Nach über vier Jahrzehnten der Assad-Herrschaft hat sich in Syrien ein enormes soziales und sozioökonomisches Spannungspotenzial aufgebaut, das weit unterschätzt worden ist. Ähnlich wie einst Jugoslawien und der Balkan gleicht heute der syrische Vielvölkerstaat einem hochbrisanten Pulverfass. Aufgrund der internationalen Verstrickungen syrischer Politik könnten die militärischen Auseinandersetzungen der Beteiligten zu erheblichen Veränderungen der gesamtstrategischen Lage in Nahost führen. Nachbarländer, Milizen, Widerstandskämpfer, Separatisten und Dschihadisten sind mittlerweile in die Auseinandersetzungen involviert. Der Ausgang der Krise ist völlig ungewiss – sie könnte sich noch über Jahre hinziehen.
Bereits jetzt wird über Zukunftsszenarien des Landes spekuliert. Zu befürchten sind der Staatszerfall und ein nachhaltiges Machtvakuum (ähnlich Somalia); die Aufsplittung in Milizterritorien ("Libanonisierung") oder neue staatliche Einheiten ("Balkanisierung"); die zunehmende regionale Einflussnahme von Islamisten; ein unkontrolliertes Auseinanderbrechen bestehender Bündnissysteme mit Veränderungen im strategischen Gleichgewicht; ein neuer Stellvertreterkrieg im Sinne des Kalten Krieges; ein Überschwappen der Unruhen auf Nachbarländer sowie eine unkontrollierte Weiterverbreitung von B- und C-Waffen.
Westliche Perspektive
Der syrischen Regierung wurde von der westlichen Staatengemeinschaft oftmals vorgeworfen, mit terroristischen Organisationen und Staaten zu kooperieren. Eine zügige Distanzierung der westlichen Welt vom Assad-Regime war die Folge, als im Lande Anfang 2011 die ersten Unruhen aufkamen. Heute setzt sich das westliche Lager weitgehend geschlossen für die Ablösung des syrischen Staatschefs ein und hat klar Stellung zugunsten der Opposition bezogen. Eine bedeutende Aufwertung wurde der Opposition zuteil, als sie Ende 2012 von Frankreich und Großbritannien als legitime Vertretung des syrischen Volkes anerkannt wurde. Der Vorgang war gewagt, ist doch die Frage nach der Legitimität der Opposition bis heute nicht geklärt. Assad jedenfalls gilt im Westen seither als disqualifiziert und wird als Verhandlungspartner abgelehnt. Ein Großteil der verzeichneten hohen Verluste an Menschenleben im Bürgerkrieg legt der Westen ihm und seinem Regime zur Last. Aus westlicher Perspektive ergeben sich im Hinblick auf den Konfliktherd in Syrien einige spezifische Sicherheitsrisiken.
Syriens geografische Nähe zur EU und die Beeinträchtigung des EU-Mittelmeerdialogs.
Ein längerer Machtkampf in Damaskus könnte zu erheblichen Störungen im EU- Mittelmeerdialog führen. Dieses Forum bildet einen Grundstein zur Stabilisierung der Sicherheit an der Südost-Flanke der EU. Auch soll der Integrationsprozess im Mittelmeerraum insgesamt gefördert werden. Eine Einbindung Syriens und seines Nachbarn Libanon sind wichtiger Bestandteil des Programms. Hier nehmen bereits Flüchtlingsbewegungen, illegale Zuwanderungen und Menschenschmuggel unerwartet hohe Ausmaße an – Probleme, mit denen in erster Linie die Türkei und Griechenland zu kämpfen haben. Die Sicherheitslage entlang der Peripherie des EU-Raumes scheint mit zunehmender Dauer der Auseinandersetzungen in Syrien nachhaltig Schaden zu nehmen. Der Bau weiterer Grenzzäune – wie bereits zwischen Griechenland und der Türkei – dürfte die Folge sein.
Syriens gemeinsame Grenze zum Nato-Partner Türkei.
