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Identitäten und Interessen der syrischen Oppositionellen | Syrien | bpb.de

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Identitäten und Interessen der syrischen Oppositionellen

Huda Zein

/ 14 Minuten zu lesen

Die syrische Gesellschaft ist nicht nur im Hinblick auf ihre ethnische und religiöse Zusammensetzung äußerst heterogen, es gibt auch große Unterschiede zwischen Stadt- und Landbevölkerung sowie politischen Einstellungen. Diese Heterogenität spiegelt sich auch in der Mannigfaltigkeit der syrischen Oppositionsbewegungen und Parteien wider, die im Laufe des revolutionären Widerstands in Syrien teils ideologische Richtungswechsel vornahmen. Mit dem fortschreitenden Konflikt zwischen dem Volkswiderstand und dem Regime gingen neue Kluften auf zwischen den verschiedenen politisch links, liberal, national, islamisch oder säkular orientierten Gesellschaftssegmenten. Grabenkämpfe zwischen Inlands- und Auslandsopposition führten zu Zersplitterungen, die nicht nur politisch ausgetragen wurden, sondern auch konfessionell und ethnisch konnotiert wurden; hinzu kamen Aufspaltungen zwischen Gruppierungen, die auf ausländische Akteure bauen, und denjenigen, die ausländische Interventionen ablehnen. Die vielfältigen konkurrierenden Interessen der oppositionellen Gruppen erschweren zwangsläufig die Verständigung auf eine einheitliche Widerstandsstrategie und tragen zu einer Vertiefung gesellschaftlicher Gräben bei.

Der despotische, autoritäre Charakter der Assad-Herrschaft, dem die syrische Bevölkerung mehr als 40 Jahre lang unterlag, wiederholt sich mitunter auch in den Reihen der Opposition, die teilweise Formen diktatorischer Herrschaft sowohl in ihrem Handeln gegenüber dem Regime als auch untereinander zeigt. So war beispielsweise für andere oppositionelle Gruppen eine Zusammenarbeit mit dem Syrischen Nationalrat nur möglich, wenn sie unter seinem Schirm beziehungsweise im Sinne der dominierenden Strömung innerhalb des Nationalrats handelten und nicht zu eigenständig auftraten.

Rund neun Monate lang reagierte das syrische Regime auf die gewaltlos demonstrierende Bevölkerung mit brutaler Gewalt und unter Einsatz der Armee und Sicherheitskräften: beginnend mit Razzien, Verfolgungen, Inhaftierungen bis hin zu Vertreibungen, Bombardierungen von Städten und Dörfern sowie Bestrafungen aufständischer Städte durch das Abschalten der Strom- und Wasserversorgung oder einen Lieferstopp von Öl, Gas, Mehl und anderen Grundnahrungsmitteln. In diesem derart asymmetrischen Machtverhältnis zwischen den Aufständischen und dem Regime sah die Mehrheit der Opposition die Bewaffnung und die Aufgabe des gewaltfreien Widerstands als logische Konsequenz.

Opposition bis zum "Arabischen Frühling"

Opposition in Syrien war sowohl in der Regierungszeit von Hafis al-Assad (1970 bis 2000) als auch unter der Regierung seines Sohnes Baschar al-Assad verboten. Es scheint schwierig, einen radikalen Aufstand in einem Land zu begreifen, in dem es seit Jahrzehnten keine offene Opposition gab. Die Parteien waren geschlossene Organisationen, die mit der breiten Bevölkerung wenig in Verbindung standen, während formal zivilgesellschaftliche Vereinigungen wie Gewerkschaften, Frauenorganisationen oder religiöse Einrichtungen niemals autonom waren, sondern vom Regime abhängig, und dessen Interessen erfüllten. Individuen blieb in der allmächtigen und totalitären Staatsmaschine die Partizipation in der Politik verwehrt.

Neben der Baath-Partei besteht offiziell noch die Nationale Fortschrittsfront, die sich aus der Baath-Partei, den kommunistischen sowie nationalen Parteien und mehreren Blockparteien zusammensetzt. Allerdings hat auch hier die Baath-Partei die Führungsrolle inne. So dient die Nationale Fortschrittsfront nur als demokratische Fassade, die sich tatsächlich in völliger Abhängigkeit vom Regime befindet und der Kontrolle seines Sicherheitsapparats unterliegt. Von einer Opposition kann man daher nicht sprechen.

