Die Einführung des geistigen Eigentums gehört zu den großen institutionellen und rechtlichen Innovationen des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts. Moderne Gesellschaften dynamisierten damals mithilfe von Copyrights, Urheber- und Erfindungsrechten den gesellschaftlichen Umgang mit Wissen und Ausdrucksformen.
Die nicht autorisierten Verwerter und Nutzer wurden in den Gebieten des britischen See-Imperiums und der USA als Piraten bezeichnet und auf dem europäischen Kontinent als Nachdrucker, Raubdrucker, Nachahmer, Fälscher oder Bücherdiebe.
Eigentumsförmige Institutionalisierung von Gesellschaft, Kultur und Wirtschaft
Das Konzept des geistigen Eigentums stammt ursprünglich aus der Formationsperiode der modernen Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft und des modernen Flächen- und Rechtsstaats. Es handelt sich um eine institutionelle und rechtliche Innovation, mit der die fortgeschrittenen Industrie- und Kulturstaaten Europas und Amerikas kreative und unternehmerische Leistungen dynamischer Gruppen des Besitz- und Bildungsbürgertums schützten, die – im Übergang von der traditionellen aristokratischen und berufsständischen zur modernen Markt- und Klassengesellschaft – ihre Ansprüche auf eine gesellschaftliche, rechtliche und kulturelle Sonderposition sicherten. Exklusive Verwertungs- und Nutzungsrechte für geistige Werke werden seitdem mithilfe von Begriffen wie Individualität, Autonomie, Investition, Originalität, Neuheit, Nützlichkeit und Vertragsfreiheit begründet. Gesellschaftliche und kulturelle Konventionen, Vertragsmuster und Geschäftspraktiken, die sich auf die Herstellung, Vervielfältigung, Verbreitung und kommerzielle Verwertung von Text-, Bild- und Notenwerken beziehen, werden durch allgemeine gesetzliche und rechtliche Bestimmungen standardisiert. Die Copynorms der aufstrebenden oder herrschenden Kreise werden so zu allgemein geltenden nationalen Copyrights.
Die Verbreitung und Ausdifferenzierung des geistigen Eigentumsrechts erfolgt im Kontext der großen institutionellen Revolutionen und Reformen zwischen 1770 und 1870. Die eigentumsförmige Institutionalisierung kultureller, wissenschaftlicher und wirtschaftlicher Prozesse und Beziehungen wird mit der Nationalisierung und Liberalisierung von Kultur, Wirtschaft und Politik verknüpft. Der Nationalstaat korrigiert unerwünschte Effekte, indem er den Umfang und die Reichweite individueller geistiger Eigentumsrechte auf seine kultur-, bildungs-, rechts-, wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Ziele abstimmt. Mithilfe der zeitlichen Befristung geistiger Eigentumsrechte definiert er eine dynamische Grenze zwischen geschützten und gemeinfreien Kultur- und Wissensbeständen. Einmal etabliert, breitet sich das Konzept des geistigen Eigentums seit dem späten 19. Jahrhundert in konfliktreichen Prozessen in immer mehr Gegenstandsbereichen, kulturellen Sparten, industriellen Sektoren, gesellschaftlichen Teilbereichen und Regionen aus. Das geistige Eigentumsrecht differenziert sich immer weiter aus. Die sachliche und soziale, zeitliche und räumliche Reichweite der Schutzrechte nimmt zu. Die Auseinandersetzungen über kultur- und wissensbezogene Exklusivrechte und den Ausgleich zwischen partikularen und allgemeinen Zugangs- und Nutzungsansprüchen werden vermehrt in der Sprache des geistigen Eigentums ausgetragen. Die Sozial-, Kultur- und Wirtschaftsgeschichte des geistigen Eigentums zeigt, wie derartige Exklusivrechte im jeweiligen historischen Kontext die Macht-, Markt-, Einkommens- und kulturellen Einflusschancen des Rechteinhabers bestimmen und warum sie immer auch durch den Nutzen für die Allgemeinheit begründet werden müssen. Der Konflikt über das Verhältnis zwischen exklusiven individuellen Herrschafts- und Nutzungsrechten einerseits und allgemeinen Teilhabe- und Zugangsrechten andererseits ist ein Strukturmerkmal der modernen Gesellschaft und Kultur.
