Israels Geschichte ist auch eine Geschichte des Terrorismus und seiner Bekämpfung. Der jüdische Staat wird seit seiner Gründung 1948 mit allen erdenklichen Formen terroristischer Gewalt konfrontiert. Trotz gelegentlicher Rückschläge sind die Erfolge des Landes eindrucksvoll: Obgleich es in den vergangenen knapp 70 Jahren stetig Anschlägen und Angriffen ausgesetzt war, behauptet sich Israel als wohlhabende Demokratie. Die Terroranschläge, die Frankreich, Belgien und Deutschland jüngst erschütterten, deuten darauf hin, dass sich auch Europa zukünftig verstärkt mit Terrorbekämpfung zu befassen hat. Daher lohnt ein Blick auf die Erfahrungen Israels.
Die Ursprünge israelischer Terrorismusbekämpfung wurzeln in vorstaatlicher Zeit. In den 1930er Jahren baute der Brite Orde Wingate zum Schutz der zionistischen Siedlungen vor arabischen Überfällen die "Special Night Squads" auf. Er setzte auf demonstrativ gewalttätige, offensive Operationen zur Abschreckung – bis heute ein wesentlicher Bestandteil israelischer Militärdoktrin.
Im Israelischen Unabhängigkeitskrieg von 1948/49 flohen rund 700.000 Palästinenser in die Nachbarländer beziehungsweise wurden dorthin vertrieben. Einzelpersonen und Gruppen aus diesen palästinensischen Exilgemeinden wurden zur primären nichtstaatlichen Bedrohung für Israel. In den 1950er Jahren kosteten Sabotage-, Mord- und Raubüberfälle palästinensischer Eindringlinge 286 Israelis das Leben und richteten einen erheblichen wirtschaftlichen Schaden an. Die Israel Defence Forces (IDF) verübten massive Vergeltungsschläge in angrenzenden Staatsgebieten. Der spätere Ministerpräsident Ariel Sharon baute 1953 hierzu Israels erste Spezialeinheit auf (Unit 101).
Vom Sechstagekrieg bis in die 1980er Jahre
Mit der Eroberung der Westbank und des Gazastreifens im Sechstagekrieg 1967 waren die IDF mit der Kontrolle einer feindlich gesonnenen Bevölkerung konfrontiert. Insbesondere in Gaza war die Gewaltbereitschaft gegen die Besatzer hoch. Innerhalb kurzer Zeit ergaben sich die Palästinenser jedoch nach Ausgangssperren, Verhaftungen und flächendeckender Geheimdienstarbeit Israels in ihr Schicksal.
Ein wesentlich größeres Sicherheitsproblem waren die Terrorgruppen, die sich in den palästinensischen Flüchtlingslagern in den arabischen Nachbarländern bildeten. Unter dem Dach der Palestine Liberation Organisation (PLO) hatten sie zunächst in Jordanien ihre Operationsbasis. Zu den bedrohlichsten gehörte neben Jassir Arafats Fatah die Popular Front for the Liberation of Palestine (PFLP). Diese Gruppe "erfand" 1968 die Flugzeugentführung und leitete damit die Entstehung des modernen internationalen Terrorismus ein. Bis 1976 sollten palästinensische Terroristen 16 Flugzeuge entführen, oft mit dem Ziel, inhaftierte Mitstreiter freizupressen.
Israel war zunächst unvorbereitet, entwickelte dann jedoch effektive Gegentaktiken: Die Sicherheitskontrollen der Flugpassagiere wurden verschärft, und Piloten wurden geschult, Flugzeugentführer durch unerwartete Manöver zu überraschen. Außerdem war Israel eines der ersten Länder, das Flugsicherheitsbegleiter einsetzte und Spezialeinheiten zur Geiselbefreiung aufbaute. Als geradezu legendär gilt in diesem Zusammenhang der erfolgreiche Sturm auf eine entführte Air-France-Maschine in Entebbe (Uganda) im Juni 1976.
Die Geiselnahme und Ermordung israelischer Athleten bei den Olympischen Spielen in München 1972 durch die Fatah-nahe Organisation "Schwarzer September" beantwortete Israel mit Vergeltungsaktionen durch den Mossad: Der israelische Auslandsgeheimdienst tötete in der Folge weltweit mehr als 20 palästinensische Terroristen.