Der "Damaszener Frühling" von September 2000 bis Herbst 2001 und die Deklaration von Damaskus 2005 können als Wegbereiter des "Arabischen Frühlings" und des revolutionären Widerstands in Syrien angesehen werden. Als Baschar al-Assad im Jahr 2000 Präsident wurde, wurden Forderungen nach politischen und sozialen Reformen intensiv in neu entstandenen politischen Salons und Foren, wie dem Riad Seif Forum und dem Jamal al-Atassi National Dialogue Forum, diskutiert. Die politischen Ziele dieser Foren waren eine Mehrparteiendemokratie und die Aufhebung des Ausnahmezustands; die Änderung des Versammlungsrechts sowie Gewährleistung der Presse- und Meinungsfreiheit; die Freilassung politischer Gefangener; die Garantie ökonomischer Rechte für alle Bürger und die Aufhebung des Sonderstatus der Baath-Partei. Diese Forderungen wurden auch im "Manifest der 99", das von 99 syrischen Intellektuellen unterschrieben wurde, ausgedrückt. Zu den Salonteilnehmern und Organisatoren, die später inhaftiert wurden, gehörten unter anderem der Journalist Michel Kilo, der Unternehmer Riad Seif, der ehemalige Parlamentarier Mamun al-Homsi und der Ökonom Aref Dalila.

Obwohl der "Damaszener Frühling" mit Verhaftungswellen und der Schließung der Debattierclubs endete, hinterließ er tiefe Spuren in den Reihen der Opposition. Unter dem Druck internationaler Staaten auf das syrische Regime 2005 nach der Ermordung des libanesischen Präsidenten Rafik al-Hariri und dem Rückzug Syriens aus dem Libanon einte sich die auch damals heterogene Opposition (säkulare Bewegungen, kurdische Aktivisten, moderate Islamisten, die verbotene Muslimbruderschaft im Londoner Exil und andere) und verabschiedete am 16. Oktober 2005 die Deklaration von Damaskus, die zu einem demokratischen Wandel in Syrien aufrief, der auch die Aufhebung der Notstandsgesetze, die Gleichheit der Rechte und Pflichten aller Bürger, einen säkularen Staat sowie eine Ausarbeitung der Verfassung einforderte. Prominenter Unterzeichner dieser Deklaration waren auch hier Riad Seif, daneben der jetzige Vorsitzende des Nationalen Koordinationskomitees für Demokratischen Wandel, Hassan Abdel Azim, und der islamische Rechtsgelehrte Sheikh Jawdat Said, welche daraufhin verfolgt wurden.

Politische Akteure der aktuellen Opposition

Die derzeitige Opposition besteht sowohl aus traditionellen, verbotenen Oppositionsparteien als auch aus neu entstandenen Gruppen, Bewegungen oder Parteien, die erst während des Aufstands ihre Identität entwickelten beziehungsweise entwickeln. Streitpunkte und Anlass für Abspaltungen sind nicht nur voneinander abweichende Ausgangspunkte und Agenden (beispielsweise religiöse versus säkulare), sondern auch Finanzierungsquellen sowie die Annahme oder Ablehnung internationaler oder regionaler Unterstützung. Darüber hinaus gibt es Unterschiede und Konflikte zwischen der Opposition, die im Ausland agiert, und derjenigen, die in Syrien ansässig ist.

Syrischer Nationalrat.

Der Syrische Nationalrat (SNC), gegründet am 23. August 2011 in Istanbul, ist ein Oppositionsbündnis, das aus Exilsyrern, Unabhängigen und weiteren unterschiedlichen oppositionellen Strömungen wie Muslimbrüdern, Liberalen und Linken besteht. Starken Einfluss hat jedoch die syrische Muslimbruderschaft, die von Golfstaaten wie Katar und Saudi-Arabien, aber auch von der Türkei unterstützt wird. Mehr als die Hälfte der Mitglieder des SNC soll aus Islamisten bestehen.

