beispiel das mit BSE, was da eben passiert oder nicht passiert".Die fachdidaktische Unterrichtsforschung muss sich mehr mit der lernpsychologischen Erforschung der Denkoperationen und der ihnen zuzuordnenden Wissensbasis beschäftigen. Ein Weg der Weiterentwicklung der Standards ist die Herausarbeitung der Kernideen des Faches. Das Kompetenzmodell der GPJE
Das zweite Kapitel des GPJE-Entwurfs stellt das zugrunde liegende Kompetenzmodell vor. Es wird eine dreifache Dimensionierung in Kompetenzbereiche vorgenommen: politische Urteilsfähigkeit, politische Handlungsfähigkeit und methodische Fähigkeiten (siehe den Kasten der PDF-Version).
Die Festlegungen im GPJE-Entwurf wurden pragmatisch getroffen und stießen durch die Beteiligung der Mitglieder auf breite Zustimmung.Ohnehin ist "das Fundament von Bildungsstandards derzeit in vielen Feldern noch eher pragmatisch als schon theoretisch stringent abgesichert" . Deshalb sind die Standardformulierungen der GPJE zu einem gewissen Teil eher implizit als explizit theoriegeleitet. Das Kompetenzmodell ist noch nicht empirisch valid, da eine politikdidaktische Kompetenzdiagnostik erst aufgebaut wird. Es unterscheidet sich vom Modell des amerikanischen National Assessment Governing Board, das die Dimensionen civic knowledge, intellectual and participatory skills sowie civic dispositions unterscheidet. Die GPJE hat performance standards im Sinne der Klieme-Expertise vorgestellt. Politische Urteilsfähigkeit
Dem Kompetenzbereich politische Urteilsfähigkeit kommt eine zentrale Bedeutung zu, da er mit Testaufgaben abprüfbar wird.
Der Entwurf versteht unter Urteilen Aussagen über Menschen oder Sachverhalte. Drei Schritte werden unterschieden: das Vergegenwärtigen des Sachverhalts, die politische Analyse und das Urteil selbst. Diese drei Schritte kann man als Modell für den Kompetenzaufbau verstehen, der sich von einem Weniger zu einem Mehr an differenzierendem Wissen bewegt. Dabei kommen zu einzelnen Wissensbeständen nicht einfach neue hinzu, sondern die neuen können die bisherigen qualitativ anders strukturieren. Dies wird für alle Schulstufen (Primar-, Sekundarstufe I und II) auf unterschiedlichem Niveau angenommen. In diesem Zusammenhang wird im Entwurf des Weiteren darauf hingewiesen, dass es für die Bewertung von politischen Urteilen ausschließlich formale Kriterien geben dürfe. Gleichwohl werden Urteile z.B. zu folgenden fachlichen Kernkonzepten beschrieben: Grundrechtsbindung und politische Freiheit; Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung; Demokratie als Volksherrschaft; Parteiendemokratie; Sozialstaatsprinzip; Pluralismus; Grundprinzipien der Marktwirtschaft. Dies macht deutlich, dass sich Standards keineswegs auf formale Kriterien beschränken dürfen. Verbindet man ferner mit dem Urteilsbegriff die Vorstellung eines reflexiven Schiedsspruches über politische Angelegenheiten, dann muss man eine inhaltliche Beschreibung der Urteile vornehmen. "Politische Urteile sind nie Sachurteile. Sie setzen wohl sachliche Vorstellungen voraus, sind in ihrem Kern aber immer normativ. Ihre Normativität besteht darin, dass sie die im Urteil angesprochenen Gegebenheiten mit Bewertungen und/oder mit Handlungsvorschriften versehen. (...) Weiterhin kommen politische Urteile nicht umhin, Partei zu ergreifen. Denn sie basieren auf Abwägungsüberlegungen."
Das politische Urteil als spezifische Form des Urteilens muss inhaltlich gewichtet werden. In zukünftigen empirischen Untersuchungen sind der Möglichkeitsraum für Urteile über einen Sachverhalt bzw. die Stufen des Kompetenzniveaus vorab inhaltlich auf einer Skala der Testwerte zu bestimmen.
Insofern ist aus fachlicher und empirischer Sicht die Weiterentwicklung des Begriffs und des Konzeptes politische Urteilsfähigkeit erforderlich. Die beiden Pilotstudien zur politischen Bildung haben die Standards zur Rolle der Abgeordneten, zu Abstimmungen, zur sozialen Gerechtigkeit, zum Akteurshandeln sowie zur Wahl des Bundespräsidenten und zu Demokratiemodellen inhaltlich festgelegt, um die Ergebnisse theoriegeleitet interpretieren zu können.
