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Frauenfeindlich, sexistisch, antifeministisch? | (Anti-)Feminismus | bpb.de

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Frauenfeindlich, sexistisch, antifeministisch? Begriffe und Phänomene bis zum aktuellen Antigenderismus

Imke Schmincke

/ 16 Minuten zu lesen

Verschiedene Begriffe kennzeichnen Widerstände gegen Emanzipation. In seiner aktuellen Ausformung "Antigenderismus" ist der Antifeminismus als modernes Krisensymptom zu deuten und gleichzeitig in seiner Bedrohung demokratischer Werte ernst zu nehmen.

"Männer und Frauen sind gleichberechtigt." So lautet Artikel 3, Absatz 2 Grundgesetz, seit 1994 ergänzt um den Satz, dass es die Aufgabe des Staates sei, an dieser Gleichberechtigung mitzuwirken. In vielerlei Hinsicht sind Männer und Frauen heute gleichberechtigt: Seit 100 Jahren haben Frauen das Wahlrecht, seit gut 40 Jahren dürfen sie ein eigenes Konto eröffnen, seit zwei Jahren können sie sich gegen sexuelle Belästigung mit körperlicher Berührung auch juristisch zur Wehr setzen. In mancherlei Hinsicht jedoch sind sie es (noch) nicht: sexualisierte Gewalt, Gender Pay Gap, weibliche Altersarmut und viele Dinge mehr zeigen, dass Frauen strukturell eher mit Nachteilen rechnen müssen. Der Kampf um Gleichberechtigung ist eine lange und noch nicht abgeschlossene Geschichte und Gegenstand zahlreicher, auch widersprüchlicher Auseinandersetzungen: Ende Juni 2017 wurde die "Ehe für alle" und damit die Gleichstellung homosexueller Partnerschaften im Bundestag beschlossen, im Herbst 2017 erschütterte die Debatte um #MeToo die Machtverhältnisse in Kultur, Medien und Politik in vielen Ländern dieser Welt und machte deutlich, dass sexualisierte Belästigung eine massive Grenzverletzung darstellt. Parallel dazu lässt sich in vielen Ländern ein neuer Antifeminismus beobachten, der sich den Kampf gegen "Gender" auf die Fahnen geschrieben hat.

Seit Frauen Gleichheit einfordern, gibt es mehr oder weniger organisierte Widerstände dagegen. Beide – Forderung nach Gleichheit und Widerstand dagegen – sind als moderne Phänomene zu verstehen. Die mit der Moderne verbundenen gesellschaftlichen Veränderungen, seien sie technischer, sozioökonomischer oder politischer Natur – Stichworte: Industrialisierung, Urbanisierung, Kapitalismus, Liberalismus, Demokratie – hatten zur Voraussetzung und verstärkten ein Aufbrechen traditioneller Strukturen, Werte und Bindungen. Dieses Aufbrechen ermöglichte einerseits Freiheiten, löste andererseits auch Ängste aus. Moderne bedeutet daher einerseits Freiheits- und Gleichheitsversprechen, andererseits Individualisierung, Vereinzelung und Verelendung und den Verlust von alten Ordnungsvorstellungen, die bestimmte Gruppen privilegierten und anderen Partizipationsmöglichkeiten vorenthielten. Die Widerstände gegen Emanzipationsversprechen speisen sich daher aus der Angst vor dem Verlust (auch und gerade von Privilegien) wie auch aus dem Unbehagen angesichts der nur widerspruchsvollen Einlösung dieser Versprechen.

Widerstände gegen Emanzipationsbewegungen werden mit verschiedenen Begriffen beschrieben: Frauenfeindlichkeit, Misogynie, Sexismus, Antifeminismus und Antigenderismus. Während Misogynie, Frauenhass und Frauenfeindlichkeit sowie Sexismus häufig synonym verwendet werden, lassen sich am ehesten der Begriff des Antifeminismus und der des Antigenderismus davon abgrenzen. Im Sinne der Sozialwissenschaftlerin Herrad Schenk und der Historikerin Ute Planert sollen mit Antifeminismus primär Einstellungen und Verhaltensweisen bezeichnet werden, die sich gegen die Frauenbewegung respektive den Feminismus und dessen Errungenschaften richten. Schenk begründet diese Unterscheidung wie folgt: "Es erscheint sinnvoll, zwischen ‚Frauenfeindlichkeit‘ im allgemeinen und ‚Antifeminismus‘ im engeren Sinn zu trennen, obwohl beide Phänomene gelegentlich ineinander übergehen. Frauenfeindlichkeit hat es, lange vor dem Auftreten einer Frauenbewegung, immer wieder gegeben; sie bildet einen festen Bestandteil abendländischer Kultur. Unter ‚Antifeminismus‘ soll hier nur Frauenfeindlichkeit verstanden werden, die direkt als Reaktion auf die Frauenbewegung, als Widerstand gegen deren tatsächliche oder vermeintliche Ziele anzusehen ist." Antigenderismus verstehe ich als aktuelle Variante des Antifeminismus.

