"Männer und Frauen sind gleichberechtigt." So lautet Artikel 3, Absatz 2 Grundgesetz, seit 1994 ergänzt um den Satz, dass es die Aufgabe des Staates sei, an dieser Gleichberechtigung mitzuwirken. In vielerlei Hinsicht sind Männer und Frauen heute gleichberechtigt: Seit 100 Jahren haben Frauen das Wahlrecht, seit gut 40 Jahren dürfen sie ein eigenes Konto eröffnen, seit zwei Jahren können sie sich gegen sexuelle Belästigung mit körperlicher Berührung auch juristisch zur Wehr setzen. In mancherlei Hinsicht jedoch sind sie es (noch) nicht: sexualisierte Gewalt, Gender Pay Gap, weibliche Altersarmut und viele Dinge mehr zeigen, dass Frauen strukturell eher mit Nachteilen rechnen müssen. Der Kampf um Gleichberechtigung ist eine lange und noch nicht abgeschlossene Geschichte und Gegenstand zahlreicher, auch widersprüchlicher Auseinandersetzungen: Ende Juni 2017 wurde die "Ehe für alle" und damit die Gleichstellung homosexueller Partnerschaften im Bundestag beschlossen, im Herbst 2017 erschütterte die Debatte um #MeToo die Machtverhältnisse in Kultur, Medien und Politik in vielen Ländern dieser Welt und machte deutlich, dass sexualisierte Belästigung eine massive Grenzverletzung darstellt. Parallel dazu lässt sich in vielen Ländern ein neuer Antifeminismus beobachten, der sich den Kampf gegen "Gender" auf die Fahnen geschrieben hat.
Seit Frauen Gleichheit einfordern, gibt es mehr oder weniger organisierte Widerstände dagegen. Beide – Forderung nach Gleichheit und Widerstand dagegen – sind als moderne Phänomene zu verstehen. Die mit der Moderne verbundenen gesellschaftlichen Veränderungen, seien sie technischer, sozioökonomischer oder politischer Natur – Stichworte: Industrialisierung, Urbanisierung, Kapitalismus, Liberalismus, Demokratie – hatten zur Voraussetzung und verstärkten ein Aufbrechen traditioneller Strukturen, Werte und Bindungen. Dieses Aufbrechen ermöglichte einerseits Freiheiten, löste andererseits auch Ängste aus. Moderne bedeutet daher einerseits Freiheits- und Gleichheitsversprechen, andererseits Individualisierung, Vereinzelung und Verelendung und den Verlust von alten Ordnungsvorstellungen, die bestimmte Gruppen privilegierten und anderen Partizipationsmöglichkeiten vorenthielten. Die Widerstände gegen Emanzipationsversprechen speisen sich daher aus der Angst vor dem Verlust (auch und gerade von Privilegien) wie auch aus dem Unbehagen angesichts der nur widerspruchsvollen Einlösung dieser Versprechen.
Widerstände gegen Emanzipationsbewegungen werden mit verschiedenen Begriffen beschrieben: Frauenfeindlichkeit, Misogynie, Sexismus, Antifeminismus und Antigenderismus. Während Misogynie, Frauenhass und Frauenfeindlichkeit sowie Sexismus häufig synonym verwendet werden, lassen sich am ehesten der Begriff des Antifeminismus und der des Antigenderismus davon abgrenzen. Im Sinne der Sozialwissenschaftlerin Herrad Schenk und der Historikerin Ute Planert sollen mit Antifeminismus primär Einstellungen und Verhaltensweisen bezeichnet werden, die sich gegen die Frauenbewegung respektive den Feminismus und dessen Errungenschaften richten. Schenk begründet diese Unterscheidung wie folgt: "Es erscheint sinnvoll, zwischen ‚Frauenfeindlichkeit‘ im allgemeinen und ‚Antifeminismus‘ im engeren Sinn zu trennen, obwohl beide Phänomene gelegentlich ineinander übergehen. Frauenfeindlichkeit hat es, lange vor dem Auftreten einer Frauenbewegung, immer wieder gegeben; sie bildet einen festen Bestandteil abendländischer Kultur. Unter ‚Antifeminismus‘ soll hier nur Frauenfeindlichkeit verstanden werden, die direkt als Reaktion auf die Frauenbewegung, als Widerstand gegen deren tatsächliche oder vermeintliche Ziele anzusehen ist."
Im Folgenden erläutere ich die Begriffe näher. Die vorgenommene Trennung ist als analytische zu verstehen, in der Realität lassen sich die Phänomene nicht so scharf voneinander abgrenzen: So ist beispielsweise eine misogyne Haltung häufig die Voraussetzung von antifeministischen Aktionen beziehungsweise drückt sich in diesen aus.
