Anfang 2013 ging es mir, wie es den meisten heute noch geht: Man kommt vom Einkaufen, und schon ist der Mülleimer wieder randvoll und muss rausgebracht werden. Vielen Menschen fällt auf, dass die Verpackungsintensität stetig zunimmt und es immer schwieriger wird, sich dem zu entziehen. Mit meinem damals entstehenden ökologischen Bewusstsein fielen mir bald auch Paradoxien wie die einzeln eingeschweißte Bio-Gurke neben der losen konventionellen Gurke auf. Auflösen konnte ich für mich das Dilemma, als ich vor fünf Jahren zufällig auf den Begriff Zero Waste stieß. Für mich war dieser Zufall wie eine Offenbarung. Ich erfuhr, wie eine Familie in den USA es schafft, fast keinen Müll zu produzieren. Instinktiv war mir klar: Das ergibt Sinn, das will ich auch. Warum es tatsächlich nicht nur mein subjektives Gefühl war, sondern auch objektive handfeste Gründe dafür gibt, dass es sinnvoll ist, das eigene Müllaufkommen zu reduzieren, wurde mir erst im Laufe der Zeit klar. Und dass dieser Weg auch anderen möglich ist, dass häufig schon kleine Schritte helfen, wenn viele sie gehen, möchte ich im Folgenden zeigen.
Kunststoffe: Segen und Fluch
Deutschland ist ein sauberes und ordentliches Land, so glauben wir. Wer allerdings mal auf der Straße oder im Park alles aufhebt, was ihm oder ihr begegnet, wird schnell feststellen: So sauber ist es gar nicht. Überall liegen Flyer, Bonbonpapiere, Kronkorken, Zigarettenstummel, Kaffeebecher und sonstige Hinterlassenschaften herum, und das nicht nur in Bahnhofsnähe. Das betrifft selbst die angesehensten Stadtteile. Unser Müll landet also bei Weitem nicht immer im Mülleimer. Spätestens in der Nähe von Flüssen bekommt der Müll eine weitere Brisanz. Denn mit dem nächsten Hochwasser treiben die Abfälle langsam Richtung Meer. Und das erklärt, warum es mittlerweile mindestens fünf gigantische Müllstrudel in den Ozeanen gibt, in denen sich strömungsbedingt vor allem Plastikpartikel sammeln. Diese sind eine große Belastung für die Meerestiere, die sie mit Nahrung und mit Material für ihren Nestbau verwechseln. Die Tiere verhungern mit vollem Magen, weil sie nur Müll fressen, oder strangulieren sich selbst an herumschwimmenden Angelschnüren. Laut Greenpeace sterben so oder so ähnlich jährlich eine Million Seevögel und 100.000 Meeressäuger.
Kunststoff, dieser einzigartige Stoff, der unsere gesamte Produktwelt revolutionierte, wird so zum besonderen Problem. Durch ihre erstaunliche Haltbarkeit verschwinden Kunststoffe in der Umwelt nicht einfach. Je nach Material wird es schätzungsweise Jahrhunderte dauern, bis man wirklich von "biologisch abgebaut" sprechen kann. Was jedoch relativ rasch passiert, ist, dass Kunststoff durch Wind und Wetter in winzig kleine Partikel zerfällt, die für das menschliche Auge teilweise gar nicht mehr sichtbar sind: Mikroplastik. Und viele Plastiksorten enthalten nicht nur toxische Weichmacher, Farbstoffe oder Klebstoffe, ihre Molekularstruktur hat zudem die Eigenschaft, weitere Giftstoffe aus der Umgebung an sich zu binden. Wenn nun Kleinstlebewesen und Fische diese Teilchen fressen, lagern sie selbst die Schadstoffe in ihrem Fettgewebe ab. Mit dem Verzehr von Fisch gelangen diese dann auch in unsere Nahrungskette. Bin ich also auf der sicheren Seite, wenn ich vegan lebe? Leider nicht. Mikroplastik ist mittlerweile überall. Es ist ebenso im Meersalz zu finden wie in unserer Atemluft. Denn Mikroplastik gelangt auf ganz unterschiedliche Wege in die Umwelt: durch Kosmetikprodukte, den Abrieb von synthetischer Kleidung, Kunstrasen, Autoreifenabrieb oder Mähgeräte.