Die Türkei forderte nach dem Beschuss durch Granaten, der offenkundig von syrischem Territorium erfolgte, Unterstützung von ihren Nato-Partnern an. Für die Nato ergibt sich damit ein neuer Einsatzort im Nahen Osten ohne UN-Mandat, und die Gefahr, in eine Auseinandersetzung ohne absehbares Ende hineingezogen zu werden. Auch Deutschland sieht sich hier eingebunden, wenn auch nur durch die Stationierung von defensiv orientierten Patriot-Raketen entlang der türkisch-syrischen Grenze. Kritiker im Deutschen Bundestag monierten, eine Gefährdungslage der Türkei sei herbeigeredet, da Assad nie beabsichtigt habe, sein nördliches Nachbarland anzugreifen. Auch stehe der Einsatz nicht im Kontext nationaler Interessen Deutschlands.
Syrien als Nachbar- und Frontstaat zu Israel.
Der Konflikt in Syrien dürfte auch im Nahost-Friedensprozess zu massiven Rückschlägen führen. Ob Israel sich in der aktuellen Krise um Syrien zu militärischem Eingreifen genötigt sehen wird, hängt von seiner realen wie gefühlten Bedrohungslage ab. Der casus belli wurde von Jerusalem für den Fall angekündigt, dass syrische B- oder C-Waffen in die Hände von Israels Gegnern fallen sollten. Auch eine offene Intervention des Iran könnte Israel auf den Plan rufen. Immerhin hatte Teheran angekündigt, ein türkisches Eingreifen in Syrien – etwa in Form der Etablierung einer "humanitären Schutzzone" – gegebenenfalls als Angriff auf sein eigenes Territorium zu betrachten. Ein direktes iranisches Eingreifen mit möglicher Unterstützung der Hisbollah wäre für Israel keinesfalls tolerierbar. Auch für Deutschland wären dann Konsequenzen zugunsten Israels in Erwägung zu ziehen, hatte doch Bundeskanzlerin Merkel im Jahre 2008 vor der Knesset erklärt, Israels Sicherheit sei "Teil der Staatsräson Deutschlands".
Syriens Rolle gegenüber "Problemstaaten" und geächteten Organisationen.
Als besonders brisant wird im Westen die Achse zwischen Syrien, dem Iran und der Hisbollah gesehen.
Syrien als Energie-Transitland.
Seit Jahren bereits versucht die EU, ihre Energiebezugsquellen zu diversifizieren, um sich aus der starken Abhängigkeit von Russland zu lösen. Der östliche Mittelmeerraum und die Landbrücke zum Persischen Golf könnten hier neue Perspektiven bieten. Gerade das Territorium Syriens könnte energielogistisch an Bedeutung hinzugewinnen. Dies gilt umso mehr, als die allmähliche politische Beruhigung im Irak auch zur Ankurbelung der Erdölförderung geführt hat. Gleichzeitig verstärkte sich die Unsicherheit beim Abtransport von Erdöl über den Seeweg um das Horn von Afrika durch zunehmende Piraterie. Syrisches Territorium böte die Möglichkeit des schnellen Abtransports des Erdöls vom Golf in Richtung der EU durch bereits bestehende Pipelinesysteme. Letztere wurden bereits bis Ende der 1970er Jahre für irakisches Öl genutzt. Derartige Projekte wären keinesfalls mit russischen Interessen im Einklang, würden syrische Pipelines doch russisches Territorium umgehen und die EU zunehmend aus der logistischen Abhängigkeit von Russland herauslösen.
Position Russlands
Offizielle Strategie Russlands in der Krise um Syrien ist die Nichteinmischung. Waffenlieferungen und die engen Verbindungen mit dem Assad-Regime sprechen jedoch eine andere Sprache. Tatsächlich ist das Überleben des syrischen Präsidenten eng verknüpft mit dem Wohlwollen Moskaus. Für den Kreml gilt der syrische Präsident nicht als Teil des Problems, sondern als Teil der Lösung. Die offizielle Nichteinmischungspolitik von Seiten Russlands und Chinas kommt nicht von ungefähr. In beiden Vielvölkerstaaten wird ein erhebliches soziales und sozioökonomisches Spannungspotenzial vermutet. Das Beispiel der arabischen Revolutionen könnte in Moskau und Peking Schule machen.
