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Die Rolle der UNO und des Sicherheitsrates im Irakkonflikt | Irak | bpb.de

Irak Editorial Eine neue Ordnung im Nahen Osten - Chance oder Chimäre? Deutschland, Europa und der Irakkonflikt Unilateral oder multilateral? Motive der amerikanischen Irakpolitik Medien und öffentliche Meinung im Irakkrieg Die Rolle der UNO und des Sicherheitsrates im Irakkonflikt Die politischen Kräfte im Irak nach dem Regimewechsel Neubeginn oder "neue Katastrophe"? Auswirkungen des Irakkrieges auf die arabischen Nachbarstaaten

Die Rolle der UNO und des Sicherheitsrates im Irakkonflikt

Norman Paech

/ 29 Minuten zu lesen

Hat die weit verbreitete Kritik an der Erfolglosigkeit, Ineffektivität und Schwäche der UNO sich im Irakkonflikt bewahrheitet?

Einleitung

Wie eine "self-fulfilling prophecy" scheint sich die Kritik an der UNO und ihrer mangelnden Effektivität mit dem Angriff auf Bagdad bewahrheitet zu haben. Da die US-Administration unter allen Umständen zur militärischen Beseitigung des Regimes in Bagdad entschlossen war, worüber sie nie einen Zweifel hat aufkommen lassen, hatte der UN-Sicherheitsrat ohnehin nur die Chance der Verzögerung, aber nie der Verhinderung dieses einseitigen Krieges. Nach dieser Niederlage wird umso deutlicher, dass der Sicherheitsrat nur deswegen von den USA so lange als Forum und Bühne des Ringens um eine ermächtigende Resolution benutzt bzw. geduldet wurde, um ihre relative Isolation in der Kriegsfrage zu durchbrechen und die Legitimation für ihr einseitiges Vorgehen zu erweitern. Sie erreichte allerdings das Gegenteil: Je mehr der Sicherheitsrat zum Forum der Berichte der Inspektoren wurde, je mehr die verschiedenen Resolutionsentwürfe die Beratungen verlängerten und die USA den Druck auf die Mitglieder des Sicherheitsrats erhöhten, desto einsamer wurde ihre Position der absoluten Kriegslösung.


Hauptziel und -funktion des UN-Sicherheitsrates ist die Sicherung das Friedens, was ihm trotz Veto nicht gelang. In der Interpretation der US-Administration allerdings versäumte er seine Aufgabe gerade dadurch, dass er den Krieg nicht legitimierte, der in ihrer paradoxen Logik der alleinige Garant eines zukünftigen Friedens im Mittleren Osten sein soll. Von welcher Seite man den Sicherheitsrat auch betrachtet, von dem Standpunkt einer friedlichen und politischen oder einer militärischen Lösung des Irakkonfliktes, er hat im Ergebnis in jedem Fall versagt. US-Präsident George W. Bush und Außenminister Colin Powell hatten der UNO für diesen Fall wiederholt mit ihrer Bedeutungslosigkeit gedroht und damit die US-amerikanische Absicht der weitgehenden Trennung und Unabhängigkeit ihres politischen Handelns von multilateralen Bindungen und Beschränkungen unterstrichen. Nun stellt sich definitiv die Frage, ob damit das endgültige Urteil über die UNO und ihre Hauptinstitutionen gesprochen worden ist und sie das gleiche Schicksal ereilt wie seinerzeit den Völkerbund - allerdings in der pikanten Variante, dass in den zwanziger Jahren die faschistischen Achsenmächte Spanien, Italien, Japan und Deutschland Schritt für Schritt das kollektive Sicherheitssystem bis zum Kollaps unterminierten, nun aber die einstigen antifaschistischen Alliierten USA und Großbritannien dafür die Verantwortung tragen. Ist der Widerstand des "alten Europas" vergeblich gewesen, und hat es sich mit dem Zusammenbruch des UNO-Systems in Zukunft abzufinden?

I. Die UNO am Beginn des Irakkonfliktes

Wir müssen zu dem Ausgangspunkt des gegenwärtigen Konfliktes zurückgehen, um diese Frage beantworten zu können. Damals im Sommer 1990, als der Irak Kuwait überfiel und annektieren wollte, schien die Welt der UNO noch in Ordnung. Der Sicherheitsrat reagierte sofort. Er verurteilte die irakische Invasion mit seiner Resolution 660 am 2. August 1990, stellte nach Art. 39 UNO-Charta eine Verletzung des internationalen Friedens fest, verlangte unter Berufung auf Art. 40 UNO-Charta den sofortigen Rückzug der irakischen Truppen aus Kuwait und forderte beide Staaten zur friedlichen Beilegung ihrer Streitigkeiten auf. Als der Irak dieser Forderung nicht nachkam, griff der Sicherheitsrat am 6. August 1990 zum nächstschärferen Mittel und verhängte mit der Resolution 661 (1990) unter Berufung auf Art. 41 UNO-Charta ein totales Wirtschaftsembargo gegen den Irak, um ihn zum Rückzug seiner Truppen und zur Respektierung der Souveränität Kuwaits zu zwingen. Wenig später verfügte der Sicherheitsrat mit seiner Resolution 665 (1990) sogar die Durchsetzung des Embargos mit militärischen Mitteln der Marine, wobei man darüber hinweg sah, ob diese Maßnahme nicht eventuell schon als militärische Sanktion in den Rahmen des Art. 42 UNO-Charta gehörte.

Von diesem Embargo waren praktisch nur medizinische Artikel ausgenommen sowie Lebensmittel, wenn aus humanitären Gründen erforderlich. Darüber hatte ein Sanktionskomitee zu entscheiden, welches zur Überwachung des Embargos eingesetzt worden war und noch heute faktisch über die Versorgung der irakischen Bevölkerung bestimmt. Obwohl das Embargo nahezu vollständig eingehalten wurde, drängten die USA auf eine militärische Verschärfung der Sanktionen, was sie am 27. November 1990 mit der Resolution 678 erreichten. Die Frist war zweifellos zu kurz, um die Wirksamkeit des Embargos einschätzen zu können. Aber der Sicherheitsrat ist in dieser Einschätzung autonom, und auch der massive Druck, der von den USA auf einige Länder mit oder auch ohne Erfolg (Jemen, Kuba) ausgeübt worden ist, hat keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit einer Resolution, wenn sich ihre Aussage nur im Rahmen der Art. 39ff. des VII. Kapitels der UNO-Charta bewegt.

Die Resolution ermächtigte die UN-Mitgliedstaaten, "für den Fall, dass Irak die oben genannten Resolutionen (660ff.) bis zum 15. Januar 1991 nicht (...) vollständig durchführt, alle erforderlichen Mittel einzusetzen, um der Resolution 660 (1990) und allen dazu später verabschiedeten Resolutionen Geltung zu verschaffen und sie durchzuführen und den Weltfrieden und die internationale Sicherheit in dem Gebiet wiederherzustellen". Dieses war die erste ausdrückliche Ermächtigung zu militärischen Sanktionen seit dem Koreakrieg und wiederum nicht so unproblematisch wie gemeinhin unterstellt. Denn sie beugte sich dem Druck der USA und verzichtete auf jegliche Aufsicht und Kontrolle der unter dem Kommando der USA handelnden Militärallianz durch den Sicherheitsrat, wie sie Art. 43ff. UNO-Charta eigentlich vorsehen. Überliefert ist der Satz des damaligen UN-Generalsekretärs Perez de Cuellar, den er am ersten Tag der Luftangriffe auf Bagdad äußerte: "Dies ist eine Niederlage der Vereinten Nationen." Er schien zu ahnen, was sich in den nächsten 42 Tagen der Bombardierungen an zivilen Opfern, Zerstörungen ziviler Einrichtungen bis hin zu Kriegsverbrechen seitens der US-amerikanischen Truppen unter den Augen der UNO abspielte - ohne eine Möglichkeit einzugreifen.