Frauenfeindlichkeit/Misogynie
Der aus dem Altgriechischen stammende Begriff Misogynie lässt sich am genauesten als Frauenhass übersetzen, daneben findet man häufig als Synonym die Formulierung der Frauenfeindlichkeit. Misogynie beschreibt die Annahme einer ontologischen Minderwertigkeit von Frauen, wie sie seit der Antike in verschiedenen Schriften der Philosophie und Literatur, aber letztlich auch im christlichen Glauben, der Hexenverfolgung und wissenschaftlichen Abhandlungen zum Ausdruck gebracht wurde.
Sexismus
Ein Grund für die Durchsetzung des Begriffs "Sexismus" mag darin liegen, dass er die Zugehörigkeit beziehungsweise Zuweisung zu einem Geschlecht zum Ausgang nimmt und damit Männer und Frauen gleichermaßen als potenziell Betroffene wie Praktizierende von Sexismus thematisierbar macht. Allgemein bedeutet Sexismus die Diskriminierung, Abwertung, Benachteiligung und Herabwürdigung eines Menschen aufgrund des (zugeschriebenen) Geschlechts. Auch wenn Männer damit ebenso von Sexismus betroffen sein können, wird der Begriff doch häufig mit der Diskriminierung von Frauen gleichgesetzt. Er wurde Ende der 1960er Jahre im Kontext der US-amerikanischen Frauenbewegung in Analogie zum Begriff "Rassismus" gebildet.
Ähnlich wie beim Begriff des Rassismus kann Sexismus verstanden werden als, erstens, in den Köpfen Einzelner verankertes Muster und damit als Einstellung und Vorurteil, zweitens, Handlungen Einzelner und, drittens, überindividuelles Muster, als Ideologie, Diskurs oder Deutungsmuster. Sexistisches Verhalten kann somit Ausdruck einer individuellen Einstellung wie auch gesellschaftlicher Normen und Werte sein.
Im Deutschen, insbesondere im Alltagsdiskurs, ist häufig eine Engführung von Sexismus mit dem Begriff der sexuellen beziehungsweise sexualisierten Belästigung zu beobachten, die eine Facette des Sexismus, wenn auch nicht die einzige darstellt. Dies ist sicherlich der Tatsache geschuldet, dass der Begriff hierzulande zumeist mit Sexualität assoziiert wird. Seit der Twitter-Kampagne #Aufschrei aus dem Jahr 2013 sowie zuletzt der in den USA gestarteten Twitter-Kampagne #MeToo, die beide in der Öffentlichkeit als "Sexismus-Debatten" verhandelt wurden, ist das Phänomen gerade auch in seiner Alltäglichkeit, als Belästigung, Verunglimpfung und Beeinträchtigung von Frauen sagbarer geworden und erfährt eine breitere gesellschaftliche Ablehnung. Männer können ebenfalls von Sexismus betroffen sein, wenn auch zahlenmäßig deutlich weniger. Ebenso erleiden Menschen, die sich nicht eindeutig als Männer oder Frauen identifizieren (transsexuelle oder transgender Menschen) und homosexuelle Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung Benachteiligung und Diskriminierung.
Antifeminismus
Antifeminismus gibt es, seit es Feminismus gibt. Im 19. Jahrhundert entwickelte sich in vielen Ländern eine Frauenbewegung. Seit den 1880er Jahren begannen die Frauenrechtlerinnen sich als "Feministinnen" zu bezeichnen.
Der Begriff "Antifeministen" wurde einer größeren Öffentlichkeit 1902 mit einer Aufsatzsammlung der Frauenrechtlerin Hedwig Dohm bekannt, die diese unter dem Titel "Die Antifeministen. Ein Buch der Verteidigung" veröffentlicht hatte.
Mit dem Nationalsozialismus endete die Frauenbewegung, einige Frauen gliederten sich in die Nazi-Frauenorganisationen ein, andere gingen ins Exil und wurden verfolgt. Eine neue Bewegung sollte sich erst wieder ab 1968 formieren, als Studentinnen anfingen, sich autonom zu organisieren und die Frage der Kinderbetreuung zu politisieren. Mit den Protesten gegen den Abtreibungsparagrafen 218 entstand ab 1972 eine breitere Basis für feministischen Protest, der sich im Laufe der 1970er Jahre immer stärker entfaltete und zur Entstehung einer Frauenbewegung und feministischen Gegenkultur (Frauenzentren, Frauencafés, Frauenuniversitäten, Frauenbuchläden) führte.
Der "Klassiker" zum Antifeminismus der 1980er Jahre ist das 1991 erschienene Buch "Backlash. The Undeclared War Against American Women" von Susan Faludi.
