Einleitung
Übersetzung aus dem Englischen: Martina Boden, Winsen (Aller). Richard Cottam, US-Iran Relations: Areas of Tension and Mutual Interest, in: H. Amirahmadi/E. Hoogland (Hrsg.), U.S.-Iran Relations.
"Am 19. August 1953 machte die amerikanische Regierung einen Fehler von wahrhaft tragischen historischen Ausmaßen. Wir beteiligten uns am Sturz des Regimes in Iran (...), der, wie ich denke, unser natürlicher strategischer und ideologischer Verbündeter war (...) Die Eisenhower-Regierung missverstand (...) die Situation und eliminierte eine liberal-nationalistische Elite, indem sie die Durchführung des Putsches gegen Dr. Mosaddeq unterstützte."1 So äußerte sich Richard Cottam, der amerikanische Experte für Iran im 20. Jahrhundert, 1994 bei einem Symposium in Washington, D.C. Zum Zeitpunkt des Putsches war er ein junger Karrierediplomat und einer der wenigen, die sich gegen die Iran-Politik der US-Regierung aussprachen. 1994 waren die meisten Regierungsbeamten und Wissenschaftler, egal ob konservativ oder liberal, zu der gleichen Schlussfolgerung gelangt.
Der Kalte Krieg ist vorbei, und eine neue Weltordnung kommt langsam, wenngleich noch nicht klar umrissen, zum Vorschein. Die Zerstörung des alten bipolaren Systems und der noch amorphe Charakter der neuen Weltordnung haben nicht nurein Machtvakuum geschaffen. Gerade kleine Nationen wie Iran wurden auch von einem Gefühl großer Unsicherheit und Verletzlichkeit erfasst. Der Statuswechsel vom abhängigen Staat, der unter dem Schutz der Führungsmacht der freien Welt stand, zum "Schurkenstaat", der westliche Interessen bedroht, lässt sich durch die Islamische Revolution von 1979 allein nicht erklären. Das revolutionäre Regime in Teheran hat es nicht geschafft, sich als eine durchsetzungsfähige militärisch-ökonomische Macht zu etablieren, wie es der Aggressivität seiner politischen Rhetorik entspräche. Tatsächlich ist das Land heute ein erheblich schwächerer Staat. Welcher Logik folgen die amerikanisch-iranischen Beziehungen nach dem Ende des Kalten Krieges?
Berührungspunkte durch den Zweiten Weltkrieg
Vor dem Zweiten Weltkrieg beschränkten sich die Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und Iran auf eine begrenzte diplomatische und wirtschaftliche Repräsentanz sowie auf einige protestantische missionarische Aktivitäten. Mit der Öffnung einer Versorgungsroute in die Sowjetunion während des Krieges nahm das Engagement der USA in Iran jedoch beträchtlich zu. Im Dezember 1942 wurden amerikanische Truppen entsandt, um die Versorgung zu unterstützen. Anfang 1944 waren rund 30 000 amerikanische Soldaten in Iran stationiert. 1943 und 1944 versuchten US-Ölgesellschaften mit Unterstützung der amerikanischen Botschaft in Teheran, Öl-Konzessionen in Iran zu erhalten. Die Notwendigkeit, die kooperativen Beziehungen zu dem Kriegsverbündeten aufrechtzuerhalten, verhinderte jedoch die Einmischung der USA in die inneren Angelegenheiten Irans. Aus demselben Grund machten die USA auch keine Anstalten, die Übergriffe der Sowjetunion in Aserbaidschan 1944 und 1945 zu blockieren. US-Präsident Franklin D. Roosevelt hatte sogar versucht, die Sowjetunion bei der Teheraner Konferenz der Alliierten 1943 auf Kosten Irans zu besänftigen.
Als jedoch unmittelbar nach dem Krieg die Spannungen zwischen den USA und der Sowjetunion wegen des Bürgerkriegs in Griechenland, wegen der Spannungen in Mitteleuropa sowie der Ereignisse in Aserbaidschan und im iranischen Kurdistan wuchsen, führte dies zu direkten amerikanischen Interventionen in Iran. Als die Amerikaner die sowjetischen Truppen im Mai 1946 erfolgreich zum Rückzug aus Iran zwangen,
Der Sturz von Mosaddeq
Zu Beginn des Jahres 1950 änderten die USA ihre globale Strategie. Damit einher ging eine grundlegende Neueinschätzung der Politik gegenüber Iran. Vor dem Hintergrund sowjetischer Kernwaffentests und der Etablierung einer kommunistischen Regierung in China entwickelten US-Regierungsvertreter eine aggressivere Strategie zur Eindämmung des sowjetischen Expansionismus. In der Studie des Nationalen Sicherheitsrates NSC-68 vom April 1950 wurde "eine erneuerte Initiative im Kalten Krieg"
Mohammad Mosaddeq wurde 1951 zum Premierminister ernannt. Die Dachorganisation "Nationale Front", der er vorstand, warb für die Nationalisierung des iranischen Öls, das bis dahin im Rahmen der so genannten Anglo-Iranian Oil Company (AIOC) in britischem Besitz war. Die Mitglieder der Organisation - die weltlichen, modernistischen liberalen Parteien - teilten dieses Ziel mit der Tudeh-Partei.
