Am 19. Oktober 2018 wies der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einer Eilentscheidung die polnische Regierung an, die von ihr angestoßene und umgesetzte Justizreform – namentlich den Teil zur Zwangspensionierung von Richterinnen und Richtern aufgrund einer neuen, gesenkten Ruhestandsaltersgrenze – auszusetzen und alle Richterinnen und Richter, die bereits zwangspensioniert worden waren, wiedereinzusetzen. Die Entscheidung des EuGH ist ein weiteres Kapitel einer seit 2015 andauernden Diskussion zwischen der EU und Polen über die durch die Regierung der PiS (Prawo i Sprawiedliwość, Recht und Gerechtigkeit) vorangetriebenen Reformen, in denen viele Beobachterinnen und Beobachter einen Abbau von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie sehen. Weil diese Reformen aus Sicht der EU-Institutionen mit den Grundwerten der EU unvereinbar sind, hatte die EU-Kommission bereits im Dezember 2017 ein Verfahren nach Artikel 7 des EU-Vertrages eingeleitet, an dessen Ende der Entzug des Stimmrechts für Polen im Ministerrat stehen könnte. Ob diese Sanktionen aber jemals verhängt werden, ist mehr als fraglich, da einem solchen Schritt alle anderen EU-Staaten außer Polen zustimmen müssten. Die ungarische Regierung hat bereits angekündigt, ihr Veto einzulegen. Und das Zugeständnis der polnischen Regierung, der Eilentscheidung des EuGH Folge leisten zu wollen, betrifft nur einen kleinen Teil der strittigen Reformen. Die endgültige Entscheidung des EuGH sowie die letztendliche Reaktion Polens stehen noch aus.
Damit haben die Bemühungen der EU gegen die Reformen in Polen bislang wenig Wirkung gezeigt. Als Konsequenz daraus werden die Rufe nach einem entschiedeneren Vorgehen der EU immer lauter – nicht nur gegen Polen, sondern auch gegen Ungarn, das bereits seit 2010 Reformen vorantreibt, die demokratische Grundrechte und rechtsstaatliche Prinzipien einschränken. Im Gegensatz dazu weisen wir in diesem Beitrag darauf hin, dass die EU zu Recht vorsichtig damit ist, solche Interventionen in die Tat umzusetzen. Wir führen dies auf einen Mechanismus zurück, den wir als Interventionsparadox bezeichnen: Durch Interventionen der EU werden autoritäre Kräfte eher gestärkt als geschwächt. Die Wirkungsweise dieses Mechanismus führen wir im ersten Teil dieses Artikels aus. Im zweiten Teil skizzieren wir dann Reformoptionen, die aus unserer Sicht die negativen politischen Reaktionen in den beschuldigten Staaten vermeiden oder jedenfalls abmildern könnten. Abschließend diskutieren wir, inwiefern sich Ansatzpunkte für ähnliche Vorschläge in der aktuellen EU-Reformdebatte identifizieren lassen.
Was ist das Interventionsparadox?
Wenn wir vom Interventionsparadox sprechen, beziehen wir uns auf eine Zusammenführung dreier Zweige in der politikwissenschaftlichen Forschungsliteratur. Erstens zeigen Studien aus der Forschung zu blame avoidance und blame shifting, dass politische Akteure sehr daran interessiert sind, die Schuld für negative Ereignisse auf andere politische Akteure abzuschieben.
Damit eng verbunden ist, zweitens, die Literatur zum sogenannten Rally-’round-the-flag-Effekt. Diese Literatur hat vor allem am Beispiel der US-Politik gezeigt, dass Regierungsakteure potenzielle Bedrohungen von außen so gefährlich wie möglich erscheinen lassen, um einen nationalen Schulterschluss der eigenen Bevölkerung gegen diese Bedrohungen herbeizuführen und so mehr öffentliche Unterstützung für die eigenen politischen Maßnahmen zur Bekämpfung dieser Bedrohungen zu gewinnen.
