Das Thema "Klimawandel und Migration" hat in den vergangenen Jahren erhöhte Aufmerksamkeit in den Medien erfahren. Auch eine starke Zunahme wissenschaftlicher Literatur und von Berichten internationaler Regierungsinstitutionen und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) ist zu verzeichnen. Das große Interesse liegt auch daran, dass Fragen aufgeworfen werden, die auf den Kern politischer, sozialer und ökologischer Entwicklungen des 21. Jahrhunderts zielen, wie Umwelt- und Klimagerechtigkeit, Mechanismen von Inklusion und Exklusion sowie Nord-Süd-Beziehungen.
Als Forschungsthema etablierte sich die Verbindung von Klimawandel und Migration in den 1980er Jahren. Die Debatte und das Forschungsfeld verbindet eine große Vielfalt von Akteur*innen innerhalb und außerhalb der Wissenschaft. Alle Beteiligten – wie Naturwissenschaftler*innen, Sozialwissenschaftler*innen, öffentliche Institutionen und Regierungen, NGOs und andere internationale Organisationen – bringen ihre eigene intellektuelle Geschichte, ihre Paradigmen, Methoden und Interessen in die Diskussion ein. Dies führt zu einer großen Vielfalt der Perspektiven und zu sehr unterschiedlichen Versuchen, das Phänomen der Klimamigration zu konzeptualisieren.
Nach einem Überblick über die zentralen Aspekte des Zusammenhangs zwischen Klimawandel und Migration werde ich im Folgenden die unterschiedlichen diskursiven Rahmungen der Debatte vorstellen. Anschließend werde ich einige rechtliche Gesichtspunkte skizzieren, um schließlich im Fazit den Blick auf unterrepräsentierte Perspektiven und Forschungslücken zu richten.
Umweltveränderung, Klimawandel und menschliche Mobilität
Aufgrund des anthropogenen, also durch den Menschen zumindest beeinflussten Klimawandels erwarten Expert*innen, dass Stürme, Überschwemmungen, Dürren und Wüstenbildung sowohl in Stärke als auch in Häufigkeit zunehmen werden und der Meeresspiegel ansteigen wird. Sie gehen davon aus, dass Klimaveränderungen auch zu verstärkter Migration führen können. Genaue Vorhersagen gelten jedoch als höchst umstritten. Viele bezweifeln gar den Sinn von Prognosen. Trotz alarmistischer Berichte, wonach Millionen von "Klimaflüchtlingen" in Zukunft vom Globalen Süden in den Globalen Norden ziehen werden, sind die Ergebnisse empirischer Studien oft kontraintuitiv, widersprechen entsprechenden Erwartungen also häufig. Der viel beachtete Foresight-Report von 2011 des britischen Government Office for Science etwa unterstreicht, dass durch Umweltveränderungen Einzelpersonen oder Gemeinschaften weniger mobil werden können, da verschärfte Armut Migration erschweren beziehungsweise unmöglich machen kann. In diesem Zusammenhang ist von "trapped populations" die Rede.
Diese und andere Studien zeigen die Komplexität von Migration sowie die Verbindung zu den jeweiligen lokalen und regionalen Kontexten auf. Dabei spielen die Entwicklung sozioökonomischer Faktoren, Anpassungsmaßnahmen, aber auch Netzwerke der Migrierenden eine zentrale Rolle für Migrationsentscheidungen. Dennoch erwartet der Weltklimarat (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) im Allgemeinen eine Zunahme der Mobilität von Menschen. Laut IPCC sind die vom Klimawandel am stärksten betroffenen Regionen die Arktis, große Teile Afrikas, kleine Inseln sowie asiatische und afrikanische Mega-Deltas, die dicht besiedelt und besonders anfällig für den Anstieg des Meeresspiegels sind.