Nach ihrer Vertreibung aus Jordanien 1970/71 setzten die palästinensischen Terrorgruppen ihre Anschläge auf Israel von ihrer neuen Operationsbasis im Libanon fort. Nach einer besonders verlustreichen Attacke im März 1978, bei der 35 Israelis starben, drangen die IDF mit 25.000 Soldaten zeitweise im Libanon ein, um die PLO-Basen an der Grenze zu zerstören ("Operation Litani"); allerdings ohne nachhaltigen Erfolg. Israel begann daher im August 1982 eine Invasion des Libanon ("Operation Peace for Galilee"). Zwar gelang es den IDF, die PLO zur Flucht nach Tunis zu zwingen, doch Israels ausgedehnte Militärpräsenz im Libanon geriet mit fast 3.000 Terroranschlägen zwischen 1982 und 1985 zum Fiasko. Schließlich zogen sich die IDF auf einen schmalen Sicherheitskorridor im Süden des Landes zurück.
Intifada I + II
Im Dezember 1987 begannen die Palästinenser in der Westbank und dem Gazastreifen einen Aufstand gegen die Besatzung – die Intifada (arabisch: "abschütteln"). Auf Demonstrationen, Streiks und Straßenkämpfe waren die IDF zunächst nicht eingestellt. Anstelle von Panzerschlachten auf den Golanhöhen galt es nun, Steine werfende Teenager unter Kontrolle zu bekommen. Mit dem harten Einsatz von Schlagstöcken und Gummigeschossen bei Demonstrationen sowie Ausgangssperren und der Schließung von Schulen und Universitäten sorgte Israel schließlich für Ruhe. Die Frustration über die Wirkungslosigkeit des Aufstands führte jedoch zu einer stärkeren Rolle islamistischer Bewegungen und zum Aufstieg der Hamas.
Die PLO verlor im tunesischen Exil an Einfluss. Daher wandte sich Arafat Friedensverhandlungen zu, die im Rahmen der Oslo-Abkommen 1993/95 zur weitgehenden Selbstverwaltung des Gazastreifens und Teilen der Westbank unter der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) führten. Doch die Hamas positionierte sich gegen den Friedensprozess und beförderte dessen Scheitern durch Terrorakte, häufig Selbstmordattentate. Palästinensische Anschläge forderten bis 2.000 über 250 Tote. Zwar setzte Israel die Verhandlungen fort, doch die mangelnde Bereitschaft der PA, gegen die Hamas vorzugehen, vergiftete die Atmosphäre. Die IDF setzten der Hamas vor allem durch eine Verhaftungswelle heftig zu. Die Zahl der Anschläge und Opfer nahm erheblich ab.
Bereits im September 2000 eskalierte die Lage mit dem Beginn der zweiten Intifada erneut. Sogenannte drive-by-shootings, Heckenschützen und Selbstmordattentate rückten vorrangig israelische Zivilisten ins Visier. Rund 1.000 Israelis fielen Anschlägen zum Opfer. 2002 wurde mit 53 Selbstmordattentaten, 277 getöteten israelischen Zivilisten und 149 getöteten Soldaten das blutigste Jahr der Intifada. Das öffentliche Leben in Israel war aus der Bahn geworfen. Selbst die zentralen Küstenstädte wie Tel Aviv und Netanya waren nicht mehr sicher. Entsprechend hoch war der Druck auf die Regierung, Entschlossenheit zu zeigen.
Premierminister Ariel Sharon reagierte mit der "Operation Defensive Shield": Es wurden 30.000 Reservisten einberufen, anschließend isolierten die IDF die arabischen Städte, besetzten sie und verhafteten zahlreiche Palästinenser. Die Operation inmitten der palästinensischen Bevölkerungszentren war ein militärischer Albtraum. Besonders heikel gestaltete sich die Einnahme von Jenin, wo sich die IDF einen Häuserkampf mit gut vorbereiteten Terroristen lieferten, die Tausende Sprengfallen gelegt hatten. Ab Mitte 2003 zogen sich die Streitkräfte aus den palästinensischen Städten zurück und kontrollierten lediglich die Zugangswege.