Dieser Effekt zeigt sich auch, drittens, in der Forschung zur öffentlichen Meinung gegenüber der EU. Studien aus diesem Bereich haben gezeigt, dass die Bevölkerung angesichts ihres Unwissens über die tatsächlichen Prozesse in der EU häufig einfach die Positionen der nationalen Akteure übernimmt, denen sie vertraut.
Welche Schlüsse lassen sich nun aus diesen Überlegungen ziehen? Eine Regierung, die ob ihrer Verletzung grundlegender demokratischer oder rechtsstaatlicher Prinzipien von einer – juristischen, politischen oder ökonomischen – Intervention durch die EU betroffen ist, sollte demnach versuchen, dies als illegitime Einmischung in die inneren Angelegenheiten und als Angriff auf die eigene demokratisch legitimierte Herrschaft zu brandmarken. Aus den drei angeführten Forschungssträngen folgt, dass diese Strategie der Schuldzuweisung an die EU erfolgreich sein sollte. Indem die sanktionierte Regierung eine illegitime Bedrohung von außen konstruiert und sich selbst als einzige Garantin der nationalen Souveränität geriert, ist es sehr wahrscheinlich, dass sich die Bevölkerung hinter die angegriffene Regierung stellt und ihr wachsende Unterstützung entgegenbringt. Daraus ergibt sich das Interventionsparadox: EU-Interventionen führen auf diese Weise eher zu einer Stärkung als zu einer Destabilisierung von Regierungen, die von solchen Interventionen betroffen sind.
Grundsätzlich scheinen sich die europäischen Institutionen dieses Mechanismus bewusst zu sein, was die Zurückhaltung im Hinblick auf Interventionen und deren Verschärfung zum Teil erklärt.
Dieses Muster lässt sich auch für Ungarn und Polen nachzeichnen. Dabei kann zunächst festgehalten werden, dass die ungarische Regierung unter Viktor Orbán deutlich mehr geschont wird als etwa Österreich im Jahr 2000 oder Polen seit 2015, und das obwohl Orbán zunächst nur in geringem Ausmaß und zuletzt gar nicht mehr auf Forderungen der EU zur Anpassung seiner verstärkt autoritären Gesetzgebung reagiert hat. Trotz der relativen Schonung ist es dem ungarischen Ministerpräsidenten aber gelungen, die EU als Gefahr und sich selbst als demokratisch legitimierten Sicherheitsgaranten für sein Land darzustellen.
Für Polen lassen sich ähnliche Entwicklungen beobachten. Wie Orbán setzt die von der rechtskonservativen PiS geführte polnische Regierung auf rhetorische Muster, die jegliche Intervention der EU als illegitimen Eingriff in die nationale Souveränität darstellen. Dabei verknüpfen führende Vertreterinnen und Vertreter der Partei und der Regierung die "Einmischung" aus Brüssel immer wieder geschickt mit der historischen Erfahrung der deutschen und sowjetischen Besatzung des Landes.
Zusammenfassend scheinen diese Beobachtungen das Interventionsparadox zu bestätigen. Die Zurückhaltung der EU in der Anwendung verschärfter Sanktionspotenziale – sofern überhaupt politisch durchsetzbar – wird vor dem Hintergrund dieses Mechanismus verständlich. Angesichts dessen stellt sich die Frage, wie die Wirksamkeit dieses Mechanismus durchbrochen werden kann. Aus unserer Sicht wäre dafür eine wohlüberlegte institutionelle Reform vonnöten, die wir im Folgenden vorstellen.
