Einleitung
Zum 90. Jahrestag des Kriegsausbruchs von 1914 erlebt die deutsche Öffentlichkeit eine publizistische Großoffensive - von der "Enzyklopädie Erster Weltkrieg" über eine Welle von neuen Handbüchern bis hin zur unvermeidlichen "Spiegel"-Serie in fernsehmagazintauglicher Aufmachung.
Seit 1979 steht allen Autoren die griffige Formel George F. Kennans zur Verfügung, wonach es sich bei diesem Krieg um die "Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts" gehandelt habe, ein welthistorisches Desaster, das in seinen unmittelbaren Auswirkungen auf Gesellschaft und Politik bereits den Keim des Zweiten Weltkriegs und des Kalten Krieges in sich getragen habe. Eine gewisse - bereits zeitgenössische - Verklärung der Zeit von vor 1914 mag mit im Spiel sein, wenn die Zäsur des Kriegsausbruchs jahrzehntelang so verbreitet und prominent das kollektive Geschichtsbewusstsein bestimmt hat, sei es, wenn Friedrich Meinecke 1946 von der "Deutschen Katastrophe" sprach, oder wenn Hans-Ulrich Wehler jüngst in Anlehnung an Engels, Moltke und de Gaulle die Jahre von 1914 bis 1945 als "Dreißigjährigen Krieg" bezeichnet.
Innerhalb der deutschen Geschichtswissenschaft mag bei diesem Epochendenken auch die Fischer-Kontroverse eine Rolle spielen, in deren Verlauf die so genannte Kontinuitäts-These kontrovers diskutiert wurde.
So wichtig der Hinweis auf Kontinuitäten deutscher Hegemonialpolitik im 20. Jahrhundert bleibt, so sehr hat eine solche Perspektive auch eine merkwürdige Enthistorisierung des Ersten Weltkriegs zur Folge. Als "Auftakt und Vorbild" (Wehler) für die nationalsozialistischen Angriffskriege und Völkermorde gerät der Erste Weltkrieg zur bloßen Generalprobe für das eigentliche Objekt des historischen Interesses, den Zweiten Weltkrieg, aus dessen Geschichte allzu leicht Fragestellungen und Erkenntnisinteressen ahistorisch auf jenen früheren Krieg übertragen werden. Wenn die Fischer-Kontroverse wichtige Beiträge zur Historisierung des Zweiten Weltkriegs geleistet hat, so besteht mehr denn je die Notwendigkeit, den Ersten Weltkrieg systematisch in den spezifischen historischen Kontext einzuordnen, der allein eine angemessenere Charakterisierung ermöglicht.
Auf die teleologischen Probleme und Verkürzungen, die sich aus dem Gebrauch der Begriffe "Urkatastrophe" oder "Dreißigjähriger Krieg" ergeben, haben kürzlich Belinda Davis und Bruno Thoß hingewiesen.
Eine bloße Umkehrung der Perspektive allein genügt zwar noch nicht, um den Versuchungen der Teleologie zu entgehen, aber zumindest verspricht die Frage nach den kulturellen Folgen des Ersten Weltkriegs eine angemessenere Sichtweise als diejenige nach den Wurzeln der mörderischen Katastrophe des Zweiten Weltkriegs. Historisierung bedeutet zuallererst Kontextualisierung, und ein wissenschaftlicher Zugriff tut gut daran, den Ersten Weltkrieg an seinem spezifischen Ort zu verstehen zu versuchen.
Militär
Der Ausbruch des Krieges traf die militärischen Eliten und das kulturell militarisierte Bürgertum Europas mitnichten überraschend. Die Katastrophe eines kommenden Weltkriegs war in der Öffentlichkeit von Friedrich von Bernhardi bis August Bebel, von Jean Jaurès bis H.G. Wells oder in den Bildern Ludwig Meidners präsent, und der Rüstungswettlauf konnte keinen Beobachter darüber im Unklaren gelassen haben, dass während der relativen europäischen Friedenszeit seit den preußisch-deutschen Einigungskriegen eine nie dagewesene Akkumulation militärischer Vernichtungspotentiale stattgefunden hatte. Demgegenüber erschien es lange Zeit erstaunlich, welches Ausmaß an Fehleinschätzungen, realitätsfremden strategischen Planungen und organisatorischem Chaos schon die ersten Wochen und Monate des Krieges kennzeichnete.