Dennoch brach der palästinensische Widerstand sukzessive zusammen. Die Erkenntnisse, die durch den Einsatz des israelischen Inlandsgeheimdienstes Shin Bet in den palästinensischen Städten gewonnen wurden, waren beträchtlich. Nach der Verhaftung von schätzungsweise 7.000 Palästinensern und entsprechenden Verhören verfügte der Dienst über beinahe lückenlose Informationen über die Terrorgruppen. Der permanente Druck durch gezielte Tötungen und Verhaftungen zermürbte sie. Schon bald konnten die israelischen Sicherheitskräfte Selbstmordanschläge fast vollständig neutralisieren.
Hisbollah
Die schiitische Hisbollah gilt als eine der gefährlichsten Terrororganisationen der Welt. Ihre Entstehung war eine unbeabsichtigte Folge von Israels Militärpräsenz im Libanon. Seit dem Rückzug der IDF in die Sicherheitszone fügte sie den Israelis durch ständige Angriffe permanent Verluste zu. Neben Sprengfallen nutzte die Hisbollah auch Selbstmordattentäter und terrorisierte Nordisrael mit Raketenangriffen. Die IDF reagierten 1993 und 1996 mit größeren Militäroperationen. Obgleich sie die Hisbollah nicht ernsthaft gefährdeten, gewährleistete dies den Israelis von 1996 bis 2006 eine Periode relativer Ruhe an der Nordgrenze.
Anfang 2000 leitete Israel schließlich den endgültigen Rückzug aus dem Libanon ein. Die Hisbollah bezog nun direkt an der Grenze Stellung und bereite sich auf den nächsten größeren Konflikt vor. Sie lagerte Raketen und installierte Abschussvorrichtungen in Privathäusern, legte Bunker und Tunnelsysteme an und bereitete Hinterhalte vor. Währenddessen versäumte es die israelische Aufklärung, systematisch Informationen über die Stellungen und Fähigkeiten der Hisbollah anzulegen.
Im Juli 2006 löste die Entführung von zwei verwundeten Soldaten durch die Hisbollah eine erneute Militäroperation der IDF aus. Die Israel Air Force (IAF) zerstörte zunächst die Langstrecken-Raketenstellungen sowie den Hisbollah-Bezirk in Beirut, Dahiya. Die Hisbollah konterte mit 4.000 Raketenabschüssen, die erstmals Israels Bevölkerungszentren Haifa, Tiberias und Afula erreichten, wo 53 Zivilisten starben. 500.000 Israelis flohen in den Süden des Landes. Da sich Luftangriffe als wirkungslos erwiesen, entschied sich Jerusalem zu einer halbherzigen Bodenoffensive. Darauf hatte die Hisbollah gewartet; sie fügte den IDF empfindliche Verluste zu und konnte den Raketenbeschuss bis zum Waffenstillstand fortsetzen. Dagegen blieb die Durchschlagkraft der IDF-Bodentruppen unbefriedigend. Durch die Konzentration auf den Antiterrorkampf hatten die Fähigkeiten zum Bewegungskrieg nachgelassen. Andererseits verlor auch die Hisbollah viele Kämpfer. Insofern scheint die Operation die israelische Abschreckung wiederhergestellt zu haben – dafür spricht auch die seitdem an der Nordfront herrschende Ruhe.
Seit 2011 geht diese Ruhe vor allem auf den syrischen Bürgerkrieg zurück, der die Hisbollah bindet. Es besteht allerdings die Gefahr, dass sich die Organisation aus dem Arsenal Assads bedient und damit ihre militärischen Fähigkeiten deutlich ausweitet. Israel hat bereits mehrfach den Waffenschmuggel mit präzisen Luftschlägen verhindert. Außerdem gehen die IDF davon aus, dass die Hisbollah den Südlibanon in eine ausgeklügelte Kampfzone mit unterirdischen Gefechtsständen und Tunneln ausgebaut hat. Ferner verfügt die Terrororganisation über 100.000 Kurzstreckenraketen und Hunderte Raketen, die ganz Israel erreichen können.
