Der 11. September 2001 markiert eine historische Zäsur. Die Terroranschläge von New York und Washington veränderten nicht nur die weltpolitische Konstellation, auch als symbolträchtiges Medienereignis sticht der Tag, der zu "9/11" wurde, signifikant hervor: Die Bilder der einstürzenden Türme des World Trade Centers sind fest im kollektiven Gedächtnis verankert. In ikonografischer Hinsicht lassen sie sich allenfalls mit den Fotos der Atombombenpilze über Hiroshima und Nagasaki oder der Fernsehberichterstattung über die Mondlandung vergleichen. Bedenkt man, wie unmittelbar die Bilder aus Manhattan in alle Welt übertragen wurden, dann kann man davon ausgehen, dass nicht nur das Ereignis einzigartige Bilder hervorgebracht hat, sondern die dramatischen Bilder die Einzigartigkeit des Ereignisses überhaupt erst bewirkt haben.
Die Ausstrahlungskraft der Bilder, die uns Zuschauerinnen und Zuschauern die Folgen des Terrors vergegenwärtigen, ist fester Bestandteil eines mörderischen Kalküls: Bei der Planung von Anschlägen setzen Terroristen gezielt darauf, symbolträchtige Bilder zu erzeugen, um ihre ideologischen Absichten zu verbreiten und Ängste zu schüren. Daraus ergibt sich eine ambivalente Wechselwirkung zwischen den Medien der westlichen Welt und dem internationalen Terrorismus. Die Berichterstattung speist sich zwangsläufig aus genau den Schreckensbildern, die die Terroristen verbreiten wollen. In gewisser Hinsicht stehen sich Medien und Terror in einem permanenten Bilderkampf gegenüber, der nach 9/11 eine neue Stufe der "visuellen Rüstungsspirale" erreicht hat.
Die Bilder der Terroranschläge von New York und Washington haben – unabhängig von der Live-Berichterstattung – breiten Eingang in die unterschiedlichen visuellen Medien gefunden. Durch unzählige Dokumentationen über den Verlauf des Geschehens, stilisierte Fotoreportagen, Comics, Theater und andere künstlerische Darstellungen hat sich 9/11 in vielfältigster Form als Bildereignis in die populäre Kultur eingeschrieben.
Annäherungsversuche
Vielleicht war es gerade die offenkundige Übereinstimmung zwischen einschlägigen Hollywood-Filmen und tatsächlich "erlebter" Realität, die dafür sorgte, dass einige der prominentesten amerikanischen Regisseure ein "Bilderverbot" über die Ereignisse vom 11. September 2001 verhängen wollten. Steven Spielberg forderte beispielsweise, keine Spielfilme über die Terrorangriffe zu drehen – aus Respekt vor den Opfern. Und in der Tat überwog in Hollywood zunächst die Zurückhaltung. Bei einigen Filmen, die um das Thema Terrorismus kreisten, wurde der Kinostart kurzerhand verschoben, in anderen Fällen wurden Szenen geschnitten, um mögliche Assoziationen mit 9/11 zu vermeiden.
Als einer der ersten wagte schließlich Spike Lee mit "25th Hour" (USA 2002) einen Gegenwartsfilm, dessen Handlung in New York unmittelbar nach den Terroranschlägen angesiedelt ist. Lee erzählt darin die Geschichte eines Drogenkriminellen, der in Kürze eine Haftstrafe antreten muss und sich in den verbleibenden Stunden von seinen Angehörigen und Freunden verabschiedet. In einer längeren Sequenz rückt "25th Hour" auch die Zerstörungen am "Ground Zero" ins Bild, und die Kamera blickt dabei buchstäblich in einen Abgrund: Die Baustelle, auf der die Arbeiter noch immer mit Aufräumarbeiten beschäftigt sind, gleicht einer Kraterlandschaft. Die Szenerie ist düster und wenig verheißungsvoll. Selbst die US-Flagge, die kurz zu sehen ist, taugt nicht mehr als optimistisches Symbol. Sie wirkt eher wie ein trostloses Relikt einer desillusionierten Nation in Trümmern. Das Bild, dass Spike Lee hier von New York entwirft, kommt einem Abgesang auf den Mythos Manhattan gleich. Der Schmelztiegel unterschiedlicher Nationen, der im amerikanischen Selbstverständnis die kulturelle Vielfalt des Landes versinnbildlicht, existiert nicht mehr. An seine Stelle ist ein Moloch aus Drogen und Gewalt getreten.
