Mit der Erfindung von Kernwaffen kam die Gefahr in die Welt, dass sich die Menschheit binnen kürzester Zeit selbst auslöschen könnte. Dennoch war die "Logik" zur Eindämmung dieser Gefahr lange Zeit eine der Abschreckung, was im Kalten Krieg trotz einiger Bemühungen um Beschränkung – wie dem Nuklearen Nichtverbreitungsvertrag von 1968 oder dem ABM-Vertrag 1972 (Anti-Ballistic Missile Treaty, Vertrag über die Begrenzung von antiballistischen Raketenabwehrsystemen) – zu einer immensen nuklearen Aufrüstung führte. Der Höchststand war 1986 erreicht, mit rund 23.000 US-amerikanischen und 40.000 sowjetischen atomaren Sprengköpfen. Zwar blieb der Menschheit ein Atomkrieg bislang erspart und sind die nuklearen Arsenale inzwischen reduziert worden – aber atomare Rüstungskontrolle ist auch heute noch eine der größten Herausforderungen für die internationale Staatengemeinschaft.
Nach einigen Jahren hoffnungsvoller Schritte und bilateraler wie multilateraler Abrüstungsabkommen nach dem Ende des Kalten Krieges folgte schon bald Ernüchterung, und so mancher weiterreichende Plan für mehr wechselseitige Kontrolle oder das Verbot von Herstellung, Tests und Verbreitung (Proliferation) von Nuklearwaffen ist wieder in weite Ferne gerückt. Alte Fronten haben sich neu verhärtet, und mit der Aufkündigung des INF-Vertrages (Intermediate-Range Nuclear Forces Treaty, Vertrag über nukleare Mittelstreckensysteme) Anfang 2019, mit dem 1988 die Abrüstung zwischen den Supermächten eingeleitet worden war, scheint ein neuer Tiefpunkt erreicht.
Wie könnte das internationale Regime der Nuklearwaffenkontrolle künftig aussehen? Im Folgenden werde ich einen Überblick über die wichtigsten Verträge zur atomaren Abrüstung und Rüstungskontrolle geben sowie ihren aktuellen Stand und mögliche Entwicklungen skizzieren.
Bilaterale Verträge zwischen den USA und der Udssr/Russland
Mit dem INF-Vertrag, der im Dezember 1987 von US-Präsident Ronald Reagan und dem sowjetischen Staats- und Parteichef Michail Gorbatschow unterzeichnet wurde und im Juni 1988 in Kraft trat, vereinbarten die USA und die Sowjetunion die vollständige Vernichtung einer ganzen Klasse von Kernwaffen, nämlich aller landgestützten Marschflugkörper und Mittelstreckenraketen mit einer Reichweite zwischen 500 und 5500 Kilometern. Auch die dazugehörige Infrastruktur wie etwa Startvorrichtungen sollte innerhalb von drei Jahren zerstört werden. Gleichzeitig wurden bis dahin beispiellos tief greifende Maßnahmen zur gegenseitigen Überprüfung und Kontrolle der Abrüstung verabredet (Verifikation). Allein der Anhang zum Vertrag mit den Einzelheiten zu Inspektionen, Datenaustausch, Observationen, nationalen technischen Mitteln, Satellitenbeobachtung und anderem mehr umfasste 174 Seiten. Der Vertrag gilt als entscheidende Wegmarke der Entspannungspolitik. Bis Ende Mai 1991 wurden über 1600 Trägersysteme zerstört, die gegenseitigen Vor-Ort-Inspektionen endeten 2001.