Will man die alarmierenden Beschreibungen der US-Regierungsvertreter über Iran bewerten, sollte man die immense Popularität der Mosaddeq-Regierung nicht unterschätzen. Ein halbes Jahrhundert Reformen hatte eine gebildete, moderne akademische Mittelschicht geschaffen, politisch anspruchsvoll und bereit, Macht zu übernehmen. Sie bildete weder eine neue Elite noch agierte sie in einem sozialen Vakuum. Eine wachsende Arbeiterklasse, eine nationalistisch gesinnte Schicht von Händlern und eine militante Schicht von Oberschülern und Universitätsstudenten bildeten ein eindrucksvolles, die Klassengrenzen überschreitendes Wählerpotenzial für die "Nationale Front". "Auch wenn Großbritannien und verschiedene iranische Akteure offensichtlich wichtige Beiträge zum Sturz von Mosaddeq leisteten, lässt sich aus der Beweislage schließen, dass das Mosaddeq-Regime wahrscheinlich überlebt hätte, wenn die USA nicht eingegriffen hätten."
Die "Operation Ajax" - so der Codename des Putsches der Geheimdienste CIA und MI6 - wurde mit Verweis auf eine unmittelbar drohende kommunistische Machtübernahme gerechtfertigt. Es war das erste Mal in dieser Region, dass die Vereinigten Staaten eine ausländische Regierung stürzten. Der Putsch markierte auch den Beginn einer politischen Vorherrschaft der USA im Mittleren Osten - auf Kosten des Verbündeten Großbritannien. Dieser verlor überdies sein Monopol auf das iranische Öl, als ein Konsortium internationaler - meist amerikanischer - Firmen die Rechte an Produktion und Export übernahm und der iranischen National Oil Company einen Teil der Exportentscheidungen sowie Exklusivrechte in inländischen Öl-Angelegenheiten überließ.
Inzwischen ist bekannt, dass Harry S. Truman und seine Regierung - trotz ihrer Sorge um den Schutz der Peripherie - nicht an eine unmittelbare Bedrohung in Iran glaubten und keine Notwendigkeit sahen, Mosaddeq zu stürzen. Tatsächlich fiel die Entscheidung zwei Wochen nach der Übernahme des Präsidentenamtes durch Dwight D. Eisenhower - obwohl es im US-Außenministerium, bei der CIA und unter Experten Widerstand gegen die Intervention gab. Die neue Regierung formulierte eine neue globale Strategie, die als "New Look" bekannt wurde. Dabei handelte es sich um eine Fortschreibung des Truman'schen Ansatzes der Peripherie-Verteidigung; mit ihr sollten aggressivere verdeckte Aktionen vorangetrieben werden. Die Brüder John und Allen Foster Dulles übernahmen die Kontrolle der amerikanischen Außenpolitik, der eine als Außenminister, der andere zunächst als stellvertretender Direktor und später als Direktor der CIA.
Die Rolle der USA bei der Modernisierung in Iran
Der zunehmende Nationalismus im Mittleren Osten führte zu einem Wandel der US-Politik gegenüber Schah Mohammed Reza Pahlewi. Aufgrund der Revolution, die 1958 zum Sturz der Monarchie in Irak führte, wegen der politischen Unruhen in anderen arabischen Monarchien und des weitreichenden Einflusses des ägyptischen Präsidenten Gamal Abdel Nasser (der 1956 aus Protest gegen die guten Beziehungen des Schahs zu Israel die diplomatischen Beziehungen mit Iran abbrach) empfahlen Fachleute des US-Geheimdienstes, Druck auf den Schah auszuüben, damit dieser wirtschaftliche und politische Reformen in Angriff nehme. Doch im letzten Amtsjahr von US-Präsident Eisenhower wurde das Thema nicht mehr aufgegriffen. Sein Nachfolger John F. Kennedy widmete sich der Aufgabe, Amerikas Politik gegenüber der Dritten Welt zu reformieren. Seinem Vorgänger warf er dessen starre Haltung vor, die Krisen in Südostasien, Afrika und Kuba nicht verhindert zu haben. Die neue Administration bevorzugte eine "flexiblere Antwort" und ergriff eine Reihe von politischen Maßnahmen, um Unruhen vorzubeugen; so baute sie Wirtschaftshilfe und Kulturprogramme aus. Die neue Regierung schränkte außerdem die Zahl der verdeckten Aktionen drastisch ein; Botschaftsangehörige trafen sich in Teheran mit Oppositionsführern und ermutigten den Schah, Kontakt mit diesen aufzunehmen.