Dennoch, das Ziel, die Wiederherstellung der uneingeschränkten Souveränität Kuwaits, wurde erreicht. Als am 2. März 1991 der UNO-Sicherheitsrat mit der Resolution 686 (1990) das Ende der Militäraktionen und die Bedingungen des Waffenstillstandes feststellte, war der Irak nach den Worten des UNO-Beauftragten Ahtisaari in ein "vorindustrielles Zeitalter" zurückgebombt und "die meisten Mittel moderner Lebenshaltung zerstört oder geschwächt worden". Mit der Annahme dieser Resolution durch den Irak war das Ziel der militärischen Intervention, die Durchsetzung der Resolution 660, erreicht. Damit war der Grund für das umfassende Handelsembargo der Resolution 661 entfallen, und es hätte aufgehoben werden müssen. Allein Maßnahmen der Wiedergutmachung, der Abrüstungskontrolle und eines Waffenembargos wären zur Sicherung des Friedens und der Verhinderung einer neuen Aggression noch gerechtfertigt gewesen.

II. Ein problematisches Sanktionssystem

Doch die schon vorher in den USA entwickelten Pläne zur Beherrschung der zentralen Ölregion erforderten weitergehende Maßnahmen. Präsident George Bush sen. war wiederholt kritisiert worden, dass er nicht im Anschluss an die Vertreibung der irakischen Truppen aus Kuwait den Angriff auf Bagdad und die Beseitigung Saddam Husseins befohlen habe. Der Oberkommandierende Norman Schwarzkopf hat später zu verstehen gegeben, dass man dazu vorbereitet und in der Lage gewesen wäre. Abgesehen davon, dass dieser Schritt in keiner Weise von der Resolution 678 gedeckt gewesen wäre, hatte die US-Administration aber offensichtlich auf interne Kräfte des Umsturzes gesetzt und später Saddam Hussein als Garanten der Stabilität und gegen die befürchtete Desintegration der ganzen Region geschont. Und so etablierte man mit der Resolution 687 vom 3. April 1991, die die endgültige Einstellung der Kampfhandlungen verkündete und keinerlei Vollmacht für militärische Gewalt mehr enthielt, ein System der Kontrollen, Überwachung und ökonomischen Sanktionen, das praktisch das gesamte wirtschaftliche Leben einem protektoratsähnlichen Regime unterwarf.

Die Resolution ist überwiegend von den USA formuliert worden und enthält einen Diktatfrieden, der in diesem Umfang und der Härte der Bedingungen nach bis dahin keinem Land nach 1945 zugemutet worden ist. Sie enthielt nicht nur die Fortsetzung des Waffenembargos und umfassende Abrüstungs- und Demobilisierungsmaßnahmen (Abschnitt C Abs. 7 ff.), sondern auch die Aufrechterhaltung der im August 1990 durch die Resolution 660 verhängten Wirtschaftssanktionen, die trotz mehrfacher Anträge seitens des Iraks vom Sanktionsausschuss des Sicherheitsrates nicht gelockert wurden (Abschnitt F Abs. 20ff.). Hinzu kamen umfangreiche Rückgabe-, Restitutions- und Reparationspflichten. Sind die militärischen Embargo- und Abrüstungsmaßnahmen sowie die Reparationspflichten aus der vorangegangenen völkerrechtswidrigen Aggression und der Friedenssicherungsaufgabe des VII. Kapitels zu begründen, so fehlt es jedoch an einer juristischen Grundlage für die Fortdauer der ökonomischen Sanktionen. Ahtisaari hatte in seinem Bericht die Aufhebung der Sanktionen empfohlen, da sie ganz offensichtlich allein die irakische Bevölkerung trafen. Bei den Beratungen der Resolution hatten sich insbesondere Indien und Zimbabwe neben Kuba, Ecuador und Jemen für die Aufhebung der nichtmilitärischen Sanktionen ausgesprochen. Doch bestanden die USA nicht nur auf ihrer Fortdauer, sondern knüpften ihre Lockerung oder Aufhebung an ein Genehmigungsverfahren, das sie jeweils mit ihrem Veto blockieren konnten.

Was ursprünglich als Druckmittel zur Durchsetzung des irakischen Rückzugs aus Kuwait (Res. 660, 661) konzipiert war und seine rechtliche Grundlage in den Art. 39 und 41 UNO-Charta fand, mutierte mit der Resolution 687 im April 1991 nach Einstellung der Kämpfe zum Hebel und Druckinstrument für zweifelhafte Ziele. Jede Einfuhr lebenswichtiger Lebensmittel und Medikamente, aber auch jedes Ersatzteil für die Wasser- und Stromversorgung oder das Transportsystem hing seitdem von der Zustimmung des Sanktionskomitees ab, das durch die weitgehende Verweigerung (z.B. mit dem sog. dual-use-Argument) nicht nur den Wiederaufbau der Wirtschaft, sondern auch des einstmals hoch entwickelten und leistungsfähigen medizinischen Systems verhindern konnte. Dieser Zustand änderte sich auch nicht durch das sog. Oil-for-Food-Programm, welches mit den Resolutionen 705 (1991) und 706 (1991) vom 15. August 1991 eingerichtet wurde. Im Wesentlichen sollten die auf ein Sperrkonto der UN eingehenden Exporterlöse für Reparationen und die Finanzierung der verschiedenen UN-Überwachungs- und Genehmigungsaktivitäten verwandt werden. Selbst wenn sich der Anteil für die humanitäre Versorgung der Bevölkerung im Laufe der Jahre erhöhte, die fortschreitende Verelendung und Mangelwirtschaft wurden damit nicht behoben, sondern haben vielmehr das Ausmaß einer humanitären Katastrophe angenommen.

III. Vom "Save Haven" für die Kurden zur "Operation Wüstenfuchs" gegen Bagdad

Ein neues Kapitel hingegen schlug der UN-Sicherheitsrat mit seiner Resolution 688 vom 5. April 1991 auf, mit der er die Souveränität des Irak im Norden drastisch beschränkte und den gefährdeten Kurden einen sog. Save Haven einrichtete, der nur für durch die UNO autorisierte Hilfsorganisationen zugänglich sein sollte. Diese Resolution könnte durchaus epochemachende Wirkung haben, da sie zum ersten Mal die interne Situation eines Staates zum Anlass nahm, das absolute Prinzip der Nichteinmischung in interne Angelegenheiten eines Staates gem. Art. 2 Z. 7 UNO-Charta zu durchbrechen. Die irakische Regierung hatte die Rebellion des kurdischen Volkes nach dem Ende des Golfkrieges trotz ihrer vernichtenden Niederlage blutig niederschlagen können und eine gewaltige Flüchtlingstragödie erzeugt, in der fast die Hälfte der im Nordirak lebenden Kurden in die Nachbarländer floh. Dies war in der Tat eine humanitäre Katastrophe, die von den Staaten im Sicherheitsrat als eine Gefährdung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit i.S. von Art. 39 UNO-Charta angesehen wurde. Daher eröffneten sie das Sanktionsrepertoire der Art. 40 bis 42 UNO-Charta. Der Sicherheitsrat hatte damit zum ersten Mal eine "humanitäre Intervention" in Reaktion auf innere Unruhen und Bürgerkrieg praktiziert und den Weg gewiesen, auch in anderen Fällen interner humanitärer Katastrophen (Kampuchea, Ruanda, Jugoslawien/Kosovo) wirksam eingreifen zu können.