1991 und 1993 folgte die Unterzeichnung der START-Verträge (Strategic Arms Reduction Treaty, Vertrag zur Verringerung strategischer Waffen) zwischen den USA und der Sowjetunion beziehungsweise Russland. Während durch START-I die Zahl der strategischen Waffen – also jener mit größerer Sprengkraft und größerer Reichweite als taktische Waffen – beträchtlich vermindert werden konnte, trat der START-II nie in Kraft. Russland ratifizierte den Vertrag zwar 2000, kündigte ihn aber bereits zwei Jahre später, weil die USA vom ABM-Vertrag zurücktraten, um die eigene Raketenabwehr ausbauen zu können. Stattdessen schlossen beide Länder im Mai 2002 den wesentlich laxeren SORT-Vertrag (Strategic Offensive Reductions Treaty, Vertrag zur Reduzierung strategischer Offensivwaffen), der keinerlei Verifikationsregime und auch keine endgültige Verschrottung der Sprengköpfe vorsah. Eine solche verifizierte Verschrottung der Sprengköpfe (nicht nur der Trägersysteme) hatten die vormaligen Präsidenten Bill Clinton und Boris Jelzin im März 1997 in einer gemeinsamen Stellungnahme auf einem Gipfel in Helsinki versprochen.
Einen echten Fortschritt gab es erst wieder mit der Unterzeichnung des New-START-Vertrages im April 2010 durch die Präsidenten Barack Obama und Dmitri Medwedew. Der Vertrag gestattete den USA und Russland nicht nur regelmäßige gegenseitige Inspektionen, auch wurden die vereinbarten Ziele – die Reduktion der einsatzbereiten Gefechtsköpfe auf jeweils 1550, zudem die Begrenzung der strategischen Trägersysteme auf 800 je Land bis Februar 2018 – bereits vorzeitig erreicht.
Auch in der multilateralen nuklearen Rüstungskontrolle ist schon seit Jahren weitgehender Stillstand eingetreten; auch hier gab es vor allem ab Anfang der 1990er Jahre einige Fortschritte – etwa die unbegrenzte Verlängerung des Nichtverbreitungsvertrages 1995, die vielversprechenden Verhandlungen zu einem Teststoppvertrag 1994 bis 1996 oder die Unterzeichnung der Verträge von Bangkok 1995 und Pelindaba 1996 über kernwaffenfreie Zonen in Südostasien und ganz Afrika. 2006 wurde zudem im Vertrag von Semei eine kernwaffenfreie Zone in Zentralasien geschaffen. Alle Unternehmungen der multilateralen nuklearen Rüstungskontrolle dienen zwei Zielen: nukleare Abrüstung und nukleare Nichtverbreitung. Staaten, die Atomwaffen besitzen, gewichten diese Ziele oft anders als Staaten ohne Atomwaffen, was den Kern vieler Dispute ausmacht. Der Blick auf vier der wichtigsten multilateralen Vertragsprojekte verdeutlicht dies.
Nichtverbreitungsvertrag
Der wichtigste Vertrag zu Abrüstung und Nichtverbreitung ist der Nukleare Nichtverbreitungsvertrag (NVV) von 1968, der auch als Atomwaffensperrvertrag bekannt ist.
Durch den NVV wurde die Norm etabliert, dass das Streben nach Nuklearbewaffnung für zivilisierte Staaten keine Option ist. Tatsächlich ist die Zahl weiterer Kernwaffenstaaten heute viel geringer, als in den 1960er Jahren befürchtet wurde. Nur Indien, Pakistan und Nordkorea haben nach dem Stichtag Nuklearwaffen getestet, und man geht davon aus, dass Israel im Besitz von Kernwaffen ist. Andere Staaten haben die nukleare Option dagegen aufgegeben und sind ebenfalls dem NVV beigetreten. Südafrika war im Besitz von Kernwaffen, die es inzwischen verschrottet hat. Auch Brasilien und Argentinien hatten Entwicklungsprogramme, die sie mittlerweile aufgegeben haben. Tatsächlich ist der Vertrag fast global, es fehlen nur Südsudan sowie die vier De-facto-Kernwaffenstaaten Indien, Pakistan, Israel und Nordkorea (Letzteres erklärte 2003 seinen Austritt).
Der NVV ist der einzige multilaterale Vertrag, an dem die fünf offiziellen Kernwaffenstaaten beteiligt sind und der eine Verpflichtung zur vollständigen nuklearen Abrüstung festschreibt. Darüber hinaus hat er einen weiteren, nicht zu unterschätzenden Vorteil: Er wird verifiziert. Das heißt, in allen Nichtkernwaffenstaaten wird überprüft, dass es keine geheimen Programme zur Entwicklung von Kernwaffen gibt. Diese Überprüfungen betreffen alles Kernmaterial, das direkt oder indirekt zum Bau von Nuklearsprengköpfen verwendet werden kann, also insbesondere Uran und Plutonium. Beide Materialien spielen aber auch in der zivilen Kernenergie eine wichtige Rolle, die der Vertrag ja ausdrücklich erlaubt. Eine scharfe Trennung zwischen den Nutzungen ist jedoch schwierig: Viele Technologien in der zivilen Kernenergie können für militärische Ziele zweckentfremdet werden.
