Im November 2012 feiert die Bundeszentrale für politische Bildung ihr 60-jähriges Bestehen. Während sich die Behörde heute – vor allem unter politisch Interessierten – einer großen Beliebtheit und eines hohen Bekanntheitsgrades erfreut, zählt ihre Gründungsgeschichte zu den eher unbekannten Kapiteln des 20. Jahrhunderts.
Die Geschichte staatlicher politischer Bildung in Deutschland reicht zurück in die Zeit des Ersten Weltkriegs. Zu dieser Zeit hatte sie zunächst die an der Front kämpfenden Truppen propagandistisch im Blick. Ab dem Jahr 1916 gewann jedoch auch die sogenannte Heimatfront an Bedeutung. Aus den ersten Anfängen einer Einflussnahme auf die politische Stimmung innerhalb der Bevölkerung kristallisierte sich schließlich im März 1918 eine organisatorische Struktur heraus: die "Zentrale für Heimatdienst". Nach Gründung der Weimarer Republik bestand diese unter dem Namen "Reichszentrale für Heimatdienst" fort. Sie beteiligte sich unter anderem an den Abstimmungskämpfen in den ehemaligen deutschen Gebieten, indem sie (indirekt) die politische Stimmung innerhalb der Bevölkerung zu beeinflussen suchte und die Abstimmungsgebiete zum Beispiel mit Propaganda und Flugschriften belieferte. Im Kuratorium der Reichszentrale saßen Repräsentanten der im Reichstag vertretenen Parteien; so kam es, dass seit 1928 als Vertreter der NSDAP auch Joseph Goebbels Teil dieses Gremiums war.
Mitte März 1933, nur wenige Tage nach Goebbels’ Ernennung zum "Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda", wurde die Reichszentrale für Heimatdienst mit der Begründung aufgelöst, dass sie überflüssig geworden sei. Ihr langjähriger, nun beurlaubter Vorsitzender Richard Strahl drückte darüber zwar sein Bedauern aus, deutlich überwog aber seine positive Resonanz auf die politische und organisatorische Umstrukturierung: Mit der Errichtung eines Reichspropagandaministeriums habe der Gedanke einer staatlichen Aufklärungsarbeit seine Kontinuität behalten und zugleich eine adäquate Organisationsform gefunden.
Wettlauf um den demokratischen Neustart
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs kam den Alliierten, die nun Besatzungsmächte waren, die Aufgabe zu, den Prozess der Entnazifizierung einzuleiten und die Weichen für die Demokratisierung der deutschen Gesellschaft zu stellen. Der Prozess der Demokratisierung firmierte in den vier Besatzungszonen unter den Begriffen (political) reeducation, reorientation, reconstruction (amerikanische und britische Besatzungszone), mission civilisatrice (französische Besatzungszone) und antifaschistisch-demokratische Umgestaltung (sowjetische Besatzungszone). Das deutsche Pendant – (politische) Umerziehung – war häufig negativ konnotiert. Verwendung fanden auch die Begriffe Erziehung, politische Selbsterziehung – wie im Falle von Theodor Litt
Der erste Anstoß zur Gründung einer neuen Zentrale für Heimatdienst ging vom Office of Public Affairs aus – ein auf Anregung der US-amerikanischen Militärregierung in Frankfurt am Main eingerichtetes Institut, welches Demokratiebestrebungen vorantreiben und die Selbstorganisation der deutschen Bevölkerung stärken sollte. Übersetzt wurde es als "Institut zur Förderung öffentlicher Angelegenheiten". Am 3. Oktober 1949 wandte sich der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, Peter van Aubel, an das Bundeskanzleramt und berichtete, dass der Direktor des Instituts, der Mannheimer Oberbürgermeister Hermann Heimerich, eine Wiederbelebung der Reichszentrale für Heimatdienst ins Gespräch gebracht habe.
Die Tatsache, dass die Errichtung einer Zentrale für Heimatdienst – noch bevor von deutscher Seite Konzeptionen vorlagen – aus dem Umfeld des Office of Public Affairs in Erwägung gezogen wurde, war von enormer Bedeutung für den Fortgang des Gründungsprozesses: Offensichtlich löste van Aubels Schreiben im Bundeskanzleramt hektische Betriebsamkeit aus, denn nur wenige Tage später bat Ministerialdirigent Hans Globke den späteren langjährigen Direktor der Bundeszentrale für Heimatdienst, Paul Franken, per Telegramm um "baldigen Besuch im Bundeskanzleramt".