Im Folgenden erläutere ich die Begriffe näher. Die vorgenommene Trennung ist als analytische zu verstehen, in der Realität lassen sich die Phänomene nicht so scharf voneinander abgrenzen: So ist beispielsweise eine misogyne Haltung häufig die Voraussetzung von antifeministischen Aktionen beziehungsweise drückt sich in diesen aus.

Frauenfeindlichkeit/Misogynie

Der aus dem Altgriechischen stammende Begriff Misogynie lässt sich am genauesten als Frauenhass übersetzen, daneben findet man häufig als Synonym die Formulierung der Frauenfeindlichkeit. Misogynie beschreibt die Annahme einer ontologischen Minderwertigkeit von Frauen, wie sie seit der Antike in verschiedenen Schriften der Philosophie und Literatur, aber letztlich auch im christlichen Glauben, der Hexenverfolgung und wissenschaftlichen Abhandlungen zum Ausdruck gebracht wurde. Während der Begriff zwar etwas sehr Konkretes bezeichnet – nämlich die Abwertung von Frauen –, wird er gleichwohl seit vielen Jahren auch in einer allgemeineren Form als strukturelle Entwertung oder Benachteiligung von Weiblichkeit gebraucht. Misogynie wird häufig als überhistorisches und kulturübergreifendes Phänomen verstanden und untersucht. Im Französischen und Englischen ist der Begriff sehr viel verbreiteter als im Deutschen, wo sich in den vergangenen Jahren die Bezeichnung "Sexismus" stärker durchgesetzt hat. Auch der Begriff der Frauenfeindlichkeit, der vor allem in den 1970er und 1980er Jahren sowohl im Alltag wie in der Forschung häufig verwendet wurde, ist mittlerweile weniger gebräuchlich.

Sexismus

Ein Grund für die Durchsetzung des Begriffs "Sexismus" mag darin liegen, dass er die Zugehörigkeit beziehungsweise Zuweisung zu einem Geschlecht zum Ausgang nimmt und damit Männer und Frauen gleichermaßen als potenziell Betroffene wie Praktizierende von Sexismus thematisierbar macht. Allgemein bedeutet Sexismus die Diskriminierung, Abwertung, Benachteiligung und Herabwürdigung eines Menschen aufgrund des (zugeschriebenen) Geschlechts. Auch wenn Männer damit ebenso von Sexismus betroffen sein können, wird der Begriff doch häufig mit der Diskriminierung von Frauen gleichgesetzt. Er wurde Ende der 1960er Jahre im Kontext der US-amerikanischen Frauenbewegung in Analogie zum Begriff "Rassismus" gebildet. So wie race – die Zugehörigkeit zu einer als ethnisch homogen vorgestellten Gruppe – bildet die Zugehörigkeit zu sex (englisch für Geschlecht) den Grund für Unterdrückung und Benachteiligung. Im Deutschen begann sich der Begriff im Laufe der 1970er Jahre durchzusetzen. Ab den 1980er Jahren nahmen politische Bewegungen die Bezeichnung (neben Antikapitalismus und Antirassismus auch Antisexismus) mit in ihr Repertoire auf, und auch in der Wissenschaft wurde zu dem Phänomen geforscht.

Ähnlich wie beim Begriff des Rassismus kann Sexismus verstanden werden als, erstens, in den Köpfen Einzelner verankertes Muster und damit als Einstellung und Vorurteil, zweitens, Handlungen Einzelner und, drittens, überindividuelles Muster, als Ideologie, Diskurs oder Deutungsmuster. Sexistisches Verhalten kann somit Ausdruck einer individuellen Einstellung wie auch gesellschaftlicher Normen und Werte sein. Formen des Sexismus veränderten sich ebenso wie die Geschlechterverhältnisse. Nach dem Psychologen Thomas Eckes widmete sich die (sozialpsychologische) Forschung bis in die 1990er Jahre vor allem Formen des offenen Sexismus. Seither werden Formen eines modernen Sexismus oder Neosexismus relevanter. Dieser besteht in der Leugnung fortgesetzter Diskriminierung. In diesem Zusammenhang wurde in der Forschung auch das Konzept des ambivalenten Sexismus entwickelt, das nicht nur ablehnende Haltungen, sondern auch besonders positive Einstellungen (beispielsweise Paternalismus) als sexistisch begreift.

