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Man kann doch mit Gewissheit sagen, dass der wahre Test eines guten Regierungssystems in seiner Fähigkeit und Tendenz besteht, eine gute Regierung und Verwaltung hervorzubringen.
Alexander Hamilton, 68. Federalist-Artikel (1788)
Bereits als Präsidentschaftskandidat griff Donald Trump zentrale demokratische Normen wie Presse- und Meinungsfreiheit, die Unabhängigkeit der Gerichte und die individuelle Gleichbehandlung an und umgab sich mit Anhängern autoritärer Weltanschauungen. Auch seit seiner Amtseinführung als 45. Präsident der Vereinigten Staaten am 20. Januar 2017 zeichnet sich keine "Präsidialisierung", keine Anpassung seines Verhaltens an das demokratische Normengefüge ab. Damit scheint die amerikanische Demokratie vor einem Belastungstest zu stehen. Viele Beobachter teilen die Befürchtung, dass Trumps Präsidentschaft die Glaubwürdigkeit und Stabilität des demokratischen Projekts von Liberalismus und Pluralismus untergraben könnte.
Gegen die Tyrannei
Bei den checks and balances handelt es sich um Instrumente der Machtkontrolle und -gestaltung, die in der Gründungsphase der Vereinigten Staaten mit dem Ziel entworfen wurden, die freiheitliche republikanische Regierungsform zu schützen, indem die Verfassungsorgane einander laufend in ihre Schranken weisen. Statt einer Verschränkung der Gewalten von Exekutive, Legislative und Judikative, wie sie in parlamentarischen Systemen wie der Bundesrepublik üblich ist, bleiben sie in der US-Verfassung weitgehend voneinander getrennt, aber stets aufeinander bezogen.
So wird der Präsident zwar über ein zwischengeschaltetes Wahlmännergremium vom Volk gewählt, unterliegt aber der Kontrolle des Kongresses bis hin zur möglichen Amtsenthebung. Der Kongress ist seinerseits vom Präsidenten abhängig, der ein nur mit Zweidrittelmehrheit überstimmbares Veto gegen Gesetzesinitiativen einlegen kann. Die vom Präsidenten nominierten und vom Senat geprüften, jedoch auf Lebenszeit berufenen Obersten Bundesrichter sind mit dem Schutz der Bürgerrechte gegenüber den Ambitionen der Mächtigen beauftragt, aber wiederum selbst Gegenstand legislativer und exekutiver Kontrolle.
Den Entwurf für die bis heute gültige Verfassung verteidigten die Staatsmänner Alexander Hamilton, James Madison und John Jay 1787/88 in den "Federalist Papers", 85 in mehreren New Yorker Zeitungen veröffentlichten Artikeln, gerade mit Verweis auf diese Innovation der Machtkontrolle: Sie versprachen eine politisch neue Form der Stabilität, die zwar Macht beschränke, aber gleichzeitig mehre.
Hinter dieser Logik der Machtgestaltung steht ein eher nüchternes Menschenbild: Individuen sind unweigerlich von ihren Leidenschaften (passions) geleitet. Madison, Hamilton und Jay plädierten dafür, diese vermeintliche Schwäche mittels einer Mechanik der Leidenschaften konstruktiv umzumünzen: "Machtstreben muß Machtstreben entgegenwirken. Zwischen dem persönlichen Interesse des Amtsinhabers und den Verfassungsrechten des Amtes muß ein innerer Zusammenhang bestehen. (…) Wenn die Menschen Engel wären, so bräuchten sie keine Regierung. Wenn Engel die Menschen regierten, dann bedürfte es weder innerer noch äußerer Kontrollen der Regierenden. Entwirft man jedoch ein Regierungssystem von Menschen über Menschen, dann besteht die große Schwierigkeit darin: Man muß zuerst die Regierenden befähigen, die Regierten zu beherrschen, und sie dann zwingen, die Schranken der eigenen Macht zu beachten."
Doch die Verfassungsväter erkannten auch die Grenzen ihres Modells: "A republic, if you can keep it", erwiderte Benjamin Franklin nach Beschluss der verfassungsgebenden Versammlung 1787 auf die Frage, um welche Art von Gebilde es sich bei den neu gegründeten Vereinigten Staaten handele.
Aus dieser Überzeugung erklärt sich die herausgehobene Rolle des Senats, eines "gemäßigten und angesehenen Gremiums von Mitbürgern"
Der Trump-Test
Mit der Präsidentschaft Trumps steht nicht nur die Stabilität von Verfassungsnormen für die kommenden Jahre infrage; ihre strukturelle Aushöhlung könnte auch langfristige Auswirkungen haben. Seine Pläne zur faktischen Einschränkung des Wahlrechts und zur Rodung des öffentlichen Bildungssystems sowie seine Angriffe auf die Rechtsstaatlichkeit und die Delegitimierung der freien Presse und der unabhängigen Justiz haben das Potenzial, bleibenden Schaden zu hinterlassen.