Globke ergriff nicht nur hinsichtlich der entscheidenden Personalfrage bereits frühzeitig und energisch die Initiative, sondern empfahl dem Deutschen Städtetag zu Beginn des Jahres 1950, sich gegenüber den Vorschlägen des Instituts zur Förderung öffentlicher Angelegenheiten zu distanzieren: "Es ist damit zu rechnen, daß die Bundesregierung später wieder eine eigene Bundeszentrale für Heimatdienst ins Leben rufen wird. Ob sie dabei auf die vom Institut zur Förderung öffentlicher Angelegenheiten in Aussicht genommene Zentrale zurückgreifen wird, ist offen. Eine gewisse Zurückhaltung gegenüber dieser Einrichtung dürfte daher nicht schaden."
Förderung des demokratischen Gedankens oder Propaganda?
Die zentralen Akteure in der Gründungsphase waren Bundeskanzler Konrad Adenauer, sein Ministerialdirigent Hans Globke sowie der Staatssekretär im Bundesinnenministerium Hans Ritter von Lex. Terminologisch rekurrierten alle drei auf die (Reichs-)Zentrale für Heimatdienst, die, wie oben erwähnt, in den letzten Wochen des Ersten Weltkriegs als Pendant zur Zentrale für Frontdienst gegründet worden war. Im Vorfeld der offiziellen Gründung bestimmten kontroverse konzeptionelle Vorstellungen die Debatte, an der sich unter anderem das Bundesministerium des Innern (BMI), das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (BPA) und das Frankfurter Institut zur Förderung öffentlicher Angelegenheiten beteiligten.
Unter der Überschrift "Förderung des demokratischen Gedankens" legte Carl-Heinz Lüders, der persönliche Referent des Bundesinnenministers Gustav Heinemann, im Juni 1950 die Vorstellungen seines Ministeriums hinsichtlich der Errichtung der Bundeszentrale für Heimatdienst dar.
Das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung dagegen trat dafür ein, dass die zu errichtende Bundeszentrale für Heimatdienst Staatspropaganda betreiben solle, und versuchte – mittels einer Einflussnahme auf die personelle Besetzung –, seinen Einfluss auf Konzeption, Zielstellung, Arbeitsweise und Methoden geltend zu machen. In verschiedenen Stellungnahmen, Denkschriften und Memoranden plädierte der Amtschef für die Angliederung der Bundeszentrale an das Bundeskanzleramt beziehungsweise an das BPA selbst. Selbst nach den Debatten im Haushalts- und im Verwaltungsausschuss, wo die Weichen für eine Ressortierung im Bundesinnenministerium gestellt wurden, beharrten Vertreter des Bundespresseamts weiterhin darauf, dass eine Etatisierung der Bundeszentrale im Bundeskanzleramt sinnvoller gewesen wäre.
Am 4. Oktober 1950 empfahl die Auslandsabteilung des BPA in einem Schreiben an das Bundeskanzleramt zwei Kandidaten für die Leitung einer neu zu errichtenden Bundeszentrale, darunter Bernhard Woischnik. "Herr Woischnik", so der Wortlaut des Empfehlungsschreibens an Globke, "ist aus der alten Reichszentrale für Heimatdienst hervorgegangen und als zuverlässig und sehr genau arbeitender Publizist bekannt".
Die Leiter des Instituts zur Förderung öffentlicher Angelegenheiten, Hermann Heimerich und Theodor Steltzer, warnten ebenso wie Innenminister Gustav Heinemann ausdrücklich vor der Orientierung am Weimarer Modell und vor der Einrichtung einer staatlichen Propagandazentrale. In Auswertung einer Informationsreise nach Großbritannien plädierte Theodor Steltzer für die Schaffung einer nicht parteipolitisch orientierten Einrichtung. Lobend erwähnte er den überaus großen erzieherischen Einfluss, "der von einem nicht parteipolitisch orientierten Informationsdienst" ausgehe und betonte dessen "versachlichende Wirkung" auf die "öffentliche Meinung und politische Diskussion". Amtliche Pressearbeit und Information, so Steltzer, müsse der sachlichen Orientierung dienen und dürfe nicht als Propaganda betrieben werden. Propaganda, so sein Fazit, "wird in Deutschland nicht mehr geglaubt und fliegt bei den Redaktionen in den Papierkorb".