Überschwemmungen durch tropische Stürme sind typische Beispiele für rasch einsetzende Phänomene, die zur Abwanderung der Bevölkerung führen können. Demgegenüber stehen langsam einsetzende Umweltveränderungen wie Wüstenbildung, Meeresspiegelanstieg und Bodendegradation. Mit zunehmendem Klimawandel könnte die ohnehin schon hohe Zahl von mehreren Millionen Flüchtenden pro Jahr aufgrund von Umwelteinflüssen wachsen, sie ist aber schwer abzuschätzen.
Im Fall von Dürren liefern empirische Studien gemischte Erkenntnisse: Im Nordosten Brasiliens scheinen periodische Dürren zwischen den 1960er und 1980er Jahren zur Abwanderung beigetragen zu haben.
Menschen, deren Lebensraum unter einem Meter über dem Meeresspiegel liegt, könnten innerhalb weniger Jahrzehnte durch einen weiteren Anstieg des Meeresspiegels, durch Küstenerosion und die Versalzung von Süßwasserreservoirs bedroht werden. Doch auch hier sind genaue Vorhersagen, wann es soweit sein könnte, schwierig. Zudem können Anpassungsmaßnahmen die Notwendigkeit der Abwanderung hinauszögern.
Terminologie
Ein sehr wichtiges Merkmal der Diskussion über Umwelt- und Klimamigration ist die inkonsistente Terminologie. Neben unterschiedlichen Forschungsansätzen und -methoden kursieren in der Debatte auch verschiedene Definitionen von Umweltmigrant*innen, die jeweils unterschiedliche politische und normative Standpunkte implizieren. Dabei werden folgende Faktoren berücksichtigt und hinsichtlich ihrer Bedeutung diskutiert: a) die Abhängigkeit der Migrationsentscheidungen von Umweltursachen; b) die mehr oder weniger angenommene "Freiwilligkeit" oder "Zwangsmigration"; c) die temporäre oder permanente Migration; sowie d) die Frage nach der Entfernung und dem Überschreiten internationaler Grenzen. Obwohl viele Forscher*innen darin übereinstimmen, dass Binnenmigration eine wichtigere Rolle spielt als die Migration vom Globalen Süden in den Globalen Norden oder andere internationale Bewegungen, wird heute in vielen Beiträgen vor allem die grenzüberschreitende Migration untersucht.
Die genannten und weitere Faktoren beziehen sich auch auf unterschiedliche Sichtweisen, wie Staaten und die internationale Gemeinschaft mit Personen umgehen sollten, die von Umweltmigration betroffen sind. Die verschiedenen Sichtweisen stehen dabei in engem Zusammenhang mit der verwendeten Terminologie. Mehrere Wissenschaftler*innen kritisieren Begriffe wie "Umweltflüchtling" oder "Klimamigrantin", weil diese den Eindruck erweckten, dass Umweltveränderungen direkt zur Migration führen, wodurch die Komplexität von Migrationsentscheidungen reduziert werde.
Die Internationale Organisation für Migration (IOM) gibt eine "Arbeitsdefinition" vor, die weitgehend Anerkennung findet. Laut dieser Definition sind Umweltmigrant*innen Personen oder Personengruppen, die aus zwingenden Gründen plötzlicher oder fortschreitender Veränderungen der Umwelt, die sich nachteilig auf ihr Leben oder ihre Lebensbedingungen auswirken, gezwungen sind, ihre Heimat zu verlassen und dies vorübergehend oder dauerhaft tun, und die entweder innerhalb ihres Landes oder ins Ausland migrieren.
Gleiches gilt auch für den ebenfalls häufig genannten und sehr weit gefassten Ausdruck "environmentally induced migration", der vom Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) verwendet wird.
Genealogie und Rahmungen der Debatte
Bis zur ersten Nennung des Begriffs "Umweltflüchtling" 1985 war die Migrationsforschung gekennzeichnet durch die Nichtbeachtung von Umweltaspekten – obwohl durch Umweltfaktoren motivierte Migration geschichtlich ein ständiges Phänomen ist und eine wichtige Rolle in den ersten wissenschaftlichen Migrationstheorien spielte.