Von größerer Bedeutung war jedoch der Einfluss Kennedys auf die vom Schah durchgesetzten und vorangetriebenen Reformen. Die Agrarreformen beschnitten die Macht der Großgrundbesitzer und ermöglichten Bauern die Besitznahme von Land. Das Gesetz zum Schutz der Familie von 1962 bis 1964 gestand Frauen das aktive und passive Wahlrecht zu und ermöglichte ihnen den Zugang zu höherer Bildung, auch wenn ihr männlicher Vormund dies ablehnte. Polygamie wurde zwar nicht abgeschafft, aber das neue Gesetz machte es für einen Mann praktisch unmöglich, mehr als eine Frau zu haben. Diese Reformen zum rechtlichen Status der Frau in der Gesellschaft beschnitten den Einfluss der religiösen Institutionen erheblich; bis dahin hatte das Familienrecht der Rechtsprechung der Mullahs unterstanden. Unter den enteigneten Landbesitzern befanden sich auch einige reiche Mitglieder religiöser Einrichtungen; als die Reformvorhaben des Schahs bekannt wurden, erhoben sie sich in der so genannten "weißen Revolution". Konservative Teile der Gesellschaft, die viel zu verlieren hatten, schmähten die Reformvorhaben als einen imperialistischen Anschlag der USA auf die nationale Souveränität des Landes. US-Regierungsvertreter hätten bestätigt, dass die USA eine wichtige Rolle dabei spielten.
Der Sicherheitsapparat des Schahs unterdrückte den Aufstand vom Juni 1963 unbarmherzig. Die gemäßigte Opposition, insbesondere weltliche Liberale, saßen zwischen allen Stühlen: Einerseits befürworteten sie prinzipiell die progressiven Reformen des Schahs, andererseits waren sie gegen seine absolute politische Macht. Viele von ihnen marschierten bei den Demonstrationen mit, hielten zwar Abstand zu den Konservativen, trugen aber Transparente mit dem Slogan: "Ja zu Agrarreformen, nein zu politischer Diktatur." In diesen Tagen des Aufruhrs begann die politische Karriere Ayatollah Khomeinis, der - im Schulterschluss mit den konservativen Landbesitzern - dem Schah verfassungswidrige Herrschaft vorwarf. Nach mehrfachen Warnungen von staatlicher Seite wurde er gefangen genommen und ins Exil nach Nadschaf verbannt, der heiligen Stadt der Schiiten in Irak. Von dort aus entwickelte er seine revolutionäre Theorie von der rechtmäßigen Herrschaft der schiitischen Theologen.
Der Weg zur iranischen Revolution
Viele Beobachter sind zu dem Schluss gekommen, dass der Samen für die Revolution 1979 bereits in den Jahren 1953 und 1963 gesät worden sei. Der Sturz von Mosaddeq habe das Versagen des weltlichen Nationalismus als Ideologie für die iranischen Massen unterstrichen. Zur gleichen Zeit erlangte Khomeini im Exil eine Bedeutung als Führungspersönlichkeit wie kein anderer Oppositionsvertreter. Eine zu rasche Modernisierung hatte demnach das soziale Gefüge der iranischen Gesellschaft zerrissen, und der schiitische Islam ersetzte erfolgreich die weltlichen Ideologien bei der Mobilisierung der revolutionären Massen.
Die islamische Erneuerungsbewegung war Mitte der fünfziger Jahre von der Regierung initiiert worden, um den Kampf gegen den Kommunismus und die radikale Linke aufzunehmen. Neben dem Eintreten für eine Ausweitung der Reformen hatte sie die Schaffung sozio-religiöser Einrichtungen unterstützt, die eine gemäßigte, sozial progressive Interpretation des schiitischen Islam vertraten; diese sollten die jungen Iraner von weltlichen sozialistischen Ideologien fern halten. Viele Ayatollahs, die sich an diesem vom Staat geförderten Programm beteiligten - wie Mahmut Tabatabai, Morteza Motaheri und Mohammad Hosain Beheshti -, schlossen sich während der Revolution Khomeini an, zusammen mit ihren Schülern und einem Netz von Gefolgsleuten. Das Programm war während des Kalten Krieges integraler Bestandteil der US-Politik in der muslimischen Welt und sollte die Rolle des Islam als Bollwerk gegen den Kommunismus unterstreichen. Diese Politik war in Iran in den fünfziger Jahren und bis hinein in die siebziger Jahre unbestreitbar erfolgreich.