Die von der Verfassung mit der Machtkontrolle betrauten Akteure, deren Aufgabe es wäre, diese Bedrohungen der Verfassung zu entschärfen, sind bislang kaum aktiv geworden. Eine erste Gelegenheit verstrich bereits im Herbst 2016. Angesichts vieler Frühwarnsignale hätte vor der Amtsübergabe an Trump das eigens zu diesem Zweck existierende Wahlmännerkolleg eingreifen können: Laut Verfassung hat das Gremium nicht nur die Möglichkeit, sondern die republikanische Pflicht, die Wahl eines ungeeigneten Kandidaten zum US-Präsidenten zu unterbinden. Diese einzigartige Unabhängigkeit der Wahlmänner diene der "moralische[n] Gewißheit", "daß das Amt des Präsidenten nie einem Mann zufallen wird, der nicht in hervorragendem Maß die erforderlichen Eigenschaften besitzt. Die Begabung zur gemeinen Intrige und die kleinen Tricks zur Popularität reichen vielleicht noch dafür aus, einen Mann an die Spitze eines Einzelstaates zu befördern, aber es bedarf anderer Gaben" für die Präsidentschaft.
Seit Trumps Amtseinführung ist es der Kongress, der in der Pflicht steht, den Präsidenten in die Schranken der Verfassung zu weisen. Die Verfassungsväter schätzten die stabilisierende Rolle der Legislative und insbesondere des Senats als essenziell ein – als "vorausschauende Sicherung gegen die Tyrannei ihrer [der Bevölkerung] eigenen Leidenschaften".
In der Realität fällt die Kontrolle von Trumps bisherigen politischen Weichenstellungen seitens der Legislative äußerst schwach aus. Zwar zeigen demokratische Abgeordnete öffentlichkeitswirksam latente und eskalierende Missstände auf, institutionell sind sie aufgrund ihrer Minderheitenposition aber weitgehend handlungsunfähig. Die Formierung einer parteiübergreifenden Gegenmacht zeichnet sich nicht ab. Die republikanischen Angehörigen des Repräsentantenhauses wie auch die traditionell unabhängigeren Senatoren priorisieren die Erhaltung ihrer Machtposition im unified government, wie die Konstellation bezeichnet wird, in der sowohl Präsidentenamt als auch beide Kammern des Kongresses von derselben Partei dominiert werden. Als Partei signalisieren die Republikaner damit, dass sie die eigene kurzfristige Agenda über demokratische Prozeduren und Normen stellen – und damit das Partikularinteresse über das Gemeinwohl. Das Scheitern der Gesundheitsreform im März 2017 ist in diesem Zusammenhang weniger als Widerstand gegen den Präsidenten denn als Symptom innerparteilicher Uneinigkeit zu verstehen.
So werden die zahlreichen Verletzungen des Ethikkodex durch die Präsidialadministration, wie etwa das Anpreisen der Modekollektion von Trumps Tochter Ivanka durch die Präsidentenberaterin Kellyanne Conway, bislang nicht durch die zuständigen, sämtlich republikanisch dominierten Kongressgremien geahndet. Der Vorsitzende des Aufsichtsausschusses, Jason Chaffetz, empfahl lediglich, Disziplinarmaßnahmen zu erwägen, die jedoch ausblieben. Schwerer noch wiegt die Berufung von Kabinettsmitgliedern, die wie der ehemalige Chef des Erdölkonzerns Exxon-Mobile, Rex Tillerson, nun Außenminister, oder der frühere Hedgefonds-Manager Steven Mnuchin, nun Finanzminister, in Interessenkonflikte verstrickt sind – wobei hier nicht nur die Republikaner und darunter auch lautstarke Kritiker wie Senator John McCain die präsidiale Agenda letztlich mittrugen, sondern auch zahlreiche demokratische Senatoren. Besonders erstaunlich ist die Weigerung vieler republikanischer Kongressmitglieder, die russische Beeinflussung der Präsidentschaftswahl 2016 durch einen unabhängigen Sonderermittler untersuchen zu lassen und damit künftigen Manipulationen vorzubeugen, die potenziell auch ihre eigene Partei treffen könnten. Hinzu kommt die weitgehende Toleranz gegenüber anhaltenden Angriffen auf die Judikative und die freie Presse: Unliebsame Gerichtsurteile zum Einreiseverbot quittierte der Präsident mit der Bezeichnung des Bundesrichters James Robart als "sogenannten Richter", während die Presse zunächst zur "Opposition" und im Folgenden sogar zum "Feind des amerikanischen Volkes" erklärt wurde. Neu ist daran nicht der Konflikt mit der Judikative beziehungsweise der journalistischen "vierten Gewalt", sondern der offene Versuch, Kritik an sich zu delegitimieren. Nur wenige republikanische Kongressmitglieder haben sich bislang zu Wort gemeldet, um Pressefreiheit und Rechtsstaatlichkeit zu verteidigen.