Doch waren die Staaten in diesen Fällen zu ähnlichem gemeinsamem Vorgehen nicht bereit. Sie blieben auch beim Schutz der Kurden inkonsequent. Sie hatten zwar in der Präambel der Resolution 688 alle Staaten nachdrücklich an die Verpflichtung erinnert, "die Souveränität, territoriale Integrität und politische Unabhängigkeit Iraks" zu beachten, sie zeigten aber keine Reaktionen, als in den Folgejahren die Türkei wiederholt mit ihrem Militär die Grenze zum Nordirak überschritt, in den kurdischen Siedlungsgebieten intervenierte und sich dort seit Oktober 1997 schließlich militärisch fest installierte. Auch die anschließend von den USA, Großbritannien und Frankreich zum Schutz der Kurden im Norden und der Schiiten im Süden eingerichteten sog. Flugverbotszonen, deren südliche 1996 von den USA bis zum 33. Breitengrad 45 km vor Bagdad ausgedehnt wurde, finden keine Grundlage in Resolution 688 oder gar 687, wie des öfteren behauptet. Es sind einseitige Verletzungen der Souveränität und der territorialen Integrität des Iraks, die vom Sicherheitsrat nie genehmigt, allerdings auch nie gerügt worden sind.

Im Herbst 1998 eskalierten die Auseinandersetzungen um die Inspektionen der UNSCOM, der Spionagetätigkeit und die Weitergabe von Informationen an den israelischen Geheimdienst Mossad vorgeworfen wurden. Bagdad stellte zunächst die Zusammenarbeit ein, lenkte aber nach militärischen Drohungen der USA im November wieder ein, und die zeitweise abgereisten UN-Inspekteure kehrten zurück. Nachdem der australische UNSCOM-Exekutivsekretär Richard Butler jedoch Anfang Dezember Bagdad mangelnde Kooperationsbereitschaft vorgeworfen hatte, forderten die USA die Inspekteure zum Verlassen des Landes auf und starteten am 16. Dezember 1998 ihre "Operation Wüstenfuchs" mit heftigen Luftangriffen gegen den Irak. Der US-Generalstab sprach im Januar 1999 von ca. 1600 Toten auf irakischer Seite. Das viertägige Bombardement war durch keinen Beschluss des UN-Sicherheitsrats legitimiert, allerdings fand sich in ihm auch keine Mehrheit von Staaten, die die Operation als das verurteilten, was sie war: völkerrechtswidrig. Der Irak kündigte danach am 27. Dezember endgültig jegliche Zusammenarbeit mit der UNSCOM auf und erklärte seinen Widerstand gegen die sog. Flugverbotszonen. Das Pentagon genehmigte daraufhin auch Präventivschläge gegen die Radarabwehrstellungen des Irak.

1998 ist dem UN-Sicherheitsrat endgültig die Kontrolle über den Irakkonflikt entglitten, der sich seitdem vor allem als Konfrontation der USA mit dem Regime Saddam Husseins darstellte. Die USA intensivierten ihre Bemühungen um den Aufbau einer schlagkräftigen Opposition, stellten in dem vom US-Kongress Ende 1998 verabschiedeten Iraq Liberation Act erhebliche finanzielle Mittel zur Verfügung und richteten in Prag den Oppositionssender "Radio Free Iraq" ein. Der UN-Sicherheitsrat beschränkte sich darauf, Ende 1999 mit der Resolution 1284 (1999) ein neues Waffeninspektionssystem UNMOVIC mit dem Vorsitzenden Hans Blix zu etablieren, die Höhe der Ölexporte nicht mehr zu begrenzen und die Einfuhr von Lebensmitteln zu erleichtern. Die Aufhebung der Sanktionen war aber nach wie vor von der Zustimmung der USA abhängig, die in dieser Frage zu keiner Konzession bereit waren. Frankreich enthielt sich deshalb bei der Abstimmung der Stimme, weil es voraussah, dass auch diese Resolution die Aufhebung des Embargos nicht erleichtern werde. Und so blieben die Sanktionen auch 2000 weiter bestehen, als der Sicherheitsrat mit den Resolutionen 1302 und 1330 (2000) das Inspektionssystem und das Oil-for-Food-Programm verlängerte.

Angesichts der unbestreitbar katastrophalen Auswirkungen des gesamten Sanktionssystems auf die Bevölkerung des Irak und seiner Nutzlosigkeit für die Entwaffnung und vollkommene Abrüstung des Irak spricht vieles für die Einschätzung kritischer Betrachter, dass seine weitere Aufrechterhaltung jeglicher Rechtsgrundlage entbehrte, ja, das Sanktionssystem des Art. 41 UNO-Charta geradezu pervertierte. Auch der UN-Sicherheitsrat ist an die Normen des Völkerrechts gebunden und hat insbesondere die Menschenrechte der von seinen Sanktionen betroffenen Bevölkerung zu beachten. Er hat zwar einen sehr weiten Spielraum bei der Einschätzung der Friedensgefahr nach Art. 39 UNO-Charta, hat sich jedoch bei den nachfolgenden Sanktionen der Art. 40ff. strikt an die zwingenden Prinzipien des Völkerrechts zu halten, zu denen auch der Maßstab der Verhältnismäßigkeit gehört. Die Völkerrechtskommission hat im Falle des Iraks insbesondere auf das Schicksal der Kinder hingewiesen: "(...)a long-standing embargo which, imposed for political reasons, for example on Iraq, forced sacrifices on the most vulnerable part of the population, the children. If an embargo went on too long, it might well be asked whether it was compatible with basic human rights of children."

IV. Regimewechsel und Präventivstrategie der USA

Dem Irak gelang es in der Folgezeit nur in wenigen Fällen, das Sanktionssystem zu unterhöhlen, so mit der Durchbrechung und faktischen Aufhebung des UN- Flugembargos im Laufe des Jahres 2000 und dem zeitweisen illegalen Export von Rohöl nach Syrien. Die Inspektionen der UNMOVIC blockierte es erfolgreich, indem es die Einreise der Inspektoren verweigerte. Dafür musste es eine erhebliche Verstärkung der US-amerikanischen und britischen Luftangriffe auf Flugabwehr- und Raketenstellungen in den nördlichen und südlichen Flugverbotszonen hinnehmen, die seitdem fast täglich erfolgten. Die USA gestanden nun auch offiziell ein, dass es nicht mehr um das ursprüngliche Ziel des Schutzes der kurdischen und schiitischen Zivilbevölkerung ginge, sondern um die Zerstörung militärischer Einrichtungen. Sie hielten sich bei ihren Luftangriffen nicht mehr an die offiziellen Flugverbotszonen, sondern flogen Attacken bis vor die Tore Bagdads und verursachten immer wieder zivile Opfer. Frankreich, welches sich Mitte der neunziger Jahre von den Luftangriffen zurückgezogen hatte, unternahm keinen Versuch, die Illegalität der Flugverbotszonen und des unerklärten Krieges durch den UN-Sicherheitsrat verurteilen zu lassen.

