America First
Donald Trump und die Neujustierung der US-Handelspolitik
Peter Sparding
/ 14 Minuten zu lesen
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Die Handelspolitik ist das Thema, mit dem sich Donald Trump häufig von seinen Parteikollegen absetzt. Für ihn ist der internationale Handel ein Nullsummenspiel, in dem immer nur eine Seite gewinnen kann. Die USA, so Trump, verlieren dieses "Spiel" seit Jahrzehnten.
Die Monate nach der Wahl Donald Trumps zum 45. Präsidenten der USA waren geprägt von einer Phase "radikaler Ungewissheit". Der ungewöhnliche und impulsive Charakter des US-Präsidenten sowie seine im Wahlkampf angekündigte Abkehr von jahrzehntelangen Eckpfeilern amerikanischer Außen-, Sicherheits- und Wirtschaftspolitik ließen Beobachter im In- und Ausland verunsichert und fragend zurück.
Insbesondere in der Wirtschaftspolitik rechneten viele mit dramatischen Veränderungen. Dies hatte zwei Gründe: Erstens hatte Trump einen Großteil seines Wahlkampfes auf Themen wie vermeintlich unfaire Handelsabkommen und die versprochene Rückkehr der Industriejobs fokussiert. Inhaltlich positionierte er sich dabei in vielen wirtschaftspolitischen Bereichen anders als seine republikanischen Vorgänger. Neben Ankündigungen, die Handelsbeziehungen der USA neu und im Interesse der USA zu reorganisieren, versprach Trump im Wahlkampf auch eine "wunderschöne" Gesundheitsversicherung für alle, eine Rundumerneuerung der amerikanischen Infrastruktur, und er sprach wiederholt davon, dass wohlhabende Amerikanerinnen und Amerikaner, wie er selbst, mehr Steuern zahlen sollten.
Zweitens wurden aufgrund der Art und Weise, wie Trump die Präsidentschaftswahl gewonnen hatte, Veränderungen in der Wirtschaftspolitik erwartet: Der überraschende Wahlerfolg kam letztendlich durch Trumps knappen Erfolg in drei ehemaligen Industriestaaten zustande – Michigan, Wisconsin und Pennsylvania –, in denen die große Mehrheit der (weißen) working class für ihn gestimmt hatte. Dies unterstrich in den Augen vieler die Bedeutung wirtschaftspolitischer Themen für den Wahlerfolg und damit auch die neue Prioritätensetzung der künftigen Präsidentschaft.
Nach dem ersten Amtsjahr ist jedoch festzustellen, dass Trump bisher vorwiegend eine Wirtschaftspolitik verfolgt, die auch von anderen republikanischen Kandidaten zu erwarten gewesen wäre. Er ließ bei vielen entscheidenden Themen dem republikanisch geführten Kongress bei der Prioritätensetzung und Ausarbeitung von Gesetzgebungsinitiativen den Vortritt. So wurden die meisten wirtschaftspolitischen Versprechen des Kandidaten Trump bislang nicht eingelöst. Lediglich das avisierte, aber noch nicht in Angriff genommene Infrastrukturpaket, die Steuerreform sowie Maßnahmen in der Handelspolitik folgten der im Wahlkampf angekündigten politischen Richtung.
Handelspolitik als Thema
Die Handelspolitik gehört zu den wenigen Themenbereichen, in denen Trump seit Langem konsistente Positionen erkennen lässt. Bereits als New Yorker Immobilieninvestor in den 1980er Jahren sprach er in Fernsehauftritten wiederholt davon, dass andere Länder die USA wirtschaftlich ausnutzen und unfair behandeln würden. 1987 platzierte Trump eine ganzseitige Anzeige in mehreren großen Tageszeitungen in Form eines Briefes an das amerikanische Volk: Er behauptete darin, dass insbesondere Japan seine starke Wirtschaft jahrzehntelang auf Kosten der USA aufgebaut habe. Im Präsidentschaftswahlkampf schlug Trump ähnliche Töne an, auch wenn er nun vor allem über China und Mexiko klagte. So erklärte Trump zum Beispiel, Chinas Eintritt in die Welthandelsorganisation (WTO) habe zum größten "Jobraub" der amerikanischen Geschichte geführt. Deshalb verstieg sich Trump sogar zur Bemerkung, China würde die USA durch unfaire Handelspraxen "vergewaltigen".