Fraglich ist, bis zu welchem Preis Russland und China im Falle Syriens bereit sind, ihre umstrittene Linie im Sicherheitsrat fortzuführen. Denn auch in Moskau wird zunehmend erkennbar, dass Veränderungen in Syrien kaum noch aufzuhalten sind und die Kompromissbereitschaft der kämpfenden Akteure weiter gegen Null strebt. Der Vorschlag Russlands, eine Syrien-Konferenz unter Beteiligung aller Kräfte in Moskau abzuhalten,
Moskaus Agitieren im Syrien-Konflikt ist stark machtpolitischen Erwägungen unterworfen. Unvergessen bleibt in Moskau, dass den Russen im Falle Libyens Aufträge über Waffenlieferungen und Bohrkonzessionen in Höhe von etwa zehn Milliarden Dollar wegbrachen – allein, weil die Nato ihren UN-Auftrag zu ihren Gunsten ausweitete. Dem Westen gelang es dadurch, in Libyen neue Verträge zur Ölförderung mit der Übergangsregierung abzuschließen und dadurch seine Energieabhängigkeit von Russland zu verringern. Russland fühlte sich somit doppelt geschädigt. Vor diesem Hintergrund wird verständlich, warum Moskau heute alles versucht, seinen Einfluss in Syrien aufrechtzuerhalten. Hinzu kommt eine russische Marinebasis in Syrien (bei Tartus), die der russischen Flotte im Mittelmeer mehr strategisches Gewicht verleiht. Der Ort Tartus scheint gut gewählt, liegt er doch in Nähe der Ölverladestation der Baku-Tiflis-Ceyhan-Pipeline (im türkischen Ceyhan). Von dort aus werden große Mengen kaspischen Öls in Richtung Westeuropa verschifft. Russland hätte somit im Bedarfsfall schnell Einfluss auf Teile der Energieversorgung der EU.
Rolle der Türkei
Von allen Staaten der Region hat die Türkei durch die Syrien-Krise die größten Folgewirkungen zu verzeichnen. Gewinner- und Verliererrolle liegen hier ganz dicht beieinander. Einerseits eröffnet der "Arabische Frühling" der Türkei neue Chancen. So könnte das politische System der Türkei – eine Verbindung demokratischer Grundelemente mit einer islamischen Wertetradition – ein realistisches Modell für die Zukunft Syriens werden. Für die in Ankara regierende sunnitisch geprägte AKP dürfte der Gedanke einer möglichen sunnitischen Regierung im südlichen Nachbarland durchaus Sympathien hervorrufen. Die Tatsache, dass es der Türkei gelang, im Zuge der "Arabellion" ihren Einfluss in der arabischen Welt zu stärken, ließ Kritiker vermuten, Ankara versuche, dem "osmanischen Geist" neues Leben einzuhauchen.
Andererseits wurde die Türkei durch den Konflikt in Syrien in Mitleidenschaft gezogen. Sie kämpft derzeit mit den folgenden Problemstellungen, die sich aus der veränderten Lage an der Südgrenze ergeben haben.
Beeinträchtigung der eigenen Sicherheitslage.
Mehrfach wurde die Türkei bereits zum Ziel von Angriffen von syrischer Seite. Neben eingeschlagenen Mörsergranaten ist hier der Abschuss einer türkischen Phantom-Maschine im Juni 2012 zu nennen. Assads Interesse an Zusammenstößen mit der Türkei ist denkbar gering. Der Nato gäben sie eine Legitimation, in Syrien zu intervenieren. Fest steht aber, dass türkisches Staatsgebiet heute – neben dem Libanon – der wichtigste logistische Rückzugsraum für die Kämpfer der Freien Syrischen Armee (FSA) ist. Das türkisch-syrische Grenzgebiet könnte damit zum eigentlichen Ausgangsgebiet der Destabilisierung des Assad-Regimes werden,
Scheitern der "Null-Problem-Politik".
Das strategische Konzept der Türkei, eine Null-Problem-Politik mit allen Nachbarn führen zu wollen, brach mit Ausbruch der Syrien-Krise in sich zusammen. Tatsächlich liegt die Türkei heute mit fast allen Nachbarn im Streit.
Zunehmende Spannungen in der Kurdenfrage.