Der Bezug zu 9/11 erschließt sich in "25th Hour" jedoch nicht nur oberflächlich durch die Bilder vom "Ground Zero", sondern zugleich in einer tieferen Bedeutungsebene, wie der Medienwissenschaftler Thomas Waitz betont: Im Handeln der Figuren spiegele sich die Ratlosigkeit der amerikanischen Gesellschaft nach dem unmittelbar erlebten Terror wider. "Die Unsicherheit, Angst und uneingestandene Traurigkeit, die das Verhalten der Figuren prägt, wird erst vor dem Hintergrund der Anschläge des 11. Septembers in ihrer ‚symbolischen‘ Bedeutung, die über individuelle ‚Schicksale‘ auf eine grundlegende Orientierungslosigkeit verweist, evident."
Doch nicht alle frühen filmischen Annäherungsversuche an das Trauma von 9/11 und dessen Folgen für die amerikanische Gesellschaft fielen so ernüchternd aus. Der Episodenfilm "11'09"01 – September 11" (2002), an dem elf Regisseure aus elf Ländern mitwirkten, näherte sich dem Thema auf mehrdeutiger Ebene. Aus unterschiedlichen internationalen Perspektiven beschäftigen sich die einzelnen Episoden des Films mit den Auswirkungen der Terroranschläge in verschiedenen Ländern und Kulturen. In der Sequenz zu den USA, die von Sean Penn inszeniert wurde, sieht man einen Witwer, der allein in seiner Wohnung lebt und sich – aus Angst vor der Einsamkeit – in Selbstgesprächen und Erinnerungen an seine verstorbene Frau verliert. Ihren Tod scheint er bislang nicht realisiert zu haben. Als am Morgen des 11. Septembers der erste Turm des World Trade Centers einstürzt, lichtet sich der große Schatten an der Hausfassade, der die Wohnung bis dahin verdunkelt hatte. Durch das Sonnenlicht erwachen die vertrockneten Blumen auf dem Fensterbrett zu neuem Leben. Der Mann freut sich darüber, doch im selben Moment wird ihm zum ersten Mal bewusst, dass seine Frau tatsächlich tot ist.
Die Metaphorik dieser Episode mag aus heutiger Sicht etwas hölzern wirken. Sie zeigt jedoch, dass es bereits kurz nach den Terroranschlägen Versuche gab, das Ereignis nicht nur als Moment des Verlusts und der Trauer zu deuten, sondern auch als möglichen Neuanfang. In Sean Penns filmischer Interpretation gelingt dies freilich nur, weil damit eine Abkehr von bisherigen Illusionen einhergeht.
Suche nach Helden
In gewisser Hinsicht war die geschilderte Episode in "11'09"01 – September 11" ihrer Zeit voraus, weil Penn bereits einen Blick in die Zukunft warf, noch bevor im US-Spielfilm eine Vergegenwärtigung der ursprünglichen Ereignisse stattgefunden hatte. Diese bahnte sich an, als zum fünften Jahrestag von 9/11 die zwei erwähnten Filme von Paul Greengrass und Oliver Stone ins Kino kamen.
Stone erzählt in "World Trade Center" eine klassische US-amerikanische Heldengeschichte, wie man sie in Dutzenden Hollywood-Filmen zuvor sehen konnte. Die Handlung basiert auf dem Schicksal zweier New Yorker Polizisten, die am 11. September 2001 lebend aus den Trümmern geborgen werden konnten. Stone blendet in "World Trade Center" die Umstände der Terroranschläge nahezu vollständig aus, auch für die politischen Implikationen interessiert sich der Film wenig. Stattdessen richtet er seinen Blick vollständig auf den heroischen Überlebenskampf der Polizisten. Ihre erfolgreiche Rettung verkehrt das Trauma von 9/11 schließlich ins Gegenteil und erhebt den Terror zu einem sinnstiftenden Ereignis: Erst im Angesicht der Katastrophe offenbart sich der Zusammenhalt und die Stärke der US-amerikanischen Gesellschaft.