Weichenstellungen
Parallel zu den Debatten um Konzeptionen und Methoden staatlicher politischer Bildungsarbeit wurden Personaldebatten geführt, in deren Zentrum einerseits die Frage der Leitung stand, andererseits die nach Zusammensetzung des Kuratoriums und des Beirats. Im Herbst 1950 vollzog sich innerhalb des BMI ein entscheidender Richtungswechsel: Minister Heinemann trat am 11. Oktober 1950 zurück, zwei Tage darauf wurde Robert Lehr zu seinem Amtsnachfolger im Kabinett Adenauer ernannt. Noch am selben Tag kontaktierte der persönliche Referent des Ministers, Carl-Heinz Lüders, den langjährigen Leiter der Reichszentrale für Heimatdienst, Richard Strahl, und konsultierte ihn als politischen Berater in Fragen des Aufbaus einer Bundeszentrale für Heimatdienst.
Strahl – nun in der Position des Direktors des Rechnungshofes in Rheinland-Pfalz – brachte im Antwortschreiben seine Freude darüber zum Ausdruck, "dass sich maßgebliche Stellen der Bundesregierung mit dem Gedanken der Einrichtung der Bundeszentrale für Heimatdienst beschäftigen. (…) Da ich in der Reichszentrale für den Heimatdienst vom ersten bis zum letzten Tage ihres Bestehens (…) an leitender Stelle tätig gewesen bin, glaube ich, Ihnen in der Tat über Organisation und Arbeitsweise des Heimatdienstes umfassende Erfahrungen übermitteln zu können." Nach wie vor sei er ein "überzeugter Anhänger des Heimatdienstgedankens", und auch rückblickend erachte er "die angewandten Methoden im wesentlichen" für richtig.
Eine Vorentscheidung zugunsten einer Ressortierung der Bundeszentrale im Bereich des BMI fiel in der Kabinettssitzung vom 11. September 1951: Adenauer brachte zum Ausdruck, dass er sich darüber sorge, dass sich die Bevölkerung "in steigendem Masse der Demokratie und der Politik der Bundesregierung entfremde. Ich bemerkte, die Erziehung des Volkes zum demokratischen Gedanken sei Aufgabe der künftigen Bundeszentrale für Heimatdienst. Die Aufklärung der Bevölkerung über die Politik der Bundesregierung sei Sache des Presse- und Informationsamtes."
Ein Kandidat für die Leitung der Bundeszentrale für Heimatdienst war bereits seit Oktober 1949 der Historiker Paul Franken. Franken war seit 1930 stellvertretender beziehungsweise seit 1932 Hauptgeschäftsführer des Kartellverbandes katholischer deutscher Studentenvereine (KV) gewesen, bis dieser Ende März 1936 aufgelöst wurde. Beim KV hatte er Bekanntschaft mit Konrad Adenauer gemacht, mit dem er fortan engen Kontakt hielt. Im Frühjahr 1933 war Franken der NSDAP beigetreten, wurde jedoch im Mai 1938 wegen eines Verdachts des Vergehens gegen das "Heimtückegesetz" ausgeschlossen.
Franken, der zu jenem Zeitpunkt Geschichtswissenschaft an der Pädagogischen Hochschule in Vechta lehrte, knüpfte die Übernahme der Leitung der Bundeszentrale an die Bedingung, dass diese Dienststelle überparteilich aufgebaut sein müsse und auch so zu arbeiten habe.
Gründungserlass und Aufbau
Am 7. Oktober 1952 stimmte das Bundeskabinett schließlich einer Vorlage des Bundesinnenministers zu;
Die Gründungsreferenten der Bundeszentrale für Heimatdienst nahmen bereits elf Monate vor dem offiziellen Gründungserlass ihre Tätigkeit auf.
Auseinandersetzung mit dem Kommunismus
Eine der zentralen Fragen, mit denen sich die Fachaufsicht im BMI von Beginn an beschäftigte, war die der Abgrenzung der Aufgaben der Bundeszentrale für Heimatdienst gegenüber denen des Bundesministeriums für gesamtdeutsche Fragen (BMG). Aus zwei Gründen war die geistige Auseinandersetzung mit dem Kommunismus nicht explizit in den Gründungserlass der Bundeszentrale für Heimatdienst aufgenommen worden: Erstens war die KPD von 1949 bis 1953 im Deutschen Bundestag und in zahlreichen Landtagen vertreten, weshalb an diesem Punkt Zugeständnisse gegenüber der kommunistischen Strömung gemacht wurden; zweitens wurde das BMG explizit damit beauftragt, sich mit der DDR sowie der Theorie und Praxis des Bolschewismus auseinanderzusetzen und die entsprechende Öffentlichkeitsarbeit und Propaganda zu betreiben. Demnach sollte die Bundeszentrale für Heimatdienst in diesem Bereich nur dann tätig werden, wenn es um eine Kontrastierung von kommunistischen und demokratischen Strömungen ging. So empfahl auch Fachaufsichtsleiter Lüders der Bundeszentrale, dass sie sich auf ihre eigentlichen Aufgaben, "die Werbung für den demokratischen und europäischen Gedanken", beschränken solle. Dessen wirksame Förderung komme jedoch nicht umhin, sich mit seinen Gegensätzen, dem kommunistisch-diktatorischen System beziehungsweise der "nationalistische(n) Zersetzungspropaganda des Ostens", zu beschäftigen.