Im Deutschen, insbesondere im Alltagsdiskurs, ist häufig eine Engführung von Sexismus mit dem Begriff der sexuellen beziehungsweise sexualisierten Belästigung zu beobachten, die eine Facette des Sexismus, wenn auch nicht die einzige darstellt. Dies ist sicherlich der Tatsache geschuldet, dass der Begriff hierzulande zumeist mit Sexualität assoziiert wird. Seit der Twitter-Kampagne #Aufschrei aus dem Jahr 2013 sowie zuletzt der in den USA gestarteten Twitter-Kampagne #MeToo, die beide in der Öffentlichkeit als "Sexismus-Debatten" verhandelt wurden, ist das Phänomen gerade auch in seiner Alltäglichkeit, als Belästigung, Verunglimpfung und Beeinträchtigung von Frauen sagbarer geworden und erfährt eine breitere gesellschaftliche Ablehnung. Männer können ebenfalls von Sexismus betroffen sein, wenn auch zahlenmäßig deutlich weniger. Ebenso erleiden Menschen, die sich nicht eindeutig als Männer oder Frauen identifizieren (transsexuelle oder transgender Menschen) und homosexuelle Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung Benachteiligung und Diskriminierung.

Antifeminismus

Antifeminismus gibt es, seit es Feminismus gibt. Im 19. Jahrhundert entwickelte sich in vielen Ländern eine Frauenbewegung. Seit den 1880er Jahren begannen die Frauenrechtlerinnen sich als "Feministinnen" zu bezeichnen. Die Aktivistinnen der ersten Frauenbewegung in Deutschland verzichteten jedoch weitgehend auf diese Bezeichnung, zu sehr war sie von den Gegnern in diffamierender Absicht besetzt worden.

Der Begriff "Antifeministen" wurde einer größeren Öffentlichkeit 1902 mit einer Aufsatzsammlung der Frauenrechtlerin Hedwig Dohm bekannt, die diese unter dem Titel "Die Antifeministen. Ein Buch der Verteidigung" veröffentlicht hatte. Dohm stellte fest: "Die Frauenfrage in der Gegenwart ist eine akute geworden. Auf der einen Seite werden die Ansprüche immer radikaler, auf der anderen die Abwehr immer energischer." Tatsächlich artikulierten sich ab der Jahrhundertwende immer mehr explizit antifeministische Stimmen, die die Errungenschaften der Frauenbewegung rückgängig machen wollten. Die Historikerin Ute Planert, die diese antifeministischen Konstellationen historisch untersucht hat, deutet diese als Reaktion auf Veränderungen im Geschlechterverhältnis, die Öffnung der Bildungsinstitutionen für Frauen, die Zunahme der Frauenerwerbsarbeit und die politische Organisation von Frauen. Aber erst durch Debatten um einen vermeintlichen Geburtenrückgang sowie die Möglichkeit eines Wahlrechts für Frauen bündelten sich die antifeministischen Gruppen 1912 in der Gründung des "Deutschen Bundes zur Bekämpfung der Frauenemanzipation". Das Netzwerk hinter dem Bund setzte sich aus Männern wie Frauen der adelig-bildungsbürgerlichen Oberschicht zusammen, die ihre antifeministische Mission mit anderen reaktionären Ideologien verschränkten: Viele argumentierten deutschnational, völkisch-rassistisch und nicht zuletzt antisemitisch. Im Wesentlichen ging es darum, eine ungleiche Geschlechteraufteilung wieder herzustellen: Der Platz des Mannes sei der Staat, der der Frau in der Familie. Mit Durchsetzung des Frauenwahlrechts einige Jahre später entfiel eine zentrale Motivation, der Bund löste sich auf beziehungsweise ging in der völkischen Bewegung der Weimarer Republik auf.