Mit dem sogenannten Islamischen Staat (IS) erwächst Israel zudem eine schwer kalkulierbare Bedrohung in unmittelbarer Nachbarschaft. Schon jetzt fällt die Ideologie des IS im islamistischen Spektrum der Palästinenser teilweise auf fruchtbaren Boden.
Hamas
2005 zog sich Israel aus dem Gazastreifen zurück. Kurze Zeit später siegte die Hamas überraschend bei den Wahlen zum palästinensischen Parlament 2006. Die Wahl löste zunächst Chaos, dann einen Bürgerkrieg zwischen Hamas und Fatah aus. Im Juni 2007 übernahm die Hamas die Macht im Gazastreifen. Damit wurden Raketenangriffe aus Gaza zur primären Sicherheitsbedrohung; 2007 gingen rund 1.600 Raketen und Mörser auf Israel nieder. Im Juni 2006 entführte die Hamas zudem den IDF-Soldaten Gilad Shalit durch einen Tunnel.
Israel kontrolliert alle Zugänge zum Gazastreifen (mit Ausnahme des Rafah-Übergangs nach Ägypten) und kann das Gebiet daher nahezu vollständig abriegeln. Es erlaubt zwar die Arbeit internationaler Organisationen, schränkt aber bisweilen den Warenverkehr nach Gaza ein, um den Raketen- und Tunnelbau zu erschweren. Aufgrund der anhaltenden Raketenangriffe startete Israel 2008/09, 2012 und 2014 jeweils umfassende Militäroperationen gegen die Hamas im Gazastreifen, die für eine gewisse Zeit die Attacken stoppten beziehungsweise reduzierten. Dabei bombardierte die IAF zunächst die Hamas-Infrastruktur und Raketenabschussrampen. 2008/09 und 2014 wurden die Angriffe aus der Luft zudem von Bodenoffensiven der IDF begleitet.
Obgleich Israel versuchte, durch Warnungen mit Flugblättern und Anrufen die Zahl der zivilen Opfer so gering wie möglich zu halten, kam es zu erheblichen Verlusten, da die Hamas die Zivilbevölkerung als Schutzschilde missbrauchte, indem sie Raketen in Schulen und Krankenhäusern lagerte und abschoss. Seit 2012 konnte Israel die Bedrohung durch Raketenangriffe dank der Inbetriebnahme eines Raketenabwehrsystems ("Iron Dome") eindämmen. Obgleich der Erfolg des Systems unbestritten ist, gelang es der Hamas 2014, durch den Einsatz von Raketen mit einer Reichweite von mehr als 70 Kilometern einen Großteil der israelischen Zivilbevölkerung in der Metropolregion um Tel Aviv unter Beschuss zu nehmen. 2014 trat zudem die Bedrohung durch Tunnel auf israelisches Territorium in den Vordergrund, die die Hamas zur Infiltration und für Entführungen nutzen konnte. Diese zeitigten eine erhebliche Wirkung: Während der Militäroperation 2014 verließen die Anwohner der Kibbuzim um den Gazastreifen erstmals mehrheitlich ihr Zuhause.
2015 war das friedlichste Jahr an der Gaza-Front seit 2005. Dennoch ist die Hamas weiterhin eine akute Bedrohung. Die IDF hat mit Bohrvorrichtungen die Suche nach Tunneln bereits aufgenommen. Die nächste Eskalation am Gazastreifen ist daher nur eine Frage der Zeit.
Zwischen Herbst 2015 und Frühjahr 2016 war Israel zudem einer neuen Terrorwelle ausgesetzt, die 40 Tote und über 500 Verletzte forderte. Es kam beinahe täglich zu Attentaten mit Messern, Schusswaffen und Autos auf Israelis, vor allem in Jerusalem. Bemerkenswert ist jedoch die Tatsache, dass es sich fast ausschließlich um Einzeltäter handelte, die sich kaum in ein einheitliches Profil bringen lassen.
