Jede und jeder von uns hat bestimmte Vorstellungen vom Älterwerden und Altsein. Machen wir ein Gedankenexperiment und fragen uns: "Was sind typische Merkmale alter Menschen? Welche Veränderungen bringt das Älterwerden mit sich?" Es gibt viele verschiedene Antworten auf diese Fragen, aber auch eine Reihe von Antworten, die von vielen Menschen geteilt werden: Häufig wird etwa das Älterwerden mit der Zunahme von körperlichen Einbußen, Vergesslichkeit und sozialen Verlusten verbunden. Verbreitet ist es aber auch, alten Menschen das Attribut der Weisheit zuzuschreiben. Hier sind Altersbilder am Werk, also individuelle und gesellschaftliche Vorstellungen vom Alter (Zustand des Altseins), vom Altern (Prozess des Älterwerdens) und von älteren Menschen (soziale Gruppe älterer Personen). In unserer pluralisierten und differenzierten Gesellschaft hat man es nicht nur mit einem einzigen Altersbild, sondern immer mit einer Vielzahl von Altersbildern zu tun. Altersbilder unterscheiden sich nach Lebensbereichen. Sie betonen unterschiedliche Aspekte beziehungsweise Eigenschaften des Altseins, des Älterwerdens oder älterer Menschen als Gruppe und sind mal eher positiv, mal eher negativ – je nach Kontext, in dem sie stehen.
Altersbilder als kollektive Deutungsmuster.
Hiermit sind vor allem Altersbilder im öffentlichen Diskurs angesprochen, beispielsweise die Deutung des Alters entweder als Rückzug und Verfall oder aber als aktives Alter. Zu den kollektiven Deutungsmustern gehören aber auch organisationale Altersbilder, wie sie zum Beispiel in Wirtschaftsunternehmen oder in der christlichen Kirche herrschen und sich in der betrieblichen Personalpolitik beziehungsweise in der kirchlichen Altenarbeit niederschlagen. Im Hinblick auf gesellschaftliche Altersbilder wird oftmals auch von Altersstereotypen gesprochen. Stereotype sind kollektiver Natur und umfassen konsensuell geteilte Bilder.
Altersbilder als individuelle Vorstellungen und Überzeugungen.
Sie entstehen vor dem jeweiligen kulturellen Hintergrund und beruhen zugleich auf persönlichen Erfahrungen. Individuelle Vorstellungen vom Älterwerden und Altsein können ebenso wie gesellschaftliche Altersbilder sowohl positiv als auch negativ sein.
Altersbilder haben für die Lebenssituation älter werdender Menschen und die Stellung der älteren Menschen in der Gesellschaft eine große Bedeutung. So können sich negative Einstellungen und Stereotype in diskriminierenden Einstellungen und Verhalten gegenüber älteren Personen manifestieren, zum Beispiel gegenüber älteren Erwerbstätigen, älteren Patienten in der medizinischen Versorgung oder in der pflegerischen Versorgung. Doch nicht nur die Altersdiskriminierung durch jüngere Menschen kann das Älterwerden erschweren. Auch ältere Menschen haben Altersstereotype und beziehen diese nicht nur auf andere, sondern auch auf sich selbst, was auch als Alters-Selbststereotypisierung bezeichnet wird. Diese sind also mitbestimmend dafür, welche Rollen und Handlungsmöglichkeiten älteren Menschen offen stehen und was ältere Menschen sich selbst wünschen und zutrauen.
Als im Jahr 1889 der Vorläufer der heutigen gesetzlichen Rentenversicherung eingeführt wurde, ging man davon aus, dass die Menschen solange einer Erwerbsarbeit nachgehen, bis sie aufgrund des Alters oder Invalidität arbeitsunfähig sind. Erst dann bekamen sie Leistungen aus der neuen Sozialversicherung, die deswegen auch Alters- und Invaliditätsversicherung hieß. Hohes Alter galt dabei gewissermaßen als eine Spezialform der Invalidität.
Die Lebenserwartung hat sich innerhalb von etwa einem Jahrhundert um rund 30 Jahre erhöht: 1900 lag die Lebenserwartung von neugeborenen Mädchen bei 52,5 Jahren, jene von Jungen bei 46,4 Jahren; bis 2010 ist die Lebenserwartung auf 82,7 Jahre (Frauen) beziehungsweise 77,7 Jahre (Männer) angestiegen. Bevölkerungsvorausberechnungen gehen davon aus, dass die Lebenserwartung in den kommenden Jahrzehnten weiter ansteigen wird.