Die gesundheitlichen Folgen von Mikroplastik für den Menschen sind kaum abzusehen, da es bislang keine Langzeitstudien gibt. Inhaltsstoffe aus Kunststoffen wie Weichmacher sind wiederum leicht in unserem Blut nachzuweisen. Der bekannteste Weichmacher, Bisphenol A, darf seit 2011 nicht mehr in Babyflaschen verwendet werden, weil er als krebserregend gilt. Welche Folgen andere Weichmacher haben, ist wenig bekannt. Aber sie sind unter anderem als mögliche Ursache für den "Kreidezahn" im Gespräch – eine Erkrankung, von der etwa jedes zehnte Kind in Deutschland betroffen ist, bei der einzelne Zähne deutlich weicher sind als andere und schon beschädigt aus dem Kiefer herauswachsen. Auch wenn der Zusammenhang wissenschaftlich noch nicht erwiesen ist, besteht doch Grund zur Beunruhigung, was Motivation genug ist, den Kontakt mit solchen Stoffen auf ein Minimum zu reduzieren.
Eine weitere Mär, die gerade in Deutschland weit verbreitet ist, ist, dass all unsere Abfälle recycelt werden. In die Recyclingquote wird jedoch häufig auch das energetische Recycling eingerechnet, also die Energiegewinnung durch Verbrennen. Der Anteil des stofflichen Recyclings, bei dem der Rohstoff am Ende wieder nutzbar gemacht wird, liegt für Kunststoff laut Greenpeace bei gerade mal 25 Prozent. Energie aus Müll klingt erst mal toll. Aber erstens ist nicht nur der Wirkungsgrad äußerst gering, weil ja bereits Energie in die Produktion der Materialien gesteckt wurde, und zweitens sind die verwendeten Rohstoffe mit der Verbrennung für immer verloren. Viele dieser Rohstoffe sind nur begrenzt verfügbar, werden unter umweltschädlichen Bedingungen gewonnen und führen aufgrund ihrer Knappheit schon jetzt zu immer mehr Konflikten. Sie einfach zu verbrennen, ist also nicht nur verschwenderisch, sondern schlichtweg dumm. Übrig bleiben nur Rückstände, die durch Schwachstellen in Partikelfiltern in die Luft gelangen, hochtoxische Asche, die deponiert werden muss, sowie jede Menge CO2, das in die Atmosphäre entweicht und unser Klima verändert.
All dies macht meine Motivation aus, Tag für Tag den Weg von Zero Waste weiterzugehen: Ich möchte nicht, dass es mir passiert, dass ich "aus Versehen" Müll in meiner Umwelt verliere; ich möchte mich und meine Familie deutlich weniger bedenklichen Stoffen aussetzen; und schließlich möchte ich achtsam mit den wertvollen Ressourcen unseres Planeten umgehen. Aber wie lässt sich in unserer Gesellschaft möglichst müllfrei leben?
Einkaufen ohne Verpackungen
Verpackungsmüll ist die Sorte Müll, an die man immer zuerst denkt. Um ihn zu vermeiden, muss man häufig komplett umdenken und eventuell auch seinen Einkauf umorganisieren. Um unverpacktes Obst und Gemüse einzukaufen, besucht man am besten einen Wochenmarkt oder Bioladen. Anstatt auf die üblichen dünnen Plastik- oder Papiertüten zurückzugreifen, gehören zu einer Zero-Waste-Einkaufsausstattung eine Handvoll Stoffsäckchen. An sie zu denken und gut vorbereitet loszugehen, ist letztlich eine Frage der Gewohnheit, aber sicher kein Ding der Unmöglichkeit. Viele handelsübliche Stoffsäckchen haben das Gewicht auf dem Beutel vermerkt. Manche Kassen können es abziehen, andere arbeiten mit Standardgewichten. Mir ist es die Müllersparnis wert, möglicherweise ein paar Gramm mehr zu bezahlen.
Andere gute Alternativen zum regulären Einkauf sind Biokisten oder das Engagement in Solidarischen Landwirtschaften, bei denen sich landwirtschaftliche Betriebe mit Verbraucherinnen und Verbrauchern zusammenschließen. Hier wird nicht nur die Verpackung reduziert, sondern auch die vielerorts verbreitete Lebensmittelverschwendung. Mittlerweile lässt sich auch an immer mehr Käsetheken der Käse in mitgebrachten Dosen und ohne weitere Verpackung mit nach Hause nehmen. Eierkartons dürfen zwar im Laden nicht abgegeben werden, sie können aber mitgebracht und für den eigenen Einkauf immer wieder befüllt werden. Viele Milchprodukte gibt es in Bioläden in Mehrweggläsern, genauso wie Säfte, Wein und Apfelessig.