Israels Antiterrorinstrumente
Israel hat ein breites Spektrum offensiver Antiterrortaktiken entwickelt, die darauf abzielen, Terroristen zu neutralisieren. Zu den wichtigsten Instrumenten zählt die Inhaftierung. Die Verwaltungshaft erlaubt es israelischen Sicherheitsbehörden, Angehörige von Terrororganisationen auch ohne juristisches Verfahren auf unbestimmte Zeit einzusperren. Die Ausnahmeregelung ist rechtlich umstritten und wird seitens Israels mit dem Schutz geheimdienstlicher Erkenntnisse und Quellen gerechtfertigt.
Eng verknüpft mit der Inhaftierung sind die Verhöre. Dabei steht bei Terroristen weniger ein Geständnis als vielmehr die Gewinnung zusätzlicher Informationen im Mittelpunkt – der Kern der Terrorismusbekämpfung. Lange Zeit praktizierte Israel äußerst harte Verhörmethoden. 1999 verbot der Oberste Gerichthof allerdings die Anwendung physischer Gewalt.
Wenn sich Terroristen einer Verhaftung entziehen, greift Israel zu gezielten Tötungen. Zwischen 2000 und 2008 veranlasste Israel 234 gezielte Tötungen, bei denen 387 Palästinenser starben.
Weitere Offensivtaktiken sind Hauszerstörungen und Ausweisungen. Die Zerstörung von Häusern der Terroristen beziehungsweise ihrer Familien zielt als Abschreckungsmaßnahme auf die familiäre Disziplinierung junger Männer; ihr Nutzen ist allerdings umstritten. Durch Ausweisungen entledigt sich Israel zwar der unmittelbaren Gefährdung durch Terroristen, doch die Langzeitfolgen sind nicht absehbar: Die Abschiebung von über 400 Hamas-Anhängern in den Libanon 1992 führte dazu, dass ein Teil der palästinensischen Islamisten von der Hisbollah in die Herstellung von Selbstmordbombengürteln eingeführt wurde.
Diese offensiven Methoden können nur erfolgreich sein, wenn sie von defensiven Taktiken ergänzt werden. Checkpoints schränken die Mobilität der Terroristen – allerdings auch aller anderen – ein. Außerdem erlauben sie den IDF, jegliche palästinensische Bewegung in der Westbank zum Erliegen zu bringen. Bei Informationen zu unmittelbar bevorstehenden Terroranschlägen ermöglicht dies die notwendige Reaktionszeit.
Israels Sicherheitsbarriere entlang des Gazastreifens und der Westbank ist ein weiteres defensives Element der Terrorbekämpfung. Die Gaza-Barriere existiert seit 1994 und ist mit überlappenden Beobachtungsposten und ferngesteuerten Waffensystemen ausgestattet. Bei der Westbank-Barriere handelt es sich größtenteils um einen Zaun mit elektronischen Überwachungssystemen, in bewohnten Gebieten besteht sie aus Betonwänden. Der 2001 beschlossene Bau wird international kritisiert, weil er stellenweise auf palästinensischem Territorium verläuft, genießt aber einen großen Rückhalt in der israelischen Bevölkerung.
Weitere Maßnahmen des Bevölkerungsschutzes umfassen die Panzerung von Bussen, die durch problematische Gebiete fahren. Kindergärten, Schulen, Einkaufszentren sowie öffentliche Gebäude werden von bewaffnetem Sicherheitspersonal beschützt. Schließlich baut Israel die medizinische Notfallversorgung aus und bereitet die entsprechenden Einrichtungen auf plötzliche, große Opferzahlen vor.
Elemente der Antiterrorstrategie
Zentrales Element von Israels Terrorbekämpfung ist die Abschreckung: Durch überproportionale Vergeltungsschläge sollen potenzielle Terroristen von Attacken abgehalten werden. Israels Premierminister David Ben-Gurion brachte dies schon Mitte der 1950er Jahre auf den Punkt: "Wenn wir den Arabern nicht zeigen, dass sie einen hohen Preis dafür zahlen, Juden zu ermorden, werden wir nicht überleben."