Mit Übernahme des US-Präsidentenamtes durch George W. Bush rückten die alten, von Paul Wolfowitz, Douglas Feith und Richard Perle schon lange vor dem 11. September 2001 vertretenen Pläne zur gewaltsamen Beseitigung Saddam Husseins wieder in den Vordergrund. Über die juristischen Fragen einer solchen militärischen Lösung verlautet wenig, da ein gewaltsam von außen herbeigeführter Regimewechsel ganz offensichtlich gegen das zwingende Interventionsverbot des Art. 2 Z. 7 UNO-Charta verstößt. Hin und wieder wird auf die Novemberresolution 678 von 1990 zurückgegriffen, deren Ermächtigung zur Waffengewalt mit der erfolgreichen Vertreibung der Iraker aus Kuwait und der anschließenden Waffenstillstandsresolution 687 (1991) jedoch ohne Zweifel erloschen ist. Aber auch die Resolution 687 (1991) gibt keine Ermächtigung für militärische Sanktionen, selbst wenn man feststellen muss, dass der Irak die darin enthaltenen Waffenstillstandsbedingungen wie die vollständige Zerstörung der Massenvernichtungsmittel und die ungehinderte Kontrolltätigkeit der Inspekteure nicht erfüllt hat. Aktualität bekamen die Pläne mit dem Terroranschlag vom 11. September 2001 und der anschließenden militärischen Beseitigung des Taliban-Regimes in Afghanistan. Wenn auch das Ergebnis der Militäraktionen nicht in allen Teilen den Vorstellungen der US-Administration entsprach, so schufen sie überhaupt erst die politischen und strategischen Voraussetzungen dafür, nun auch den Regimewechsel im Irak mit allen Konsequenzen in die Wege zu leiten. Denn definitives Ziel der mit der "Demokratisierung" der Öl-Regime vorgegebenen Strategie ist der problemlose Zugang zu den lebenswichtigen Ressourcen dieser Region. Dieses Ziel ist jedoch erst dann erreicht, wenn nicht nur der Irak, sondern auch Syrien, der Iran und damit die OPEC dem atlantischen Einfluss unterworfen, d.h. der ganze Mittlere Osten einer zweiten Kolonisierung unterzogen worden ist.

Trotz mancher Differenzen in der US-Administration über den gegenüber Saddam Hussein einzuschlagenden Weg war auch für den eher dem Lager der Tauben zuzurechnenden US-Außenminister Colin Powell immer klar, dass ein Regimewechsel nur mittels einer militärischen Intervention zu erreichen sei. Eine wichtige Etappe auf diesem Weg, den schließlich auch Powell gewillt war einzuschlagen, markierten die Verabschiedung der "National Security Strategy of the United States of America" im September 2002, ein Jahr nach dem Terroranschlag, und die US-amerikanische Vergeltung gegen Afghanistan. Sie propagiert nicht nur das Konzept militärischer Präventivschläge gegenüber Staaten mit Massenvernichtungsmitteln, sondern sieht auch den Ersteinsatz von Nuklearwaffen und den Verzicht auf eine Legitimation militärischer Gewalt durch die Vereinten Nationen vor. Am 10./11. Oktober 2002 ermächtigte der US-Kongress daraufhin den Präsidenten zum Einsatz von Waffengewalt gegen den Irak - eine weitere Missachtung des Sicherheitsrats und der UNO-Charta.

Die Umgehung des UN-Sicherheitsrats kennzeichnete bereits den Angriff der NATO auf Jugoslawien im Frühjahr 1999 und konnte nur durch die mühselige und heftig kritisierte völkerrechtliche Rechtfertigung als "humanitäre Intervention" aufgefangen werden. Die Tatsache allerdings, dass sich die USA sofort nach dem Terroranschlag im September 2001 an den UN-Sicherheitsrat wandten, um sich eine militärische Reaktion absegnen zu lassen, unterstreicht nicht nur das Legitimationsbedürfnis, welches selbst die einzig verbliebene Weltmacht noch im Kriegsfall hat, sondern widerspricht auch der immer wieder bespöttelten angeblichen Bedeutungslosigkeit, ja Überflüssigkeit des UN-Sicherheitsrats.

V. Der Weg zum Krieg - die Resolution 1441

Das letzte Kapitel im Kampf um den Irakkrieg ist trotz der Niederlage der Mehrheit der kriegskritischen Staaten in der UNO dennoch nicht auf ihrer Sollseite abzubuchen. Das zähe Ringen um die Resolution 1441 vom 9. November 2002 und die monatelangen Versuche, mittels Inspektoren und neuen Resolutionsentwürfe den offensichtlich schon im Frühjahr 2002 definitiv beschlossenen Krieg doch noch zu verhindern, wären ohne die Institution des Sicherheitsrats und ihren Veto-Mechanismus nicht möglich gewesen. Der Wortlaut der Resolution ist eindeutig genug, um aus ihm keine Ermächtigung für einen Krieg herauslesen zu können, selbst im Falle ihrer eindeutigen und nachhaltigen Verletzung durch den Irak. Das wochenlange Ringen um den Wortlaut, das durch die klare Weigerung der Franzosen und Russen, einen Automatismus für eine Kriegsermächtigung in der Resolution zu akzeptieren, notwendig geworden war, ist ein weiteres Anzeichen dafür, dass die schließlich einstimmig angenommene Resolution auch ihren Intentionen entsprochen hat und jetzt nicht als gültiges Mandat für den Krieg zählen kann. Alle Verhandlungen hinter den Kulissen des Sicherheitsrats, der Einsatz und die Konsultation der UN-Inspektoren zielten auf eine zweite Resolution. Sie wurde von den USA schließlich nur deshalb fallen gelassen, weil sie eine Ermächtigung für ihren beschlossenen Krieg auf Grund des zu erwartenden Vetos, der Franzosen definitiv nicht erhalten konnten.

Es ist nicht das erste Mal, dass sich die USA zur Durchsetzung ihrer Interessen in jüngerer Zeit außerhalb der Staatengemeinschaft der Vereinten Nationen und gegen das Völkerrecht stellen mussten. Interessen allerdings, die so wenig mit denjenigen der übrigen Staaten in Übereinstimmung zu bringen sind, werden selbst vor dem Hintergrund absoluter militärischer Überlegen-heit immer schwieriger unilateral durchsetzbar. Deutschland, Frankreich und Russland sind zwar nicht in der Lage, ein militärisches Gegengewicht gegen die USA aufzubauen, ihr gemeinsames Beharren auf den Prinzipien der UNO-Charta, dem Sicherheitsrat und dem Kontrollsystem der UNMOVIC, hat ihnen nicht nur breitere Zustimmung unter den Staaten eingebracht, sondern auch dem System der kollektiven Sicherheit insgesamt neue legitimatorische Kraft zugeführt. Einer der Hauptpunkte der Kritik an der Ineffizienz und Schwäche des Sicherheitsrats war das unter demokratietheoretischen Aspekten zweifellos problematische Vetorecht ausgewählter Staaten. Seine Berechtigung als ein kriegsverhindernder Mechanismus dürfte er im Verlauf dieses Konfliktes aber besser bewiesen haben als in so mancher alten Vetokonstellation auf der Basis des Kalten Krieges. Selbst wenn Sicherheitsrat und Veto letztlich den Krieg nicht verhindern konnten, so waren sie doch die einzigen diplomatischen Institutionen, über die der Widerstand gegen die Kriegspolitik artikuliert, organisiert und verbreitert werden konnte.