Geistiges Eigentum begründet in der Moderne nicht nur die Macht-, Verfügungs- und Nutzungsansprüche des Rechteinhabers, sondern prägt in mannigfaltiger Weise die Beziehungen in Gesellschaft, Kultur, Öffentlichkeit und Wirtschaft. In modernen und dynamischen Gesellschaften wird es zu einem allgemeinen Leitprinzip, zugleich aber auch zu einer vieldeutigen und multifunktionalen Institution. Es regelt den sozialen Umgang mit symbolischen Formen und kulturellen Artefakten, die Verteilung sozialer Chancen und die Zuordnung kultureller und wirtschaftlicher Handlungsrechte. Aus kultur-, sozial- und wirtschaftswissenschaftlicher Sicht interessiert geistiges Eigentum deshalb nicht nur als Rechtsfigur oder rechtliche Norm, sondern auch als Kulturmuster, als ein Bündel von Einstellungen, Werten und Praxisformen, und als soziale und wirtschaftliche Institution. Indem es sich verbreitet, werden Beziehungen in der Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft verstärkt zu eigentumsbasierten oder eigentumsähnlichen Beziehungen.
Die damit einhergehenden sozialen, kulturellen und rechtlichen Prozesse werden im Folgenden unter dem Gesichtspunkt der "Propertisierung" untersucht. Im besonderen Fall von Kultur- und Wissensgütern verweist Propertisierung auf soziale und symbolische Strategien und Prozesse, die darauf hinauslaufen, den gesellschaftlichen Umgang mit Ausdrucksformen und Wissen unter Verweis auf das Prinzip des geistigen Eigentums zu regeln.
In der Moderne ist die Dynamik der Propertisierung und De-Propertisierung der sozialen und kulturellen Beziehungen ganz wesentlich durch das Ineinandergreifen von Nationalisierungs- und Globalisierungsprozessen bestimmt. Die Geschichte der eigentumsförmigen Institutionalisierung kultureller und wissenschaftlicher Beziehungen beginnt im modernen Territorialstaat, insbesondere im Zeitalter des Nationalstaats. Geistige Eigentumsrechte sollen im Territorium des Nationalstaats unter marktwirtschaftlichen Bedingungen für Erwartungssicherheit in den Kooperations- und Wettbewerbsbeziehungen sorgen. Piraten und Raubdrucker sind deshalb unter nationalen wie proprietären Gesichtspunkten unerwünscht. Im Falle des Vereinigten Königreichs sorgt das Copyright-Gesetz von 1710 für die Integration und Disziplinierung der sogenannten schottischen Raubdrucker. Die Angleichung der Nachdruckregeln im Deutschen Bund – in den 1830er und 1840er Jahren – und schließlich das geistige Eigentumsrecht des Deutschen Reichs dienen nicht zuletzt der Eindämmung des von den nord- und mitteldeutschen Verlegern immer wieder beklagten Nachdruckwesens in den süddeutschen Staaten.
Propertisierung und Nationalisierung sind teils alternative, teils komplementäre Institutionalisierungsprozesse. Der moderne Rechts- und Kulturstaat weist Autoren und Verlegern, Erfindern und Industriellen individuelle Exklusivrechte für geistige Werke und Erfindungen zu, die er für gesellschaftlich, kulturell und wirtschaftlich relevant hält, aber nicht in eigener Regie herstellt und vermittelt. Staatliche und gesellschaftliche Eliten stimmen mithilfe der Konzepte "geistiges Eigentum" und "Nation" ihre partikularen Interessen aufeinander ab, um die Leistungsfähigkeit der nationalen Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft zu stärken. Nach und nach wird der zunächst pragmatisch, moralisch oder philosophisch begründete Anspruch von Autoren und Erfindern auf ein Naturrecht an ihren Leistungen durch Verfassungsbestimmungen, Gesetze, und spezifische Rechtstheorien spezifiziert und untermauert.
