Jemanden "willkommen heißen" umschreibt eine freundliche Art, jemanden zu begrüßen, zu empfangen oder aufzunehmen. Entsprechend kann "Willkommenskultur" als eine Art der Begrüßung und des Aufnehmens verstanden werden, die zum Ausdruck bringt, dass die empfangenen Personen erwünscht sind. Diese Interpretation des Begriffs stützt sich vornehmlich auf den Begriff "Willkommen". Gleichzeitig wird unterstellt, dass "Kultur" auf eine Verhaltensweise oder die Art der Umsetzung verweist. Geprägt wird der Begriff insbesondere durch seine Verwendung in politischen und wirtschaftlichen Debatten, seine Präsenz in den Medien sowie die Bestrebungen von Behörden, sich zu "öffnen". Mit der Forderung nach mehr Willkommenskultur wird das Ziel verfolgt, die Attraktivität eines Landes oder einer bestimmten Region für Zuwanderung zu steigern. Dazu werden im Bereich der Einreise- und Aufenthaltsregelungen, in den Bewilligungs- und Anmeldeprozessen, im Kontakt mit den Behörden und hinsichtlich spezifischer Informations- und Begrüßungsangebote Bestrebungen unternommen, damit sich die zuwandernden Personen erwünscht fühlen.
In migrationspolitischer und aufenthaltsrechtlicher Hinsicht handelt es sich bei Willkommenskultur mitunter um gesetzliche Bestimmungen und Prozesse, welche die Einreise und den Aufenthalt betreffen. Im Mittelpunkt stehen beispielsweise Rekrutierungsmaßnahmen zur Anwerbung von Fachkräften im Ausland, Regelungen bezüglich Einreise und Aufenthalt, langfristige aufenthaltsrechtliche Perspektiven sowie diesbezügliche Prozesse und Abläufe in den zuständigen Behörden. Diese Regelungen und Prozesse sollen so angepasst werden, dass sie für Zuwanderung attraktiver werden. Beispielsweise soll es Personen im Ausland erleichtert werden, sich über Einreise- und Aufenthaltsbedingungen im Zielland zu informieren. Es werden gesetzliche Hürden für die anvisierte Zuwanderung gesenkt oder Wege zur Erleichterung der Behördengänge gesucht, etwa indem bürokratische Abläufe gestrafft und übersichtlicher gestaltet werden. Personen sollen aufgrund der Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen oder aufgrund des Kontakts mit den Behörden nicht von einem Migrationsentscheid zurückschrecken. Im Gegenteil: Durch die Maßnahmen soll die zuwandernde Bevölkerung davon überzeugt werden, dass sie willkommen ist.
Willkommenskultur wird auch als eine besondere Art des "Umgangs mit Vielfalt" verstanden, sie verweist auf die Art und Weise, wie (neu) zugezogenen Personen begegnet wird. Dies schließt die Ansprache und die Verhaltensweise gegenüber der ansässigen Migrationsbevölkerung mit ein. Der Versuch, Willkommenskultur in Behörden oder in Unternehmen zu verankern, äußert sich unter anderem in Maßnahmen zur Sensibilisierung des Personals im Umgang mit Vielfalt oder zur Repräsentation der Bevölkerungsvielfalt im Personalbestand. Entsprechende Schritte wurden bereits im Rahmen interkultureller und institutioneller Öffnungen oder unter dem Leitbild Diversity Management diskutiert. Willkommenskultur ist demnach nicht als grundsätzlich neuer Ansatz zu verstehen, vielmehr hat der Begriff den bestehenden Forderungen neue Kraft verliehen. Er bezieht sich auf das Ziel, den Umgang mit Vielfalt in der Gesellschaft und damit die Teilnahme der Bevölkerung an der Gesellschaft zu verbessern.