Demgegenüber wagte Paul Greengrass in "United 93" einen differenzierteren Blick. Er befasste sich mit dem vierten Flugzeug, dass am 11. September 2001 entführt wurde und wahrscheinlich nach Washington D.C. gelenkt werden sollte. Den Insassen des Flugzeuges soll es mutmaßlich gelungen sein, die Entführer in einen Kampf zu verwickeln. Daraufhin stürzte das Flugzeug in der Nähe von Shanksville, Pennsylvania ab.
Greengrass verzichtet in seinem Film auf eine mythologische Überhöhung der Protagonisten. Die Passagiere von "United 93" kämpfen nicht aus Heldenmut oder überzeugtem Patriotismus. Ihr Handeln erscheint als verzweifelter Versuch, den sicheren Tod nicht tatenlos hinzunehmen. Seine beklemmende Wirkung entfaltet der Film vor allem durch den Einsatz der Handkamera, die einen authentischen Eindruck von der Hektik an Bord vermitteln soll, wenngleich es für die tatsächlichen Handlungen der Passagiere keine Belege gibt. In einem zweiten Handlungsstrang kontrastiert Greengrass das Geschehen, indem er die völlige Hilflosigkeit der amerikanischen Sicherheitsbehörden, insbesondere der Flugsicherungszentrale, aufzeigt: Auf ein derartiges Szenario war man nicht vorbereitet. Die unkontrolliert blinkenden Bildschirme in der Luftraumüberwachung werden zum Sinnbild für die chaotischen Verhältnisse an jenem Morgen.
Während "United 93" trotz überwiegend positiver Kritiken an den Kinokassen floppte, erreichte "World Trade Center" zumindest beim amerikanischen Publikum eine gewisse Breitenwirkung. Letztlich konnte jedoch keiner der beiden Filme dem Bedürfnis nach einer konsensfähigen Geschichte über die Anschläge gerecht werden.
Legitimierung von Folter?
Auch nach der Wahl von Barack Obama zum neuen US-Präsidenten 2008, die vielerorts mit der Hoffnung auf einen politischen Neuanfang verknüpft war, blieb die öffentliche Auseinandersetzung mit 9/11 und den politischen Folgen des Terrors umstritten. Dies spiegelt sich auch in zahlreichen Debatten über Filme wider. Besonders kontrovers verlief die Auseinandersetzung um Kathryn Bigelows Film "Zero Dark Thirty" (USA 2012), der sich mit der Suche nach dem Al-Qaida-Anführer Osama Bin Laden beschäftigt.
Bigelow beginnt ihren Film mit einem emotionalen Zusammenschnitt von Telefongesprächen, die am 11. September 2001 mit Menschen geführt wurden, die sich zum Zeitpunkt der Anschläge im World Trade Center aufhielten. Die eigentliche Handlung setzt zwei Jahre später in einem irakischen Gefängnis ein, in dem ein mutmaßlicher Terrorist vom US-Geheimdienst brutal gefoltert wird, um Informationen über den Verbleib seiner Anführer zu erhalten. Mit dieser Gegenüberstellung wirft Bigelow die Frage nach der Verhältnismäßigkeit der Mittel im Kampf gegen den Terror auf: Ist Folter – auch als Ultima Ratio – mit einem Rechtsstaat vereinbar? Können dadurch überhaupt effizient Erkenntnisse gewonnen werden? Lässt sich das Trauma von 9/11 überwinden, wenn man dafür seine eigenen ethischen Prinzipien aufgibt? Eine eindeutige Antwort – im Sinne eines politischen Statements – bietet der Film nicht, er zeigt jedoch explizit die zur Anwendung gekommenen Foltermethoden, von Isolation und Schlafentzug bis hin zum berüchtigten Waterboarding (Scheinertränken). Es obliegt dem Zuschauer, sich selbst zu diesem Geschehen zu verhalten.
