Freiheit hat den höheren, strahlenderen Klang als Gleichheit. Der Aufbruch zur Freiheit durchweht die Geschichte in den großen Freiheitsbewegungen und bleibt, wenn wir uns in der Welt umschauen, so aktuell und unverzichtbar, wie eh und je. Freiheit umfasst – darüber besteht in liberalen Demokratien Einigkeit – sowohl die persönliche Handlungsfreiheit, alles zu tun, soweit es anderen nicht schadet, als auch die politische Freiheit von willkürlicher Herrschaft und Gewalt. Sie ist weiterhin abgesichert durch eine Reihe verfassungsrechtlicher Spezialfreiheiten wie der Meinungs-, Religions-, Versammlungs-, Vereinigungs- oder Berufsfreiheit. Doch sind diese Verbürgungen stets gefährdet. "Dem Reich’ der Freiheit werb’ ich Bürgerinnen", dieses Motto der ersten politischen Frauen-Zeitung in Deutschland von 1849, herausgegeben von Louise Otto, bringt all diese Freiheiten als Voraussetzung für die Verwirklichung gleicher Rechte auch der Frauen emphatisch auf den Punkt.
Das Recht auf Gleichheit, die Anerkennung der Menschen als Gleiche, hingegen ist komplizierter, versteht sich nicht von selbst, bedarf bei aller Anerkennung gleicher Freiheit immer erst der Konkretisierung oder einer Verständigung darüber, was genau gemeint ist, wie viel Gleichheit oder in welcher Hinsicht Gleichheit herzustellen ist. Die Einlösung des Rechtsprinzips der Gleichheit wirkt daher bedrohlich, zumindest ungemütlich für diejenigen, die etwas zu verlieren haben, denn es greift bestehende Verhältnisse an, drängt auf Veränderung und Teilung von Herrschaft und Eigentum. Im Verlauf der Geschichte, spätestens seit 1789, seitdem mit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte aus dem philosophischen und theologischen Lehrsatz der Gleichheit aller Menschen ein politisches Programm sozialer Gerechtigkeit abgeleitet wurde, ist Gleichheit immer wieder als "Gleichmacherei" in Verruf geraten. In der Parole "Freiheit statt Sozialismus" wurden die Verdächtigungen und die Denunziation der Gleichheit auch in jüngster Zeit zu einer eingängigen Propagandaformel missbraucht. Auch nach dem Ende der Konfrontation des "Kalten Krieges" hat sich der den Markt beherrschende Neoliberalismus weitgehend von der Leitnorm der Gleichheit verabschiedet.
Richtig ist, Gleichheit ohne Freiheit führt in diktatorische Zustände, Freiheit ohne Gleichheit behindert die Freiheit all derer, die über weniger Ressourcen, ungleiche Chancen oder keine Privilegien verfügen. Auch für die Theoretiker der bürgerlichen Gesellschaft war klar, dass Freiheit ohne Gleichheit nicht bestehen kann und eine demokratische Regierungsform "weitgehende Gleichheit der gesellschaftlichen Stellung und der Vermögen"
Wie die Verweigerung der Rechtsgleichheit für eine "Hälfte der Menschheit" zu Unfreiheit, Bevormundung und Machtmissbrauch führt, dafür ist die Geschichte der Frauen und der Frauenrechte gerade auch in den sich liberal verstehenden bürgerlichen Gesellschaften ein eindringliches Beispiel. Die Argumente gegen die Gleichheit, überhaupt die Menschenrechte der Frauen waren in der abendländischen Philosophie, in der tradierten Geschlechterordnung und gesellschaftlichen Praxis vorgezeichnet. Trotzdem bedurfte es neuer Begründungen und Ausflüchte, warum Frauen verschieden und im Rechtssinne keine Menschen seien,
Zur Begründung diente die systematische Trennung zwischen Öffentlichkeit und Privatsphäre, zwischen männlichen und weiblichen Geschlechterrollen, zwischen Körper und Geist, Natur und Kultur, Lohnarbeit und Hausarbeit. Und es ist Teil einer vor allem geschlechtsspezifischen Dialektik der Aufklärung, dass gerade zu jener Zeit, als "die Menschenrechte laut und von den Dächern gepredigt wurden"
Diese Verhinderung gleicher Rechte für Frauen, die Widersprüchlichkeiten und Diskriminierungen, die sich aus der Polarisierung und Institutionalisierung hierarchischer Geschlechterrollen und der Funktionalisierung der Geschlechterdifferenz ergaben, hat die Frauen- und Geschlechterforschung inzwischen in all ihren Disziplinen gründlich analysiert. Sie hat sie als patriarchalische Gegenreaktion gegen die Denkbarkeit und Forderung nach Freiheit und Gleichheit der Frauen entlarvt, jedenfalls nicht als Ergebnis der so hoch geschätzten Vernunft deuten können.