Nach Nassers Tod wurde diese Politik auch in Ägypten sowie in Sudan, in Indonesien, Malaysia, Algerien und im Südlibanon verfolgt, um nur einige Länder zu nennen. Die islamischen Laien-Ideologen, die für die sozio-religiösen Einrichtungen eine modernistische Sichtweise des Islam entwickelten (Mehdi Bazargan, Ibrahim Yazdi, Ali Shariati, Abolhasan Banisadr und andere), hatten nahezu ausnahmslos europäische und amerikanische Universitäten besucht und nicht die traditionellen theologischen Seminare. Vor Ort setzten sich die religiösen Netzwerke aus Absolventen nichtkirchlicher staatlicher Schulen und Universitäten zusammen, an denen nach westlichen Studienplänen unterrichtet wurde. Die theologischen Schulen zogen die intellektuell weniger begabten Studenten an, meist aus ärmeren Städten und Dörfern auf dem Land. Dabei boten die staatlichen Schulen und Universitäten, die sich in den siebziger Jahren im ganzen Land stark vermehrten, allen Studenten aus städtischen wie ländlichen Regionen eine kostenlose Ausbildung an.
Die Innenpolitik des Schahs förderte nach 1953 - mit Unterstützung der USA und der amerikanischen Finanzhilfe zur bildungspolitischen, kulturellen und wirtschaftlichen Entwicklung - das Wachstum der Mittelschicht und der unteren Mittelschicht. Der dramatische Anstieg des internationalen Ölpreises Anfang der siebziger Jahre machte die iranische Regierung finanziell unabhängig von amerikanischer Freigebigkeit und erleichterte die Ausweitung der Bildungsprogramme im In- und Ausland. Die gebildete Mittelschicht und die untere Mittelschicht dieses amerikanischen Satellitenstaates, die weitgehend ein Produkt der Pahlewi-Politik darstellte, bildete die Basis für die Revolution von 1979. Denn die wirtschaftliche und soziokulturelle Entwicklung ging einher mit politischer Unterentwicklung.
Der Ölreichtum der siebziger Jahre gab dem Schah und seinen Beratern die Mittel an die Hand, um das Militär auf- und das Land zu einer Regionalmacht auszubauen. Die Ambitionen des Schahs deckten sich mit den politischen Interessen der USA. Denn zu diesem Zeitpunkt hatte sich Großbritannien vom Persischen Golf zurückgezogen. Washington entschloss sich dazu, Iran als neuen Polizisten in der Region einzusetzen - in der Annahme, das Land bleibe politisch stabil und auf westlicher Linie. Am 30. Mai 1972 machten US-Präsident Richard M. Nixon und Außenminister Henry A. Kissinger auf dem Rückweg von Moskau Station in Teheran. Dieses Treffen führte zu einer radikalen Neuausrichtung der amerikanisch-iranischen Beziehungen. In einer zweistündigen Diskussion soll Nixon den Schah freimütig gebeten haben: "Beschützen Sie mich."
Über den wachsenden Widerstand gegen diese militärischen Abenteuer des Schahs, die sich - im Bündnis mit den nichtmuslimischen Staaten USA und Israel - gegen muslimische Bruderstaaten richteten, ist viel geschrieben worden. Das gilt auch für die Feindseligkeit des Schahs gegenüber den arabischen Ländern; diese ging so weit, dass Iran im Jom-Kippur-Krieg im Oktober 1973 Israel mit Öl versorgte.
Auch die Korruption der herrschenden Elite in Iran und der Verlust der kulturellen Identität sind beschrieben worden. Mitte der siebziger Jahre, als selbst ernannte Guerilla-Gruppen Gewalt gegen amerikanische Beamte und Ziele ausübten, schrillten in Washington die Alarmglocken,. Die iranische Opposition war allerdings noch sehr zersplittert und uneins. Als Präsident Jimmy Carter 1976 sein Amt antrat, glaubte die neue Regierung, Iran könne gerettet werden. Carter wahrte zwar sehr viel mehr Distanz als seine Vorgänger, hielt aber an der amerikanischen Überzeugung fest, ein sicherer und stabiler Iran sei von großer Bedeutung für die strategischen Interessen der USA in der Region.