Der Naturwissenschaftler Essam El-Hinnawi führte 1985 in einem Bericht des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) den Begriff "Umweltflüchtling" erstmals ein; eine erste konkrete Zahl nannte die Sozialwissenschaftlerin Jodi Jacobson 1988 in einem Bericht für das Worldwatch Institute: Demnach gab es vor 30 Jahren zehn Millionen Umweltflüchtlinge.
Heute ist unschwer zu erkennen, dass diese frühen Studien in der Regel von der Absicht geleitet waren, größere Aufmerksamkeit auf den Klimawandel und den Umweltschutz zu lenken. Die Verbindung dieser Themen mit dem Thema Migration sollte helfen, dem Klimawandel ein "menschliches Gesicht" zu geben, das durch Leid Betroffenheit verursacht.
"Maximalisten" versus "Minimalisten"
Die Kritik an den alarmierenden Stimmen ließ nicht lange auf sich warten, und so entwickelte sich eine polarisierte Debatte, die sich als "Alarmisten gegen Skeptiker" oder "Maximalisten gegen Minimalisten" beschreiben lässt.
Während der von der Politikwissenschaftlerin Astri Suhrke erstmals beschriebene maximalistische Ansatz dazu tendiert, die Umweltvariable aus einer Gruppe von Ursachen herauszuheben und die damit verbundene Abwanderung als direkte Folge der Umweltzerstörung darzustellen,
Die Teilung in "Maximalisten" und "Minimalisten" ist bis heute aktuell, wenngleich in jüngster Zeit ein breiterer Konsens darüber besteht, dass vereinfachende Zusammenhänge zwischen Umweltveränderungen und Migrationsentscheidungen vermieden werden sollten.
Sicherheit
Sicherheitsbedrohungen und steigende Konflikte durch den Klimawandel, insbesondere durch klimabedingte Migrationsbewegungen, wurden Ende der 2000er Jahre in verschiedenen Berichten militärischer Organisationen,
Verschiedene Autor*innen weisen darauf hin, dass die Perspektiven, die die Sicherheitsbedrohungen durch vermeintliche Klimamigrant*innen hervorheben, wesentliche Merkmale eines breiteren Versicherheitlichungsdiskurses seien.
Entwicklungsstudien und Entwicklungshilfe
Bereits in den 1990er Jahren hat der australische Bevölkerungs- und Migrationsforscher Graeme Hugo darauf hingewiesen, dass gerade in den am wenigsten entwickelten Ländern (least developed countries, LDCs) die tieferen Ursachen von Umweltmigration mit politischen, wirtschaftlichen, sozialen und demografischen Prozessen zusammenhängen.
Ein Diskussionsstrang verdeutlicht die deterministischen Zusammenhänge zwischen einer Verschlechterung der Umwelt und der Vertreibung von Personen, infolgedessen Migrant*innen oft als Objekte für humanitäre Interventionen und Entwicklungshilfe dargestellt werden.
Generell wird seit 2010 in der Debatte um Klimamigration zunehmend die Eigenverantwortung von "resilienteren Klimamigranten" ("more resilient climate migrants") betont. Die "resilienten Leben" ("resilient lives") von Individuen und Gemeinschaften, wie sie etwa in einer Kritik am Foresight-Report von 2011 vorkommen,
Klimagerechtigkeit
Im Gegensatz dazu finden sich in der Literatur seit etwa 2010 vielfältige Beiträge, die die enge Verknüpfung von Klimawandelmigration und Kontroversen um soziale, politische, ökonomische und ökologische Gerechtigkeit in den Nord-Süd-Beziehungen unterstreichen. Die Autor*innen dieser Richtung betonen die Verantwortung des Globalen Nordens und kritisieren, dass die historisch hohen Treibhausgasemissionen der Industrieländer und die damit verbundenen Verantwortlichkeiten für Veränderungen des Weltklimas nicht zu weitreichenden Zugeständnissen gegenüber den Entwicklungsländern geführt haben.