VI. UNO-Generalversammlung: "Uniting for Peace"

In einer Situation äußerster Kriegsgefahr und faktischer Missachtung des Sicherheitsrats hätte den Staaten noch ein letzter Weg offen gestanden, den sie allerdings nicht beschritten haben. Sie hätten die UNO-Generalversammlung zu einer Debatte und Resolution einberufen können, um alle Staaten an die grundlegenden Prinzipien der UNO-Charta zu erinnern und zur strikten Einhaltung des Völkerrechts sowie der Entscheidungen des Sicherheitsrates aufzufordern. Das Vorbild dieses nicht unproblematischen Flurwechsels im UNO-Gebäude ist eine Resolution der Generalversammlung aus dem Jahre 1950 (Res. 377 V vom 3. November 1950), die auf die Initiative des damaligen US-Außenministers Dean Acheson zurückging und mit der Bezeichnung "Uniting for Peace" Geschichte gemacht hat. Sie sollte die Handlungsfähigkeit der UNO in der Korea-Krise wiederherstellen, die durch das Veto der Sowjetunion faktisch lahmgelegt war. Im Hauptstück dieser aus drei Einzelentschließungen bestehenden Resolution heißt es: "Falls der Sicherheitsrat mangels Einstimmigkeit seiner ständigen Mitglieder es in einem Fall offenbarer Bedrohung des Friedens, eines Friedensbruchs oder einer Angriffshandlung unterlässt, seine primäre Verantwortung für die Aufrechterhaltung des internationalen Friedens und der Sicherheit auszuüben, (soll) die Generalversammlung unverzüglich die Angelegenheit beraten(...), um den Mitgliedern geeignete Empfehlungen für Kollektivmaßnahmen zu geben, im Falle des Friedensbruches oder einer Angriffshandlung auch für den Gebrauch bewaffneter Kräfte, wenn das nötig ist, um den internationalen Frieden und die internationale Sicherheit aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen."

Zu diesem Zweck soll die Generalversammlung auch außerhalb der Sitzungsperioden zu einer Notstandssondertagung binnen 24 Stunden zusammengerufen werden können, gegen die auch der Sicherheitsrat kein Veto einlegen kann. Eine solche Sondertagung können entweder neun Ratsmitglieder oder eine Mehrheit der Mitglieder der UNO verlangen. Vor dem Hintergrund des eindeutigen Kräfteverhältnisses in der damaligen 59 Mitglieder umfassenden Generalversammlung war die Resolution für die Sowjetunion ein schwerer Rückschlag, da auf diesem Weg ihr Vetorecht außer Kraft gesetzt werden konnte. Sie ist auch kaum mit der klaren Kompetenzverteilung der UNO-Charta zu vereinbaren, die dem Sicherheitsrat eindeutig den Vorrang in Fragen der Friedenssicherung gibt und in Art. 12 ausdrücklich bestimmt, dass "die Generalversammlung zu einer Streitigkeit oder Situation ohne Ersuchen des Sicherheitsrats keine Empfehlung abgeben (darf), solange der Sicherheitsrat die ihm in dieser Charta zugewiesenen Aufgaben wahrnimmt".

Die Befürchtung der Sowjetunion, dass die Resolution ausschließlich gegen sie verwendet werden würde, erfüllte sich allerdings nicht. Bei der ersten Gelegenheit ihrer Anwendung, als Jugoslawien 1956 zur Beilegung der Suezkrise eine Sondersitzung der Generalversammlung beantragte, da Frankreich und Großbritannien den Sicherheitsrat mit ihrem Veto boykottierten, wurde die Sitzung mit der Stimme der Sowjetunion einberufen. Die Generalversammlung beschloss daraufhin Maßnahmen zum Rückzug der französischen und englischen Truppen sowie die Stationierung der UN-Friedenstruppen in Ägypten. Auf diese Weise wurden neun weitere Notstandssondertagungen auf der Basis der "Uniting for Peace"-Resolution einberufen: zur Beilegung der Ungarn-Krise 1956, der Libanon-Krise 1958, der Kongo-Krise 1960. 1967 war es die Sowjetunion, die den Generalsekretär ersuchte, die fünfte Notstandssondertagung der Generalversammlung einzuberufen, um den Ausbruch des Nahostkrieges zu behandeln, was dieser auch tat. Es folgten weitere Sondertagungen zu Bangladesh, Afghanistan, Südafrika und mehrfach zu Palästina. Die letzte Tagung im Jahr 1997 galt den Vorgängen in Ost-Jerusalem.

Diese Praxis der Notstandssondertagungen auf der Basis der Resolution 377 V über fünf Jahrzehnte wird heute überwiegend trotz ihres schwerwiegenden Eingriffs in die Struktur der UNO-Charta als gewohnheitsrechtliche Abänderung akzeptiert. Dagegen spricht, dass die Generalversammlung genügend Gelegenheit gehabt hätte, eine Neuabgrenzung der Kompetenzen mit Zweidrittelmehrheit in die Charta zu übernehmen. Dennoch hat sich die Problematik des Verstoßes bisher nicht in aller Schärfe gestellt, da die Generalversammlung in keiner der zehn Sitzungen in die Sanktionskompetenz des Sicherheitsrats eingegriffen, sondern sich auf Diskussionen und Empfehlungen beschränkt hat.

Darauf hätte sich die Generalversammlung auch im Falle des drohenden Irakkrieges beschränken können. Sie hätte noch einmal die Staaten an das absolute Gewaltverbot erinnern müssen, das nur im Falle eines Mandats des Sicherheitsrates oder bei einem unmittelbaren Angriff durch Selbstverteidigung eine Ausnahme erlaubt. Sie hätte daran erinnern müssen, dass die territoriale Integrität und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit fundamentale Prinzipien der UNO-Charta und des Völkerrechts sind. Sie hätte klarstellen müssen, dass die Resolution 1441 kein Mandat für eine militärische "Abrüstung" gibt und die Beseitigung eines Regimes auch nicht in der Befugnis der Vereinten Nationen liegt (Art. 2 Z. 7 UNO-Charta). Sie hätte fordern sollen, dass die Inspektoren ihre Mission in angemessener Frist beenden können, und sie hätte den Irak noch einmal zu bedingungsloser Zusammenarbeit mit der UNMOVIC auffordern sollen.

Die Generalversammlung hätte sich mit einer solchen Resolution auf die Darlegung der völkerrechtlichen Koordinaten des Konfliktes beschränkt und nicht in die Kompetenzen des Sicherheitsrats eingegriffen, ihm vielmehr Handlungsraum auch über den Irakkonflikt hinaus zurückgewonnen. Denn die Umgehung des Sicherheitsrats und die Verletzung des Gewaltverbots ist ein tiefer Eingriff in das gesamte Sicherheitssystem der UNO und kann jedem Staat eine billige Rechtfertigung für beliebige Interventionen und Kriege liefern. Es wäre also um mehr gegangen als das ohnehin wichtige Ziel, einen unmittelbar bevorstehenden Krieg noch abzuwenden. Es wäre um die Erhaltung einer zwar unvollkommenen, aber bisher durch keine bessere Alternative ersetzbare kollektive Sicherheits- und Friedensordnung gegangen, für welche die "Uniting for Peace"-Resolution vielleicht einen letzten Mechanismus der Rettung bereitgehalten hätte.