Die Darstellung der Folterszenen löste in den USA eine lebhafte Debatte aus. Kritiker warfen Bigelow vor, mit ihrem Film nicht nur die Folter zu legitimieren, sondern die Verhörmethoden der CIA zu idealisieren, da letztlich auch die erfolgreiche Jagd nach Bin Laden im Film auf Erkenntnissen beruhe, die durch Folter erzielt worden seien.
So streitbar die Darstellung der Folter in "Zero Dark Thirty" auch sein mag, so unergiebig war die Debatte über Bigelows Film im Hinblick auf eine politische Auseinandersetzung mit der Folterpraxis an sich.
Wie bereits in ihrem vorhergehenden Film "The Hurt Locker" (USA 2008), der sich mit einer Gruppe von US-amerikanischen Elitesoldaten beschäftigt, die im Irak Bomben entschärfen, vermeidet Kathryn Bigelow auch in "Zero Dark Thirty" eine politische Glorifizierung, die ihre Figuren denunzieren würde. Jenseits der hoch spannenden und technisch perfekt inszenierten Handlung interessiert sich Bigelow eher für die psychologischen Folgen des Kampfes gegen den Terror, den man letztlich auch als Spiegelbild einer deformierten Gesellschaft lesen kann: In "The Hurt Locker" muss sich ein Soldat eingestehen, dass ihm nach dem jahrelangen Einsatz im Irak jegliche Empathie für andere Menschen abhandengekommen ist, selbst für seine eigene Familie. Er liebt nur noch den Krieg, der für ihn zu einer Art Droge geworden ist. Ähnlich zerrissen bleibt auch die Protagonistin Maya am Ende von "Zero Dark Thirty" zurück. Wenngleich Bin Ladens Versteck gefunden wird, hinterlässt der Anblick des getöteten Al-Qaida-Führers bei ihr kein Gefühl des Triumphes, sondern erzeugt emotionale Orientierungslosigkeit. Auf dem Heimflug bricht sie in Tränen aus. Die Frage des Piloten, wie es jetzt weitergehen soll, lässt sie unbeantwortet.
Strauchelnde Superhelden
Die ernüchternde Erkenntnis, dass die erfolgreiche Jagd nach Bin Laden das Trauma von 9/11 nicht überwinden kann, beschäftigt nicht nur die Agentin aus "Zero Dark Thirty". Auch diverse Hollywood-Blockbuster spiegeln die politischen Debatten über die Folgen des Terrors in den USA wider, ohne sich dabei immer explizit auf den islamistischen Terrorismus zu beziehen. Insbesondere die zahlreichen Superhelden-Filme, die das amerikanische Kino im zurückliegenden Jahrzehnt stärker geprägt haben als jedes andere Genre, lassen sich bei näherem Hinsehen als Beiträge zu einem Diskurs über die Entwicklung der amerikanischen Gesellschaft lesen. Interessant sind dabei vor allem jene Geschichten, die sich von einer klassischen Gut-Böse-Metaphorik lösen und die Superhelden – sinnbildlich für die Supermacht USA – in eine Krise stürzen.
Wohl kaum ein Film vollzog den Spagat zwischen kommerziellem Kino und politischem Diskurs so eindrücklich wie die Comic-Verfilmung "The Dark Knight" (USA 2008). Im zweiten Teil von Christopher Nolans Batman-Trilogie versucht Batmans Widersacher, der Joker, mit anarchistischem Eifer, Gotham City im Chaos versinken zu lassen. Sein krimineller Feldzug zielt darauf ab, die zivilisatorischen Verhältnisse aufzubrechen, indem er die Bevölkerung aufwiegelt und dazu bringt, im Kampf ums Überleben ihre eigenen Werte und Normen über Bord zu werfen. Der Terror, mit dem er die Stadt überzieht, folgt keinem strategischen Plan. Es geht ihm nicht um Macht oder Geld, er hat nur das Ziel, Angst und Schrecken zu verbreiten. Batman – ohnehin eine der düsteren Figuren im Superhelden-Universum – steht ihm keineswegs als makelloser Held gegenüber. Als Politik und Polizei in Gotham versagen, greift er selbst zu radikalen Mitteln, um den Joker zur Strecke zu bringen: Er installiert ein totalitäres Überwachungssystem, mit dem er die öffentliche Kommunikation aller Einwohner von Gotham kontrollieren kann. Die Freiheit des Einzelnen ist, so scheint es hier, ein zweitrangiges Gut, wenn die Sicherheit aller in Gefahr ist.