Neben Japan, China und Mexiko waren besonders regionale Freihandelsabkommen immer wieder Ziel wütender Angriffe des Kandidaten Trump – etwa die unter Präsident Barack Obama mit elf weiteren pazifischen Anrainerstaaten verhandelte Transpazifische Partnerschaft (TPP) und das 1994 mit Kanada und Mexiko erzielte Nordamerikanische Freihandelsabkommen (NAFTA). Trump bezeichnete NAFTA sogar als "das schlechteste je von den USA unterzeichnete Handelsabkommen".
Darüber hinaus war die Handelspolitik auch das Thema, mit dem sich Trump am häufigsten von traditionellen Positionen der Republikaner absetzte. Diese galten lange als die Freihandelspartei, und die Mehrheit der republikanischen Kongressmitglieder hatte noch 2015 dafür gestimmt, Präsident Obama zu ermächtigen, die TPP abzuschließen. Für eine Partei, die in den acht Jahren der Obama-Präsidentschaft fast jede Kooperation mit dem Oval Office verweigerte hatte, war die Zusammenarbeit bei der Handelspolitik durchaus bemerkenswert, und sie gibt Aufschluss über den Stellenwert, den solche Abkommen in der Partei noch bis vor einigen Jahren hatten.
In der Handelspolitik hat sich mit dem Amtsantritt Trumps somit eine große Schere zwischen den etablierten Republikanern im Kongress und dem Präsidenten aufgetan. Denn obgleich Trump in seinen Bemerkungen zumeist vage blieb, lassen sich zwei argumentative Hauptstränge in seinem Denkansatz erkennen: Auf der einen Seite ist der internationale Handel für Trump ein Nullsummenspiel, in dem immer nur einer gewinnen kann. Die USA, so Trump, verlieren dieses "Spiel" seit Jahrzehnten. Beleg hierfür seien die langjährigen amerikanischen Handelsbilanzdefizite, die er als Zeichen der Schwäche ansieht. Auf der anderen Seite offenbart sich eine klare Abneigung gegen regionale oder multilaterale Vereinbarungen. Laut Trump sind bilaterale Verhandlungen, in denen die USA aufgrund ihrer Größe und Macht am längeren Hebel sitzen, den komplizierteren und auf Kompromisse angewiesenen mehrstaatlichen Formaten vorzuziehen.
Wie genau eine Trumpsche Handelspolitik aussehen würde, blieb jedoch trotz der im Wahlkampf geäußerten vehementen Kritik am bestehenden Handelssystem weitgehend unklar. Schließlich hatten auch frühere Präsidentschaftskandidaten im Wahlkampf Handelsabkommen kritisiert. So versprach etwa Barack Obama im Wahlkampf 2008, NAFTA neu verhandeln zu wollen. In der Regel kühlt sich im Amt jedoch die Wahlkampfrhetorik ab. Deshalb gingen zunächst viele Beobachter auch bei Trump davon aus, dass er von seinen weitreichenden Ankündigungen abrücken und das Interesse am Thema abflauen wird.
Das Handelsthema hat jedoch weiterhin, und trotz der insgesamt ereignisreichen Zeit, große Aufmerksamkeit erfahren. Dabei bestand die Handelspolitik der Trump-Administration – mit Ausnahme der Aufkündigung des TPP-Abkommens – zunächst eher aus symbolischen und rhetorischen Handlungen. Laut der im März 2017 veröffentlichen Trade Policy Agenda des Präsidenten ist es das Ziel der neuen Regierung, den internationalen Handel auszuweiten und "freier und fairer für alle Amerikaner" zu gestalten. Zur Erreichung dieses Ziels identifizierte die Trump-Administration vier Hauptprioritäten: erstens die Verteidigung der nationalen Souveränität in der Handelspolitik; zweitens die strikte Durchsetzung der US-Handelsgesetze; drittens ein verstärkter Einsatz des amerikanischen Einflusses zur Öffnung internationaler Märkte; viertens das Verhandeln neuer und besserer Handelsabkommen.
Sämtliche Ausführungen zu den vier Prioritäten sind durchzogen von dem Gedanken, die USA seien aufgrund des bestehenden Handelssystems und der existierenden Handelsabkommen benachteiligt. Es wird wiederholt darauf verwiesen, dass die von Freihandelsbefürwortern präsentierten Vorzüge nicht bei allen Amerikanern angekommen seien. Als Beleg hierfür werden insbesondere die seit einigen Jahren angewachsenen Ungleichgewichte in der US-Handelsbilanz angeführt.