Carters Politik als Katalysator der Revolution
Die Menschenrechtspolitik von US-Präsident Carter und seine Entschlossenheit, die amerikanischen Waffenverkäufe zu reduzieren und auf die Regionen zu beschränken, in denen die USA Länder in Abhängigkeitsbeziehungen halten wollten, erwies sich als Katalysator der bisher unterdrückten Spannungen und Konflikte. Die westlichen Medien - einschließlich der amerikanischen - begannen offener über die Unterdrückung durch das Pahlewi-Regime zu schreiben. In Büchern wurden die Brutalität des von Amerikanern und Israelis trainierten Geheimdienstes SAVAK, die weit verbreitete Korruption und die dunklen Geschäfte des Regimes mit westlichen Unternehmen beschrieben. Bei einem Besuch in Washington kam es zu Straßendemonstrationen gegen den Schah und seine Frau, angeführt von iranischen Oppositionsgruppen. In Fernsehinterviews wurden nun - anders als in der Vergangenheit - keine Anstrengungen mehr unternommen, ein positives Bild des Monarchen zu zeichnen. US-Regierungsvertreter rieten dem Schah, sein Regime zu liberalisieren und die Korruption im Land zu bekämpfen, allem voran in seiner Familie. Die Reformen griffen zu kurz und kamen zu spät. Im Oktober 1978 diskutierten einige US-Regierungsexperten und wissenschaftliche Berater bereits über Verhandlungen mit Ayatollah Khomeini, der sich damals in Frankreich aufhielt und eine triumphale Rückkehr nach Iran vorbereitete.
Dem bisher zugänglichen Material über die Revolution nach zu urteilen, war die Regierung Carter in der Frage der Reaktion auf die Ereignisse in Iran stark gespalten. Sie stand dabei mehreren außenpolitischen Problemen gegenüber: der Vertrag zur Begrenzung strategischer Waffen mit Moskau, die Friedensverhandlungen zwischen Ägypten und Israel in Camp David, die Normalisierung der Beziehungen zu China und nicht zu vergessen die sowjetische Einmischung in Afghanistan. Die US-Politiker und ihre Berater standen vor der zentralen Frage: "Wie können die amerikanischen Interessen in der Region gewahrt werden, wenn der Schah stürzt?"
Was nur wenige Monate zuvor noch nicht als unausweichlich erschien, wurde nun Realität: Der Schah wurde gestürzt, und Khomeini kehrte nach Teheran zurück, von großen Massen als Retter der Nation gepriesen. In dieser frühen Phase der Revolution war das Wesen des neuen Regimes noch nicht klar erkennbar. Zwischen den verschiedenen Fraktionen tobte ein heftiger Machtkampf. Zudem war Khomeini noch nicht als unumstrittener, alleiniger Führer des revolutionären Iran akzeptiert. Die rhetorischen Täuschungsmanöver der verschiedenen Gruppen und die gegenseitigen Anschuldigungen vermochten kaum die Tatsache zu verdecken, dass die ideologisch vielschichtige Allianz, die zum Sturz des Schahs geschmiedet worden war, auseinanderbrach.
Auch wenn es nach außen hin so schien, war die Situation doch nicht komplexer als 1953. Die Mittelschicht war breiter und stärker geworden. Die weltlichen Kräfte waren bereit, die Macht zu übernehmen. Sie hatten nichts dagegen, dass Khomeini nominell als Kopf der revolutionären Bewegung agierte. Denn sie vertrauten darauf, dass er sich - wie er es versprochen hatte - in seine Moschee zurückziehen werde, sobald seine Mission erfüllt war. Hatten die säkularen Kräfte ihre Fähigkeit, die Mullahs zu überstimmen, überschätzt? Die inzwischen veröffentlichten Memoiren einiger Akteure von damals lassen darauf schließen, dass Khomeini alle überrascht hat. Viele sprachen von der "entführten Revolution".
Geiseldrama und innenpolitischer Machtkampf
Zweifellos haben westliche Medien und Experten die Rolle der säkularen Kräfte heruntergespielt und die religiösen Elemente der Revolution betont, die Dritte-Welt-Slogans, die antiamerikanischen, antiwestlichen und antimodernen Slogans.
Den Anschlag auf die US-Botschaft in Teheran und das darauf folgende Geiseldrama interpretierte die US-Führung als klaren Beweis für Khomeinis unversöhnliche antiamerikanische Haltung. Die so genannten "studentischen Gefolgsleute der Khomeini-Linie", wie sie sich selbst bezeichneten, führten nach eigenen Angaben Anordnungen ihres Führers aus. Es gab jedoch keinen Hinweis darauf, dass Khomeini Kenntnis von der Aktion hatte, auch wenn er sie umgehend sanktionierte. Der Anschlag auf die amerikanische Botschaft kam daher einer Palastrevolution gleich: Khomeini übernahm die gesamte Macht im Land.