Reformoptionen:Möglichkeiten zur Verhinderung des Interventionsparadoxes
Um mögliche Reformoptionen zu prüfen, mit denen das Interventionsparadox vermieden werden könnte, gilt es, zuerst die Faktoren für eine erfolgreiche Nutzung des Mechanismus aufseiten der beschuldigten nationalen Akteure zu identifizieren. Dabei scheinen aus unserer Sicht drei Faktoren ausschlaggebend. Um die EU-Schuldzuschreibung plausibel konstruieren zu können, müssen zunächst zwei Elemente gegeben sein: Die nationale Regierung muss die Intervention als von außen kommend (Grundbedingung 1) und als negativ für das ganze Land und seine Bevölkerung (Grundbedingung 2) darstellen können. Beide Elemente in Kombination sind notwendig, um in der Bevölkerung das Gefühl der Bedrohung von außen hervorzurufen und darauf aufbauend das Ziel zu propagieren, die nationale Autonomie gegen diese äußere Bedrohung zu verteidigen. Schließlich muss die nationale Regierung die EU-Intervention als illegitime Einmischung darstellen können, die der demokratischen Legitimation der nationalen Regierung und damit dem Mehrheitswillen der heimischen Bevölkerung entgegensteht (Grundbedingung 3).
Um das Interventionsparadox zu vermeiden, müsste die EU ihr Vorgehen also so gestalten, dass diesen drei Bedingungen der Nährboden entzogen wird. Wie könnte dies gelingen?
Mit Blick auf Grundbedingung 1 ("Intervention von außen") lässt sich vermuten, dass die Anwendung des Mechanismus dann schwieriger für Regierungen wird, wenn die Intervention auf Nachfrage von Akteuren aus dem betreffenden Land selbst erfolgt. Das Argument, dass durch die Intervention Gruppen oder Bevölkerungsteilen geholfen werden soll und diese selbst um diese Hilfe gebeten haben, erschwert es, die Intervention als von außen kommend darzustellen. Daraus folgt, dass die EU verstärkt auf die Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Gruppen setzen sollte, die im betreffenden Land glaubwürdig gegen den Abbau von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit durch die Regierung opponieren. Dabei ist derzeit noch offen, wie ein solcher Weg der Zusammenarbeit aus der Gesellschaft heraus (bottom-up) institutionalisiert werden kann und soll. Klar scheint aber, dass es einen Kanal geben muss, durch den Bürgerinnen und Bürger eines Landes ihre Beschwerden möglichst niederschwellig äußern können. Dies könnte beispielsweise durch eine unabhängige europäische Behörde für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit mit Büros in allen Mitgliedstaaten verwirklicht werden, an die sich gesellschaftliche Gruppen und einzelne Bürgerinnen und Bürger wenden können, wenn sie den Eindruck haben, dass in ihrem Land rechtsstaatliche oder demokratische Prinzipien missachtet werden.
In Bezug auf Grundbedingung 2 ("negative Auswirkungen für gesamtes Land") müssten sich die ergriffenen Sanktionen spezifischer gegen die betreffende Regierung oder die sie tragenden Parteien richten und nicht das ganze Land an sich ins Visier nehmen. Im Falle Ungarns ließe sich dies etwa durch den Ausschluss oder die zeitweilige Suspendierung von Orbáns Partei aus dem Verbund der Europäischen Volkspartei (EVP) umsetzen. Dieses Instrument kam zum Beispiel im Jahr 2000 gegen die ÖVP zum Einsatz. Auf Druck anderer Mitglieder der europäischen Parteifamilie ließ die ÖVP ihre Mitgliedschaft in der EVP zeitweise ruhen. Dass die EVP mit Orbáns Fidesz nicht ebenso verfährt, ermöglicht es ihm, seine immer radikalere, auf antisemitische Stereotype Bezug nehmende Rhetorik mit Verweis darauf zu verteidigen, dass er immer noch Teil des konservativen Mainstreams in Europa ist.
Um die Grundbedingung 3 ("illegitimer Eingriff gegen Mehrheitswillen") für das Auftreten des Interventionsparadoxes zu umgehen, wäre es notwendig, Verstöße gegen Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zunächst durch eine als legitim wahrgenommene unabhängige Institution feststellen zu lassen. Aus unserer Sicht bedarf es dafür einer offenen, unabhängigen und neutralen Überwachung der Situation in allen Mitgliedstaaten, auf deren Grundlage dann Verstöße identifiziert und die Notwendigkeit von Gegenmaßnahmen festgestellt werden können.