Die Parallelen zwischen der Filmhandlung und den innenpolitischen Diskursen über den Machtzuwachs der US-Geheimdienste im Kampf gegen den Terror liegen auf der Hand. Der Gedanke, dass ein Terrorist wie der Joker mit den Mitteln eines Rechtsstaates nicht zu stoppen sei und auch die eigene Bevölkerung systematisch überwacht werden müsse, um mögliche Gefahren rechtzeitig erkennen zu können, erinnert an die fatale Argumentation, mit der 2001 die Einschränkung der Bürgerrechte im Rahmen des Patriot Act von der US-Regierung gerechtfertigt wurde. Noch frappierender sind die Parallelen zu den digitalen Überwachungsmaßnahmen der NSA im Bereich des Internets und des weltweiten Telefonverkehrs, die 2013 bekannt wurden.
Man muss nicht zwingend so weit gehen, in der Renaissance des Superhelden-Kinos und der Faszination des Publikums für die bisweilen fragwürdigen Methoden von Batman und Co. eine Vorliebe für eine faschistische Gesellschaftsordnung zu erkennen,
Batman ist keineswegs die einzige Superhelden-Figur, die beim Kampf gegen das Böse moralisch ins Straucheln gerät – ähnliche sozialkritische Diskurse finden sich unter anderem in den Filmen der populären Avengers-Reihe, in der eine größere Gruppe von Superhelden gemeinsam agiert. Jüngstes Beispiel ist "The First Avenger – Civil War" (USA 2016), in dem ein Streit darüber entbrennt, ob die Superhelden politisch kontrolliert werden sollten. Während ein Teil der Avengers unter Führung von Iron Man bereit ist, die eigenen Einsätze künftig von einem Mandat der Vereinten Nationen abhängig zu machen, beharrt Captain America darauf, weiterhin eigenmächtig zum Schutz der Welt eingreifen zu können. Dass die Kompetenz und die Machtbefugnisse eines Superhelden in einem Hollywood-Blockbuster derartig infrage gestellt werden, ist an sich schon bemerkenswert. Dass dabei sogar das Scheitern eines überaus patriotischen Comic-Helden in den Bereich des Möglichen gerückt wird, sagt viel über das irritierte Selbstbewusstsein der USA seit 9/11 aus.
Individuelle Trauer
Während sich die Auseinandersetzung mit dem Terrorismus als allgegenwärtige Bedrohung in vielen weiteren Hollywood-Filmen nachzeichnen lässt, sind die Bezüge zu den spezifischen Ereignissen vom 11. September 2001 im amerikanischen Kino rar geblieben. Wenn überhaupt, dann spielten die Erfahrungen, die mit den Terrorangriffen verbunden waren, eher eine illustrierende Rolle. Die individuelle Trauerarbeit wurde beispielsweise zu einem wiederkehrenden Grundmotiv einzelner Familiendramen, die sich vor dem Hintergrund der Terroranschläge abspielten, darunter "Reign Over Me" (USA 2007) von Mike Binder und die Romanverfilmung "Extremely Loud & Incredibly Close" (USA 2011) von Stephen Daldry.
In "Reign Over Me" leidet ein Mann unter dem Tod seiner Ehefrau und ihrer drei Töchter – sie saßen in einem der am 11. September 2001 entführten Flugzeuge. Er lebt seitdem zurückgezogen von der Außenwelt und ist schwer traumatisiert. Eine Chance, sich aus seiner Isolation zu befreien, bietet sich erst, als er einen alten Studienfreund wiedertrifft und sich zwischen den beiden Männern eine Freundschaft entwickelt, sodass er zaghaft wieder Vertrauen in seine Umwelt entwickelt.