Das Geiseldrama, das 444 Tage andauerte und sicher der Grund für die Wahlniederlage Carters 1980 war, ist noch nicht eingehend untersucht. Im Oktober 1979 bat der schwer krebskranke Schah um Aufnahme in ein US-Krankenhaus. Das Außenministerium sandte Henry Precht nach Teheran, um die Entscheidung mit iranischen Regierungsvertretern zu besprechen. Precht vertrat den Standpunkt, es handle sich um eine rein humanitäre Frage, die keine politische Bedeutung habe. Bruce Laingen, Geschäftsträger in der US-Botschaft, forderte zusätzlichen Polizeischutz an, der vom Teheraner Polizeichef persönlich überwacht werden sollte. Premierminister Bazargan und Ibrahim Yazdi, der iranische Außenminister, äußerten ihre Besorgnis über die möglichen Folgen, welche die amerikanische Entscheidung im Hinblick auf die instabile politische Lage im Land mit sich bringen könne. Am 22.Oktober traf der Schah in New York ein; am 1.November fand das Treffen in Algier statt, am 4.November wurde die US-Botschaft in Teheran besetzt. Zum selben Zeitpunkt versicherte Yazdi Laingen im Außenministerium, dass sich die Situation in wenigen Tagen entspannen werde. Tatsächlich trat Premierminister Bazargan jedoch am nächsten Tag zurück.
Die Geiselnahme war vor allem ein innenpolitisches Thema; sie zielte auf die provisorische Regierung und deren Verbündete. Bazargan und seine Kollegen hatten gerade eine Verfassung für die neue Demokratische Republik Iran konzipiert. Sie wollten dem Land einen liberalen und pluralistischen Rahmen geben. Khomeini und seine Berater entwarfen in der Zwischenzeit ihr eigenes Konzept einer Islamischen Republik Iran. Bei dem heftigen Ringen beider Lager ging es um nicht weniger als die künftige Machtstruktur und die politische Kultur des Landes. Viele der politisch aktiven Gruppen, darunter auch einige eher gemäßigte und unpolitische Mullahs, befürworteten den Entwurf Bazargans. Diese Gruppen waren gegen Khomeinis Doktrin der "Herrschaft der Geistlichen", die dieser in die Verfassung aufnehmen wollte. Diese Doktrin hatte es in der Geschichte des Iran noch nie gegeben, und sie war auch nicht Teil der schiitischen Lehre.
Irans Revolutionäre verteidigten den Angriff auf das "Nest der Vipern", wie sie die US-Botschaft nannten, als Akt legitimer Selbstverteidigung gegen die teuflischen Absichten des "Großen Satan" - die USA - und seines Verbündeten, des "Kleinen Satan" Israel. Mit dem Reißwolf vernichtete Dokumente, die auf dem Botschaftsgelände in Teheran gefunden und akribisch wieder zusammengesetzt wurden, sollten der Öffentlichkeit als Beweis für die konspirativen Pläne der Amerikaner dienen, die diese angeblich mit Hilfe der iranischen Verräter gegen die Nation schmiedeten. Washington verurteilte diese offenkundige Verletzung internationalen Rechts in schärfster Form. Die Verhandlungen zwischen den Regierungen dauerten Monate. Die Hoffnung auf eine Freilassung der Geiseln zerschlug sich rasch wieder. Gerüchte machten die Runde, dass die USA über geheime Kanäle auch mit Mitgliedern aus Khomeinis Kreis verhandelten. Im Frühjahr 1980, der Präsidentschaftswahlkampf war in vollem Gange, stand das Geiseldrama ganz oben auf der politischen Agenda Carters.
Im April setzten die Entscheidungsträger zunehmend auf eine militärische Lösung zur Beendigung der Geiselnahme. Bis dahin hatte Washington keine Gelegenheit ausgelassen, um eine diplomatische Lösung der Krise herbeizuführen. Berichten zufolge "schien die militärische Besetzung Afghanistans durch die Sowjetunion im Dezember 1978 erneute Beweise dafür geliefert zu haben, dass die USA und Iran grundlegende Sicherheitsinteressen teilten, egal wie weit ihre Politik auch voneinander abweichen mochte (...) Zu diesem Zeitpunkt eine militärische Aktion gegen Iran zu führen hätte zur politischen Destabilisierung regionaler Regierungen geführt und die amerikanischen Bemühungen um die Schaffung eines regionalen Sicherheitsrahmens unterbrochen"
Das Scheitern aller Bemühungen veranlasste den nationalen Sicherheitsberater Brzezinski, die militärische Option vorzubereiten. Jedoch misslang die Rettungsoperation am 24. April, über die in Abwesenheit von Außenminister Vance entschieden worden war. Schlechtes Wetter und technische Probleme brachten einen der eingesetzten Hubschrauber zum Absturz, weshalb Carter die Mission abbrechen musste. In den Meinungsumfragen stürzte der US-Präsident deutlich ab, Außenminister Vance trat aus Protest gegen den Militäreinsatz zurück. Die diplomatischen Verhandlungen wurden zwar fortgesetzt, aber sie gingen nicht rasch genug voran, um Carters Wiederwahl zu sichern. Die Geiseln wurden schließlich am Tag der Amtseinführung Ronald Reagans - am 20. Januar 1981 - freigelassen.