Erst in jahrhundertelangen Kämpfen, in immer neuen "Wellen" und regem internationalen Austausch haben die Frauenbewegungen des 19. und 20. Jahrhunderts in Europa und Teilen der Welt schrittweise die mindere, ungleiche Rechtsstellung der Frau verbessern können. Und doch sollten wir nicht vergessen, wie kurz erst die Laufzeit mancher Rechtserrungenschaften auch in Deutschland ist: Das Recht auf gleiche Schulbildung und Studium gibt es seit 1908, das politische Wahlrecht seit 1919. Die Gleichberechtigung im Privaten, die für die verheiratete Frau Voraussetzung ihrer politischen Teilhabe und Mitbestimmung war, aber ließ noch sehr viel länger auf sich warten. Selbst nach der verfassungsrechtlichen Zusicherung durch Art. 3 GG wurde die Gleichberechtigung in der Familie in Westdeutschland formal erst 1977 mit der Abschaffung der vornehmlichen Pflicht der Frau zur Hausarbeit erreicht.
Zugleich wissen wir, wie ungleich die Lebensbedingungen, Teilhabe- und Berufschancen von Männern und Frauen trotzdem heute noch sind, wie ungleich nach wie vor die Sorge des Alltags für Kinder und Familie zwischen den Geschlechtern verteilt ist. Es ist hier nicht der Ort, die strukturellen, politischen, ideologischen und individuell praktischen Ursachen nicht verwirklichter Rechtsgleichheit der Frauen zu behandeln. Vielmehr interessiert, ob das Instrumentarium, das uns die Werte Freiheit und Gleichheit anbieten, noch brauchbar ist angesichts der Komplexität so grundlegender gesellschaftlicher Veränderungen und individueller Anforderungen.
Tatsächlich ging es der "neuen" Frauenbewegung der 1970er Jahre vorrangig nicht um Gleichberechtigung, sondern um Autonomie und Selbstbestimmung im Privaten wie in der Politik. Sie verstand sich weltweit vor allem als Befreiungsbewegung, in Abgrenzung zur "Frauenrechtelei" der historischen Frauenbewegung. Die aus historisch schlechten Erfahrungen gespeiste Rechtsskepsis der Frauen war mit der Enttäuschung über die nicht verwirklichte, nur formale Gleichberechtigung eher verstärkt worden. In der unter Feministinnen heiß geführten Debatte um Gleichheit und Differenz am Anfang der 1990er Jahre gab es daher radikale Stimmen, für die "der traditionelle politische Wortschatz" – der Begriff der Gleichheit, der Freiheit oder Demokratie – "in toto verdächtig", nicht mehr brauchbar war, weil diese Begriffe "die patriarchale Ordnung der Welt" konstituiert haben, also nicht "unschuldig" seien.
Wieder einmal hatte Gleichheit – nun unter Feministinnen – keinen Kurswert, wurde mit Gleichsein (sameness), Identität verwechselt, als Angleichung missverstanden. Dabei hatte schon Helene Stöcker, radikale Feministin und Pazifistin, in ihrer Schrift "Unsere Umwertung der Werte" vor 100 Jahren eingewandt: "Nein, nein, nicht Mann sein wollen, wie ein Mann sein wollen (…): was sollte uns das helfen!"
Die Frage, wie viel Gleichheit zuzulassen und welche Differenzen zu berücksichtigen sind, hat die neuzeitliche Geschichte der Frauenemanzipation seit der Französischen Revolution begleitet. Während Olympe de Gouges in ihrer "Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin" von 1791 grundsätzlich der Rechtsgleichheit den Vorrang gab, keine besonderen "Rechtswohltaten" für Frauen, vielmehr gleiche Pflichten und Teilhabe forderte,
Für den "Sieg des Prinzips"
Die Gegenüberstellung von Gleichheit und Differenz – so inzwischen die Schlussfolgerung vieler Stimmen – ist eine "falsche Alternative"
Mit dem Beharren auf Gleichheit ist immer auch die Freiheit, ein Leben selbstbestimmt zu führen, berührt. Was dies im Einzelnen für die gleiche Freiheit der Frauen heißt, ist im jeweiligen Kontext zu bestimmen und in rechtlichen Vereinbarungen auszuhandeln. Gewiss spielen hierbei die politischen Machtverhältnisse, gleiche Teilhabe und Repräsentation – daher etwa auch Quoten – eine bisher unverzichtbare Rolle. Immerhin steht das Recht, der Grundsatz der Gleichheit und Freiheit, nun auf der Seite der Frauen wie der aller anderen Benachteiligten und Unterdrückten. Die Inanspruchnahme von Rechten, insbesondere von Gleichheit, war in der Geschichte der Demokratie wie auch der Frauenbewegungen der entscheidende politische Hebel, um Ungleichheit und Ungerechtigkeit als solche wahrzunehmen und zur Sprache zu bringen.
Wenn wissenschaftliche Analysen und feministische Kritik gegenwärtig insbesondere die ungerechte und ungleiche Arbeitsteilung im Reproduktionsbereich, im Hinblick auf alle Tätigkeiten der Pflege, Betreuung und Sorge für andere (care), aufgreifen und damit nicht nur ein Problem geschlechtsspezifischer, sondern auch internationaler Arbeitsteilung zur Sprache bringen, ist ein zentrales Feld bezeichnet, in dem aktuell die Frauenbewegungen wie andere zivilgesellschaftliche Akteure