Für die historische Forschung wurde die Frage dringlich, inwieweit die kriegerische Kraftrhetorik bzw. die apokalyptischen Warnungen der Vorkriegszeit Eingang in organisatorische Vorbereitungen und kollektive Erwartungshaltungen gefunden hatten. Ein Sammelband des German Historical Institute in Washington hat dazu, ob der "totale Krieg" antizipiert worden sei, äußerst differenzierte und vergleichende Antworten präsentiert.
Der enthusiastische Kriegstaumel, der mit einer siegreichen Heimkehr noch vor Weihnachten rechnete, war nicht nur die Sache einer kleinen Minderheit von jungen bürgerlichen Männern in den großstädtischen Zentren,
Paradoxerweise erwies sich eine der am schlechtesten auf den Krieg vorbereiteten Nationen, Großbritannien, bereits in den ersten Kriegsmonaten insbesondere im ökonomischen Bereich als eine der flexibelsten und letztlich erfolgreichsten.
Der Kriegsausbruch präsentiert sich also als ein gemischtes Phänomen, das vorwiegend durch den Dilettantismus der Verantwortlichen und die romantische Naivität und Ignoranz der kriegsfreiwilligen Bürgersöhne den Charakter einer historischen Zäsur erhielt, obwohl realistische Prognosen und Erwartungshaltungen nachweislich im Bereich des zeitgenössisch Denkbaren lagen.
Globaler Kontext
In diesen Zusammenhang gehört ein Aspekt der mentalen und konzeptionellen Kriegsvorbereitungen, der lange Zeit im übertragenen Sinne einen Nebenkriegsschauplatz der historischen Forschung dargestellt hat. Die Friedenszeit vor 1914 war nur eine europäische, denn in den Kolonialreichen wurden vor 1914 regelmäßig Kriege geführt, und deshalb muss die koloniale Perspektive bei der Beurteilung der Bedeutung des Ersten Weltkriegs eine stärkere Rolle spielen, als dies in der Vergangenheit der Fall gewesen ist. Europäische Kriegserfahrungen vor 1914 waren weitgehend überseeische, gleichsam touristische Erfahrungen.
Neuere Forschungen gehen inzwischen auf den vergleichsweise "totaleren" Charakter der Kolonialkampagnen ein, die bereits zur Jahrhundertwende ein neues Aggressions- und Vernichtungspotenzial entwickelten.
Verwissenschaftlichung der Wahrnehmung
In ähnlicher Weise wie im Bereich der Totalisierung des Krieges kann der Erste Weltkrieg als historische Gelenkstelle des Zeitalters der Verwissenschaftlichung moderner Wahrnehmungs- und Deutungswelten aufgefasst werden. Der Siegeszug von Technik und Naturwissenschaften, insbesondere aber die Entwicklung der biologischen Wissenschaften und der Anthropologie trugen erheblich zur Kulmination symbolischer und praktischer Gewaltpotentiale im frühen 20. Jahrhundert bei. Die Wissenschaftsgläubigkeit der Moderne erlaubte um die Jahrhundertwende ein beinahe geschlossenes Weltbild, das technische und naturwissenschaftliche Innovationen ebenso enthielt wie sozialdarwinistische Parolen vom "Überleben des Stärkeren" und als Anthropologie verbrämte Rassismen. Die allseits vollzogene Deutung sozialer, kultureller und ökonomischer Strukturen nach Maßgabe "wissenschaftlich erwiesener" Kriterien und Wertmaßstäbe erstreckte sich von der Relativitätstheorie bis zur Anthropometrie und markierte den vorläufigen Höhepunkt der Machbarkeitsdoktrin des westlich-technologischen Zeitalters.