Trockene Ware lose zu bekommen, ist ungemein schwieriger. Selbst im klassischen Bioladen ist alles verpackt. Deshalb entstehen weltweit immer mehr spezielle Unverpackt-Läden, die genau diese Lebensmittel auch lose anbieten. Das funktioniert hygienisch einwandfrei, zum Beispiel über sogenannte Gravitationsspender. Der Reis wird von oben eingefüllt und rieselt mit einem Hebel dosierbar unten heraus in das mitgebrachte Gefäß. Auch hier ist ein Stoffsäckchen das ideale Transportmittel für Reis, Nudeln, Nüsse, Getreide, Müsli und Hülsenfrüchte. Zu Hause können die Lebensmittel in Drahtbügel- oder Schraubgläsern sicher aufbewahrt werden. Wer so einen Laden in der Nähe hat, kann seinen Verpackungsmüll schlagartig reduzieren. Bisher ist die Zahl in Deutschland mit rund hundert Geschäften noch überschaubar. Es eröffnen aber immer mehr, sodass auch der kürzlich gegründete Verband der Unverpackt-Läden (Unverpackt e.V.) stetig neue Mitglieder aufweist.
Auch wer keinen speziellen Laden in der Nähe hat, dem bleiben genügend Strategien zur Müllreduktion. Eine besteht in der Vermeidung von Wegwerfprodukten. Müllvermeider drehen quasi die Zeit zurück und schauen sich an, was früher verwendet wurde: Stofftaschentuch und Stoffserviette ziehen wieder ein. Der gute alte Lappen ersetzt die Küchenrolle, das Butterbrot kommt in eine Dose. Frischhaltefolie und Alufolie werden überflüssig, wenn man Schüsseln mit Tellern abdeckt oder Frischhaltedosen nutzt. Der Rasierhobel von Opa wird belebt und rasiert erstaunlich sicher, Männlein wie Weiblein, an jeder Körperstelle. Es gibt aber auch neue Produktideen, die dauerhaft halten. Eine Menstruationstasse wird statt Tampon verwendet und ist zudem auch gesünder. Hygienebrausen könnten zum Beispiel das Toilettenpapier vollständig ersetzen. Es gibt sie zum Anschluss an einen Kaltwasserzulauf im Bad, aber auch als mobile Variante mit nachfüllbarem Wasserbehälter. Und statt Geschenkpapier sind Furoshikitücher aus Stoff eine wunderschöne Möglichkeit, Geschenke zu verpacken.
Auf dem Einweg-Holzweg
Die zunehmende Vermüllung der Weltmeere ist auch auf der Agenda der EU-Kommission angekommen. So hat sie im Mai 2018 ein Verbot von bestimmten Einwegprodukten aus Kunststoff vorgeschlagen, die häufig als Müll an Strände gespült werden – etwa Wattestäbchen und Plastikbesteck. Die Nutzung von Einwegprodukten an sich wurde leider mit keinem Wort erwähnt. Auf Papiertüten umzusteigen und Einweggeschirr aus Pappe statt aus Kunststoff zu verwenden, hat aber nur dann einen Vorteil, wenn man vorhat, die Überreste in der Umwelt liegen zu lassen. Und das würde sicherlich niemand empfehlen. Was nämlich leicht übersehen wird, ist der Prozess, der notwendig ist, um diese Dinge herzustellen. Auch wenn sie nicht aus Kunststoff bestehen, sind für ihre Produktion Ressourcen, Energie, Wasser und Chemikalien notwendig, und ihr Vertrieb erfordert immer einen mehr oder weniger großen Transportaufwand. Je kürzer die Lebensdauer eines Produktes ist, desto kritischer ist dessen Existenz – egal, aus welchem Material es besteht.