Ein Gegner, den die Türkei seit Jahren bekämpft, könnte als großer Gewinner aus der Syrien-Krise hervorgehen – die Kurden. Ihre "Sache" dürfte jetzt neuen Auftrieb erhalten. Ein zusammenhängendes kurdisches Autonomiegebiet im Irak und in Syrien könnte in greifbare Nähe rücken, sollte es den Kurden in Syrien gelingen, sich vom politischen Einfluss in Damaskus zu lösen. Damit wären anschließend die Kurden im türkischen Anatolien unter Zugzwang, nämlich ihren Befreiungskampf gegen Ankara zu forcieren. Zu viel Autonomie für die Kurden dürfte international jedoch auf wenig Gegenliebe stoßen. Der geforderte Kurdenstaat, der wichtige Regionen mit Wasser- und Ölquellen entlang des oberen Euphrat und Tigris umfassen würde, könnte das strategische Gleichgewicht in Nahost in Schieflage bringen. Die Kurden selbst laufen Gefahr, in der Syrien-Krise instrumentalisiert zu werden. Getreu der Devise "der Feind meines Feindes ist mein Freund", unterstützt Syriens Staatschef Assad heute wieder die kurdische Bewegung gegen Ankara, die er noch kurz vor Ausbruch der Syrien-Krise bekämpft hatte. Den Kurden dürfte es recht sein, sollten sie damit ihrem eigenen Staat näher kommen. So erklärte die Führungsspitze der PKK (Partiya Karkeren Kurdistan, Arbeiterpartei Kurdistans), die im Westen als terroristisch eingestuft wird, im Falle eines türkischen Angriffes gegen Assad wolle man auf dessen Seite kämpfen.
Saudi-Arabien und Katar
Sowohl Saudi-Arabien wie auch Katar geben sich innerhalb der Arabischen Liga als "Vorreiter" im Kampf gegen Assad. Ihr starkes Engagement für einen Sturz des syrischen Regimes dürfte dem Misstrauen gegenüber dem mit Syrien verbündeten Iran geschuldet sein, das schon bald die Atombombe besitzen könnte. Der Konkurrenzkampf der Golfanrainer hat eine lange Tradition. Noch heute fürchten sunnitische Muslime ein Übergreifen der schiitischen Revolution in die schiitisch geprägten Golfregionen um Bahrain und Oman. Saudi-Arabien hingegen sieht jetzt die Gelegenheit, den sunnitischen Islam als zukünftige politische Kraft in der saudischen Peripherie zu stärken. Die Unterstützung der sunnitisch geprägten syrischen Opposition gilt als ein Baustein ihres Konzeptes. In Ägypten scheint das Konzept mit der Machtübernahme der Muslimbrüder bereits aufgegangen. Riad geht es nicht um demokratische Reformen, sondern um den Erhalt des Islams in seiner puritanischen Form.
Katars Anliegen in der Syrien-Krise könnte auf die Erschließung neuer Verbindungswege für den Abtransport eigenen Öls in Richtung türkischer Mittelmeerküste zurückzuführen sein. So sollen bereits entsprechende Verhandlungen mit der Türkei geführt worden sein, dazu auch syrisches Territorium zukünftig einzubeziehen. Das Nachsehen hätte klar Russland, das einmal mehr an Einfluss bei der Energieversorgung der EU verlieren würde. Katars Rolle in den arabischen Umbrüchen, darunter auch in Syrien, darf nicht unterschätzt werden. Die finanziellen Mittel für die syrische Opposition fließen zwar weitgehend aus Saudi-Arabien, der Informationsfluss und die Verbreitung von Nachrichten steuert aber zu einem Großteil der in Katar ansässige Sender Al-Dschasira. Er gilt als Assad-kritisch, und hat – auch in der arabischen Welt und in Syrien selbst – hohe Einschaltquoten und damit Einfluss auf die Meinung der Bevölkerung.
Neues Feld für Islamisten und al-Qaida-Aktivisten
Der Beginn des "Arabischen Frühlings" traf Aktivisten von al-Qaida sowie militante Dschihadisten weitgehend unvorbereitet. Im Falle Syriens hingegen werden jetzt "Versäumnisse" nachgeholt, sodass US-Behörden von einer "Wiederauferstehung" al-Qaidas im Nahen Osten sprechen. US-Geheimdienstkoordinator James Clapper warnte bereits im Februar 2012 vor einer Unterwanderung der syrischen Rebellen durch al-Qaida.
Als "Galionsfigur" steht der Chef-Ideologe und benannte Nachfolger bin Ladens, Ayman al-Zawahiri, im Vordergrund. Er rief bereits Anfang 2012 Muslime in aller Welt in einem emotionalen Propaganda-Video zur Teilnahme am Kampf des syrischen Volkes gegen den Diktator Assad auf. Dem folgten weitere Videoclips, so am 13. September 2012, in dem Zawahiri sich besonders an die Muslime im Irak wandte und die Umwandlung Syriens in einen islamischen Staat nach der Befreiung vom Assad-Regime forderte. Zudem bezeichnete er Syrien als Sprungbrett und Brücke zur Eroberung Jerusalems.