Damit dies nicht passiert, werden auch sämtliche zivile Nuklearanlagen in Nichtkernwaffenstaaten von der in Wien ansässigen Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) kontrolliert und alles Nuklearmaterial genau erfasst. Die Kontrollen, die sogenannten Safeguards, wurden im Laufe der Jahre durch neue Messverfahren und Erfahrungswerte ständig weiterentwickelt und verbessert. Dass diese Arbeit wichtig und wirkungsvoll ist, zeigt der Fall des nordkoreanischen Nuklearwaffenprogramms, das durch Analysen der IAEO aufgedeckt wurde.
1995 wurde der Nichtverbreitungsvertrag von seinen Mitgliedern auf unbestimmte Zeit verlängert. Dennoch und trotz der Erfolge in der Nichtverbreitung – oder gerade deshalb – ist die Unzufriedenheit mit dem Vertrag in den vergangenen Jahren immer größer geworden, und sie wird vermutlich noch weiter wachsen. Denn das Ungleichgewicht zwischen den Kernwaffenstaaten und den Nichtkernwaffenstaaten war zur Zeit des Vertragsschlusses nur als vorübergehend angesehen worden. Die stagnierende Abrüstung führt bei den Nichtkernwaffenstaaten zunehmend zu Ungeduld, vor allem bei jenen außerhalb von Schutzschirmen und Militärbündnissen. Nicht nur auf den regelmäßigen Überprüfungskonferenzen bemängeln sie die fehlenden Erfolge weiterer Abrüstung.
Teststoppvertrag
Die Idee für einen umfassenden Teststoppvertrag ist alt, doch erst in der Euphorie über das Ende des Kalten Krieges kam Bewegung in die Sache. In nur zwei Jahren wurde im Rahmen der Genfer Abrüstungskonferenz (UN Conference on Disarmament) der Comprehensive Nuclear-Test-Ban Treaty (CTBT) ausgehandelt und im September 1996 von der UN-Vollversammlung angenommen. Obwohl ihn bis heute 184 Staaten unterzeichnet und 168 ratifiziert haben, ist er bislang nicht in Kraft. Denn dafür müssen erst alle 44 Staaten, die 1995 über nukleare Forschungsreaktoren verfügten ("Annex-2-Staaten"), den Vertrag ebenfalls ratifiziert haben. Dies ist bis heute nicht geschehen – China, Nordkorea, Ägypten, Indien, Iran, Israel, Pakistan und die USA fehlen noch.
Der Konflikt "nukleare Abrüstung versus nukleare Nichtverbreitung" trat schon zu Beginn der Verhandlungen 1994 zutage: Die offiziellen Kernwaffenstaaten wollten in erster Linie die Weiterentwicklung von Sprengköpfen in den De-facto-Kernwaffenstaaten verhindern, denn diese ist ohne Nukleartests nicht möglich. Insbesondere Indien und Pakistan wären ohne Tests nicht in der Lage gewesen, thermonukleare Sprengköpfe (Wasserstoffbomben) zu entwickeln. Gleichzeitig wollten die fünf Kernwaffenstaaten aber die Einschränkungen für sich selbst minimieren. Die Nichtkernwaffenstaaten und die Staaten außerhalb des NVV hingegen wollten einen Vertrag, der es allen unmöglich macht, neuartige Sprengköpfe zu entwickeln. Strittig war demnach, welche technischen Aktivitäten als verbotene Kernwaffentests gelten sollten. Beispiele für umstrittene Experimente sind Miniaturexplosionen mit kleinen Mengen von Nuklearmaterial, Teiltests von Komponenten oder Computersimulationen von Kernexplosionen.