Die Einzelheiten der Verhandlungen, die schließlich zur Freilassung der amerikanischen Diplomaten führten, wurden erst nach dem Ende von Reagans Präsidentschaft bekannt. In der Amtszeit von George Bush sen. nahm sich Gary Sick, Mitglied des Nationalen Sicherheitsrates unter Carter und verantwortlich für die Iranpolitik, viel Zeit für eine gründliche Untersuchung. Seine Analyse - zunächst in Form einer Kolumne in der "New York Times" veröffentlicht - bestätigte einige der wildesten Gerüchte, die im Herbst 1980 kursierten. Reagans Wahlkampfmanager hatten einen geheimen Deal mit einigen Beamten Khomeinis geschlossen: militärische Hilfe und Waffenlieferungen als Gegenleistung für eine Verschiebung der Freilassung der Geiseln bis nach den US-Präsidentschaftswahlen. Um "Überraschungen" auszuschließen, hatten Reagans Männer die diplomatischen Bemühungen Carters sabotiert und die Rettung der amerikanischen Diplomaten unnötig hinausgezögert. Der Bericht Sicks erschütterte die politischen Zirkel Washingtons. Denn das umstrittene Buch brachte auch George Bush sen. ins Spiel, der als Vize-Präsident angeblich von den geheimen Treffen mit iranischen Abgesandten in Europa wusste.
US-Außenpolitik, Wahlkampf und der Iran-Contra-Skandal
Im September 1980 führte Saddam Hussein eine Invasion gegen die ölreiche südiranische Provinz Khusistan durch. Der Krieg sollte acht Jahre dauern, zwei Millionen Opfer fordern und Milliarden von US-Dollar kosten. Beide Länder gingen aus dieser Auseinandersetzung, in der es keinen Sieger gab, geschwächt hervor. Beide Seiten erhielten Waffen und logistische Unterstützung von den Vereinigten Staaten; diese sahen in dem ersten Golfkrieg eine Möglichkeit, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: erstens Iran am Export seiner Revolution in die Region zu hindern und zweitens allen Ambitionen Iraks vorzubeugen, das mit dem Tod des Schahs entstandene Machtvakuum am Golf zu füllen.
Der internationale Skandal während der Amtszeit Reagans schien eine beunruhigende Tatsache zu bestätigen: die Existenz einer geheimen Außenpolitik. Im Dezember 1986 veröffentlichte eine schiitische Zeitung in Beirut eine Geschichte, die beinahe zur Amtsenthebung des US-Präsidenten geführt hätte. Der Bericht betraf amerikanische Geiseln, die in Südlibanon von radikalen schiitischen Gruppen festgehalten wurden. In dem Artikel war von geheimen Verhandlungen zwischen Beamten des Weißen Hauses, israelischen und iranischen Regierungsvertretern, libanesischen, iranischen, saudischen und israelischen Mittelsmännern und internationalen Waffenhändlern die Rede. Demnach hätten die Amerikaner zugesichert, Waffen und Ersatzteile für militärisches Gerät im Austausch gegen die Geiseln zu verkaufen. Diese Geheimtreffen fanden zu einer Zeit statt, als Washington lauthals verkündete, es lehne Verhandlungen mit Gruppierungen und Regierungen, die internationales Recht missachteten, kategorisch ab. Berichten zufolge verwendete die US-Führung die Gewinne, um die Untergrund-Aktivitäten der Contra-Rebellen in Nicaragua zu unterstützen, was der US-Kongress verboten hatte. Der Iran-Contra-Skandal brachte verfassungswidrige Handlungen ans Licht, die im Weißen Haus geplant und entschieden worden waren: die illegale Finanzierung von CIA-Operationen, die noch geheimer als üblich waren, und die Einmischung nicht gewählter Beamter in hoch empfindliche internationale Angelegenheiten.
In den Gerichtsverfahren, die auf die Enthüllungen in der Presse folgten, war von "rogue individuals" die Rede, von "schurkischen Einzeltätern."
Innere Widersprüche auf beiden Seiten
Die Politik Irans war von inneren Widersprüche gekennzeichnet. So nahm das Regime zu Beginn der Revolution eine negative Haltung gegenüber Israel ein, baute aber innerhalb weniger Monate enge Beziehungen zu Tel Aviv auf. Während der Iran-Contra-Affäre denunzierte Teheran Israel und versicherte den Iranern und allen Muslimen, dass der Weg zur Befreiung Jerusalems über Bagdad führe. Gleichwohl kaufte Iran für den Kampf gegen die muslimischen Brüder in Irak Waffen von Israel. Die Aufsplitterung der politischen Macht in mehrere Fraktionen, die jeweils über eine eigene wirtschaftliche und institutionelle Basis verfügten, machte die Entscheidung schwierig, welcher Gesprächspartner in den Dialog eingebunden werden sollte.