Handelsbilanzdefizite und -überschüsse
Es ist das erklärte Ziel der Trump-Administration, das US-Handelsbilanzdefizit zu verringern. Dabei ist es nicht nur Trump selbst, der sich auf die Handelsbilanz konzentriert. Dieses Defizit, das größte weltweit, lag 2016 bei rund 500 Milliarden US-Dollar und betrug somit 2,7 Prozent des US-amerikanischen Bruttosozialprodukts. Dabei ist zwischen dem massiven Defizit im Güterhandel, das sich auf über 762 Milliarden US-Dollar belief, und dem Überschuss von etwa 247 Milliarden US-Dollar im Dienstleistungsbereich zu unterscheiden. In der amerikanischen Debatte, die vor allem in Verbindung mit dem Verlust von Industriejobs geführt wird, spielt vor allem das Güterdefizit eine Rolle.
Handelsbilanzdefizite sind kein neues Phänomen der amerikanischen Wirtschaft. Zum bislang letzten Mal wies die amerikanische Handelsbilanz 1975 einen Überschuss auf. Seitdem und insbesondere seit Anfang der 2000er Jahre ist das Handelsbilanzdefizit der USA sehr ausgeprägt. Den höchsten Stand erzielte es kurz vor der Finanzkrise 2008 mit über 700 Milliarden US-Dollar. In den Folgejahren hat sich das Defizit ungefähr auf den heutigen Stand eingependelt.
Das größte bilaterale Handelsbilanzdefizit hatten die USA 2016 mit China (etwa 309 Milliarden US-Dollar), mit erheblichem Abstand gefolgt von Deutschland (67 Milliarden US-Dollar), Mexiko (63 Milliarden US-Dollar) und Japan (57 Milliarden US-Dollar). Es ist daher kein Zufall, dass alle genannten Länder bereits Ziel der Kritik des Präsidenten oder seiner Beraterinnen und Berater wurden.
Insbesondere das erhebliche bilaterale Defizit mit China ist schon länger und nicht erst seit Trump vielen amerikanischen Politikerinnen und Politikern ein Dorn im Auge. Und das nicht ganz ohne Grund: Der rasche wirtschaftliche Aufstieg Chinas und der Eintritt des Landes in die WTO 2001 hatten erhebliche Auswirkungen auf die amerikanische Wirtschaft und insbesondere den Arbeitsmarkt. Wie einige Studien nahelegen, habe der "China-Schock" dazu geführt, dass einzelne Regionen und Industriebranchen besonders heftig unter der in den 2000er Jahren gestiegenen Konkurrenz gelitten hätten. So gingen laut einer Studie von 2016 zwischen 1999 und 2011, also in der gleichen Zeit, in der auch das amerikanische Handelsbilanzdefizit mit China anstieg, etwa 2,4 Millionen Arbeitsplätze als direkte Folge steigender chinesischer Importe verloren. Diese Verluste waren besonders in der verarbeitenden Industrie und in Regionen, die von ihr geprägt sind, zu spüren. Anders als die gängigen wirtschaftswissenschaftlichen Theorien behaupten, wurden diese Einbußen jedoch nicht in ausreichendem Maße durch andere Branchen oder Regionen ausgeglichen.
Obendrein ist die Kritik, China habe sich durch unfaire Maßnahmen einen Vorteil verschafft, nicht ganz von der Hand zu weisen. In neuesten Studien wird China und anderen Ländern vorgeworfen, sie hätten in den 2000er Jahren ihre Währungen manipuliert. Diese Eingriffe seien nicht zuletzt mitverantwortlich für das massive Ungleichgewicht der Handelsbilanzen in den 2000er Jahren gewesen – ohne Währungsmanipulationen wäre das US-Handelsbilanzdefizit zu dieser Zeit um bis zu 35 Prozent geringer gewesen. Wenngleich in der Wissenschaft umstritten ist, in welchem Maße der Welthandel verantwortlich für die Jobverluste und die steigende Ungleichheit ist, sind diesbezügliche Annahmen besonders unter republikanischen Wählerinnen und Wählern verbreitet. Laut einer Umfrage von 2017 sind 71 Prozent der republikanischen Wähler der Meinung, der Verlust von Arbeitsplätzen an China sei eine ernste Bedrohung. Dies empfanden lediglich 47 Prozent der Wähler der Demokraten. Anhänger der Republikaner waren zudem erheblich besorgter über das Handelsbilanzdefizit mit China (56 Prozent) als diejenigen der Demokraten (38 Prozent).
Es ist daher nicht überraschend, dass Präsident Trump die Beseitigung des Handelsbilanzdefizits als Hauptziel seiner Handelspolitik deklarierte. Die direkten Handlungsmöglichkeiten des Präsidenten sind im bilateralen Rahmen jedoch begrenzt. Die meisten Ökonomen gehen davon aus, dass bilaterale Handelsbilanzdefizite zu großen Teilen nicht von bestimmten Handelsmaßnahmen, etwa Zöllen oder Importquoten, verursacht werden. Entscheidende Faktoren seien vielmehr das Spar- und Investitionsverhalten eines Landes, Wechselkursschwankungen und unterschiedliche Branchenfokussierungen miteinander handelnder Länder. Eine Verringerung bilateraler Handelsbilanzdefizite würde dementsprechend zu großen Teilen von anderweitigen wirtschaftspolitischen Maßnahmen abhängen.