Gleichzeitig wurde damit für geopolitische Hegemonialvorstellungen das "Menschenmaterial" kriegerischer Expansionsräume zu welthistorischem Rohstoff bzw. Abfall umgedeutet, dessen Behandlung kaum größere ethische Probleme aufzuwerfen schien als die Salpeterproduktion für die Munitionsherstellung.
Der Erste Weltkrieg war nicht der Ursprung dieser mörderischen, verwissenschaftlichten Praktiken, aber er stellt eine wichtige Etappe dar, insofern die instrumentelle Rationalität des wissenschaftlichen Paradigmas der Hochindustrialisierung zum ersten Mal voll auf die sozialen Realitäten Europas durchschlug. Wichtig ist insbesondere die enge Beziehung zwischen den Verwissenschaftlichungstendenzen der industriellen Moderne und den europäischen Nationalismen der Vorkriegszeit.
Gesellschaftsentwicklung
Die sozialhistorischen Verwerfungen, die mit dem Ersten Weltkrieg einhergingen, sind seit geraumer Zeit ein Schwerpunkt der geschichtswissenschaftlichen Auseinandersetzung. Allerdings hat sich ein grundlegender Paradigmenwechsel ereignet, der das wissenschaftliche Erkenntnisinteresse von den "harten Fakten" der sozialen Ungleichheiten auf die "weichen" zeitgenössischen Deutungsräume der kulturellen Praktiken verlagert hat, die den sozialen Beziehungen Sinn und Bedeutung verliehen. Während die Arbeitergeschichtsschreibung und die Sozialgeschichte des Bürgertums fast vollständig zum Erliegen gekommen sind, blüht andererseits die Kulturgeschichte des Bürgertums und des Ersten Weltkriegs. Der "bürgerliche Wertehimmel"
Festzuhalten bleibt, dass der Erste Weltkrieg in der Tat eine Phase enormer ökonomischer Unsicherheit und Mobilität darstellt, die - zumindest in Deutschland - auf die Zeitgenossen tief verstörend gewirkt hat.
In der neueren Forschung sind demgegenüber die symbolischen Ordnungen des Sozialen ins Zentrum des Interesses gerückt. "Bürgerlichkeit" z.B. ist demnach nicht länger nur eine sozialökonomische Schichtungskategorie innerhalb moderner ausdifferenzierter Gesellschaften, sondern auch als Ensemble kultureller, symbolischer und habitueller Praktiken zu begreifen, die spezifische Formen bürgerlicher "Respektabilität" in unterschiedlichen Kontexten kontinuierlich immer neu manifestieren und fortschreiben. Im Kontext europäischer Bürgerlichkeitsvorstellungen kommt dabei insbesondere den symbolischen Geschlechterverhältnissen zentrale Bedeutung zu. In herkömmlicher Perspektive galt der Erste Weltkrieg als das wichtigste Transformationsereignis innerhalb einer Emanzipationsgeschichte der Frauen, insbesondere auf Grund der relativen politischen Emanzipation durch die Verleihung des Wahlrechts in vielen europäischen Staaten. Der kriegsbedingte weibliche Durchbruch auf dem Arbeitsmarkt in viele bislang typische Männerberufe galt als Ausweis eines epochalen sozialökonomischen Emanzipationsfortschritts. Doch diese Sichtweise ist längst einer gründlichen Relativierung und Differenzierung unterzogen worden.
Die epochalen emanzipatorischen Potenziale des Ersten Weltkriegs erscheinen demnach gegenüber den Fortschritten der nachfolgenden Friedensjahre deutlich geschmälert und relativiert. Gleichzeitig erlangten in der historischen Analyse die symbolischen Implikationen der Geschlechterverhältnisse größeres Gewicht:
Über die Auswirkungen dieser tiefen Krise mag man spekulieren.