In "Extremely Loud & Incredibly Close" begibt sich ein hochbegabter, aber sehr schüchterner Junge auf eine abenteuerliche Spurensuche durch New York. Sein Vater, der am 11. September 2001 in einem der Türme des World Trade Centers ums Leben kam, hat einen geheimnisvollen Schlüssel hinterlassen, der zu keinem Schloss zu passen scheint. Für den Jungen wird die Suche nach der Herkunft des Schlüssels zu einer Reise in die Vergangenheit seiner Familie, bei der er nicht nur seine eigenen Ängste, sondern letztlich auch die Trauer über den Verlust des Vaters überwindet.
Beide Filme setzen gezielt auf die emotionale Wirkung von 9/11, indem sie das Schicksal von Menschen in den Mittelpunkt rücken, deren Familienangehörige bei den Terroranschlägen ums Leben kamen. Die Anbindung an den 11. September 2001 soll – so scheint es – das Trauma der Familien besonders tragisch wirken lassen. Das individuelle Leid, einen geliebten Menschen zu verlieren, wird hier durch die Tatsache vergrößert, dass die Angehörigen nicht durch ein "gewöhnliches" Unglück ums Leben kamen, sondern durch einen terroristischen Angriff. Auffällig ist zudem, dass die Filme jeweils Charaktere in den Mittelpunkt rücken, die sich aus einer psychischen Isolation befreien müssen, um das Trauma überwinden zu können. Dabei liegt es in der Natur eines Hollywood-Films, dass sich die Konflikte zugunsten einer eher sentimentalen oder anrührenden Geschichte auflösen. Für die gesellschaftlichen und politischen Folgen von 9/11 interessieren sich die Filme nicht.
Offene Wunde
Dass sich das amerikanische Mainstream-Kino in den vergangenen Jahren nur noch indirekt mit dem 11. September 2001 beschäftigt hat, verwundert kaum. Die bescheidene Resonanz des Publikums auf Filme wie "World Trade Center" oder "United 93" hat – ebenso wie die politische Ernüchterung über den Irak-Krieg und dessen Folgen – maßgeblich dazu beigetragen, dass seitdem kein Spielfilm mehr dezidiert zu den Terroranschlägen entstanden ist. Politische Kontroversen wie im Falle von "Zero Dark Thirty" unterstreichen zudem, mit welch harten Anfeindungen Regisseure leben müssen, wenn sie sich kritisch mit den Folgen des Terrors auseinandersetzen und keine einfachen Antworten liefern – auch diese Debatten dürften dazu beigetragen haben, dass sich insgesamt nur wenige Filme mit dem Themenkomplex beschäftigten. Umgekehrt zeigen die Beispiele der erwähnten Superhelden-Filme, dass sich die Folgen des Terrors als Subtext in diverse Hollywood-Produktionen eingeschrieben haben. Hierzu ließen sich noch zahlreiche weitere Beispiele anfügen. Gerade die Schattenseiten der US-amerikanischen Geheimdienstarbeit im Kampf gegen den Terror sind zuletzt in diversen Spielfilmen thematisiert worden, dabei interessanterweise auch wieder von Paul Greengrass ("Jason Bourne", USA 2016) und Oliver Stone ("Snowden", USA 2016) – den beiden Regisseuren, die sich als einzige bereits mit den Ereignissen von 9/11 auseinandergesetzt haben.
Eine Art paradigmatischen und künstlerisch anspruchsvollen US-Spielfilm über den 11. September 2001 wird es wahrscheinlich auch in naher Zukunft nicht geben. Er müsste einerseits dem Bedürfnis nach einer kollektiven Erinnerung an das traumatische Ereignis gerecht werden, andererseits aber auch eine selbstkritische Reflexion über die Folgen der Anschläge liefern, ohne sich in einem pathetischen Nationalismus zu erschöpfen.