Dadurch, dass die offiziellen Kernwaffenstaaten umfangreiche Datenbanken mit Messwerten aus früheren Tests besitzen und außerdem alternative Experimentieranlagen haben, mit deren Hilfe sie größere Tests zur Weiterentwicklung ihrer Waffen ersetzen können, entsteht mithin eine Diskriminierung der Staaten, die ebenfalls nach Kernwaffen streben. Auch wenn umstritten ist, ob Simulationen für die Entwicklung neuartiger Sprengköpfe ausreichen, gibt es doch ein erhebliches Misstrauen. Dieses wird durch verschiedene Aktivitäten einiger Kernwaffenstaaten geschürt, etwa durch sogenannte subkritische Tests, bei denen zwar keine selbsterhaltenden Kettenreaktionen stattfinden, die aber doch deutlich zeigen, dass immer noch viel Geld und Aufwand in Forschungsaktivitäten für Kernwaffen gesteckt wird.
Weil die Schieflage zwischen den Kernwaffenstaaten und den anderen Staaten durch den CTBT nicht behoben wird und wie im NVV die Nichtverbreitungskomponente stärker ausgeprägt ist als die Abrüstungskomponente, gibt es auch viel Kritik an ihm. Aber obwohl der Vertrag bislang nicht in Kraft ist, zeigt er Wirkung: Inzwischen haben sich neue Nukleartests zu einem starken Tabu entwickelt, nur Nordkorea als internationaler Außenseiter hat in den vergangenen Jahren Kernwaffen getestet. Darüber hinaus ist ein umfangreiches und gut bewährtes weltweites Verifikationssystem aus Messanlagen aufgebaut worden (International Monitoring System). Sobald der Vertrag in Kraft ist, soll die CTBT Organization mit Sitz in Wien die Einhaltung des Testverbotes überwachen, die als Vorbereitungskommission (CTBTO Preparatory Commission) de facto bereits seit 1997 arbeitet.
Den Schlüssel zum Durchbruch halten mutmaßlich die USA in der Hand, die bis heute den Vertrag nicht ratifiziert haben. Auch früheren Administrationen, die internationalen Verpflichtungen gegenüber aufgeschlossen waren, ist es nicht gelungen, eine Mehrheit dafür zu organisieren. Sollten die USA den Teststoppvertrag eines Tages ratifizieren, würden wohl auch die anderen Länder bald folgen.
Fissile Material (Cut-off) Treaty
Eine weitere Komponente der nuklearen Rüstungskontrolle ist eine Regulierung des für die Nuklearwaffenherstellung notwendigen Spaltmaterials. 1993 beauftragten die Vereinten Nationen die Genfer Abrüstungskonferenz, Verhandlungen über einen eigenen Vertrag zum Verbot der Produktion von spaltbarem Material für Kernwaffen aufzunehmen (Fissile Material Cut-off Treaty). Dies ist jedoch bis heute nicht geschehen.
Der Konflikt über die Gewichtung von Abrüstung und Nichtverbreitung liegt auch der Blockade in der Genfer Abrüstungskonferenz zugrunde, er äußert sich hier bereits im Namen des Vertrages: Im Zentrum steht das Spaltmaterial für Explosivzwecke, das fissile material. Der Begriff cut-off steht für das Vorhaben, die zukünftige Produktion dieses Materials zu verbieten. Ein solches Verbot aber würde insbesondere die Staaten limitieren, die den NVV nicht unterschrieben haben und sich ein Kernwaffenarsenal aufbauen wollen. Der Vertrag hätte somit eine eindeutige Nichtverbreitungskomponente. Für die Kernwaffenstaaten würde sich indes nicht viel ändern, weil sie in der Vergangenheit, insbesondere im Kalten Krieg, bereits riesige Mengen hochangereicherten Urans und Plutoniums produziert haben. Dies wird von vielen Nichtkernwaffenstaaten moniert; sie fordern nicht nur ein Cut-off, sondern auch einen Abrüstungsbestandteil, nämlich die Reduzierung dieser Bestände. Der Begriff wird in der Vertragsbezeichnung daher häufig in Klammern gesetzt: FM(C)T.