Erfahrungsgeschichte
In erfahrungshistorischer Perspektive gilt die Veralltäglichung von symbolischer und praktischer Gewalt als wichtigstes Signum des Ersten Weltkrieges. Dabei wird immer wieder auf die massenhafte (männliche) Erfahrung von Gewalt und Tod an den Fronten verwiesen, aber auch auf den Einbruch kollektiver Gewalt in die Zivilgesellschaften der Nachkriegsjahre, die in Deutschland, in Russland, aber auch in Irland in den Bürgerkrieg führten oder wie in Italien zeitweise bürgerkriegsähnliche Zustände erlebten. Die kriegsbedingt teilweise unkontrollierte Proliferation von Waffen in der Bevölkerung begünstigte derartige Entwicklungen. Die offenbar gewordenen sozialen Gewaltpotenziale jener Jahre sind in der Tat erschreckend, etwa diejenigen der deutschen Freikorps in Bayern, im Ruhrgebiet oder im Baltikum, insbesondere aber auch die Gewaltexzesse im russischen Bürgerkrieg. Eine epochale und generelle Brutalisierung der europäischen Gesellschaften durch den Ersten Weltkrieg schien damit lange Zeit als ausgemacht und bildete einen festen Bestandteil der Vorstellung von der "Urkatastrophe" des Ersten Weltkriegs.
Neuere Forschungen laden aber auch hier zu Differenzierungen ein. Es scheint durchaus fraglich zu sein, inwiefern der Erste Weltkrieg wirklich eine epochale Zäsur markiert, denn längerfristige Perspektiven offenbaren Kontinuitäten der Entwicklung sozialer Gewaltkulturen über die Kriegszeit hinaus, die längst nicht überall auf eine kollektive "Brutalisierung" der europäischen Gesellschaften hindeuten.
Die bereits beschriebene "Kolonialisierung" von Feindbildkomplexen setzte sich nach Kriegsende innenpolitisch fort. In der nahtlos fortgesetzten deutschen Propaganda gegen die alliierte Besetzung des Rheinlandes etwa spielten nicht selten Versatzstücke des imperialen Rassismus der Vorkriegszeit eine zentrale Rolle. Afrikanische Truppen am Rhein waren in dieser Perspektive eine rassenbiologische Bedrohung, die den "europäischen Kulturboden" zu "verseuchen" drohte.
Das Resultat dieser ökonomischen, sozialen und symbolischen Krisenerfahrungen im Bereich sozialer Ordnungsvorstellungen war ein allgegenwärtiges Bewusstsein der Bedrohung gerade auch der Heimatgesellschaften durch Krieg und Zerstörung, Niederlage, Bürgerkrieg und ökonomische Zerrüttung. Das "lieb' Vaterland" konnte ganz offensichtlich nicht mehr "ruhig sein". Die kulturelle Antwort auf diese Erfahrungen ließ nicht auf sich warten, zumal bereits vor dem Krieg die Hochindustrialisierung soziale Transformationsprozesse in Gang gesetzt hatte, die - wenn auch in abgeschwächter Form - eine ähnliche Bedrohung der herkömmlichen Lebensweise darzustellen schienen. Der Erste Weltkrieg steht chronologisch inmitten einer Hochkonjunktur der "Heimat"-Ideologie, die einerseits gegenüber den ökonomischen und sozialen Trends der Hochindustrialisierung aus einer Defensivposition vor dem Verlust imaginierter kultureller und ökologischer Güter warnte, andererseits aber in utopischer Geste bei der Formulierung langfristiger sozialer und politischer Zukunftsmodelle Berücksichtigung fand.
Politische Kultur
Die politische Kultur in den kriegsteilnehmenden Staaten konnte von derartigen symbolischen Krisen nicht unberührt bleiben. Das Vertrauen in die Kompetenz und Autorität der politischen und militärischen Eliten war in allen kriegführenden Gesellschaften nach kurzer Zeit auf ein Minimum zusammengeschmolzen. Die Ursachen waren insbesondere die militärtaktische Praxis an der Front und die sich krisenhaft zuspitzenden Versorgungsfragen in den Heimatgesellschaften. Die andauernde Einfallslosigkeit und offensichtliche Geringschätzung von Tausenden Menschenleben durch die kommandierenden Generale an der Westfront beraubte die militärische Führung sehr schnell des Respekts ihrer Soldaten. Zwar blieb die offene Meuterei der französischen Soldaten bei Chemin-des-Dames im Mai 1917 eine Ausnahme, und die Disziplin hielt an der Westfront erstaunlich lange (während sie in der russischen Armee ab 1915 sukzessive zusammenbrach), doch die Institutionen des Militärs und der politischen Führung waren unter dem Eindruck des Krieges sehr schnell beschädigt. Ähnliches gilt für die Reaktion der Bevölkerung auf die Versorgungskrise. Der in Deutschland laut werdende Ruf nach einem "Versorgungsdiktator" wies einerseits auf das zerrüttete Vertrauen gegenüber den zuständigen Behörden hin und reflektierte andererseits auch das Verschwinden nationaler Integrationssymbole wie der Monarchie aus der Öffentlichkeit.