Neue Regierungen in den USA und in Iran brachten in den späten achtziger und neunziger Jahren keine entscheidenden Veränderungen, weder für die diplomatischen Beziehungen noch in den politischen Standpunkten. Nach außen hin beharrten beide Seiten auf ihren Positionen. 1987 erließ die Reagan-Regierung eine Importsperre für die meisten iranischen Güter, einschließlich Teppichen. 1989 verhärtete sich Washingtons Haltung gegenüber Iran im Zuge der Salman-Rushdie-Affäre weiter. Viele gläubige Muslime in Großbritannien und Indien hielten die Neuerscheinung des Schriftstellers, die "Satanischen Verse", für antiislamisch. Khomeini verhängte eine Fatwa, ein religiöses Dekret, mit dem er den Autor zum Tode verurteilte. Menschenrechtsvertreter und Intellektuelle in Europa und den Vereinigten Staaten waren empört. Die Situation verschlimmerte sich, als muslimische Fanatiker Übersetzer des Buches in Europa und Japan ermordeten, angeblich in Ausführung der Anordnung Khomeinis. Rushdie musste sich viele Jahre lang verstecken. Auch als die Demokraten unter Bill Clinton in den USA wieder an die Macht kamen, verbesserten sich die amerikanisch-iranischen Beziehungen nicht. Der Präsident räumte dem arabisch-israelischen Konflikt Vorrang ein, und einige proisraelische Berater ließen auch weiterhin Annäherungsversuche gemäßigter iranischer Kräfte abblitzen.
Mit den unbeweglichen Positionen auf beiden Seiten zog die "Konfrontationsspirale", so Richard Cottam, an.
Die neue Politik sollte diese Verletzbarkeit nutzen. Die "dual containment"-Politik nannte fünf Punkte, in denen Iran sein Verhalten ändern sollte, bevor die USA einer Wiederannäherung zustimmen könnten: die Unterstützung des internationalen Terrorismus, die Unterstützung für die palästinensische Organisation Hamas und die Zurückweisung von arabisch-israelischen Friedensgesprächen, die Unterstützung für subversive islamische Bewegungen in der ganzen Welt, die militärische Aufrüstung und der Erwerb von Massenvernichtungswaffen.
Die Medien brachten nahezu täglich Berichte über Menschenrechtsverletzungen in Iran, über die iranische Zurückweisung des Existenzrechts Israels und die Unterstützung des Landes für den Terrorismus. Einige US-Vertreter waren mit dieser Dämonisierung des Landes nicht einverstanden und argumentierten, es sei Iran, das bedroht und international isoliert sei.
Der jetzige US-Präsident George W. Bush versprach im Wahlkampf, er werde sich nicht mehr so intensiv der Nahostpolitik widmen wie sein Vorgänger Clinton. Zudem äußerte er die Überzeugung, dass die Vereinigten Staaten der Welt ein weniger arrogantes Gesicht zeigen und bescheidener auftreten müssten. Er vertraue auf mitfühlenden Konservatismus, so Bush junior. Inzwischen ist jedoch deutlich geworden, dass er einen Krieg gegen Irak von Beginn seiner Regierungszeit an als notwendig erachtete. Bushs Kabinett und sein Beraterkreis bestehen aus Neokonservativen, die nun ihre Agenda umsetzen: globale Hegemonie durch einseitige Handlungen sowie eine Verteidigungsstrategie, die weniger als in der Vergangenheit auf Europa und die Vereinten Nationen baut und auf einer manichäischen Weltsicht beruht. In seiner Rede zum Amtsantritt bezeichnete Bush Iran, Irak und Nordkorea als "Achse des Bösen". Die Tragödie vom 11. September 2001 hat den Irak-Krieg nicht ausgelöst; dieser stand bereits auf der Agenda der Neokonservativen.
Die Politik im Kalten Krieg war rationaler, und die bipolare Weltordnung ermöglichte die Aufrechterhaltung der internationalen Ordnung. Ideologische Auseinandersetzungen sind kein Thema mehr; kulturelle und religiöse Konflikte haben sie ersetzt. Samuel Huntington, dessen Thesen vom "Zusammenstoß der Zivilisationen" zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung von einem Großteil der amerikanischen Intellektuellen als erfunden und gefährlich zurückgewiesen wurden, kann nun den Anspruch erheben, dass ihm die Geschichte Recht gegeben habe. Hat sie das? Die Bücher, die amerikanische neokonservative Gelehrte in den neunziger Jahren veröffentlicht haben, sagten in der Tat Chaos und Anarchie voraus, religiöse und ethnische Kriege, eine menschliche Gesellschaft, die auf den ursprünglichen Zustand des Überlebens der Stärkeren zurückgeworfen sei. Handelt es sich also um eine "self-fulfilling prophecy"?