"Sorgen Sie dafür, dass die neue deutsche Republik, die wir errichten werden, nicht durch irgendetwas gefährdet werde!", soll der SPD-Politiker Philipp Scheidemann am Nachmittag des 9. November 1918, zwei Tage vor dem Ende des Ersten Weltkriegs, einer Menschenmenge vom Reichstag aus zugerufen haben. Gefährdet war das demokratische Projekt trotz aller Euphorie des Augenblicks von Beginn an. Von den Rändern des politischen Spektrums immer wieder angefochten und von der Exekutive nicht konsequent verteidigt, konnte die Weimarer Republik den Belastungen durch Kriegsschäden, Reparationsverpflichtungen, Hyperinflation und Massenarbeitslosigkeit letztlich nicht standhalten.
Oft ist es dieses Scheitern, das den Blick auf die 14 Jahre der ersten deutschen Demokratie bestimmt, sei es bei der wissenschaftlichen Auseinandersetzung im Zeichen einer Ursachenforschung, im Abgrenzungsdiskurs von der Kontrastfolie "Weimar" oder bei der Warnung vor "Weimarer Verhältnissen" in Zeiten gesellschaftlicher Spannungen und politischer Verunsicherung. Die Attribute, mit denen die Weimarer Republik belegt worden ist, reichen von "ungeliebt" über "improvisiert" und "überfordert" bis hin zu "belagert". Gedeutet als reine "Zwischenkriegszeit", als von zwei Katastrophen eingerahmtes Intermezzo, droht sie mitunter im Bild eines "zweiten Dreißigjährigen Kriegs" vollends in den Hintergrund zu rücken.
Zwar werden Potenziale und Leistungen der Weimarer Demokratie wie das 1918 eingeführte Frauenwahlrecht oder die von Außenminister Gustav Stresemann verfolgte Verständigungspolitik mit den Siegermächten mit Blick auf Kontinuitäten in der deutschen Demokratiegeschichte verstärkt hervorgehoben. Wenn sich im November 2018 die Ausrufung der ersten deutschen Republik zum hundertsten Mal jährt, stellt sich aber die Frage, wie eine offene Betrachtungsweise "Weimars" jenseits jeglicher Normierung im Rahmen eines Chancen- oder Sonderwegdiskurses aussehen kann.