Im Unterschied zu dem sich historisch gleichzeitig durchsetzenden Sacheigentum ist das geistige Eigentum von Anfang an zeitlich befristet. Lange umstritten bleiben auch der rechtliche Status und die rechtsdogmatische Begründung der neuen kulturellen und technisch-wissenschaftlichen Exklusivrechte. Je nach Ort, Zeit, Gegenstandsbereich und Rechtskultur werden diese als Eigentums-, Vervielfältigungs-, Wettbewerbs-, Investitionsschutz- oder Monopolrechte begriffen und normiert. In jedem Fall steht lange der vermögensrechtliche Schutz oder das pekuniäre Recht im Vordergrund. Erst im 20. Jahrhundert wird die vermögensrechtliche Dimension des geistigen Eigentumsrechts in Europa durch persönlichkeitsrechtlich begründete moralische Rechte des Autors und des angestellten Erfinders ergänzt.
Propertisierung und Globalisierung
Als sich im 19. Jahrhundert die internationalen Beziehungen in den Kultur-, Medien- und Wissensindustrien intensivierten, wird die Frage des Interessenausgleichs in den grenzüberschreitenden Beziehungen akut. Durch die Verknüpfung von Propertisierungs- und Internationalisierungsstrategien soll die Piraterie im globalen Maßstab ausgetrocknet werden. Piraterie meint in dem Fall, dass im Ursprungsland geschützte kulturelle Güter jenseits des eigenen Territoriums ohne Einverständnis der Rechteinhaber nachgedruckt, bearbeitet, übersetzt und kommerziell verwertet oder patentrechtlich geschützte Herstellungsverfahren im Ausland frei benutzt werden. Das heißt, geistige Eigentumsrechte verflüchtigten sich jenseits der Staatsgrenzen. Die von Nachahmung Betroffenen bezeichnen das als Piraterie, können aber wenig dagegen ausrichten, da die Regulierungsmacht des souveränen Staates an der Grenze endet. Propertisierungsstrategien nationaler Reichweite reichen nicht aus. Die von der aufstrebenden liberalen Eigentümergesellschaft beschworene Auffassung, dass es sich bei den materiellen wie den immateriellen Eigentumsrechten um universelle Exklusivrechte handelt, droht zu einer Illusion zu werden.
Als Ende des 19. Jahrhunderts der grenzüberschreitende Austausch von Kultur- und Wissensgütern zunimmt und im Gefolge der Freihandelspolitik Handels- und Zollschranken abgebaut werden, setzen die Staaten vermehrt auf die Institutionen des geistigen Eigentums und auf bilaterale Handelsverträge. Das geistige Eigentumsrecht wird zu einem Instrument der Außenhandels- und Außenkulturpolitik und schließlich des Völkerrechts. Einige west- und mitteleuropäische Industriestaaten und die USA bestimmen dabei die Standards. Schließlich verständigen sich führende Industrie- und Kulturexportstaaten wie Frankreich, Deutschland und Großbritannien im späten 19. Jahrhundert gemeinsam mit traditionellen "Piratenstaaten" wie Belgien und der Schweiz darauf, literarische und künstlerische Werke sowie technische Erfindungen mithilfe multilateraler Verträge zu schützen.