Mit dem Nationalsozialismus endete die Frauenbewegung, einige Frauen gliederten sich in die Nazi-Frauenorganisationen ein, andere gingen ins Exil und wurden verfolgt. Eine neue Bewegung sollte sich erst wieder ab 1968 formieren, als Studentinnen anfingen, sich autonom zu organisieren und die Frage der Kinderbetreuung zu politisieren. Mit den Protesten gegen den Abtreibungsparagrafen 218 entstand ab 1972 eine breitere Basis für feministischen Protest, der sich im Laufe der 1970er Jahre immer stärker entfaltete und zur Entstehung einer Frauenbewegung und feministischen Gegenkultur (Frauenzentren, Frauencafés, Frauenuniversitäten, Frauenbuchläden) führte. Während eine Vielzahl an Quellen die Entstehung und Entwicklung dieser Frauenbewegung dokumentiert, steht eine systematische Geschichte des Antifeminismus in der Bundesrepublik noch aus. In ihrem 1980 formulierten Rückblick auf die zweite Frauenbewegung stellt Herrad Schenk fest, dass mit dieser auch der Antifeminismus virulenter geworden sei. Seien die ersten Frauengruppen in der Anfangsphase von der größeren Öffentlichkeit bis auf polemische Kommentare in der linken Presse noch weitgehend ignoriert worden, so seien mit dem "Jahr der Frau" 1975 Frauenthemen in den Fokus einer breiteren Öffentlichkeit gelangt. Insbesondere das Erscheinen von Alice Schwarzers "Der kleine Unterschied und seine großen Folgen" hätte starke, besonders auch auf die Person bezogene diffamierende Reaktionen nach sich gezogen.

Der "Klassiker" zum Antifeminismus der 1980er Jahre ist das 1991 erschienene Buch "Backlash. The Undeclared War Against American Women" von Susan Faludi. In diesem entfaltet Faludi an unterschiedlichem Material (wie Studien, Filme, Debatten, Mode, plastische Chirurgie, Kampagnen gegen Schwangerschaftsabbruch) die These, dass die 1980er Jahre eine Dekade des Gegenschlags gegen den Feminismus gewesen seien. Das zentrale Argument der GegnerInnen habe darin bestanden, den Feminismus beziehungsweise die Frauenbewegung für das (vermeintliche) Unglück der Frauen und alle möglichen anderen gesellschaftlichen Krisenerscheinungen verantwortlich zu machen. Die Beobachtungen Faludis lassen sich zum Teil auch auf die Situation in der Bundesrepublik übertragen. Hier entwickelten sich in den 1980er/1990er Jahren neue antifeministische Gruppierungen: die sogenannten Männerrechtsgruppen, die (bis heute) teilweise stark antifeministisch agieren. Inhaltlich vertreten sie vor allem die Annahme, Männer seien Opfer des Feminismus (So hätten zum Beispiel Väter keine Rechte, und Jungen seien die neuen Bildungsverlierer). Die antifeministischen Männerrechtler gehen davon aus, dass sich die Gleichheit von Frauen zu einer Ungleichheit von Männern verkehrt habe. Sie argumentieren vehement gegen bestehende Gleichstellungsmaßnahmen und Gender Mainstreaming, die sie als staatlich verordnete Umerziehung verunglimpfen, und polemisieren gegen den Begriff "Gender".

Antigenderismus

Viele Argumente der antifeministischen Männerrechtsbewegung tauchen auch im sogenannten Antigenderismus auf. Man kann Antigenderismus als eine aktuelle Form des Antifeminismus bezeichnen, der sich in seiner expliziten Argumentation nicht primär gegen "Feminismus", sondern gegen "Gender" wendet. Seit Mitte der 2000er Jahre und verstärkt seit 2014 polemisieren verschiedene VertreterInnen dieser Richtung sowohl in den traditionellen Massenmedien wie im Internet gegen Gender Mainstreaming, das sie als "Gender-Wahnsinn" verhöhnen, sowie gegen die Geschlechterforschung oder Gender Studies, die sie als "Gender-Ideologie" rhetorisch disqualifizieren. "Gender-Ideologie" ist ein zentraler Kampfbegriff, mittels dessen alles diskreditiert, eben als "ideologisch" verunglimpft werden soll, das mit Gender zu tun hat.