Ein besonderer Dorn im Auge eines Müllvermeiders ist der Coffee-to-go-Becher. Dieser wird standardmäßig im Einwegbecher (aus Papier und Kunststoff) mit Plastikdeckel serviert. Nach einer geschätzten Lebensdauer von gerade einmal zehn Minuten ist der Kaffee getrunken, und der Becher landet – wie viele Tausend andere seiner Art – im Müll. Hier bekommt der englische Begriff Zero Waste seinen doppeldeutigen Charme, denn waste bedeutet nicht nur Müll, sondern auch Verschwendung. Ist es nicht schlichtweg Verschwendung, ein Produkt zu produzieren, um es nach zehn Minuten zu entsorgen?
Um auf die über 600 Kilogramm Müll zu kommen, die wir in Deutschland im Schnitt pro Kopf und Jahr hinterlassen, reichen Verpackungen und Einwegprodukte nicht aus. Der ganz große Müllberg fällt tatsächlich an anderen Stellen an. Denn zu Müll wird letztlich alles, was wir nutzen: Wir alle tragen Kleidung, brauchen Möbel und fahren Auto oder Fahrrad, und selbst das dauerhafteste Produkt geht irgendwann kaputt oder wird aussortiert. Und so landen sämtliche Dinge, die wir mal gekauft haben, schließlich im Mülleimer oder auf dem Schrottplatz. Hier wird klar: Keinen Müll kann es in unserer Gesellschaft nicht geben. Was es aber geben kann, ist deutlich weniger Müll. Und es macht einen Unterschied, ob wir etwas wegschmeißen, weil es kaputt ist, oder weil es out ist. Genauso wie es einen Unterschied macht, ob unsere Kleidung ein Jahr hält oder zehn. Denn je mehr wir kaufen, desto mehr landet meist auch auf dem Müll. Wir schaffen es vielleicht nicht auf null zu kommen, aber den Müllberg um 80 Prozent zu reduzieren, ist kein Problem.
An dieser Stelle wird deutlich: Müll zu produzieren, ist ein Luxus, den sich vor allem reiche Industrieländer leisten können. Deutschland steht im EU-Vergleich an zweiter Stelle der größten Müllproduzenten, Polen und Rumänien etwa kommen nur auf fast die Hälfte. Der Zusammenhang vom Bruttoinlandsprodukt zum Müllaufkommen ist proportional: Je mehr Geld ein Haushalt hat, desto mehr kauft er, desto mehr schmeißt er weg. Deshalb ist Zero Waste auch kein Luxusspaß für Besserverdiener. Klar ist es teuer, im Bioladen statt im Discounter einzukaufen, und auch ein Unverpackt-Laden ist in der Regel kostenintensiver. Ein Zero-Waste-Haushalt spart aber so viel Geld ein, weil andere Konsumartikel deutlich seltener und meist gebraucht gekauft werden, dass es keine finanzielle Frage mehr ist, gute Biolebensmittel einzukaufen.
Reduce, Reuse, Recycle
Aus dem Wissen um die Verschwendung unserer Ressourcen hat sich folgender Handlungsgrundsatz international etabliert: reduce, reuse, recycle. Dieser Dreiklang ist nicht mehr nur ein Insider für Zero-Waste-Anhänger, sondern findet sich in immer mehr Zusammenhängen rund um das Thema Nachhaltigkeit, weil er schlichtweg so simpel, sinnvoll und einleuchtend ist.
Reduce, also reduzieren, steht an oberster Stelle. Es geht um die Reduzierung von allem – unserer verbrauchten Güter, unserer Energie, unserer Ressourcen, in welcher Form auch immer. Seien es Konsumgüter, Lebensmittel oder Energie in Reinform: Selbst die Produktion von fair erzeugter Bio-Baumwolle, von Bio-Lebensmitteln und von Elektroautos benötigt Ressourcen, die nur in begrenztem Maße verfügbar sind. Auch ein Umstieg auf 100 Prozent erneuerbare Energien wird nur dann möglich sein, wenn wir unseren Energiebedarf insgesamt reduzieren. Für mich als Endverbraucherin bedeutet das, weniger zu konsumieren, nur das zu kaufen, was ich wirklich brauche, und auch nur die Dinge zu verschenken, die jemand anderes wirklich braucht. Und es bedeutet, lieber dauerhafte Dinge als Wegwerfprodukte zu nutzen.