Trotz seiner Bereitschaft, unkonventionelle Maßnahmen zu ergreifen, sah sich Trump in der Handelspolitik zunächst von realpolitischen Zwängen eingehegt: Hatte er im Wahlkampf noch angekündigt, China am ersten Amtstag offiziell zum Währungsmanipulator zu erklären, um mit eventuellen Strafmaßnahmen gegen die vermeintlich unfaire chinesische Handelspraxis vorzugehen, musste er als Präsident seine Position revidieren. Seine Administration fand in ihren halbjährlichen Berichten zur Währungsmanipulation keine Belege für eine anhaltende Manipulation der chinesischen Währung. Darüber hinaus wurde deutlich, dass außen- und sicherheitspolitische Erwägungen mit Blick auf die sich verschärfende Lage in Nordkorea eine wichtige Rolle in den chinesisch-amerikanischen Beziehungen spielen würden. Eine direkte Konfrontation in der Handelspolitik wurde daher bislang vermieden, wenngleich vieles darauf hindeutet, dass diese immer wahrscheinlicher wird.
In den ersten Monaten der Amtszeit beschränkten sich die Bemühungen, bilaterale Handelsbilanzen zu verändern, daher zunächst hauptsächlich auf rhetorische Ankündigungen und symbolische Maßnahmen. Insbesondere Trumps kontroverser Handelsberater Peter Navarro tat sich zu Beginn der Präsidentschaft wiederholt mit provokanten Bemerkungen hervor. So kündigte er in einem Interview mit der "Financial Times" an, Ziel der neuen Regierung sei es, internationale Wertschöpfungsketten neu zu organisieren und Gewinne amerikanischer Unternehmen in die USA zurückzuführen. Zudem warf er Deutschland vor, durch einen unterbewerteten Euro sowohl die Europäische Union als auch die USA auszunutzen.
Im März 2017 beauftragte Präsident Trump das US-Wirtschaftsministerium per Dekret, einen Bericht über alle signifikanten Handelsbilanzdefizite zu erstellen, ließ aber offen, was genau daraus folgen sollte. Gleichzeitig berief sich die Regierung auf bisher selten genutzte Verfügungen in verschiedenen US-Handelsgesetzen, um ihr Ziel zu erreichen. Unter Berufung auf eine mögliche Gefährdung der nationalen Sicherheit ordnete Trump beispielsweise im April 2017 die Untersuchungen von Stahlimporten an, da der Rückgang der eigenen Stahlproduktion durch die zu Dumpingpreisen aus China, aber auch Deutschland eingeführten Importe insbesondere die eigene Rüstungsproduktion gefährde.
Schon diese wenigen Maßnahmen verdeutlichen die Schwierigkeiten, bilaterale Handelsbilanzdefizite zu senken. Denn zum einen verzögerten sich die Untersuchungen, da viele Republikaner im Kongress Bedenken anmeldeten; zum anderen haben die aggressive Rhetorik und die Angst vor möglichen Strafzöllen für Stahlimporte paradoxerweise zu einem Anstieg des Handelsbilanzdefizits beigetragen, da viele Stahlimporteure Käufe vorzogen, um etwaigen neuen Zöllen zuvorzukommen.
Zusammenfassend kann festgehalten werden: Versuche, das Handelsbilanzdefizit durch gezielte bilaterale und branchenspezifische Eingriffe zu reduzieren, blieben bisher erfolglos.