Der SNC unterstützt die Bewaffnung der Opposition und fordert eine militärische Intervention der internationalen Staatengemeinschaft. Im Dezember 2011 hatte der SNC zwar mit dem Nationalen Koordinationskomitee für Demokratischen Wandel, einer anderen Oppositionskoalition, ein Abkommen für die Übergangszeit unterzeichnet, in dem die "Gründung eines bürgerlich-demokratischen Staates" und die Ablehnung militärischer Interventionen vereinbart wurden, nahm diese Unterzeichnung jedoch einen Tag später auf Druck der Muslimbruderschaft und ausländischer Akteure zurück. Verhandlungen mit dem Assad-Regime hält der SNC für ausgeschlossen. Sein ehemaliger erster Vorsitzender, Burhan Ghalioun, erläuterte im April 2012: "Die Freie Syrische Armee ist im Moment die einzige Möglichkeit der Verteidigung für die syrischen Zivilisten", und auch der derzeitige Vorsitzende Georges Sabra erklärte: "Wir brauchen nur eines (…): Waffen, Waffen, Waffen."

Bis zur Gründung der Nationalen Koalition der syrischen Revolutions- und Oppositionskräfte im November 2012 wurde der SNC regional und international als wichtigste Oppositionsvereinigung anerkannt sowie politisch und finanziell unterstützt. In der Abschlusserklärung des Gründungstreffens der Freunde Syriens vom 24. Februar 2012, an dem mehr als hundert Staaten und Organisationen teilnahmen, wurde der SNC als "ein legitimer Repräsentant" des syrischen Volkes anerkannt. Aufgrund internationaler Kritik an der mangelnden Führungskraft des SNC innerhalb der Oppositionsparteien, die insbesondere die USA und Katar äußerten, musste sich der SNC neu ordnen: Georges Sabra, ein ehemaliges Mitglied der kommunistischen Partei Syriens, wurde im November 2012 zum neuen Vorsitzenden gewählt. In den Neuwahlen für das Exekutivkomitee und die 41 Mitglieder des Generalsekretariats gingen 31 Sitze an Vertreter der Muslimbruderschaft, die dadurch nach wie vor einen starken Einfluss ausübt. Kritiker bezweifeln jedoch, dass der SNC in der Lage ist, eine vereinte Front mit anderen Oppositionsgruppen zu bilden. Ihm wird eine mangelhafte Koordinierung mit der Freien Syrischen Armee vorgeworfen sowie eine zu große Beeinflussung durch ausländische Staaten. Bislang konnte der SNC den konkreten Bedürfnissen des Kampfes, wie vor allem eine Einigung innerhalb der politischen Strömungen, anhand seines politischen, in Etappen aufgebauten Programms nicht gerecht werden. Hinzu kommen eine von vielen Syrern beanstandete intransparente, autokratische Führung und – entgegen des Anspruches des SNC – fehlende Repräsentation der Mehrheit der syrischen Bevölkerung. Rafif Jouejati, Sprecherin eines syrischen Koordinationskomitees, monierte beispielsweise: "Es wurde darauf geachtet, dass prominente Oppositionelle dabei sind, aber nicht, ob die Mitglieder ihre Leute in Syrien vertreten. Viele sind 30 oder 40 Jahre nicht in Syrien gewesen – länger im Ausland, als die meisten Aktivisten in Syrien alt sind."

Nationales Koordinationskomitee für Demokratischen Wandel.

Ein zweiter wichtiger Dachverband der Opposition ist das Nationale Koordinationskomitee für Demokratischen Wandel (NCC). Das Komitee, gegründet im September 2011 in Damaskus, ist ein innersyrisches Oppositionsbündnis, welches sich ausschließlich aus in Syrien selbst aktiven Parteien und Organisationen zusammensetzt, unter anderem Nationalisten, Linksorientierten, Sozialisten, Kurden und unabhängigen politischen Aktivisten. Vorsitzender ist Hassan Abdel Azim mit Hauptsitz in Damaskus; Verantwortlicher für die auswärtigen Beziehungen ist Haitham Manna mit Sitz in Paris. Das NCC verfolgt einen säkularen Kurs und steht für eine Trennung zwischen Religion und Staat. Im Gegensatz zum Nationalrat, dem das NCC vorwirft, andere Oppositionsgruppen auszugrenzen, lehnt es vehement ausländische militärische Intervention sowie die bewaffnete Revolution ab. Manna erklärte im August 2012, dass die bewaffneten Gruppen beziehungsweise die vom Regime gewählte militärische Lösung zivilen Widerstand vernichtet hätten, und setzt stattdessen auf zivilen, gewaltlosen Widerstand und auf eine Verhandlungslösung. Angestrebt wird ein friedlicher Übergang von einem Staat der Despotie hin zu einer Demokratie. Im Gegensatz zum SNC hat das NCC kaum diplomatische, finanzielle und mediale Unterstützung.