VII. Die Rückkehr der UNO

Mit dem Rückzug der UNMOVIC-Inspektoren aus dem Irak und dem Verzicht auf eine zweite Resolution des UN-Sicherheitsrats, die die Anwendung militärischer Gewalt ausdrücklich gemäß Art. 42 UNO-Charta hätte ermächtigen müssen, war das Scheitern der UNO in diesem Konflikt besiegelt. Nehmen wir die Organisation der UNO als den institutionellen Ausdruck des gegenwärtigen Völkerrechts, so müssen wir dieses Urteil auf den gesamten rechtlichen Rahmen der in den letzten neunzig Jahren unter dem Namen "kollektives Sicherheitssystem" entwickelten Friedensordnung erstrecken. Der Untergang des sozialistischen Systems in der Gestalt der Sowjetunion und des Warschauer Paktes wird nicht überinterpretiert, wenn man auch den Untergang des VII. Kapitels der UNO-Charta als eine seiner Folgen ansieht. Darin liegt zugleich das Eingeständnis, dass das Wilson''sche Modell einer juristischen Weltordnung gleicher Staaten jenseits des zweifelhaften Gleichgewichts der Kräfte auch in seinem zweiten Anlauf mit dem Zusammenbruch dieses Gleichgewichts gescheitert ist. Was ohne die wechselseitige Zähmung der Großmächte auf der Basis und mit den Institutionen der Vereinten Nationen eine allgemeine Friedensordnung garantieren sollte, erweist sich heute offensichtlich immer noch als zu schwach, dem entfesselten Hegemoniestreben einer Großmacht zivilisierende Grenzen zu setzen.

Die Erosion der UNO-Friedensordnung kündigte sich schon Ende der neunziger Jahre vor allem mit dem Angriff auf Jugoslawien und der im April 1999 noch während des Krieges verkündeten neuen NATO-Strategie an. Das grundlegend Neue in der jüngsten Entwicklung ist das Auseinanderbrechen der schon seit 1991 (2. Golfkrieg) aufgebauten Kriegskoalition. So tief dieser Riss auch ist, wenig spricht jedoch derzeit dafür, dass daraus ein neues Gleichgewicht der Kräfte entsteht, auf dessen Basis die UNO eine wirksamere Friedensrolle wiedererlangen könnte. Der nukleare Hintergrund des alten Kräftegleichgewichts taugt heute nicht mehr zum Aufbau eines neuen Gleichgewichts, zumal es die Spaltung der NATO voraussetzen würde. Wenn es auch nicht ausgeschlossen ist, dass die VR China einmal die Rolle einer wirksamen countervailing power übernehmen könnte, muss die UNO für absehbare Zeit versuchen, eine zentrale Ordnungsfunktion zurückzugewinnen und die Staaten ohne dieses alte Gleichgewichtsprinzip aus dem "Ausnahmezustand als Weltordnung" in eine neue Friedensordnung zurückzuführen.

Wichtig ist dabei für die UNO derzeit vor allem, aus dem Abseits im Mittleren Osten herauszukommen, in dem sie von den USA ja nicht nur im Irakkonflikt, sondern auch in der Palästinafrage gehalten wird. Die Pläne der USA, das alte Regime Saddam Husseins wegen vergangener Verbrechen gegen ihre eigene Bevölkerung sowie wegen Kriegsverbrechen vor Gericht zu stellen und juristisch zur Verantwortung zu ziehen, begegnen dabei - obwohl eine genuine Aufgabe des neu gegründeten Weltstrafgerichtshofs - zahlreichen Schwierigkeiten. Wie und wo tritt ein Ankläger auf, der nicht nur mit dem Krieg gegen den Irak selbst einen schweren Völkerrechtsverstoß gegen Art. 2 Z. 4 UNO-Charta begangen hat und zudem dem einzigen legitimen internationalen Gericht, dem Weltstrafgerichtshof, die Anerkennung verweigert?

Dieser Weltstrafgerichtshof wird über Taten, die vor seiner Entstehung am 1. Juli 2002 begangen worden sind, ohnehin nicht richten können. Bei der Frage der Kriegsverbrechen wird er - anders als das Jugoslawien-Tribunal es getan hat - berücksichtigen müssen, dass die Angeklagten zunächst auf ihr legitimes Selbstverteidigungsrecht gemäß Art. 51 UNO-Charta verweisen werden. Die schließlich zur Verhandlung stehenden Kriegsverbrechen dürften auf der Seite des Irak (bisherige Vorwürfe: Vorzeigen amerikanischer Gefangener im Fernsehen, Selbstmordattentäter gegen Interventionstruppen) vergleichsweise unbedeutend sein gegenüber den Vorwürfen gegen die US-Truppen (Einsatz von Napalm, Streubomben und abgereichertem Uran, gezielte Angriffe auf zivile Objekte wie Rundfunk- und Fernsehstation, Marktplatz etc., Verletzung der Besatzerpflichten durch Passivität gegenüber Plünderern). Der Weltstrafgerichtshof könnte es sich nicht mehr - wie noch das Jugoslawien-Tribunal - leisten, die Kriegsführung nur einer Seite zum Gegenstand des Verfahrens zu machen.

Kommt also der Weltstrafgerichtshof für die USA als Ort der Rechtssuche nicht in Betracht, verbleiben nur die Militärgerichte, wie sie nach dem Kriegsrecht vorgesehen sind. Diese haben sich aber in der US-amerikanischen Praxis in "military commissions" verwandelt, die dadurch gekennzeichnet sind, "dass sie den Rechtsstatus eines Individuums sowohl mit Rücksicht auf das internationale Recht wie auf die amerikanischen Gesetze radikal suspendieren und ein juristisch nicht benennbares Wesen schaffen". Würden sich die USA jedoch von diesem völlig inakzeptablen Guantanamo-System des Ausnahmezustandes trennen und zu anerkannten Militärgerichten zurückkehren, würden sie sich in der Zwickmühle der eigenen Kriegsverbrechen verfangen. Spätestens hier würden sie von der Mahnung des US-amerikanischen Anklägers Jackson in den Nürnberger Prozessen eingeholt werden: "Denn wir dürfen niemals vergessen", hatte er seinerzeit in seiner Anklageschrift betont, "dass nach dem gleichen Maß, mit dem wir die Angeklagten heute messen, auch wir morgen von der Geschichte gemessen werden. Den Angeklagten einen Giftbecher reichen heißt, ihn auch an unsere eigenen Lippen setzen. Wir müssen an unsere Aufgabe mit soviel innerer Überlegenheit und geistiger Unbestechlichkeit herantreten, dass dieser Prozess einmal der Nachwelt als die Erfüllung menschlichen Sehnens nach Gerechtigkeit erscheinen möge."