Individuelle Altersbilder
Bevor Menschen Erfahrungen mit ihrem eigenen Älterwerden und Altsein machen, verinnerlichen sie bereits als Kinder die in einer Gesellschaft vorherrschenden Alter(n)sstereotype, beispielsweise durch Kinderbücher oder Werbung. Da diese Stereotype zunächst nicht die eigene Altersgruppe betreffen, werden sie unreflektiert angenommen und bilden später den Hintergrund, vor dem die eigenen Erfahrungen mit dem Älterwerden gemacht und interpretiert werden. Dies ist eine Besonderheit von Altersstereotypen, denn die meisten anderen Stereotype (etwa geschlechtsbezogene) beziehen sich auf Personengruppen, denen man in der Regel ein Leben lang (nicht) angehört. Altersstereotype hingegen beziehen sich auf eine Gruppe, der man zunächst nicht angehört, in die man aber unweigerlich hineinwächst, wenn man nur lange genug lebt.
Das Zusammenspiel von gesellschaftlichen und individuellen Altersbildern lässt sich anhand von folgendem Beispiel illustrieren: In den 1960er Jahren wurde mit der Disengagement-Theorie postuliert, Altern sei, vergleichbar mit biologischen Verlusten, in natürlicher Weise mit dem Rückzug aus sozialen Aktivitäten und Rollen verbunden und dies sei adaptiv für gutes Altern. Heutzutage werden hingegen vermehrt über die Potenziale des Alters gesprochen und die Bedeutung des aktiven Alterns hervorgehoben.
Anhand von Daten des bundesweit repräsentativen Deutschen Alterssurveys (DEAS) lässt sich der Wandel individueller Altersbilder auch empirisch nachzeichnen – derzeit für die Jahre 1996, 2002 und 2008.
Wie positive und negative individuelle Altersbilder in der Gesellschaft verteilt sind, hängt von sozio-ökonomischen Faktoren wie Alter, Bildungsstand, Einkommen oder Gesundheitszustand ab.
Anders hingegen sieht es bei den Altersbildern verschiedener Bildungsgruppen aus: Personen mit niedriger Bildung haben deutlich negativere Altersbilder als Personen mit mittlerem und hohem Bildungshintergrund.
Die Folgen persönlicher Altersbilder für die Gesundheit und Langlebigkeit älterer Menschen sind empirisch gut belegt. In einem frühen Stadium dieses Forschungsfeldes wurden vor allem experimentelle Studien durchgeführt. Bei diesen Studien wurden den Teilnehmenden über einen Computerbildschirm bewusst – oder über die sogenannte Priming-Technik sublim (das heißt unterhalb der bewussten Wahrnehmung) – Altersstereotype vermittelt. Vor sowie nach diesem priming wurden gesundheitsrelevante Parameter gemessen. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass altersbezogene Selbststereotypisierungen negative Folgen haben können, indem sie beispielsweise zu physiologisch messbaren Stressreaktionen und zu schlechteren Gedächtnisleistungen führen. Neben solchen experimentellen Studien zur Untersuchung kurzfristiger Effekte von Alter(n)sstereotypen wurden später auch Längsschnittstudien über die Auswirkungen von Altersbildern erhoben. Mehrere Studien untersuchten den langfristigen Effekt von Altersstereotypen und konnten beispielsweise zeigen, dass Personen mit negativeren Altersstereotypen Jahre später mit einer höheren Wahrscheinlichkeit Herzkreislauferkrankungen und schlechte Gedächtnisleistungen aufwiesen als Personen mit positiveren.
Altersbilder können also eine erhebliche Wirkung entfalten, sei es direkt (zum Beispiel über physiologische Stressreaktionen) oder indirekt (indem sie gesundheitsrelevante Verhaltensweisen beeinflussen). Letzteres wird deutlich anhand von Befunden zur körperlichen Aktivität. Haben ältere Menschen ein eher negatives Bild vom Älterwerden, sind sie deutlich seltener körperlich aktiv als Personen mit einem positiveren Altersbild. Interessant ist mit Blick auf ältere Menschen dabei vor allem der folgende Befund:
In vertiefenden Analysen konnte gezeigt werden, dass dieser Befund nur für jene Personen gilt, die ein eher negatives Altersbild haben. Demgegenüber gingen ältere Personen mit einem eher positiven Altersbild trotz gesundheitlicher Beschwerden regelmäßig spazieren.
Gesellschaftliche Altersbilder
Neben individuellen Altersbildern gibt es gesellschaftliche Altersbilder. Diese wirken zum Beispiel im Gesundheitswesen, in der Arbeitswelt oder in der Politik.
Solche negativen gesundheitsbezogenen kollektiven Altersbilder können auch in der institutionellen Ausgestaltung des Gesundheitswesens ihren Niederschlag finden: Die geringe Verbreitung und die ungleiche regionale Verteilung von Einrichtungen der geriatrischen Versorgung weisen darauf hin, dass in der Gesundheitspolitik einer optimalen gesundheitlichen Versorgung älterer Menschen keine allzu große Bedeutung beigemessen wird oder die Erfolgsaussichten einer speziell auf ältere Menschen ausgerichteten Versorgung unterschätzt werden. In gesundheitspolitischen Debatten wird immer wieder gefordert, kostenintensive medizinische Leistungen nur bis zu einem bestimmten Lebensalter zu gewähren, weil sie sich in einem höheren Lebensalter nicht mehr lohnen würden. Auch hinter solchen Forderungen stehen möglicherweise pauschalisierende Altersbilder, die den unterschiedlichen Lebenssituationen, Behandlungsbedarfen und Behandlungspotenzialen älterer Menschen nicht gerecht werden.