Andere Autoren haben in diesem Zusammenhang vorgeschlagen, diese Aufgabe in die Hände der bisher für die Etablierung und Ahndung von Verstößen gegen europäisches Recht verantwortlichen Institutionen – vornehmlich die Kommission und den EuGH – zu legen und diese mit der verstärkten Nutzung rechtlicher Sanktionen zu betrauen.
Wir plädieren daher für die Schaffung einer unabhängigen europäischen Behörde zur Überwachung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in den Mitgliedsländern der EU. Diese müsste in der Lage sein, aktiv Informationen zur Situation in allen EU-Staaten zu sammeln und auszuwerten. Dies bedeutet, dass sie in allen Staaten eine Niederlassung haben müsste. Diese Büros müssten möglichst offen und leicht zugänglich für zivilgesellschaftliche Akteure und einzelne Bürgerinnen und Bürger sein, um zu ermöglichen, dass Beschwerden aus der Mitte der Gesellschaft eingereicht und überprüft werden können. Sollten sich die Beschwerden als stichhaltig erweisen, wäre ein Eingreifen der EU keine Intervention von außen, sondern gewissermaßen eine von innen gerufene Hilfe. Folglich wäre es deutlich schwerer, das Vorgehen als Einmischung von außen zu geißeln. Zudem wäre die Behörde für alle Mitgliedstaaten zuständig, sodass dem Verdacht vorgebeugt werden könnte, die EU greife sich bei derartigen Verfahren nur anlassbezogen einzelne unliebsame Staaten heraus, obwohl möglicherweise auch in anderen Ländern Defizite bei der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit bestehen.
Damit eine solche Behörde als legitim wahrgenommen wird, sollte sie von unabhängigen Expertinnen und Experten aus den Bereichen Menschenrechte, demokratisches Regieren und Rechtsstaatlichkeit geführt werden. Sie müsste zudem dem Zugriff der Politik – sowohl von der europäischen als auch von der nationalen Ebene – so weit wie möglich entzogen werden. Die demokratische Verantwortlichkeit der Behörde würde dadurch gesichert, dass sie regelmäßig Berichte über ihre Tätigkeit erstellen und veröffentlichen und sich für ihre Arbeit gegenüber demokratisch legitimierten Organen wie dem Europäischen Parlament oder nationalen Parlamenten rechtfertigen müsste. Die Einschätzungen der Behörde wären dabei rechtlich nicht bindend – somit wäre für ihre Schaffung auch keine Änderung der Verträge notwendig, die in der aktuellen politischen Situation ohnehin unrealistisch wäre. Allerdings könnten auf Grundlage dieser Berichte bestehende Interventionsmechanismen, etwa das Verfahren nach Artikel 7, die Ächtung nationaler Parteien im Rahmen ihrer europäischen Parteienverbünde oder andere Formen spezifischer Sanktionen gegen die politisch Verantwortlichen, mit einem deutlich höheren Grad an Legitimität eingesetzt werden.
Unser Reformvorschlag hat eine gewisse Ähnlichkeit mit Jan-Werner Müllers Konzept der "Kopenhagen-Kommission".
Erstens ist für uns die Verankerung in den Mitgliedstaaten von zentraler Bedeutung. Diese ermöglicht einen Bottom-up-Mechanismus zivilgesellschaftlicher Beschwerden, mit dem es den beschuldigten Regierungen deutlich erschwert würde, EU-Interventionen als äußere Einmischung darzustellen. Zweitens wären die Empfehlungen und Berichte der von uns vorgeschlagenen Behörde rechtlich nicht bindend, sondern würden lediglich die faktische Grundlage für die Aktivierung vorhandener Sanktionsmechanismen bilden. Die Berichte von Müllers Kopenhagen-Kommission sollen stattdessen automatisch zu Sanktionen durch die Europäische Kommission führen. Dies würde aus unserer Sicht eine Vertragsrevision vonnöten machen, die politisch unrealistisch ist.