Dem engen Geflecht anerkannter juristischer Normen und Institutionen können sich die USA nur schwer und unter offener Missachtung entziehen. Das ist anders bei der Frage, welche Befugnisse sie der UNO beim Wiederaufbau des Irak in der Nachkriegsära einräumen. Als Besatzer sind sie einem feststehenden Kodex Genfer Regelungen in der Verwaltung des besiegten Landes unterworfen, gleichgültig ob die Besatzung rechtmäßig oder nicht rechtmäßig erfolgte. In der 4. Genfer Konvention von 1949 sind die Versorgungs-, Verwaltungs- und humanitären Pflichten der Besatzungsmacht klar festgelegt, die sich an der Wiederherstellung der vollen Souveränität des besetzten Landes und nicht an den Interessen der Besatzungsmacht orientieren. Eine Beteiligung der UNO ist darin ebenso wenig festgelegt wie eine zeitliche Begrenzung des Besatzungsregimes. Um jedoch eine völkerrechtlich nicht mehr vertretbare Dauer der Besetzung mit den katastrophalen Folgen wie in Palästina zu vermeiden, muss sich die UNO so schnell wie möglich wieder ins Spiel bringen. Mit der Resolution 1442 vom 28. März hat der Sicherheitsrat bereits auf die Pflichten des Besatzungsregimes im Rahmen der 4. Genfer Konvention in allerdings sehr allgemeinen Formulierungen hingewiesen. Als Nächstes müsste er die Aufhebung der Embargosanktionen der alten Resolution 687 beschließen, die Hilfslieferungen der humanitären Organisationen und jeglichen Wiederaufbau behindern. Auch hätte er auf die Rückkehr der UNMOVIC-Inspektoren zu dringen, die gegenüber den von der US-Administration entsandten Kontrolleuren den Vorteil der Glaubwürdigkeit besitzen.

Eines allerdings müsste der Sicherheitsrat auf jeden Fall vermeiden: dass das Nachkriegsengagement der UNO - wie nach dem Überfall auf Jugoslawien - als nachträgliche Legitimation des Krieges gegen den Irak interpretiert wird. Der sicherste Weg, dies zu verhindern, führt über einen Antrag des Sicherheitsrates oder der Generalversammlung an den Internationalen Gerichtshof (IGH), ein Gutachten über die Rechtswidrigkeit des Krieges zu erstellen. Das Ergebnis ist voraussehbar, wie es der ehemalige Präsident des IGH Christopher Weeramantry bereits angedeutet hat. Trotz einer eindeutigen Verurteilung der Kriegskoalition sollte es ein zentrales Ziel der UNO sein, die USA wieder fest in den rechtlichen und institutionellen Rahmen ihrer Organisation einzubinden.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Udo Fink, Kollektive Friedenssicherung, Frankfurt/M. 1999, S. 573ff.

  2. Vgl. Ramsey Clarke, The Fire This Time. U.S. War Crimes in the Gulf, New York 1992, deutsch: Wüstensturm. US-Kriegsverbrechen am Golf, Göttingen 1995; Seymour M. Hersh, Overwhelming Force, in: The New Yorker, (2000), S. 49ff.

  3. Ahtisaari-Report, in: S/22366 vom 20. März 1991, Abs. 8; Bernhardt Graefrath, Völkerrechtliche Aspekte der Irak-Sanktionen, in: Junge Welt, Nr. 14, 15, (2003), S. 10.

  4. Vgl. zu den verschiedenen Konzepten und Reports Noam Chomsky, Zur Irak-Politik der USA. Motive und Konsequenzen, in: Rüdiger Göbel/Joachim Guilliard/Michael Schiffmann (Hrsg.), Der Irak. Ein belagertes Land, Köln 2001, S. 67ff.; Michael T. Klare, Die Armee für das nächste Jahrhundert, in: Le Monde diplomatique vom November 2002, S. 1, 10f.; Anatol Lieven, Leidenschaftlich gerne groß. Die Bush-Regierung, der Irakkrieg und die nationale Selbstgewissheit, in: Le Monde Diplomatique vom November 2002, S. 12f.

  5. Deutsche Fassung in: Vereinte Nationen, (1991) 2, S. 74ff. Die Resolution ist von 12 Staaten angenommen worden, Kuba stimmte dagegen, Ecuador und Jemen enthielten sich der Stimme.

  6. Zur Überwachung richtete der Sicherheitsrat die UNSCOM (UN Special Commission) ein, die am 17. 12. 1999 mit der Resolution 1284 (1999) durch die UNMOVIC (UN Monitoring, Verification and Inspection Commission) ersetzt wurde.

  7. Vgl. B. Graefrath (Anm. 3).

  8. Zum UN-Reparationssystem, welches mit der Resolution 692 (1991) eingerichtet wurde, vgl. Bernhardt Graefrath, Iraqi Reparations and the Security Council, in: Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, 55 (1995), S. 1 ff.

  9. 1995 wurde mit der Resolution 986 eine höhere Exportrate für Öl und ein größerer Anteil von 53 % an den Erlösen für Versorgungsgüter festgelegt. Weitere Resolutionen 1153 (1998) und 1210 (1999) ermöglichten schließlich auch die begrenzte Anschaffung von Ersatzteilen und Ausrüstungen für die Ölförderung.

  10. So das Fazit von Marc Bossuyt in seinem UN-Bericht vom 21. 6. 2000, The adverse consequences of economic sanctions on the enjoyment of human rights, E/CN.4/Sub.2/2000/33. Einzelheiten in dem Artikel der im Jahr 2000 aus Protest gegen die Sanktionen zurückgetretenen Vertreterin des Welternährungsprogramms in Bagdad, Jutta Burghardt, Anspruch und Wirklichkeit. Die Grenzen des UN-Programms "Öl für Lebensmittel", in: R. Göbel u.a. (Anm. 4), S. 116ff., sowie in den verschiedenen Beiträgen des Kapitels "Die Sanktionen: Mythos und Realität", S. 170ff. Vgl. ferner Steffen Rogalski/Jutta Burghardt, Irak: UN-Sanktionen und Menschenrechte, in: Wissenschaft und Frieden, Dossier Nr. 37, Bonn, April 2001. Aus einem Bericht des UN-Generalsekretärs vom 31. 10. 2001 geht zudem deutlich hervor, dass die Hauptverantwortung für die Blockierung humanitärer Hilfsgüter in Washington und London liegt, vgl. den Artikel der beiden ebenfalls aus Protest gegen die Sanktionen zurückgetretenen Leiter des UN-Hilfsprogramms Hans-Christof von Sponeck (2000) und Dennis Halliday (1998), Bagdad im Visier, in: Freitag vom 7. 12. 2001, sowie Hans-Christof von Sponeck, Politisch wirkungslos und menschlich eine Katastrophe. Elf Jahre Wirtschaftssanktionen gegen den Irak, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, (2001) 11, S. 1351ff. Vgl. auch die alljährlichen Angaben in: Der Fischer Weltalmanach, Länderbericht Irak, Kapitel: Auswirkungen der UN-Sanktionen. Die irakische Regierung hat das Programm nie akzeptiert.

  11. Die von Frankreich eingebrachte Resolution erhielt zehn Stimmen, wurde aber von Jemen, Kuba und Zimbabwe abgelehnt, Indien und die VR China enthielten sich der Stimme. Deutsche Fassung in: Vereinte Nationen, (1991) 2, S. 77. Vgl. Jürgen Kramer, UN und Golfkrise: Zwischenbilanz, in: Vereinte Nationen, (1991) 3, S. 102ff., 105f.; U. Fink (Anm. 1), S. 566ff., 599ff.