Antigenderismus
Viele Argumente der antifeministischen Männerrechtsbewegung tauchen auch im sogenannten Antigenderismus auf. Man kann Antigenderismus als eine aktuelle Form des Antifeminismus bezeichnen, der sich in seiner expliziten Argumentation nicht primär gegen "Feminismus", sondern gegen "Gender" wendet.
Eine zentrale rhetorische Strategie besteht darin, den Begriff "Gender" in Misskredit zu bringen. Dieser stammt aus dem Englischen und diente dort zunächst der Bezeichnung des grammatischen Geschlechts. Schließlich wurde er auch verwendet, um auf die sozialen Aspekte geschlechtlicher Identität hinzuweisen, im Gegensatz zu den mit sex bezeichneten biologischen Aspekten. Der mittlerweile auch im Deutschen üblich gewordene Gebrauch der Bezeichnung "Gender" impliziert die Annahme, dass geschlechtliche Identitäten sowie Bilder und Normen zu Weiblichkeit und Männlichkeit stark sozial geprägt sind und soziale Folgen für die Individuen haben, je nach dem mit welchen hierarchischen Positionen, Vor- und Nachteilen die Zuordnung zu einer Gruppe verbunden ist. Gender kann damit auch als Ausdruck dafür genommen werden, dass gesellschaftliche Vorstellungen zu Geschlecht offener und flexibler geworden sind. Genau gegen dieses Verständnis von Geschlecht polemisieren und kämpfen die GegnerInnen mit ihrem Vorwurf des "Genderismus". Sie benutzen vor allem zwei Argumentationsstränge: einen antietatistischen und einen antiwissenschaftlichen. Bei ersterem wird unterstellt, Gender Mainstreaming sei eine Art staatlich verordnete kollektive Gehirnwäsche, die wahlweise von der EU oder Lobbygruppen lanciert werde. Der zweite versucht vor allem die Gender Studies darüber zu delegitimieren, dass sie unwissenschaftlich seien, Ideologie produzierten und damit unrechtmäßig Steuergelder verschleudern würden.
Diese neue Form des Antifeminismus wird von verschiedenen Spektren und AkteurInnen getragen. Zu diesen gehören Protagonisten aus der Männerrechtsbewegung, konservative JournalistInnen, christlich-fundamentalistische Gruppierungen sowie rechtspopulistische bis rechtsextreme Bewegungen und Parteien. Nach der Genderforscherin Juliane Lang und dem Journalisten Ulrich Peters hat er sich in zwei Wellen entwickelt. Die erste Welle begann 2006 ausgehend von einem Beitrag in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung", in dem Gender Mainstreaming als "politische Geschlechtsumwandlung" diskreditiert wurde.
Neben der Fokussierung auf Gender transportiert der Antigenderismus aber auch eine klare Ablehnung von Feminismus und FeministInnen beziehungsweise deren Erfolgen in Politik und Wissenschaft. Paradoxerweise wird sich mittlerweile aber in strategischer Weise zuweilen auch positiv auf Frauenrechte bezogen, wenn dadurch die Überlegenheit gegenüber "vormodernen", "kulturell rückständigen" zugewanderten Gruppen behauptet werden kann. Der neue Antifeminismus geht nicht mehr von einer generellen Minderwertigkeit von Frauen aus, aber er bekämpft vehement die Kritik und Infragestellung von Zweigeschlechtlichkeit. Er propagiert eine scheinbar klare, stabile und unveränderbare Ordnung, deren Grundpfeiler voneinander unterscheidbare geschlechtliche Identitäten sowie die heterosexuelle Kleinfamilie sein sollen. Dieser neue Antifeminismus ist ein zentraler Bestandteil zeitgenössischer rechtspopulistischer Bewegungen in Europa. Für seine Entwicklung lassen sich drei Gründe anführen. Erstens, kulturelle Hegemonie: In Gefahr ist nicht, wie die GegnerInnen permanent beschwören, die Familie, sondern die kulturelle Hegemonie konservativer Werte durch eine Liberalisierung der Gesellschaft. Diejenigen, die diese Werte vertreten und durch diese Privilegien genießen, fürchten um den Verlust der Privilegien und ihrer Deutungsmacht. Zweitens, strategische Bündnisse: Viele Forschende, die sich mit dem neuen Antifeminismus auseinandergesetzt haben, stellen fest, dass dieser vor allem die strategische Funktion besitzt, verschiedene Gruppen (und Themen) zusammen zu bringen. Der Antigenderismus eignet sich als "Scharnier" oder symbolic glue (symbolischer Klebstoff) offenbar gut (eventuell besser als stark rechtsextrem konnotierte Themen), um breite Bündnisse für eine autoritäre und rassistische Politik zu schmieden.