Reuse, also wiederverwenden, ist vor allem ein Aufruf dazu, all das zu nutzen, was schon da ist, bevor man neue Sachen kauft. Dies bedeutet einerseits, die eigenen gebrauchten Dinge möglichst an andere weiterzugeben, und andererseits, auch selbst auf Secondhand- oder Flohmärkten, in speziellen Geschäften und im Internet gebraucht zu kaufen. Durch das gezielte Auswählen von gebrauchten Artikeln wird ihre Nutzungsdauer verlängert und ihre Nutzungsintensität erhöht – folglich muss weniger neu produziert werden. Reuse umfasst aber auch repair, also das Reparieren defekter Dinge, das Stopfen von Socken und das Flicken von Reifen, nicht aus Geiz, sondern aus Sinnhaftigkeit. Dabei behilflich sind immer mehr Repair-Cafés oder zahlreiche Bauanleitungen im Internet. Nähkurse können das beibringen, was wir von unseren Eltern schon oft nicht mehr gelernt haben. Dass Dinge heute viel schneller kaputt gehen – von manchen Herstellern offenbar bewusst in Kauf genommen oder gar eingeplant –, fällt jedem auf, der mittleren Alters ist und es noch anders kannte. Auch die Reparaturfähigkeit wird von vielen Produzenten oft bewusst verhindert, oder Akkus werden fest eingebaut, sodass sie nicht ausgetauscht werden können. Um Dinge wirklich reparieren zu können, ist es wichtig, schon beim Kauf daran zu denken. Das kostet anfangs zwar mehr, zahlt sich aber aus.
Recycle, also wiederverwerten, bedeutet, verwendete Stoffe einer Aufbereitung zuzuführen, sodass sie erneut genutzt werden können. Zwar sind die Reduzierung und die Weiternutzung ökologisch immer vorteilhafter und stehen deshalb auch in ihrer Wertigkeit klar an vorderer Stelle. Aber ist die Lebensdauer eines Gegenstandes erreicht und fällt Müll an, ist es umso wichtiger, durch die richtige Entsorgung einen Recyclingprozess zu ermöglichen, der einen Verlust der Rohstoffe vermeidet. Deshalb ergibt es durchaus Sinn, den Müll und vorab seine einzelnen Bestandteile zu trennen, zum Beispiel Alu-Deckel von Papp-Joghurtbechern zu lösen, bevor man sie wegwirft. Auch andere Stoffe und Dinge wie Kork, Batterien, Handys, Kronkorken und sogar Zigarettenstummel sind getrennt gesammelt wahre Wertstoffe. Auch die Kompostierung ist eine Form des Recyclings, die aus Abfall wertvolle Pflanzenerde macht. Mindestens eine Biotonne sollte also in jedem Haushalt verfügbar sein, der nicht selber kompostiert. Wer in seinem Mehrfamilienhaus auch auf mehrfaches Drängen erfolglos bleibt, kann zu Hause einen Teil selbst in einer Wurmkiste kompostieren.
Die Recyclingfähigkeit vieler Gegenstände hält sich heute allerdings in Grenzen. Bauteile sind häufig so miteinander verbunden oder verklebt, dass die einzelnen Stoffe nicht voneinander getrennt werden können oder ihre Trennung schlicht (noch) nicht wirtschaftlich ist. Eine wirkliche Kreislaufwirtschaft sollte den Anspruch haben, dass schon im Design der Produkte mitgedacht wird, wie man sie vollständig auseinandernehmen, trennen und zu neuen Produkten wiederverarbeiten oder eben einzelne Bausteine austauschen und reparieren kann. Da die Ressourcen unseres Planeten nicht mehr werden, ist es nur sinnvoll, sich eher früher als später von neuen Rohstoffen unabhängig zu machen und die Wirtschaft dahingehend zu lenken, dass die bestehenden so gut es geht im Kreislauf gehalten werden.