Wegen seines moderaten Vorgehens wurde dem NCC vorgeworfen, zwischen Reformismus und Revolution zu schwanken. Der Diskurs des NCC passe sich den reformistischen Kräften und der Mittelklasse an und versäume durch seine gemäßigte Rhetorik die Bildung eines revolutionären Pols und das Schritthalten mit der Widerstandsbewegung. Im Laufe des Jahres 2012 rückte das NCC von einer Verhandlungslösung ab und unterzeichnete auf einer Konferenz in Kairo am 2. und 3. Juli 2012 gemeinsam mit dem SNC und anderen Oppositionsgruppen eine Abschlusserklärung, in der es hieß: "Wir sind übereingekommen, dass die Lösung des Problems mit dem Abgang des Assad-Regimes und seiner Regierung, dem Schutz der Zivilisten und der Unterstützung der Freien Syrischen Armee beginnt."

Dennoch erlangte das NCC vom Großteil der widerständischen Bevölkerung keine Unterstützung und wurde genauso wenig wie der SNC als Interessenvertretung der Widerstandskräfte in Syrien anerkannt. In dem politischen Vakuum entstanden eine Vielzahl neuer politischer Organisationen und Gruppen sowie Abspaltungen aus beiden Dachverbänden. Dadurch wurden internationale und islamisch-extremistische Interventionen gefördert.

Nationale Koalition der syrischen Revolutions- und Oppositionskräfte.

Unter der Leitung regionaler und internationaler Akteure (vor allem auf Druck der USA) wurde am 11. November 2012 in Doha die Nationale Koalition der syrischen Revolutions- und Oppositionskräfte gegründet. Sie wurde auf einem Treffen im Dezember 2012 als legitime Vertretung der Syrer international anerkannt, unter anderem von den Freunden Syriens, zu denen westliche und arabische Staaten gehören. Auf Initiative des Vizepräsidenten der Koalition, Riad Seif, sollen der Einfluss des bislang dominierenden SNC zurückgedrängt, weitere Oppositionsvertreter aufgenommen, der Sturz Assads vorangetrieben und eine Übergangsregierung gebildet werden.

Grundsätzlich stellt sich die Frage, wie repräsentativ die Koalition ist, die aus 60 Mitgliedern (darunter zwei Sitze für Frauen und 22 Sitze für den SNC) besteht, und die von ihm geplante Übergangsregierung sein wird. Eine beträchtliche Anzahl oppositioneller Gruppen ist der Koalition nicht beigetreten, wie beispielsweise das NCC. Luay Hussein, ein Oppositioneller der Bewegung Aufbau des Staates, die in Syrien agiert, kritisierte: "Wir lehnen die Bildung jeglicher Übergangsregierung im Ausland ab und betrachten das als direkten und realen Angriff auf die Rechte der Syrer, ihre Führung und ihr Schicksal selbst zu bestimmen." Zum Vorsitzenden wurde der gemäßigte Geistliche Ahmed Muas al-Chativ gewählt, Vize-Präsidentin wurde neben Riad Seif die Aktivistin Suhair al-Atassi. Generalsekretär ist der syrische Geschäftsmann Mustafa Sabbagh.

Lokale Koordinationskomitees.

In mehr als 300 lokalen Koordinationskomitees (LCC), die in fast allen syrischen Städten gegründet wurden und dort die organisatorische Basis des Widerstands bilden, organisieren sich vorwiegend junge Syrer unterschiedlicher sozialer, ethnischer und religiöser Zugehörigkeit – auch Frauen sind sehr aktiv vertreten. Generell ordneten sich die LCC vor dem bewaffneten Kampf keiner politischen oder ideologischen Strömung zu, jedoch waren nach dem Beginn des bewaffneten Kampfes einige Komitees auf ausländische Unterstützung angewiesen und mussten sich daher in ihren Interessen anpassen. Während des gewaltlosen Widerstandes arrangierten sie die Demonstrationen und sind derzeit für Nahrungs- und Arzneimittelspenden sowie für medizinische Einsätze verantwortlich. Sie organisierten beziehungsweise organisieren fortwährend Hilfe vor Ort, die Pressearbeit und dokumentieren die Opferzahlen. Fast alle unterhalten mittlerweile Websites, auf denen sie die wichtigsten Aktionen und Nachrichten des Widerstands einstellen und diskutieren, sodass man sie als eine wichtige, wenn nicht wichtigste "Quelle der Volkssouveränität" (Heiko Wimmen) betrachten kann.