Eine zentrale rhetorische Strategie besteht darin, den Begriff "Gender" in Misskredit zu bringen. Dieser stammt aus dem Englischen und diente dort zunächst der Bezeichnung des grammatischen Geschlechts. Schließlich wurde er auch verwendet, um auf die sozialen Aspekte geschlechtlicher Identität hinzuweisen, im Gegensatz zu den mit sex bezeichneten biologischen Aspekten. Der mittlerweile auch im Deutschen üblich gewordene Gebrauch der Bezeichnung "Gender" impliziert die Annahme, dass geschlechtliche Identitäten sowie Bilder und Normen zu Weiblichkeit und Männlichkeit stark sozial geprägt sind und soziale Folgen für die Individuen haben, je nach dem mit welchen hierarchischen Positionen, Vor- und Nachteilen die Zuordnung zu einer Gruppe verbunden ist. Gender kann damit auch als Ausdruck dafür genommen werden, dass gesellschaftliche Vorstellungen zu Geschlecht offener und flexibler geworden sind. Genau gegen dieses Verständnis von Geschlecht polemisieren und kämpfen die GegnerInnen mit ihrem Vorwurf des "Genderismus". Sie benutzen vor allem zwei Argumentationsstränge: einen antietatistischen und einen antiwissenschaftlichen. Bei ersterem wird unterstellt, Gender Mainstreaming sei eine Art staatlich verordnete kollektive Gehirnwäsche, die wahlweise von der EU oder Lobbygruppen lanciert werde. Der zweite versucht vor allem die Gender Studies darüber zu delegitimieren, dass sie unwissenschaftlich seien, Ideologie produzierten und damit unrechtmäßig Steuergelder verschleudern würden.

Diese neue Form des Antifeminismus wird von verschiedenen Spektren und AkteurInnen getragen. Zu diesen gehören Protagonisten aus der Männerrechtsbewegung, konservative JournalistInnen, christlich-fundamentalistische Gruppierungen sowie rechtspopulistische bis rechtsextreme Bewegungen und Parteien. Nach der Genderforscherin Juliane Lang und dem Journalisten Ulrich Peters hat er sich in zwei Wellen entwickelt. Die erste Welle begann 2006 ausgehend von einem Beitrag in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung", in dem Gender Mainstreaming als "politische Geschlechtsumwandlung" diskreditiert wurde. Es folgten ähnliche Artikel; besonders häufig nahm sich die neurechte "Junge Freiheit" des Themas an. Die zweite Welle begann 2014 mit den Protesten gegen die Thematisierung und Akzeptanz sexueller Vielfalt in der Sexualerziehung. Hierzu zählt die Hetze gegen das "Handbuch Sexualpädagogik der Vielfalt" und seine AutorInnen, die 2014 von einzelnen rechtspopulistischen AutorInnen im Internet verbreitet wurde. Außerdem kam es zu Protesten gegen die Thematisierung sexueller Vielfalt in den verschiedenen Bildungsplänen und Richtlinien zur Sexualerziehung in unterschiedlichen Bundesländern. Diese begannen 2013/2014 mit einer Petition gegen den Bildungsplan in Baden-Württemberg, in dem sexuelle Vielfalt als Querschnittsthema verankert werden sollte. Zwei neue Initiativen unterstützten die Ziele der Petition durch Demonstrationen: Zum einen die Initiative "Besorgte Eltern", die mit der Kampfvokabel "Frühsexualisierung" gegen Sexualerziehung in Schulen agitiert. Zum anderen die Initiative "Demo für alle", die sich an der französischen Protestbewegung "Manif pour tous" orientiert, die 2012/2013 landesweite Proteste gegen die Einführung einer "Ehe für alle" organisierte. Insbesondere die "Demo für alle" ist weiterhin sehr aktiv und kämpft vehement gegen Sexualerziehung und die Gleichstellung homosexueller mit heterosexuellen Partnerschaften. Die Mittel dazu sind, neben gezielter Einflussnahme auf PolitikerInnen, Petitionen, Kampagnen, die Ausrichtung von Symposien und vereinzelt Demonstrationen. Mittlerweile ist dieser Antifeminismus durch die AfD auch parlamentarisch vertreten. In der Kombination von Diskreditierung von Geschlechtergerechtigkeit über die Diffamierung von Gender, Diffamierung von sexueller Vielfalt und Dämonisierung von Sexualerziehung/Sexualaufklärung verbindet die Partei die Ablehnung von Gender Studies und Sexualerziehung und die Stärkung von heterosexuellen Familien mit ihrer völkisch-rassistischen Ausrichtung: Familienpolitik versteht die AfD explizit als Bevölkerungspolitik. Ziel dieser Politik soll sein, dass deutschstämmige Familien mehr Nachwuchs produzieren.