Im politischen Diskurs hält sich die Vorstellung, mit dem fortschreitenden demografischen Wandel würde die Demokratie zu einer "Gerontokratie". Damit ist gemeint, dass in einer älter werdenden Gesellschaft die Älteren einen immer größeren Anteil an der Wahlbevölkerung ausmachen und deshalb ihre altersgruppenspezifischen Interessen immer besser durchsetzen könnten. Wissenschaftliche Untersuchungen und die politische Praxis bestätigen diese Annahmen jedoch nicht.
Im deutschen Recht sowie in anderen Regelwerken finden sich zahlreiche Altersgrenzen. Im Recht gibt es Altersgrenzen vor allem im Berufsrecht und im Recht des öffentlichen Dienstes, im Sozialrecht (hier vor allem im Rentenversicherungsrecht, aber auch darüber hinaus), im Recht des Ehrenamtes und im Recht der kommunalpolitischen Wahlbeamten und Wahlbeamtinnen. Untergesetzlich gibt es Altersgrenzen etwa in Satzungen von Vereinen und Verbänden, in Geschäftsbedingungen (etwa von Autoverleihfirmen oder von Finanzinstituten), in Tarifverträgen und in Arbeitsverträgen. Altersgrenzen können für das Leben der von ihnen betroffenen Menschen große Auswirkungen haben, man denke nur an einen Arbeitsvertrag, in dem festgeschrieben ist, dass er mit dem Erreichen eines bestimmten Lebensalters ohne besondere Kündigung erlischt. Den meisten Altersgrenzen liegt die pauschalisierende Annahme zugrunde, dass die Leistungsfähigkeit von Menschen mit zunehmendem Alter abnimmt und sie ab einem bestimmten Alter zu bestimmten Tätigkeiten nicht mehr in der Lage sind. Dies mag im Einzelfall zutreffen, in anderen Einzelfällen jedoch möglicherweise nicht. Altersgrenzen basieren häufig auf gesellschaftlichen Altersbildern − und umgekehrt können Altersgrenzen gesellschaftliche Altersbilder prägen.
Altersbilder wiederum prägen unser Verhalten gegenüber älter werdenden und alten Menschen, sie haben Auswirkungen auf unser eigenes Selbstbild und auf unsere Entwicklung, und sie beeinflussen Entscheidungen in Wirtschaft und Politik. Da Altersbilder mögliche Entwicklungspfade im Lebensabschnitt "Alter" in der Regel aber nur holzschnittartig und nicht selten auch negativ darstellen, können sie Verhaltensweisen anregen, die das zu bestätigen scheinen, was sie vorhergesagt haben – und auf diese Weise als selbsterfüllende Prophezeiung wirken. Wer sich zu alt fühlt, um sich sportlich zu betätigen, der wird aufgrund des Mangels an Bewegung möglicherweise Einbußen der funktionalen Gesundheit erfahren. Und nicht nur auf individueller, sondern auch auf gesellschaftlicher Ebene können negative Altersbilder die Entfaltung der Potenziale älterer Menschen hemmen.
Seit einigen Jahren ist ein Wandel im gesellschaftlichen Diskurs über das Alter zu beobachten, der auch von der Sozialberichterstattung zum Thema Alter und demografischer Wandel angeregt wurde. Der Erste Zwischenbericht der Enquete-Kommission "Demografischer Wandel" des Deutschen Bundestages
Allerdings: So wichtig es ist, negative Deutungen des Alterns infrage zu stellen und positive Deutungen zu stärken, welche die Potenziale und die Produktivität des Alters betonen, so darf dies nicht dazu führen, dass solche positiven Deutungen nur auf das "junge" Alter bezogen und demgegenüber ältere Menschen mit Hilfe- und Pflegebedarf als weniger wertvoll angesehen werden. Die Vielfalt von Altern und Alter umfasst eben beides: die Bereitschaft und das Potenzial für eine aktive Partizipation älterer Menschen − und die Fürsorge für jene, die Unterstützung, Pflege und Betreuung benötigen. Das Älterwerden umfasst Veränderungen, die als Gewinn erlebt, wie auch Veränderungen, die als Verlust verstanden werden. Es sollten deswegen nicht einfach negativ konnotierte Altersbilder durch positiv konnotierte Altersbilder ersetzt werden. Vielmehr braucht die Verschiedenartigkeit des Alters auch differenzierte Altersbilder, welche die Vielfalt des Alterns so abbilden, dass der gesellschaftliche Diskurs über Altersbilder die Inklusion aller älteren Menschen befördert.