Neben diesen vier großen Oppositionsblöcken entstanden weitere politische und zivilgesellschaftliche Oppositionsgruppen im Ausland, wie beispielsweise die Allgemeine Kommission der syrischen Revolution, ein Bündnis mehrerer Bewegungen, und die Demokratische Plattform, zu deren Begründern einer der linken Oppositionellen, Michel Kilo, gehört. Die Gruppen im Inland umfassen etwa die Koalition der Heimat, die Partei der revolutionären Linken, die Solidaritätspartei, die Nationale Entwicklungspartei, die Syrische Demokratische Partei oder die Partei der Nationalen Jugend. Auch Frauenorganisationen bildeten sich in großer Zahl im In- und Ausland, wie der Verein der syrischen Frau, der Verein für Gleichheit und die Syrischen Demokratischen Frauen. Viele dieser Organisationen wurden von in der syrischen Öffentlichkeit vorher kaum oder gar nicht bekannten Personen gegründet, jedoch streben alle einen Machtwechsel und ein demokratisches und freies Syrien an. Teilweise entstanden diese nach der neuen Verfassung des Regimes im Februar 2012, die ein neues Parteigesetz einführte und die regierende Baath-Partei nicht mehr als "Führer der Nation und Gesellschaft" betitelte.

Freie Syrische Armee und andere bewaffnete Gruppen

Die Freie Syrische Armee (FSA) bestand anfangs aus kleinen Einheiten desertierter Soldaten, der sich nach und nach viele Zivilisten sowie eine geringe Anzahl ausländischer Kämpfer anschlossen. Gegründet wurde sie im Sommer 2011 zunächst mit dem Ziel, friedliche Demonstrationen zu schützen. Im Laufe des Widerstands entwickelte sie sich jedoch zu einer Partisaneneinheit, deren Mitglieder die unterschiedlichsten ideologischen Hintergründe haben.

Neben der tendenziell gemäßigten FSA bestehen auch radikale islamistische Kampfgruppen wie die al-Nusra-Front, Kataeb Ahrar al Sham, Liwaa al Tawhiid, Dar al-Umma, Suqur al-Sham, Liwaa al-Nasr und andere, die relativ gut vernetzt und militärisch ausgestattet sind. Solange es keine Alternative gibt, zeigen sich viele Menschen in Syrien aus Not und Verzweiflung bereit, mit solchen islamisch-extremistisch orientierten Gruppen zu kämpfen, selbst wenn sie in vielen Punkten deren Auffassungen nicht teilen.

Dies vergrößert jedoch die Gefahr einer Aufspaltung der ohnehin äußerst fragmentierten syrischen Gesellschaft. Bei vielen Syrern nimmt die Angst vor diesen Gruppen und vor einer zunehmenden islamischen Identifizierung des bewaffneten Kampfes zu, doch das Vakuum des Kampfes gegenüber der extremen Gewaltanwendung des Regimes wird von keiner anderen Instanz gefüllt. Die radikal-islamischen Einheiten verfügen über reichlich militärische Fähigkeiten, Waffen und Erfahrung im Partisanenkampf und werden von der Golfregion finanziell unterstützt, was von den USA und anderen westlichen Staaten weitgehend ignoriert wird.

Trotz mehrfacher Versuche, den militärischen Körper der Opposition zu vereinheitlichen, bleibt dieser bislang zumeist heterogen und dezentral organisiert. Es besteht keine gemeinsame Strategie, und die eingeschränkte Koordination der Operationen reicht meistens nicht über die eigene Stadt und deren Umgebung hinaus. So kam es zu Rache- und Sabotageakten oder schweren Bombenanschlägen einzelner Kampfgruppen.

Die zunehmende Konfessionalisierung des Konflikts wird sowohl vom Regime als auch von ausländischen Sponsoren gefördert, und zunehmend verfestigt sich die Wahrnehmung eines von den Golfmonarchien und der Türkei unterstützten sunnitischen Aufstands gegen das alawitische Regime und seine schiitischen Bündnispartner (Iran, Hisbollah, die schiitisch dominierte irakische Regierung).