Bisher hat lediglich die Judikative den Präsidenten bei konkreten Vorhaben wie dem Einreiseverbot für Staatsangehörige sieben muslimischer Länder in die Schranken der Verfassung gewiesen. Allerdings handelt es sich bei den Gerichten um das allerletzte Bollwerk der Rechtsstaatlichkeit, das nur gelegentlich – anlässlich konkreter Gesetze und Erlasse – und oft mit beträchtlicher Verzögerung einschreiten kann. So konnte der in der Ära George W. Bush erklärte "Krieg gegen den Terror" nicht gänzlich, sondern nur an neuralgischen juristischen Punkten entschärft werden; die ab 2002 vorgenommene Umgehung der Zivilgerichte wurde erst Jahre später zurückgewiesen. Und auch die Judikative ist eng in das System der checks and balances eingebunden: Zwar kann der Oberste Gerichtshof Gesetze außer Kraft setzen, doch ist er nicht außerpolitisch. Der Präsident hat mit der Neubenennung von Richtern auf Lebenszeit im Falle einer Vakanz die Möglichkeit, den juristischen Widerstand gegen seine Vorhaben langfristig zumindest zu reduzieren.
Erosionsgefahr
Für die bisherige Zurückhaltung der Legislative und auch des Wahlmännerkollegs, ihre Kontrollinstrumente gegenüber der Exekutive konsequent einzusetzen, sind mindestens drei Entwicklungen maßgeblich.
Erstens ist die Wirksamkeit der checks and balances vom Eingreifen politischer Akteure abhängig. Das politische System der Vereinigten Staaten ist aber von einer zunehmenden Polarisierung geprägt, die mit einer offenbar nahezu bedingungslosen Parteiloyalität einhergeht.
Zweitens ist das Präsidentenamt in einigen Politikbereichen wie der Verteidigungs- und Einwanderungspolitik mit wachsenden Kompetenzen ausgestattet, die dem Zugriff anderer Verfassungsorgane teilweise entzogen sind. Zur ursprünglich in der Verfassung festgelegten Machtfülle des Präsidenten sind neue Instrumente hinzugekommen, die außerhalb der unmittelbaren Reichweite des Kongresses liegen, darunter etwa Überwachungsprogramme der National Security Agency.
Drittens konnte im Präsidentschaftswahlkampf 2016 beobachtet werden, dass vorpolitische Faktoren beträchtlichen Einfluss auf den politischen Prozess gewonnen haben und den Handlungsrahmen jener Akteure einschränken, die laut Verfassung die Möglichkeit zur Machtkontrolle hätten. Neben der bekanntermaßen engen Verknüpfung zwischen politischer Macht und ökonomischen Ressourcen – kulminiert in der Deutung unternehmerischer Wahlbeeinflussung als Redefreiheit durch den Obersten Gerichtshof
Für diese Effekte – parteipolitische Polarisierung, erweiterte Machtfülle des Präsidenten sowie vorpolitische Machtmittel im politischen Prozess – ist nicht allein Trump ursächlich verantwortlich. Ein Präsident, dessen erklärtes politisches Programm und Rhetorik in vielerlei Hinsicht in diametralem Gegensatz zu grundlegenden Normen und Traditionen der US-Politik stehen, kann aber die Gefahr für die US-Verfassungsordnung eskalieren, indem er die Aushöhlung der Institutionen destruktiv nutzt. Dadurch, dass die anderen Verfassungsorgane Trumps offene Verletzung von Rede- und Handlungskonventionen nicht sanktionieren, verschieben sich die Grenzen des Geduldeten: Vor dem Hintergrund bislang verpuffter "Skandale" verblasst der Ausnahmecharakter jeder neuen Transgression – die Verletzung demokratischer Normen wird schrittweise normalisiert und eine wirksame Machtkontrolle immer unwahrscheinlicher.
In Ausmaß und Geschwindigkeit ist dies ein Novum: Die beliebten Vergleiche mit Richard Nixons Watergate ("Pussygate", "Kremlingate") greifen nur, falls den Verfassungsverletzungen Konsequenzen folgen, also Rücktritt oder Amtsenthebung. Trump weiter gewähren zu lassen, wird die Glaubwürdigkeit und Effektivität der checks and balances weiter beschädigen – und somit auch den breiten Konsens über die Notwendigkeit demokratischer Verfahren wie der Rechenschaftspflicht der Regierenden.