Das internationale geistige Eigentumsregime beruht fortan auf den Prinzipien der gegenseitigen Anerkennung nationaler Urheberrechtstitel, der Gleichstellung von Ausländern und Inländern im jeweiligen nationalen Patent- und Urheberrecht und der Angleichung des Rechts. Problemlos setzen sich die internationalen Standards allerdings nicht durch. Auf dem europäischen Kontinent wird die Angleichung der geistigen Eigentumsrechte aufgrund divergierender Interessen sowie unterschiedlicher rechtlicher Traditionen und institutioneller Präferenzen bis zum Ersten Weltkrieg immer wieder massiv gebremst. Industrieländer wie Deutschland, die Schweiz und die Niederlande zögern bis um 1900 mit der vollständigen Anerkennung der internationalen Patentkonventionen. "Vielvölkerreiche" wie Österreich-Ungarn und das russische Zarenreich bleiben der Berner Konvention zum Schutz des literarischen und künstlerischen Eigentums fern, da die Verleger monieren, dass die Kosten für die Übersetzung und die Honorierung ausländischer Autoren angesichts des beschränkten Marktes in den kleinen Sprachen in keinem Verhältnis zu den zu erwartenden Erträgen stünden. Auch die Staaten Nord- und Südamerikas treten der Berner Union nicht bei, sondern schließen unter dem Dach der Panamerikanischen Union eine Reihe multilateraler Abkommen ab und verweigern nicht-amerikanischen Staaten den Beitritt.
Zu einem neuerlichen Propertisierungsschub kommt es nach dem Ersten Weltkrieg, als der Beitritt der aus dem Habsburgerreich hervorgegangenen ostmitteleuropäischen Nationalstaaten zur Berner Union im Rahmen der Friedensverträge erfolgt. Mit dem Völkerbund kommt in den 1920er Jahren ein neuer Akteur ins Spiel, der Propertisierungs- und Globalisierungsstrategien in der Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft systematisch verknüpfte und energisch förderte. Nach einer Phase der Stagnation und massiver Rückschläge in der Weltwirtschaftskrise und vor allem im Zweiten Weltkrieg, greifen nach 1945 die UNESCO, die Berner Union, die Pariser Verbandsübereinkunft und maßgebliche westliche Industrieländer die Propertisierungsprojekte der Zwischenkriegszeit wieder auf und setzten diese bis zu den 1970er Jahren um. Seit den 1960er Jahren partizipieren auch immer mehr Länder der sozialistischen Welt und der sogenannten Dritten Welt an den internationalen Abkommen zum Schutz des geistigen Eigentums, insbesondere an dem 1952 gegründeten Welturheberabkommen mit seinen moderaten Schutzstandards. 1967 übernimmt die World Intellectual Property Organisation (WIPO) als neue Dachorganisation den Führungsanspruch beim Ausbau eines Regimes geistiger Eigentumsrechte mit globaler Reichweite.
Mittel der Herrschaft oder Emanzipation?
Auch im 20. Jahrhundert bleibt die Propertisierung in vielen Fällen eine globale Herrschaftsstrategie der führenden westlichen Nationen. Die führenden europäischen Industrie- und Kulturexportstaaten unterstützen damit die Verwertungsinteressen ihrer nationalen Kultur- und Wissensindustrie, sichern ihre wirtschaftliche Macht, ihren kulturellen Einfluss und ihre Vorherrschaft in weiten Teilen der Welt. Sie verbreiten so ihre Waren, Werte, Kreativitäts- und Innovationskonzepte sowie ihre wissenschaftlichen und technischen Standards.
Bis in die jüngste Zeit behandeln sie traditionelles Wissen und Ausdrucksformen nicht-westlicher oder indigener Kulturen als gemeinfreie Güter, da diese – real oder angeblich – nicht auf einer individuellen schöpferischen Leistung beruhen.
Die Weltsprache des geistigen Eigentums wird mitunter auch schon von den Repräsentanten ethnischer Gruppen und Dorfgemeinschaften verwendet, um ihr Sonderwissen zu schützen und zu verwerten. Damit globalisieren sich dann aber auch die Konflikte über exklusive und inklusive Verfügungs- und Nutzungsrechte in neuer Weise. Die Erwartungen an die geistigen Eigentumsrechte sind seit den 1980er Jahren noch einmal ganz erheblich gestiegen. Die Welthandelsorganisation (WTO) verstärkt seit 1994 mithilfe des TRIPS-Abkommens über handelsbezogene Aspekte des geistigen Eigentums den Druck auf staatliche und nicht-staatliche Akteure, welche die internationalen Standards unter Verweis auf damit verbundene Gerechtigkeitsdefizite beziehungsweise wirtschaftliche und kulturelle Benachteiligungen ablehnen oder einschränken möchten.