Hierzu reichten die Standardformulierungen im Entwurf nicht aus. Als Niveaus haben sie Wiedergeben, Anwenden, Beurteilen (Peter Massing/Jessica Simone Schattschneider) bzw. Verstehen, Analysieren, Urteilen (Georg Weißeno) unterschieden, um die Kompetenz der politischen Urteilsfähigkeit testen zu können.Die Ergebnisse zeigen, dass der Unterricht vermutlich zu wenig Wert auf die Anbahnung von Urteilserfahrungen legt. Die Schülerinnen und Schüler sind bei den Verstehens- und bei den Analysefragen signifikant besser als bei denen des Urteilens. Weder das Verstehen noch das Analysieren sind eine hinreichende Bedingung für Letzteres. In Folgeuntersuchungen muss genauer bestimmt werden, was das Urteilen bedingt. Politische Handlungsfähigkeit und methodische Fähigkeiten
Politischer Bildung geht es nicht nur um den Wissensaufbau, sondern immer auch um die Entwicklung praktischer Fähigkeiten für die Teilnahme an der politischen Öffentlichkeit und an politischen Diskussionen in privaten und beruflichen Situationen. Dieser Kompetenzbereich kann über prozessbezogene Standards näher untersucht werden. Hierbei geht es um Einstellungsmessungen, nicht um das Erfassen tatsächlichen Handelns, Wissens und Könnens.
Erhoben werden beispielsweise Daten zum Schul- und Unterrichtsklima, die Bereitschaft zu zivilgesellschaftlichem Engagement, die Einstellungen zu Partizipationsmöglichkeiten. Diese Untersuchungen sind traditionell in der politischen Sozialisations- und Kulturforschung sowie in der erziehungswissenschaftlichen Jugendforschung angesiedelt.Auch die Lehrerschaft kann zu ihren Einstellungen zur Politik befragt werden. Durch diese Studien gelangt man zu Indikatoren dafür, welche Zielvorstellungen, Interessen und Leitbilder in der Schule vorhanden sind, welcher Grad der Politisierung erwartet werden kann und welches Bürgerleitbild realistisch oder dominant ist.
Die methodischen Fähigkeiten sind meist fächerübergreifend. Gleichwohl werden die Arbeitstechniken nur dann effizient gelernt, wenn sie mit Inhalten verbunden werden. Lehrbar sind sie nicht. Vielmehr sind metakognitive Kompetenzen ein Destillat aus Lernerfahrungen mit Inhalten.
Die Methodenkompetenz kann nicht direkt trainiert, sondern nur in Verbindung mit dem Erwerb anspruchsvoller Inhalte erreicht werden. Schlussfolgerungen
Externe Evaluationen stellen eine Herausforderung für die Politikdidaktik und die Lehrerinnen und Lehrer dar. Sie werden oft kritisch gesehen. Es wird vor Steuerungsillusionen gewarnt und um die Deutungshoheit von empirischen Ergebnissen gestritten, bevor etwas empirisch geprüft werden konnte.
Dabei sind sowohl die Theorie als auch die Praxis politischer Bildung aufgefordert ihre Desiderate abzuarbeiten. Die Politikdidaktik muss mehr zur Erforschung der Praxis beitragen und der Lehrerschaft ein empirisch abgesichertes Feedback über ihre Leistungen geben. Die Lehrerinnen und Lehrer müssen sich mehr mit politikdidaktischer Theorie auseinander setzen, wenn sie etwas für die Verbesserung der Bildungsstandards tun wollen. Gemeinsame Evaluations- und Planungsgruppen können zu einer praxisgerechten Reform beitragen.
Die Output-Messungen haben durchaus praktischen Nutzen, wenn z.B. Unter- und Überforderungen identifiziert oder die Leistungsniveaus kriterien- und normorientiert bestimmt werden. Problemfelder können aber nur gemeinsam von allen Beteiligten bearbeitet werden. Es ist eine Intensivierung des Austauschs von Profession und wissenschaftlicher Politikdidaktik nötig, um Testaufgaben zu entwickeln und Lernaufgaben evaluierbar zu formulieren. Die Chancen für die Qualitätsverbesserung des Unterrichts und der Lernleistungen sollten genutzt werden.