In diese Krise der politischen Kultur des Vertrauens mischten sich Stimmen des politischen Messianismus, die in der zweiten Kriegshälfte quer durch alle politischen Lager hindurch zu vernehmen waren und nicht wenig zur Popularität Hindenburgs weit über das Kriegsende hinaus beigetragen haben.
Einen weiteren und in seiner Bedeutung kaum zu überschätzenden Bestandteil der kriegsbedingten politischen Kultur stellte das öffentliche Gedenken und Trauern um die Kriegsopfer dar. Die neuere Forschung hat umfangreiche Beiträge zur Memorialkultur der Nachkriegszeit erarbeitet, die diese zentrale Rolle des Totengedenkens angemessen repräsentieren.
Die deutsche Erfahrung der Kontinuität des "Zeitalters der Weltkriege" ist auch deshalb im internationalen Vergleich zu relativieren, weil französische, britische und amerikanische Deutungen aus der Position der Sieger - wenigstens zunächst - stärker darauf abhoben, den Ersten Weltkrieg als welthistorische Zäsur zu begreifen, als einen war to end all wars, wie die britische und amerikanische Propaganda während des Krieges optimistisch in Aussicht gestellt hatte. Die Tatsache, dass in derZwischenkriegszeit eine solche Deutung in Deutschland niemals mehrheitsfähig werden konnte, gehört nicht nur zur tragischen Geschichte der westlichen Politik des "Appeasement", sondern zu derjenigen des 20. Jahrhunderts überhaupt. Eine historische Deutung, die den Ersten Weltkrieg als gleichsam "verhängnisvollen" Ausgangspunkt eines "Dreißigjährigen Krieges" begreift, schreibt - unter freilich umgekehrten normativen Vorzeichen - die spezifisch deutsche Unfähigkeit großer Teile der Gesellschaft fort, das Kriegsende von 1918/19 zu akzeptieren.
Fazit
Der Erste Weltkrieg forderte die Erfahrungswelten der Zeitgenossen zum ersten Mal massenhaft durch die Konsequenzen jener politischen und kulturellen Transformationen und Radikalisierungen heraus, deren Traditionen weit in das 19. Jahrhundert zurückreichen. Die verbreitete kollektive Zäsurerfahrung leitete sich dabei nicht so sehr aus einem epochalen Bruch seit 1914, sondern vielmehr aus der Tatsache her, dass die imperiale Aggressivität der europäischen Moderne zum ersten Mal von der geographischen und sozialen Peripherie in das bürgerliche europäische Zentrum zurückschlug und sich dabei ohne zu zögern und mit äußerster Konsequenz aller Instrumente und Methoden der industriellen Moderne bediente.
Insofern erscheint es sinnvoll, den Ersten Weltkrieg in die Kontinuität des "langen 19. Jahrhunderts" einzuordnen, so wie es die Gesamtdarstellungen Thomas Nipperdeys und Volker Ullrichs bereits getan haben.
Eine differenzierte Deutung und Periodisierung wird demgegenüber auf die engen Verbindungen des Ersten Weltkriegs mit längerfristigen Tendenzen des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts hinweisen. Der Krieg soll in seiner historischen Bedeutung damit nicht niedriger bewertet werden. Erst als Chiffre der zeitgenössischen "Krise der klassischen Moderne" (D. Peukert) erlangt er seine zutreffende Würdigung.