Während der in der westlichen Welt bevorzugte Ansatz der bevölkerungszentrierten Aufstandsbekämpfung große Aufmerksamkeit bekam, insbesondere im Rahmen der Kriege in Afghanistan und im Irak, setzt Israel auf eine feindzentrierte Terrorbekämpfung. Der bevölkerungszentrierte Ansatz geht davon aus, dass Terrorgruppen eine hinreichend unzufriedene Bevölkerung benötigen, aus der sie ihre Kämpfer und Unterstützer rekrutieren können. Ihre Handlungsfähigkeit lasse sich nur reduzieren, wenn man die "hearts and minds" der Bevölkerung gewinne und diese so der Terrororganisation entfremde. Dies ist ein Ansatz, der sehr hohe Ansprüche an die zivil-militärische Kooperation stellt und viel Geduld, Geld und Opferbereitschaft erfordert. Wie die Einsätze im Irak und in Afghanistan gezeigt haben, ist der Erfolg ungewiss und das militärische Risiko hoch.
Mit Blick auf die tiefe Verbitterung im israelisch-palästinensischen Konflikt scheint dieser Ansatz kaum aussichtsreich. Zumal die Prämisse, dass hochrangige Terroristen ohne Weiteres ersetzbar sind, eine Fehlannahme ist. Die Anzahl erfahrener Terroristen mit Schlüsselkompetenzen ist begrenzt. Bombenbauer, Dokumentenfälscher und charismatische Anführer kommen nur in kleinen Zahlen vor. Wenn diese Schlüsselpersonen durch Tötungen oder Verhaftungen neutralisiert werden, kann eine Terrorgruppe zwar immer noch Rekruten gewinnen, doch ohne die besonderen Fähigkeiten der Schlüsselfiguren kann die Organisation nicht effektiv agieren.
Lehren
Aus den Erfahrungen Israels lassen sich einige allgemeine Erkenntnisse ableiten:
Terrorismusbekämpfung, auch dann, wenn sie effektiv ist, führt oft nur zu weniger Anschlägen und weniger Opfern – nicht zu einem Ende des Terrorismus. Regierungen sollten dies zur realistischen Zielsetzung verinnerlichen.
Kern der Terrorismusbekämpfung ist die Geheimdienstarbeit zur Informationsgewinnung. Israel nutzt sämtliche administrativen Handlungen (Bewilligung von Reisegenehmigungen, Arbeitsgenehmigungen und anderes mehr), um Palästinenser als Informanten anzuwerben. Europa sollte das geheimdienstliche Potenzial der Geflüchteten in ähnlicher Weise nutzen, Informanten in gefährlichen Bewegungen (in erster Linie im islamistischen Spektrum) rekrutieren und diese aktiv unterwandern. Das Teilen von Informationen unter den Sicherheitsbehörden ist dabei eine grundlegende Erfolgsbedingung.
Auf der taktischen Ebene erweist sich ein Mix aus offensiven Methoden zur Neutralisierung hochrangiger Terroristen und defensiven Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung als zielführend. Insbesondere um die Mobilität der Terroristen einzuschränken, wird Europa nicht um engmaschigere Grenzkontrollen umhinkommen.
Diese Lehren hören sich für europäische Ohren zunächst harsch, vielleicht sogar teilweise inakzeptabel an. Doch Terroristen halten sich nicht an Regeln und moralische Grundsätze. Im Gegenteil: Sie nutzen diese zu ihrem Vorteil, indem sie die Zivilbevölkerung ins Visier nehmen oder als menschliche Schutzschilde missbrauchen. Die Terrorismusbekämpfung von Demokratien ist daher stets mit dem Dilemma konfrontiert, Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit ausbalancieren zu müssen. Zu den primären Aufgaben eines Staates zählt jedoch, die Unversehrtheit seiner Bürger zu gewährleisten. Vor dem Hintergrund der Shoah gilt dies für Israel in einem besonderen Maße. Doch mit der steigenden Zahl von Anschlägen werden wohl auch Europas Staaten die Sicherheitsaspekte stärker in den Vordergrund rücken.
Um Missverständnissen vorzubeugen, sei darauf hingewiesen, dass die israelischen Erfahrungen bei der Terrorismusbekämpfung nicht unmittelbar auf Europa übertragbar sind. Dieser Beitrag dient der Darstellung der israelischen Praxis.