Neben der Fokussierung auf Gender transportiert der Antigenderismus aber auch eine klare Ablehnung von Feminismus und FeministInnen beziehungsweise deren Erfolgen in Politik und Wissenschaft. Paradoxerweise wird sich mittlerweile aber in strategischer Weise zuweilen auch positiv auf Frauenrechte bezogen, wenn dadurch die Überlegenheit gegenüber "vormodernen", "kulturell rückständigen" zugewanderten Gruppen behauptet werden kann. Der neue Antifeminismus geht nicht mehr von einer generellen Minderwertigkeit von Frauen aus, aber er bekämpft vehement die Kritik und Infragestellung von Zweigeschlechtlichkeit. Er propagiert eine scheinbar klare, stabile und unveränderbare Ordnung, deren Grundpfeiler voneinander unterscheidbare geschlechtliche Identitäten sowie die heterosexuelle Kleinfamilie sein sollen. Dieser neue Antifeminismus ist ein zentraler Bestandteil zeitgenössischer rechtspopulistischer Bewegungen in Europa. Für seine Entwicklung lassen sich drei Gründe anführen. Erstens, kulturelle Hegemonie: In Gefahr ist nicht, wie die GegnerInnen permanent beschwören, die Familie, sondern die kulturelle Hegemonie konservativer Werte durch eine Liberalisierung der Gesellschaft. Diejenigen, die diese Werte vertreten und durch diese Privilegien genießen, fürchten um den Verlust der Privilegien und ihrer Deutungsmacht. Zweitens, strategische Bündnisse: Viele Forschende, die sich mit dem neuen Antifeminismus auseinandergesetzt haben, stellen fest, dass dieser vor allem die strategische Funktion besitzt, verschiedene Gruppen (und Themen) zusammen zu bringen. Der Antigenderismus eignet sich als "Scharnier" oder symbolic glue (symbolischer Klebstoff) offenbar gut (eventuell besser als stark rechtsextrem konnotierte Themen), um breite Bündnisse für eine autoritäre und rassistische Politik zu schmieden. Drittens, Moderne – sozialer Wandel: Die antifeministischen Mobilisierungen gegen Gender und sexuelle Vielfalt funktionieren auch deshalb, weil sie zu Vehikeln grundsätzlicher Ängste und Verunsicherungen werden können. Die Angst vor einem sozialen Wandel, vor der Globalisierung und Neoliberalismus, vor Veränderungen, ist häufig Voraussetzung für Ängste, die sich an Fragen zu Geschlecht und Sexualität manifestieren. Aber diese Ängste werden auch bewusst geschürt von jenen, die auf eine autoritäre Einrichtung der Gesellschaft setzen. Insofern ist auch der aktuelle Antifeminismus als modernes Krisensymptom zu deuten und gleichzeitig in seiner Bedrohung grundsätzlicher demokratischer Werte ernst zu nehmen und zu kritisieren.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Herrad Schenk, Die feministische Herausforderung. 150 Jahre Frauenbewegung in Deutschland, München 1980, S. 163. Vgl. Ute Planert, Antifeminismus im Kaiserreich, Göttingen 1998, S. 12.

  2. "Misogynie (gr. Misein: hassen; gyne: Frau) bezeichnet einen weltanschaulich oder psychisch verankerten Frauenhaß, in abgeschwächter Form auch Frauenfeindlichkeit. M. findet in spezifischen Verhaltensweisen Ausdruck und kann in politischen und gesellschaftlichen Strukturen institutionalisiert sein." Urte Helduser, Misogynie, in: Renate Kroll (Hrsg.), Metzler Lexikon Gender Studies – Geschlechterforschung. Ansätze – Personen – Grundbegriffe, Stuttgart–Weimar 2002, S. 271.

  3. "Misogynie, Frauenfeindlichkeit; neuerdings im weiteren Sinne verwandt zur Kennzeichnung von Einstellungen, die die strukturelle Benachteiligung der Frau in der Gesellschaft und im privaten Bereich widerspiegeln." Barbara Rönsch, Misogynie, in: Werner Fuchs et al. (Hrsg.), Lexikon zur Soziologie, Opladen 1988, S. 507.