Handeln
Der aufmerksame und politisch interessierte Leser mag bei diesen Zeilen vielleicht nervös werden. Ich verfolge mit meinem Engagement eher das Gegenteil von dem, was unsere Politik uns als Hausaufgabe aufgibt. Genau das, was ich mir wünsche, ist politisch nämlich nicht erwünscht: weniger Produktion. Wird weniger produziert, reduziert das auch das Wirtschaftswachstum. Der Konflikt liegt somit auf der Hand: Denn unsere gesellschaftlichen Zusammenhänge sind vollständig von Wachstum abhängig – unsere Arbeitsplätze, unser Finanzwesen, schlichtweg die gesamte industrialisierte Welt, wie wir sie uns geschaffen haben. Der Konflikt besteht aber so oder so, mit oder ohne Müllvermeider. Denn ein grenzenloses Wachstum ist auf unserem begrenzten Planeten schlichtweg nicht möglich. Es wird Zeit, diese Erkenntnis auch in politische Entscheidungen einfließen zu lassen und sich intensiv damit zu beschäftigen, wie eine Wirtschaft ohne Wachstum aussehen könnte. Je eher wir das akzeptieren, desto größer ist unser Handlungsspielraum, diese Zukunft mitzugestalten.
Zero Waste zu leben, ist für Otto-Normal-Verbraucher teilweise unvorstellbar. Die Einstiegshürde ist oft so hoch, dass Augen und Ohren lieber zugehalten werden. Deshalb möchte ich ein paar einfache Tipps teilen, mit denen jede und jeder einen leichten Einstieg in die Thematik schaffen kann. Wichtig ist, auf seine eigenen Bedürfnisse zu schauen und nicht damit anzufangen, was einem schwerfällt. Ganz im Gegenteil: Jeder wird bei genauem Hinsehen Bereiche finden, in denen es für ihn oder sie leicht ist, Müll zu vermeiden. Wer genau an solchen Stellen anfängt, erlebt schnell Erfolgserlebnisse, kann quasi dabei zugucken, wie der Hausmüll schrumpft. Das motiviert, um dran zu bleiben.
Eiscreme. In der Eisdiele ist die Entscheidung leicht. Hörnchen oder Becher? Mit dem Hörnchen fällt nicht nur der Pappbecher, sondern auch der Löffel weg.
Wasser. Leitungswasser kann in Deutschland vollkommen ohne Bedenken getrunken werden. Das spart nicht nur Plastikflaschen, sondern auch jede Menge Schlepperei und Geld. Mit einem Sprudelgerät für zu Hause ist auch Sprudelwasser aus dem Hahn möglich. Für Unterwegs ist eine Trinkflasche eine gute Begleiterin. Mit den bundesweit verbreiteten Refill-Aufklebern signalisieren immer mehr Läden, Restaurants, Cafés und Kioske, dass bei ihnen ein Auffüllen der Wasserflasche willkommen ist.
Fest statt Flüssig. Kosmetikprodukte in flüssiger Form müssen verpackt werden. Das Angebot von fester Kosmetik wird immer größer – Haarseifen, Shampoobits, Haarspülung, Bodylotion, Deosticks und Zahnpulver ermöglichen, auf Verpackung weitestgehend zu verzichten und reduzieren den Transportaufwand, weil kaum Wasser enthalten ist.
Stoffsäckchen. Das Einkaufssäckchen ist das wichtigste Accessoire eines Müllvermeiders. In einem Stoffsäckchen lassen sich nicht nur Obst und Gemüse transportieren. Wer eine Kaffeerösterei in der Umgebung hat, kann dort lose Kaffeebohnen holen und sie zu Hause frisch mahlen. Besonders nützlich ist das Säckchen auch beim morgendlichen Gang zum Bäcker. Brot und Brötchen können an jeder Bäckertheke lose in das Säckchen hineingelegt werden. Das spart zwar nur eine Papiertüte, aber die unnötigste Papiertüte der Welt.
To stay statt to go. Wer sein Essen vor Ort konsumiert, statt es einpacken zu lassen, spart jede Menge Verpackungsmüll ein. Da die Portionen oft größer sind als der Magen, habe ich gerne eine dicht schließende Frischhaltedose dabei, wenn wir auswärts essen gehen.
Frisch Kochen. Fertiggerichte und Halbfertiggerichte (zum Beispiel Pizzateig) füllen die Mülltonnen im Nu. Selbst zu kochen, ist für viele mittlerweile eine Herausforderung geworden. Tatsächlich ist es reine Übungssache. Und je mehr man kann, desto mehr Freude macht es und desto schneller steht das frische Essen auf dem Tisch. Auch Eingemachtes wie Senf, Marmelade und Apfelmus lässt sich leicht selbst machen. Wer schon mal frische Nudeln probiert hat, weiß: Die Arbeit ist es wert.