Darüber hinaus fordern verschiedene Autor*innen auch eine konsequente Politisierung der Anpassungsforschung, um der pauschalen Entpolitisierung des Themas Klimawandel durch die Klimawandelwissenschaften, die internationale Zusammenarbeit
Rechtsinstrumente zum Schutz von Umweltmigrant*innen
Menschen, die aufgrund des Klimawandels gezwungen sind zu migrieren, fallen bisher nicht unter die rechtliche Definition des Flüchtlingsbegriffs, die 1951 im Genfer Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention) beschlossen wurde. Es hat daher verschiedene Versuche gegeben, den Flüchtlingsbegriff um "Umweltflüchtlinge" zu erweitern. So gab es Vorschläge, ein Abkommen zu schaffen, das an die Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (United Nations Framework Convention on Climate Change, UNFCCC) gebunden ist. Außerhalb existierender internationaler Verträge wurden auch spezifische Abkommen in Bezug auf klimawandelbedingte Vertreibung vorgeschlagen – zum Beispiel eine neue internationale Konvention zu Umweltvertreibung,
Es gibt jedoch eine wachsende Anzahl sogenannter "weicher" Rechtsinstrumente (soft law) für Umweltmigrant*innen, die sowohl auf der internationalen als auch auf der regionalen Ebene wirken. Hier sind vor allem die Peninsula Principles on Climate Change Displacement within States von 2013 und die Agenda for the Protection of Cross-Border Displaced Persons in the Context of Disasters and Climate Change von 2015 zu nennen. Die Pensinsula Principles gehen auf die Initiative der beratenden Organisation Displacement Solutions zurück, die dazu Vertreter*innen unterschiedlicher Regierungen und andere Interessierte an einen Tisch gebracht hat. Die Protection-Agenda von 2015 wurde von der Nansen-Initiative erarbeitet – ein von Staaten geführter beratender Prozess, der dazu bestimmt ist, Konsens über die wichtigsten Grundsätze und Praktiken zu schaffen, die es zum Schutz von Umwelt- und Klimamigrant*innen zu beachten gilt. Die Initiative wurde 2012 von den Regierungen der Schweiz und Norwegens ins Leben gerufen, unterstützt von mehreren anderen interessierten Akteuren. Heute ist auch Deutschland beteiligt. Allerdings ist soft law rechtlich nicht einklagbar, sondern beruht auf "weichen" Mitteln der Durchsetzung wie peer pressure, also Druck unter Gleichgesinnten, diese Regeln zu befolgen.
Vor allem im pazifischen Raum bedrohen die prognostizierten Auswirkungen des Klimawandels tatsächlich auch die Existenz von Nationalstaaten. Daher ist der Verhandlungsprozess zu Klimawandel und Migration lebhaft, und es werden neue regionale Soft-law-Ansätze entwickelt.
Fazit und Ausblick
Es ist klar, dass die hier betrachtete Debatte über Klimawandel und Migration zentrale Fragen unserer Zeit berührt, etwa die wachsenden sozialen Ungleichheiten und die Tatsache, dass transnationale wie auch interdisziplinäre Zusammenarbeit notwendig ist, um die gesellschaftlichen Herausforderungen des Klimawandels – einschließlich der Umweltmigration – zu bewältigen. Einige der Interpretationen, Interessen und "imaginative resources"
Doch obwohl die Einigkeit über die Komplexität der Umweltmigration im Forschungsfeld der Klimamigration zuzunehmen scheint, sind einige Perspektiven, die der Debatte zu mehr Kohärenz verhelfen könnten, noch immer unterrepräsentiert. So fehlen zum einen emanzipatorische Ansätze der Migrationsforschung, beispielsweise zur "Autonomie der Migration".
Zum anderen wird deutlich, dass die konzeptionelle Kluft zwischen sozialen und natürlichen Phänomenen ein Grund dafür ist, dass häufig versucht wird, Umwelt als isolierten Aspekt in Migrationsentscheidungen zu analysieren.