Der Hauptkonflikt dreht sich also darum, ob die Vorräte der Kernwaffenstaaten an spaltbarem Material in den Vertrag einbezogen werden sollen, was diese kategorisch ablehnen. Doch auch ohne Einbeziehung der Bestände hätte der FM(C)T nicht nur eine Nichtverbreitungs- sondern auch eine Abrüstungswirkung, denn er würde die Verifikation einer kernwaffenfreien Welt vorbereiten. Allerdings sind sich die Delegationen noch völlig uneins, wie gründlich der Vertrag verifiziert werden soll. Umstritten ist auch, ob Kernwaffenstaaten weiterhin hochangereichertes Uran für nukleare Schiffsantriebe produzieren dürfen sollen. Würde dies keiner Verifizierung unterliegen, wäre das eine Vertragslücke. Die Kernwaffenstaaten weigern sich beharrlich, über dieses Problem überhaupt zu reden.
So folgt seit Jahren eine Blockade der nächsten, wobei nacheinander unterschiedliche Länder als "Hauptprotagonisten" hervortreten, denen im Wechsel die Schuld für den Stillstand beziehungsweise für das Ausbleiben offizieller Vertragsverhandlungen in die Schuhe geschoben werden kann. Diese Blockade dauert bis heute an. Seit 2009 finden daher sogenannte Side Events statt, um überhaupt einen Dialog aufrechtzuerhalten, etwa technische Seminare und Konsultationen. Zudem haben die Vereinten Nationen 2014/15 und 2016/17 zwei Gruppen von Regierungssachverständigen (Groups of Governmental Experts, GGE) sowie ab 2017 eine "FMCT-Vorbereitungsgruppe" eingesetzt, die verschiedene Vertragsaspekte sortieren, erklären und diskutieren. Es handelt sich dabei aber nicht um echte Vertragsverhandlungen, unterschiedliche Auffassungen bleiben nebeneinander stehen.
Da Fortschritte in der nuklearen Rüstungskontrolle zurzeit eher unwahrscheinlich sind, empfiehlt es sich, die Zeit nicht untätig verstreichen zu lassen, sondern sie für die Weiterentwicklung der Verifikationstechniken zu nutzen und weitere Forschung zu betreiben. Der Teststoppvertrag konnte in den 1990er Jahren nur deshalb so zügig verhandelt werden, weil es in der Zeit davor, als Verhandlungen unrealistisch waren, umfangreiche Forschungsprojekte gab, die die technischen Vorrausetzungen für seine Verifikation entwickelt hatten. Auch dort wurde vorab in Expertengruppen kooperiert – allerdings handelte es sich nicht um politisch-diplomatische Sachverständige wie in den GGE, sondern um Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler (Groups of Scientific Experts, GSE). Für den FM(C)T wären solche GSE ebenfalls empfehlenswert, um ein noch gründlicheres Verifikationsregime auszuarbeiten und vorzubereiten.
Atomwaffenverbotsvertrag
Ein weiterer Vertrag, der bislang noch nicht in Kraft ist, aber dennoch hohe Relevanz besitzt, ist der Atomwaffenverbotsvertrag (Treaty on the Prohibition of Nuclear Weapons, TPNW). Er ist ein Ausdruck der Unzufriedenheit vieler Staaten über die ausbleibenden Abrüstungserfolge im Rahmen des NVV. Er wurde 2017 von rund zwei Dritteln der 193 UN-Staaten verhandelt und verabschiedet und verpflichtet seine Mitglieder auf das ambitionierte Ziel einer vollständig kernwaffenfreien Welt (Global Zero). Der Vertrag sieht noch keine Einzelheiten vor, wie dieses Ziel erreicht werden soll; derlei Maßnahmen sollen in späteren Verhandlungen festgelegt werden. Die Absicht ist stattdessen, Nuklearwaffen umfassend zu stigmatisieren und – wie es schon mit Chemie- und Biowaffen gelungen ist – sie letztlich zu ächten. Der TPNW soll in Kraft treten, wenn er von 50 Staaten ratifiziert worden ist. Bislang haben 70 Staaten den Vertrag unterzeichnet, 22 haben ihn ratifiziert. Weder die Kernwaffenstaaten noch die Mitglieder der Nato beteiligen sich an ihm.