Das Interventionsparadox im Kontext aktueller EU-Reformdebatten
Lassen sich in der aktuellen EU-Reformdebatte Ansatzpunkte für die von uns identifizierten Probleme und die vorgestellten Reformoptionen finden? Um diese Frage zu beantworten, setzen wir uns abschließend mit dem 2017 von der Europäischen Kommission veröffentlichten Weißbuch zur Zukunft Europas auseinander, in dem die Kommission die Lage der EU beschreibt und mögliche Reformszenarien skizziert.
Zumindest scheint die Kommission unsere Wahrnehmung der Kernproblematik zu teilen. Unter der Überschrift "Eine Frage von Vertrauen und Legitimität" wird die Wirksamkeit der EU-Schuldzuweisung ausdrücklich anerkannt: "Dass Probleme auf ‚Brüssel‘ geschoben und Erfolge grundsätzlich für sich selbst verbucht werden, dass es an Eigenverantwortung für gemeinsame Beschlüsse mangelt und die Schuld gewohnheitsmäßig immer anderen zugeschoben wird, hat bereits Schaden angerichtet. Und die Bürgerinnen und Bürger sind gegen diese offenkundigen Bilder der Uneinigkeit nicht immun."
Dennoch konzentriert sich das Weißbuch in der Folge auf fünf Szenarien, in denen dieses Thema jeweils weitestgehend vernachlässigt wird. Stattdessen wird in mindestens vier der fünf Szenarien mit der impliziten Annahme gearbeitet, dass die Bürgerinnen und Bürger die Leistungen der EU informiert zur Kenntnis nehmen und die EU vor diesem Hintergrund bewerten. Die jeweiligen Schwerpunkte der Reformszenarien werden auf ihre Auswirkungen auf die Bereiche "Binnenmarkt und Handel", "Wirtschafts- und Währungsunion", "Schengen, Migration und Sicherheit", "Außenpolitik und Verteidigung" sowie "EU-Haushalt" geprüft. Unter der Rubrik "Pro und Kontra" wird dann für jedes Szenario diskutiert, ob die Versprechen auf dem Papier und die Erwartungen der Bevölkerung tatsächlich in die Tat umgesetzt werden können, um die Legitimität der EU zu erhöhen. Damit bleibt der Bezugsrahmen einseitig auf die Output-Legitimität verengt. Das steht aber in einem erheblichen Spannungsverhältnis zu der Beobachtung, dass die Bürgerinnen und Bürger oft gar nicht unterscheiden (können), welche Maßnahmen aus Brüssel kommen und wofür die eigene Regierung verantwortlich ist: "Die Kluft zwischen Versprechen und Realität ist eine ständige Herausforderung. Dies liegt teilweise daran, dass die EU nicht leicht zu verstehen ist, da es neben der europäischen Ebene auch die Ebene der Mitgliedstaaten gibt. Es wird nicht gut genug erklärt, wer was tut, und der positive Beitrag der EU zum Alltag wird eben nur dann sichtbar, wenn die Geschichte auch vor Ort erzählt wird."
Die von der Kommission vorgeschlagene Lösung für dieses Defizit – "mehr Rechenschaft ablegen und gemeinsame Beschlüsse besser und schneller in die Tat umsetzen" – wird nur im Hinblick auf die Effektivität, nicht aber bezogen auf institutionelle Transparenz und Legitimität diskutiert.
Die im Weißbuch geschilderten Szenarien lassen also keine wirklichen Rückschlüsse darauf zu, inwieweit sich die Europäische Kommission und andere europäische Institutionen in ihren Reformüberlegungen spezifisch mit der Frage legitimer Interventionen gegen Mitgliedstaaten, die demokratische Prinzipien und rechtsstaatliche Standards aushöhlen, auseinandergesetzt haben. Dies muss allerdings nicht bedeuten, dass die Kommission diese Fragen ignoriert. Immerhin wurde 2018 ein großes von der Europäischen Kommission gefördertes Forschungsprojekt, RECONNECT, ins Leben gerufen, in dem 18 Partnerinstitutionen und zahlreiche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler – darunter auch die Autoren dieses Artikels – genau an solchen Überlegungen arbeiten.