Mehrmals wurde sowohl von der FSA, also auch von islamisch orientierten Gruppen, der Versuch unternommen, sich zusammenzuschließen und die bewaffneten Truppen zu vereinen. Im März 2012 beschlossen der FSA-Chef Riad Asaad, der zu den ersten Deserteuren und Begründern der FSA gehört, und General Mustafa al-Sheikh, der Leiter des Militärischen Rats, einer anderen bewaffneten Einheit, den militärischen Kampf zu koordinieren und Chaos im Land nach einem Assad-Sturz zu verhindern.

Die Gründung eines Militärrats im Dezember 2012, welcher der parallel begründeten Nationalen Koalition unterstellt werden und einen Großteil der bewaffneten Einheiten unter seine Kontrolle bringen soll, war die Bedingung der USA, Saudi-Arabiens und Katars für neue Waffenlieferungen und Unterstützung. Dies zeigt sich jedoch als schwieriges Unterfangen, denn ebenfalls im Dezember 2012 verkündeten elf islamisch orientierte Bataillone die Gründung der Syrischen Islamischen Front für den Sturz des Assad-Regimes und den Aufbau einer islamischen Gesellschaft, die "den Islam als Religion, Lebensweise und Verhalten annimmt und deren Glaubensausrichtung sunnitisch orientiert ist".

Die Gefahr für und durch die kämpfenden Kräfte, deren Entwicklungen auch von den Interessen ihrer Gast- und Geldgeber abhängen, bleibt die, dass sie für sich und durch sich selbst ihre Legitimität schaffen, wenn das Regime fällt oder sogar bevor es fällt. Sie erlassen für sich selbst ihre eigene spezielle Ordnung und ihre eigenen Gesetze. Diese Form des bewaffneten Widerstands bringt das Land in einen bedrohlichen, permanenten Ausnahmezustand.

Fazit

Die Gewalthandlungen im syrischen Bürgerkrieg zerstören die Identifizierung der syrischen Gesellschaft mit einem einheitlichen Staat und trugen neben vielen weiteren Gründen, die im Rahmen dieses Beitrags nicht beleuchtet werden können, zum Scheitern einer politischen Lösung in den vergangenen zwei Jahren bei. Der Großteil oppositioneller Gruppen verfällt den Machtspielen und Selbstbehauptungen innerhalb der Machtverhältnisse, die sich auch durch die Einmischung konkurrierender ausländischer Akteure verschieben: Wer vertritt das Volk? Wer unterstützt welche bewaffneten Gruppen? Wer hat mehr Einfluss auf die Geschehnisse?

Einige oppositionelle Gruppen radikalisierten sich gegenüber der Gewalt des Regimes, andere haben sich stärker mit ausländischen Agenden verbunden, und wieder andere Gruppen konnten sich an die Geschehnisse nicht anpassen oder gegenüber internationalen Interessen behaupten. Trotz der Entwicklungen, die die Opposition im Laufe des Widerstandes durchlief, war sie aus den oben genannten Gründen unfähig, einen politischen Widerstand mit einer gemeinsamen Strategie für den Kampf gegen Assad zu organisieren. Damit konnte sie ihre Aufgabe als Opposition innerhalb eines revolutionären Widerstands nicht erfüllen. Ausgangspunkt ihres Handelns war nicht das politische Bedürfnis des revoltierenden Volkes. Deshalb fühlen sich viele Syrer in ihrem Kampf gegen das Assad-Regime im Stich gelassen.

Durch die enorme Aufsplitterung der Opposition und die Unfähigkeit der großen Organisationen wie NCC und SNC, eine identitätsstiftende politische Zukunftsvision zu entwickeln, erlebt Syrien eine Phase, in der die Revolution ihre Kinder frisst und der Krieg die Gesellschaft spaltet. Das Schaffen eines einheitlichen und säkularen Staates mit gleichen Rechten für alle Bürger als Voraussetzung für einen friedlichen Wiederaufbau des Landes und die dringlichen humanitären Hilfen für die Bevölkerung werden zur größten Herausforderung eines "freien" Syriens nach dem Fall des Assad-Regimes.

Dr. phil., geb. 1967; Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Centrum für Nah- und Mittelost-Studien der Universität Marburg, Deutschhausstraße 12, 35032 Marburg. E-Mail Link: zein@staff.uni-marburg.de