Um neu zugezogenen Personen die Orientierung in der neuen Umgebung und die Teilnahme an der Gesellschaft zu erleichtern, werden in den zuständigen behördlichen Stellen verschiedene Maßnahmen umgesetzt. So werden beispielsweise die Informationsangebote mithilfe von Broschüren, Internetseiten oder mit dem Aufbau von spezifischen Anlaufstellen, die Beratungsgespräche anbieten, ausgebaut. Weitere Angebote sind etwa Begrüßungsanlässe und Begegnungsorte, die geschaffen werden. Dabei können zudem Kontaktmöglichkeiten mit der lokalen Bevölkerung angeboten oder Teilnahmemöglichkeiten, etwa bei der Vereins- und Quartiersarbeit, aufgezeigt werden. Zielpublikum dieser Maßnahmen sind zumeist neu zugezogene Personen. Teilweise werden die Angebote aber auch im Sinne der Willkommenskultur für die gesamte Bevölkerung geöffnet.
International werden diese Formen der Informations- und Begrüßungsarbeit, insbesondere in Bezug auf hoch qualifizierte Arbeitnehmer, in Unternehmen wie auch in Behörden seit vielen Jahren angeboten. Ein viel zitiertes Beispiel sind die sogenannten Welcome Centers in Kanada.
Fachkräftemangel als Motor
In Deutschland fand der Begriff Willkommenskultur in erster Linie im Zusammenhang mit der Feststellung, dass ein bedeutender Mangel an Fachkräften droht, Einzug in die politischen Debatten. Deutschland ist ein demografisch alterndes Land, weshalb die Bevölkerung ohne eine ausreichende Zuwanderung schrumpfen wird. Dies trifft besonders auf die Erwerbsbevölkerung zu. Die demografischen Entwicklungen und der Umstand, dass bereits in verschiedenen Branchen ein Fachkräftemangel besteht, haben auf die hohe Relevanz der aktuellen und zukünftigen Sicherung der benötigten Fachkräfte zur Aufrechterhaltung einer gesunden Wirtschaft aufmerksam gemacht.
Um dem aktuellen und zukünftigen Fachkräftemangel entgegenzuwirken, ist man in Deutschland daher bestrebt, neben der gezielten Ausschöpfung des bestehenden Potenzials durch Erhöhung der Erwerbsbeteiligung und der Qualifizierung der Erwerbsbevölkerung auch die Zuwanderung zu fördern. Doch die niedrigen Einwanderungsraten in den Jahren 2008 und 2009 verdeutlichen, dass eine ausreichende Zuwanderung nicht selbstverständlich ist.
So wurde neben der Umsetzung von EU-Richtlinien für Ausländer mit spezifischer beruflicher Qualifikation (wie etwa das Berufsanerkennungsgesetz und die Einführung der "Blauen Karte"
Perspektivwechsel?
In Migrationsdiskursen wird oftmals festgehalten, dass in Deutschland zwar verschiedene Maßnahmen zur Förderung einer Willkommenskultur eingeführt wurden, jedoch keine Willkommenskultur im umfänglichen Sinne besteht. So werden im Umgang mit Vielfalt nach wie vor verschiedene Formen der Diskriminierung beobachtet.
Eine Studie über die Erfahrungen von Akademikern mit der Bayreuther Ausländerbehörde beispielsweise untermauert die Tatsache, dass sich Zugewanderte nach Behördengängen alles andere als willkommen fühlen.
So hat sich die Willkommenskultur in vielen Lebensbereichen zwar noch nicht durchgesetzt, dennoch hat ein Perspektivwechsel eingesetzt. Zum einen werden die anzuwerbenden Fachkräfte in der Politik und in den Medien vermehrt als Potenzial bezeichnet und nicht als Bedrohung für die Erwerbsbevölkerung oder die Sozialsysteme. Zum anderen liegt der Fokus nunmehr auch auf der Aufnahmegesellschaft und deren Kapazitäten im Umgang mit Vielfalt.
Diese Rhetorik von den erwünschten qualifizierten Fachkräften birgt jedoch die Gefahr, dass zwischen "guten" und "schlechten" Zuwanderern unterschieden wird. Damit würde ein selektives "Willkommen-heißen" betrieben, womit kein vollständiger Perspektivwechsel verbunden wäre. Wird im Hinblick auf den "Umgang mit Vielfalt" die chancengleiche Teilnahme an der Gesellschaft zum Ziel erklärt, stellt der Ausschluss eines Teils der Bevölkerung von der geforderten Willkommenskultur einen Widerspruch dar.