  12. Die Vorwürfe kamen u.a. vom ehemaligen Leiter von UNSCOM Rolf Ekéus, vgl. Spiegel Online vom 29. 7. 2002.

  13. Vgl. B. Graefrath (Anm. 3), S. 10, unter Verweis auf Edith M. Lederer, UN Votes to Return Iraq Monitors, in: Associated Press (AP) vom 18. 12. 1999.

  14. Vgl. B. Graefrath (Anm. 3) und M. Bossuyt (Anm. 10). Der ehemalige UN-Beamte in Bagdad Michel Joli erklärte 1999: "The oil-for-food-programme is a surveillance device devoid of any humanitarian considerations, and the international officials recruited to implement it have been misled to its real aims." Zit. in: The Guardian Weekly, Nr. 160 vom 16. 4. 1999.

  15. Vgl. zu den Kompetenzen und Begrenzungen des Sicherheitsrats im Irakkonflikt T. G. Gill, Limitations on UN enforcement powers, in: Netherlands Yearbook of International Law, XXVI (1995), S. 74ff.; Gerhard Stuby, Götterdämmerung der Kollektiven Friedenssicherung?, in: Ludwig Krämer (Hrsg.), Recht und Um-Welt. Essays in Honour of Gerd Winter, Groningen-Amsterdam 2003, S. 7 ff.

  16. Mohamed Bennouna, A/CN.4/SR.2342, und Christian Tomuschat, A/CN.4/SR.8.

  17. Vgl. Seymour M. Hersh, Lunch with the Chairman, in : The New Yorker vom 17. 3. 2003.

  18. So z.B. Reinhard Müller, Alle notwendigen Mittel, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) vom 24. 8. 2002, S. 10; Christopher Greenwood, in: Richard Norton-Taylor, Law unto themselves, in: The Guardian vom 14. 3. 2003.

  19. Vgl. G. Stuby (Anm. 15), S. 7, sowie die Mehrheit der von R. Norton-Taylor (Anm. 18) zitierten internationalen Völkerrechtler. Vgl. auch Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages vom 2. 1. 2003, in: Junge Welt vom 4. 2. 2003.

  20. So auch die von der Frankfurter Rundschau (FR) gesammelten Stimmen deutscher Völkerrechtler, "Resolution 687 reicht nicht aus. Krieg gegen den Irak nicht gedeckt", in: FR vom 10. 8. 2002, S. 2; vgl. das Interview mit Dieter Deiseroth, in: FR vom 15. 3. 2003, S. 2; Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages, ebd.

  21. Die Legalität der militärischen Intervention gegen Afghanistan wurde trotz verbreiteter Kritik schließlich als Selbstverteidigung der USA anerkannt. Vgl. einerseits Gerd Winter, Kein Recht zum Krieg. Für einen US-Angriff auf Afghanistan gibt es keine juristische Grundlage. Auch der NATO-Bündnisfall liegt nicht vor, in: taz vom 2. 10. 2001, S. 4, andererseits Gerhard Stuby, Internationaler Terrorismus und Völkerrecht, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, (2001) 11, S. 1330ff.; Norman Paech, Empire: Postmodernes Recht oder Totengräber des Völkerrechts?, in: Sozialismus, (2002) 9, S. 45ff., 47ff.

  22. Vgl. Norman Paech, Der Irak-Krieg - Abschied vom System der kollektiven Sicherheit, in: Sozialismus, (2003) 1, S. 4 ff.

  23. Eine der Differenzen ergab sich bei dem Versuch, zwischen Bagdad und Al Qaida eine terroristische Verbindung herzustellen, um den Verteidigungskampf gegen den Terror von Afghanistan auf den Irak übertragen zu können. Die New York Times schrieb z.B. am 6. 2. 2002: "Die CIA hat keinerlei Beweise dafür, dass Irak seit nunmehr fast einem Jahrzehnt irgendwelche terroristischen Operationen gegen die Vereinigten Staaten unternommen hat." Sie sei zu der Überzeugung gelangt, "dass Präsident Saddam Hussein chemische oder biologische Waffen weder an Al-Qaida noch an sonstige terroristischen Gruppen gegeben hat".

  24. Dies wurde am 6. 2. 2002 deutlich, als Powell in einer Rede vor dem Auswärtigen Ausschuss des US-Kongresses davon sprach, dass Washington den Regimewechsel in Irak "womöglich allein" vollziehen muss.

  25. Amerikanischer Text: (www.whitehouse.gov/nsc/nss.pdf). Teilweise deutsche Übersetzung in: Blätter für deutsche und internationale Politik, (2002) 11, S. 1391ff. und ( 2002) 12, S. 1505ff.

  26. Diese Elemente der neuen Präventivstrategie waren allerdings schon in der neuen NATO-Strategie vom April 1999 angedeutet, vgl. Norman Paech, Die NATO-Strategie vor dem Bundesverfassungsgericht, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, (2002) 1, S. 34ff.

  27. Deutscher Wortlaut in: Blätter für deutsche und internationale Politik, (2002) 12, S. 1512ff.

  28. So auch ausdrücklich Christian Tomuschat, Der Sicherheitsrat ist gestärkt. Mit der Irak-Resolution entfällt die Grundlage für einen Präventivkrieg, in: FAZ vom 11. 11. 2002, S. 12, und die überwiegende Mehrzahl der internationalen Völkerrechtler (vgl. Anm. 19). Die Ansicht von Bruno Simma, der Text der Resolution sei mehrdeutig, aus ihm ließe sich auch eine Kriegsermächtigung herauslesen (vgl. Präventivschläge brechen das Völkerrecht, in: Süddeutsche Zeitung vom 1./2. 2. 2003, S. 11), ist kaum nachvollziehbar.

  29. Vgl. Norman Paech/Gerhard Stuby, Völkerrecht und Machtpolitik in den internationalen Beziehungen, Hamburg 2001, S. 578ff.

  30. Vgl. Giorgio Agamben, Der Gewahrsam. Ausnahmezustand als Weltordnung, in: FAZ vom 19. 4. 2003, S. 33.

  31. Vgl. G. Agamben, ebd.: "Weder Gefangene noch Angeklagte, sondern bloß detainees, unterliegen sie einer bloß faktischen Herrschaft, einem Gewahrsam, der nicht nur in zeitlichem Sinne, sondern seinem Wesen nach unbestimmt ist, da dem Gesetz und der gerichtlichen Kontrolle entzogen. Der einzig mögliche Vergleich ist der mit der juristischen Lage der Juden in den nationalsozialistischen Lagern, die mit der Staatsbürgerschaft jede juristische Identität verloren, aber wenigstens noch die jüdische behalten hatten."

  32. Vgl. Der Prozess der Hauptkriegsverbrecher vor dem IMT Nürnberg, 14. 11. 1945 - 1. 10. 1946, Bd. 2, Nürnberg 1947, S. 118.

  33. Vgl. das Interview von Richard Meng mit Christopher Weeramantry, in: FR vom 26. März 2003.

Dr. jur., geb. 1938; Professor für öffentliches Recht an der Hamburger Universität für Wirtschaft und Politik.
Anschrift: Hamburger Universität für Wirtschaft und Politik, Von-Melle-Park 9, 20146 Hamburg.
E-Mail: E-Mail Link: NPaech@t-online.de

Veröffentlichungen zu Fragen des Verfassungs- und Völkerrechts, der politischen Justiz, Menschenrechte und internationalen Beziehungen des Mittleren Ostens.