Freihandelsabkommen und die WTO
Das Ziel, das eigene Handelsbilanzdefizit zu verringern, ist auch eine treibende Kraft hinter dem Anliegen, die Freihandelsabkommen der USA neu auszurichten. In den offiziellen Zielsetzungen des US-Handelsbeauftragten für die im August 2017 begonnenen Neuverhandlungen von NAFTA steht die Senkung der bilateralen Handelsbilanzdefizite mit Mexiko und Kanada an erster Stelle. Auch mit Blick auf weitere Freihandelsabkommen, etwa dem United States–Korea Free Trade Agreement (KORUS FTA), ist das bilaterale Handelsbilanzdefizit von besonderer Bedeutung für die US-Seite. Dieses hat sich seit Inkrafttreten des KORUS FTA im Jahr 2012 verdoppelt. Generell ist die bisherige Vorgehensweise der Trump-Administration in Bezug auf Handelsabkommen deutlich von der Annahme geprägt, die USA seien in diesen zu kurz gekommen. Es erstaunt daher nicht, dass Trump bereits an seinem ersten Arbeitstag als US-Präsident eines seiner Wahlkampfversprechen einlöste und ein Dekret zum Ausstieg der USA aus der TPP unterzeichnete. Überraschend ruhig ist es dagegen um das Transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP) geworden. Im Gegensatz zu anderen Abkommen spielte TTIP im US-Wahlkampf kaum eine Rolle. Da die Verhandlungen aber bereits vor Trump und auch auf der europäischen Seite in schweres Fahrwasser geraten waren, sind diese ausgesetzt. Eine etwaige Neuaufnahme während der Präsidentschaft Trumps gilt als geradezu ausgeschlossen.
Die Administration machte, wie bereits erwähnt, im Sommer 2017 ihre Ankündigung wahr, NAFTA neu zu verhandeln. Ihre Forderungen waren aber teilweise so brüsk, dass einige Beobachter sie als reinen Vorwand für einen etwaigen Rückzug der USA aus dem Freihandelsabkommen deuten. Zum jetzigen Zeitpunkt sind sowohl ein Ende des nordamerikanischen Abkommens wie auch ein gesichtswahrender Kompromiss möglich, wenn auch einige Zeichen für Ersteres sprechen. Die Sorgen unter republikanischen Kongressabgeordneten, aber auch großen Interessengruppen der Industrie und Landwirtschaft wachsen jedoch, dass Trump im Bereich der Freihandelsabkommen seine Drohungen wahr machen könnte.
Ähnliches gilt für die Einstellung der Regierung gegenüber der WTO: Trump hatte im Wahlkampf keinen Hehl aus seiner ablehnenden Haltung gemacht und damit gedroht, aus der WTO auszutreten, sollte diese sich seinen Plänen in den Weg stellen. Im Amt beklagte sich Trump wiederholt über die angeblich unfaire Behandlung der USA durch die internationale Organisation. Insbesondere das Streitbeilegungsgremium der WTO (Dispute Settlement Body) ist Trump ein Dorn im Auge. Zwar verhinderten die USA bereits unter Präsident Obama die Neubesetzung eines Richterpostens, aber Trump hat die Situation eskalieren lassen und weitere Berufungen blockiert, sodass das Gremium handlungsunfähig zu werden droht. Der ehemalige WTO-Generalsekretär Pascal Lamy sieht in der möglichen Destabilisierung des Streitschlichtungssystems die größte Gefahr, die bisher von Trump für das Welthandelssystem ausgeht. Sollte Washington weiter auf eine aggressive und unnachgiebige Haltung setzen, könnte es bei möglichen Entscheidungen zuungunsten der USA, etwa bei etwaigen Klagen gegen die oben genannten Maßnahmen in der Stahlindustrie, zum Eklat kommen.
Schluss
Das erste Jahr der Präsidentschaft Donald Trumps gibt Indizien, aber keinen endgültigen Aufschluss über die Neujustierung der US-Handelspolitik. Die aggressive Rhetorik und die härtere Gangart im Umgang mit Handelspartnern sollten aber keinen Zweifel an der generellen Ausrichtung lassen. Einige Beobachter fragen sich mittlerweile sogar, ob es letztlich nicht die Absicht der Trump-Administration sei, das bestehende Welthandelssystem zu demontieren, um eine freiere Hand bei der Erreichung der eigenen Ziele zu haben.
Erste Anzeichen deuten darauf hin, dass die Handelspartner der USA sich der neuen Linie aus Washington nicht fügen. So haben die verbleibenden elf Mitgliedsstaaten der TPP bereits angekündigt, diese auch ohne die USA weiter zu verfolgen. Darüber hinaus ist bislang kein Mitgliedsstaat bereit, in bilaterale Verhandlungen mit den USA einzutreten. Angesichts der schroffen Drohungen des Präsidenten ist dieser Widerwille nicht verwunderlich. Aufgrund der bisherigen Fokussierung auf Asien und NAFTA hat die Handelspolitik der Trump-Regierung eher indirekte Implikationen für Europa. Im Hinblick auf die erkennbare ideologische Ausrichtung Trumps ist aber kaum anzunehmen, dass dies so bleiben wird.
ist Transatlantic Fellow beim German Marshall Fund of the United States in Washington D.C. und dort zuständig für Handelspolitik und transatlantische Beziehungen. E-Mail Link: psparding@gmfus.org
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