Neue Gefahren, neue Kontrollen?
Die Hoffnung der Verfassungsväter, dass die Ballung exekutiver Macht in einer einzigen Person diese Macht besonders transparent und kontrollierbar mache, hat sich nicht bewahrheitet. Vielmehr erweist sich das Präsidentenamt derzeit als besonders anfällig für Machtkonzentration und Machtmissbrauch.
Es läge zunächst nahe, jene Lücken in der US-Verfassung zu schließen, die die Wirksamkeit der checks and balances beeinträchtigen: Der Machtzuwachs des Präsidentenamtes könnte eingeschränkt oder in der Gleichgewichtsmechanik berücksichtigt werden; die Oppositionspartei könnte auch in Konstellationen des unified government mit Handlungsoptionen ausgestattet werden; und auch eine Förderung der Effektivität der Elitenauswahl wäre denkbar. Überlegungen, diese Lücken zu schließen – ob es sich dabei nun um ursprüngliche Konstruktionsfehler handelt oder um die Tatsache, dass eine Verfassung des späten 18. Jahrhunderts ökonomischen und technologischen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts schlicht nicht gerecht werden kann – stoßen jedoch auf realpolitische Hindernisse.
Verfassungsänderungen sind in den Vereinigten Staaten auch jenseits der erforderlichen Zweidrittelmehrheit in beiden Kammern des Kongresses samt Zustimmung aller Bundesstaaten schwierig: Der Text gilt zwar als interpretationsfähig, in seiner Struktur aber als unantastbar. Politische Spielräume werden aus seiner oft stark divergierenden Auslegung gewonnen, nicht aber aus einer problemorientierten Weiterentwicklung. Die Vorstellung der Perfektion der Verfassung ist dabei nicht allein auf ihre emphatische Verteidigung durch die Gründerväter zurückzuführen – diese gaben nämlich bereitwillig zu, dass das System zwar "insgesamt gelungen", aber durchaus "nicht in jedem Teilaspekt vollkommen" sei.
Einstweilen müssen sich jene, die um die US-Demokratie besorgt sind, also auf Kontrollmöglichkeiten innerhalb des bestehenden Verfassungsrahmens konzentrieren. Die föderale Struktur des Staates ist Teil dieser Verfassungsarchitektur: Sie gilt als vertikale Komponente der Gewaltenteilung, die die Umgehung der Zentralgewalt im regionalen Kontext ermöglicht. Beispiele sind die sanctuary cities, jener Metropolen also, die bei der Abschiebung illegaler Einwanderer Deportationsrichtlinien nicht umsetzen, oder gliedstaatliche Alleingänge beispielsweise in Kalifornien bei der Bekämpfung des Klimawandels.
Zur kurzfristigen Anfechtung konkreter Maßnahmen der Trump-Administration bleiben ihre Kritiker auf den sporadisch sichtbaren Widerstand der Bürokratie angewiesen.
Langfristig sind freilich auch solche potenziell drastischen Mechanismen der Machtkontrolle nicht ausreichend, um grundlegende Defizite der US-Demokratie auszugleichen: Die checks and balances sind – auch in einer erweiterten Definition, die zivilgesellschaftliches Engagement und den Widerstand von Behörden einschließt – letzte Hindernisse gegen Machtmissbrauch. Die Voraussetzungen einer vitalen Demokratie, die ihrerseits weniger Anreize zu einem solchen Missbrauch böte, können sie nicht schaffen. Vielmehr könnten Protestbewegungen in der gegenwärtigen Lage die gesellschaftliche Spaltung weiter intensivieren.
Es sind also langfristige Lösungen zur Abmilderung jener Polarisierung, die den "Trumpismus" erst ermöglicht hat, erforderlich – etwa die Förderung der Teilhabe von Bürgerinnen und Bürgern am politischen Prozess, die Bewahrung einer funktionierenden öffentlichen Sphäre und die Intensivierung politischer Bildung. Eine solche Revitalisierung zeichnet sich derzeit nur punktuell ab. Die Bereitschaft zu bürgerschaftlichem Engagement und Protest war direkt nach Trumps Wahl und Amtseinführung beträchtlich, ist aber seitdem abgeflaut. Inwieweit sie Kanäle der Verstetigung finden und politischen Einfluss entfalten kann, ohne die gesellschaftliche Spaltung weiter voranzutreiben, bleibt abzuwarten. Gelänge die Revitalisierung der amerikanischen Demokratie, könnte diese für die ihrerseits immer stärker polarisierten Gesellschaften Europas ein weiteres Mal zum Vorbild werden.