  4. Vgl. Gabriele Dietze, Weiße Frauen in Bewegung. Genealogien und Konkurrenzen von Race- und Genderpolitiken, Bielefeld 2013, S. 311.

  5. Der Verbreitung gingen Analysen voraus, die insbesondere die Rolle der Sexualität in der Unterdrückung von Frauen herausarbeiteten. Vgl. beispielsweise Kate Millett, Sexus und Herrschaft. Die Tyrannei des Mannes in unserer Gesellschaft, Reinbek 1985 (1969); für den deutschen Kontext Alice Schwarzer, Der kleine Unterschied und seine großen Folgen. Frauen über sich – Beginn einer Befreiung, Frankfurt/M. 1975; Marielouise Janssen-Jurreit, Sexismus. Über die Abtreibung der Frauenfrage, München 1976.

  6. So wird Sexismus beispielsweise als Teil eines größeren Syndroms menschenfeindlicher beziehungsweiser autoritärer Einstellungen gedeutet und entsprechend gemessen. Vgl. dazu die Studien zu Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit von Wilhelm Heitmeyer et al. sowie die sogenannten Leipziger Mitte-Studien von Elmar Brähler und Oliver Decker.

  7. Vgl. Thomas Eckes, Geschlechterstereotype: Von Rollen, Identitäten und Vorurteilen, in: Ruth Becker/Beate Kortendiek (Hrsg.), Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung. Theorie, Methoden, Empirie, Wiesbaden 2008, S. 171–182, hier S. 176.

  8. Vgl. ebd., S. 176f.; Charlotte Diehl/Jonas Rees/Gerd Bohner, Die Sexismus-Debatte im Spiegel wissenschaftlicher Erkenntnisse, in: APuZ 8/2014, S. 22–28; Julia C. Becker, Subtile Erscheinungsformen von Sexismus, in: ebd., S. 29–34.

  9. Nach Karen Offen entstand der Begriff "Féminisme" zunächst in Frankreich, 1882 bezeichnete sich die französische Frauenrechtlerin Hubertine Auclert als Feministin und wenig später nutzten auch Frauenrechtlerinnen aus anderen europäischen und außereuropäischen Ländern (USA, Argentinien, Kuba) die Bezeichnung Feministin und Feminismus. Vgl. Karen M. Offen, European Feminisms, 1700–1950. A Political History, Stanford 2000, S. 19.

  10. Siehe dazu auch den Beitrag von Susanne Maurer in dieser Ausgabe (Anm. d. Red.).

  11. Hedwig Dohm, Die Antifeministen. Ein Buch der Verteidigung (1902), in: Ariadne. Forum für Frauen- und Geschlechtergeschichte 71/2017, S. 38–45, hier S. 38.

  12. Planert kann an vielen Stellen ihrer Studie zeigen, "daß Antifeminismus und Antisemitismus um die Jahrhundertwende nicht nur programmatisch-strukturelle Ähnlichkeiten hatten, sondern auch personell und organisatorisch eng miteinander verflochten waren." Planert (Anm. 1), S. 17. Vgl. aktuell zum Zusammenhang von Antifeminismus und Antisemitismus Karin Stögner, Antisemitismus und Sexismus. Historisch-gesellschaftliche Konstellationen, Baden-Baden 2014; Jonas Fedders, "Die Rockefellers und Rothschilds haben den Feminismus erfunden." Einige Anmerkungen zum Verhältnis von Antifeminismus und Antisemitismus, in: Juliane Lang/Ulrich Peters (Hrsg.), Antifeminismus in Bewegung. Aktuelle Debatten um Geschlecht und sexuelle Vielfalt, Hamburg 2018, S. 213–232.

  13. Vgl. zur zweiten Frauenbewegung Ute Gerhard, Frauenbewegung und Feminismus. Eine Geschichte seit 1789, München 2009; Ilse Lenz (Hrsg.), Die Neue Frauenbewegung in Deutschland. Abschied vom kleinen Unterschied. Eine Quellensammlung, Wiesbaden 2008.

  14. Auch in der DDR wird es mit hoher Wahrscheinlichkeit antifeministische Strömungen gegeben haben, trotz (oder gerade wegen) staatlich verordneter Emanzipation. Untersuchungen dazu sind aber nicht bekannt.

  15. Vgl. Schenk (Anm. 1), S. 172.

  16. Vgl. Susan Faludi, Die Männer schlagen zurück. Wie die Siege des Feminismus sich in Niederlagen verwandeln und was Frauen dagegen tun können, Reinbek 1993 (1991).