Unter den syrischen Aufständischen sind somit tatsächlich zahlreiche ausländische Dschihadisten präsent. Der Regierung Assads gibt dies die Chance, die Opposition unter anderem als "Terroristen" zu bezeichnen, die vom Ausland gesteuert seien und die es zu bekämpfen gelte.
Andere Experten halten dagegen. Al-Qaidas direkte Involvierung in den Syrien-Konflikt würde von den Medien weit übertrieben. Die Gefahr einer Unterwanderung der syrischen Opposition durch islamistische Kommandos sei zwar höher als in Libyen, Ägypten oder Tunesien. Der Anteil von al-Qaida-Kadern sowie anderer Dschihadisten aus dem Ausland sei im Falle Syriens jedoch vergleichsweise gering. Für die bewaffnete Opposition in Syrien nennen sie Zahlen von etwa 50.000 Mann, darunter vermutete tausend ausländische Kämpfer.
Auch wenn genaue Zahlen spekulativ sind, fest steht, dass der Modus Operandi von al-Qaida-Aktivisten auf dem syrischen Schlachtfeld höchst effektiv ist. Ein ganzes Bündel islamistischer Kampfverbände, so die Vermutung, formiere sich zu einem gemeinsamen Netzwerk – darunter Teile der al-Qaida aus dem Irak, syrische Aufständische wie die Abdullah Azzam Brigaden und Fatah al-Islam sowie salafistische Dschihadisten aus dem angrenzenden Jordanien. Diese Widerstandszirkel operieren weniger durch das Einschleusen größerer Kontingente an Kämpfern, als vielmehr durch logistische Unterstützung des Aufstands. Sie geben Einsatzhilfen, schicken "Ausbilder" und Personen mit Erfahrungen im Bau von Sprengbomben, die sich unter anderem für Selbstmordattentate eignen. US-Geheimdienstkreise bestätigten Anfang 2012 diese Vorgehensweise in Form geheim operierender Zellen. Diese seien in organisierte Netzwerke eingebunden – die Kommunikation und Kooperation auf der Kommandoebene sei von weit höherer Effektivität als früher im Irak und Afghanistan.
Eine Gruppe religiöser Radikaler sticht in Syrien heraus – Dschabhat al-Nusra. Diese Dschihadistengruppierung gilt als erheblich gefährlicher als die ausländischen Kämpfer der al-Qaida. Al-Nusra ist in Syrien selbst beheimatet und kann sich daher auf weit größere Akzeptanz und Unterstützung aus breiten Kreisen der Bevölkerung verlassen als andere. Der vollständige Name bedeutet soviel wie "Unterstützungsfront für das syrische Volk". Erstmals trat die Formation im Januar 2012 militärisch in Erscheinung. Seither zieht die Gruppe fast täglich Berichte über eine Beteiligung an Attentaten nach sich. Ihr Kampf gegen das säkulare Assad-Regime ist gekennzeichnet von Suizidaktionen und Bombenanschlägen. Taktisch und operativ sind eindeutige Parallelen zu al-Qaida zu erkennen. Dies gilt auch für die ideologische Ebene, denn auch Dschabhat al-Nusra propagiert die Errichtung eines Kalifats.
Ob eine Beziehung tatsächlich besteht und in welchem Maße, muss hinterfragt werden.
Zukunftsszenarien
Je stärker sich extremistische, vom Dschihad motivierte Zellen und Kader in Syrien fortpflanzen und das Einsickern ausländischer Kämpfer anwächst, umso leichter wird es für al-Qaida und verwandte Gruppen sein, über ihre Ableger im Irak und auf der arabischen Halbinsel logistisches Know-how und finanzielle Hilfe nach Syrien zu transferieren.
Ein weiteres Schreckensszenario könnte der ungeklärte Verbleib der syrischen C-Waffen werden. Al-Qaida-Aktivisten, religiöse Fundamentalisten und radikale Organisationen wie die Hisbollah werden ihre Möglichkeiten sorgfältig ausloten, dieser Systeme habhaft zu werden. Im Falle Libyens soll es Dschihadisten gelungen sein, größere Bestände von Gaddafis Boden-Luft-Raketen in den Gazastreifen zu transferieren und der radikalen Hamas zugänglich zu machen.