Die Entstehungsgeschichte des TPNW begann auf der NVV-Überprüfungskonferenz 2010, auf der ein Zusammenschluss von 108 Delegationen, die sogenannte Humanitäre Initiative, ihre Besorgnis über die humanitären Auswirkungen eines Atomkriegs thematisierte.
In der Diskussion um den TPNW argumentieren die Kernwaffenstaaten und ihre Verbündeten, dass nukleare Abrüstung nur möglich sei, wenn die Bedingungen dafür stimmten. Das Gegenargument lautet, dass dann aber die ganze Welt von den Kernwaffenstaaten und deren Bereitschaft abhängig wäre, sich überhaupt um ein abrüstungsfreundliches Klima zu bemühen. Auch wird von einigen Kernwaffenstaaten behauptet, dass der TPNW dem NVV schade. Da auch der NVV das Ziel einer kernwaffenfreien Welt festschreibt, ist diese Argumentation nicht nachzuvollziehen.
Um den Vertrag von 2017 letztlich umsetzen zu können, ist eine Vielzahl konkreter Schritte auszuhandeln – zum Beispiel verschiedene Stufen, die Qualität und mögliche Zeitpläne der Abrüstung sowie die wirksame Verifikation aller Maßnahmen. Diese steht vor immensen Aufgaben: Sie muss das Inventar aller Waffen erfassen und sicherstellen, dass tatsächlich Sprengköpfe und keine Attrappen verschrottet werden, zugleich müssen aber einige Informationen geschützt werden, da sonst Proliferationsrisiken entstehen. Hier stehen Glaubwürdigkeit der Abrüstung und Schutz von Geheimnissen in einem Spannungsverhältnis. Vor allem zu diesem Aspekt gibt es noch viel Forschungs- und Entwicklungsbedarf, aber auch Bedarf an mehr internationaler Kooperation in der Forschung.
Über Forschungsprojekte hinaus gibt es auch zur Verifikation nuklearer Abrüstung diplomatische Aktivitäten: So tagte von 2018 bis zum Frühjahr 2019 eine Group of Governmental Experts in Genf, die zu diesem Thema einen Bericht erarbeitet. Es ist zu hoffen, dass es Folgeaktivitäten geben wird, vor allem auch hier eine Group of Scientific Experts, die sich konkret mit Technologien der Verifikation beschäftigt, um sie für den Tag vorzubereiten, an dem sie für ernsthafte Abrüstungsbemühungen gebraucht werden. Vorarbeiten hierzu leistet auch die International Partnership for Nuclear Disarmament Verification (IPNDV), in dem Expertinnen und Experten aus über 25 Staaten Konzepte und Verfahren zur Verifikation der Abrüstung von Nuklearsprengköpfen diskutieren.
Fazit und Ausblick
Kurz nach dem Ende des Kalten Krieges war die Hoffnung auf eine Welt ohne Kernwaffen groß, inzwischen ist längst wieder Ernüchterung eingetreten. Fortschritte bei weiterer bilateraler und multilateraler Abrüstung sind zweifelhaft. In vielen Ländern wächst die Skepsis gegenüber dem Nichtverbreitungsvertrag, der Teststoppvertrag ist nicht in Kraft, und Verhandlungen zu einem Vertrag zum Verbot der Produktion von spaltbarem Material für Kernwaffen sind nie aufgenommen worden.
Aber viele Bürgerinnen und Bürger und auch viele Regierungen, einschließlich der Bundesregierung,
Die Bundesregierung sollte, gemeinsam mit anderen Nichtkernwaffenstaaten in der Nato, ihre Nuklearpolitik reformieren. Es ist zu empfehlen, stärker auf die Befürworter des Atomwaffenverbotsvertrages einzugehen und die Gründe für die bisherige Ablehnung zu überdenken. Auch das Festhalten an der nuklearen Teilhabe ist ein Anachronismus, der aufgegeben werden sollte. Fortschritte bei der vollständigen Abschaffung aller Nuklearwaffen kann es nur geben, wenn neue Wege eingeschlagen werden.