  17. Vgl. Thomas Gesterkamp, Geschlechterkampf von rechts. Wie Männerrechtler und Familienfundamentalisten sich gegen das Feindbild Feminismus radikalisieren, Expertise für die Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn 2010; Andreas Kemper, (R)echte Kerle: zur Kumpanei der MännerRECHTSbewegung, Münster 2011; Hinrich Rosenbrock, Die antifeministische Männerrechtsbewegung, Denkweisen, Netzwerke und Online-Mobilisierung, Expertise für die Heinrich-Böll-Stiftung, Berlin 2012; Robert Claus, Maskulismus. Antifeminismus zwischen vermeintlicher Salonfähigkeit und unverhohlenem Frauenhass, Expertise für die Friedrich-Ebert-Stiftung, Berlin 2014.

  18. Vgl. zu letzterem Rosenbrock (Anm. 17), S. 71ff.

  19. Vgl. aktuelle Publikationen zum Phänomen: Sabine Hark/Paula-Irene Villa (Hrsg.), (Anti-)Genderismus, Sexualität und Geschlecht als Schauplätze aktueller politischer Auseinandersetzungen, Bielefeld 2015; Ariadne. Forum für Frauen- und Geschlechtergeschichte 71/2017 mit dem Schwerpunkt "Diffamierende Reden. Antifeminismen im Wandel"; Sonja Strube, Rechtspopulistische Strömungen und ihr Anti-Genderismus, in: Margit Eckholt (Hrsg.), Gender studieren. Lernprozess für Theologie und Kirche, Ostfildern 2017, S. 105–120; Lang/Peters (Anm. 12); für den europäischen Kontext vgl. David Paternotte/Roman Kuhar (Hrsg.), Anti-Gender Campaigns in Europe. Mobilizing against Equality, London–New York 2017; Schwerpunkt "Demokratie braucht Feminismus" des Gunda-Werner-Instituts der Heinrich-Böll-Stiftung: Externer Link: http://www.gwi-boell.de/de/demokratie-braucht-feminismus.

  20. Vgl. zu "Gender-Ideologie" als transnationalem Diskurs verschiedener europäischer rechtspopulistischer Gruppierungen auch David Paternotte/Roman Kuhar, Gender Ideology in Movement: Introduction, in: dies. (Anm. 19), S. 1–22.

  21. Vgl. auch Hark/Villa (Anm. 19), S. 20–25.

  22. Vgl. Juliane Lang/Ulrich Peters, Antifeminismus in Deutschland. Einführung und Einordnung, in: dies. (Anm. 12), S. 13–35, hier S. 21ff.; Hark/Villa (Anm. 19), S. 26ff.

  23. Vgl. Imke Schmincke, Das Kind als Chiffre politischer Auseinandersetzung am Beispiel neuer konservativer Protestbewegungen in Frankreich und Deutschland, in: Hark/Villa (Anm. 19), S. 93–107.

  24. Vgl. Kapitel 7 im Wahlprogramm der AfD Externer Link: http://www.afd.de/wp-content/uploads/sites/111/2017/06/2017-06-01_AfD-Bundestagswahlprogramm_Onlinefassung.pdf; zur Familien- und Geschlechterpolitik der AfD auch Andreas Kemper, Keimzelle der Nation – Teil 2. Wie sich in Europa Parteien und Bewegungen für konservative Familienwerte, gegen Toleranz und Vielfalt und gegen eine progressive Geschlechterpolitik radikalisieren, Expertise für die Friedrich-Ebert-Stiftung, Berlin 2014.

  25. Vgl. Henning von Bargen/Barbara Unmüßig, Antifeminismus – Scharnier zwischen rechtem Rand und Mitte, 16.9.2016, Externer Link: http://www.gwi-boell.de/de/2016/09/28/antifeminismus-scharnier-zwischen-rechtem-rand-und-mitte; Eszter Kováts/Maari Põim, Gender als Symbolic Glue. The Position and Role of Conservative and Far Right Parties in the Anti-Gender Mobilizations in Europe, Expertise für die Friedrich-Ebert-Stiftung, Berlin 2015.

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ist promovierte Soziologin und Akademische Rätin am Lehrstuhl "Soziologie und Gender Studies" der Ludwig-Maximilians-Universität München. E-Mail Link: imke.schmincke@soziologie.uni-muenchen.de