Im März 1955 vollzog sich ein Paradigmenwechsel: Staatsminister Ritter von Lex, der von 1951 bis 1956 an dem Karlsruher Verbotsprozess gegen die KPD als Leiter der Prozessdelegation der Bundesregierung teilgenommen hatte, berichtete auf der Sitzung des Kuratoriums der Bundeszentrale am 21. März 1955 über seine Eindrücke von diesem Prozess und beauftragte die Bundeszentrale für Heimatdienst offiziell damit, sich ab sofort des Themas "Infiltration kommunistischer Publikationen in der Bundesrepublik" anzunehmen.
Während die Auseinandersetzung mit dem NS-System und mit der Shoah in den ersten Jahren der Bundeszentrale für Heimatdienst eine bedeutsame Rolle spielte, wurde ab Mitte der 1950er Jahre der kritischen Auseinandersetzung mit dem Kommunismus (SBZ, DDR, Theorie und Praxis des Kommunismus/Bolschewismus) eine größere Bedeutung beigemessen.
Streitfälle und Einschränkung der Autonomie
Während die Bundeszentrale für Heimatdienst bis 1960 über Projekte im Umfang von bis zu 30.000 DM selbst entscheiden konnte – Projekte über 30.000 DM waren seit dem 25. März 1954 genehmigungspflichtig – und auch hinsichtlich der von ihr herausgegebenen Publikationen eine weitgehende Autonomie besaß, änderte sich dieses Arrangement acht Jahre nach ihrer Gründung.
Von Seiten des BMI erging am 12. August 1960 ein Erlass mit folgendem Inhalt: Die Bundeszentrale wurde dazu aufgefordert, künftig Entwürfe folgender Publikationen "ohne Rücksicht auf den späteren Kostenaufwand"
Nicht nur für die Mitarbeiter der Bundeszentrale, sondern auch für die Presse war offensichtlich, dass die Einführung einer generellen Genehmigungspflicht den Handlungsspielraum der Bundeszentrale merklich einschränkte. Doch was hatte das BMI zu diesem Schritt veranlasst? Wie im Folgenden dargestellt wird, war die Weisung des BMI eine Reaktion auf zwei Beiträge, die in der Schriftenreihe beziehungsweise in APuZ erschienen waren.
Im September 1956 veranstaltete die Bundeszentrale in der Grenzakademie Sankelmark eine Tagung zum Thema "Die Praxis der politischen Bildung in der Volksschule". Unter dem Titel "Der Beitrag des Geschichtsunterrichts zur politischen Bildung" hielt auch die Hochschullehrerin Renate Riemeck einen Vortrag, der in die 1957 erschienene Tagungsdokumentation aufgenommen wurde. Im Juli 1960 folgte der Protest des Bundesministers für Gesamtdeutsche Fragen, Jakob Kaiser: "Spätestens seit dem Frühjahr 1957 ist Frau Riemeck als erbitterte Gegnerin nicht nur der Bundesregierung und der sie tragenden politischen Kräfte, sondern der freiheitlich-demokratischen Ordnung der Bundesrepublik überhaupt hervorgetreten. Es sei nur erinnert an ihre führende Tätigkeit in der kommunistisch unterwanderten 'Aktionsgemeinschaft gegen die atomare Aufrüstung in der Bundesrepublik‘, im 'Deutschen Klub 54‘, im 'Fränkischen Kreis‘, im 'Schwelmer Kreis‘ und an ihre Mitarbeit an Publikationen wie 'Die Andere Zeitung‘, 'Deutsche Volkszeitung‘ (Bund der Deutschen) und 'Blätter für deutsche und internationale Politik‘ – Organisationen und Presseerzeugnisse, von denen sich alle tragenden politischen Kräfte der Bundesrepublik einschließlich der sozialdemokratischen Opposition eindeutig distanziert haben."
Neben den Ereignissen in Zusammenhang mit Riemeck stellte der Anstieg antisemitischer Anschläge und Straftaten in den Jahren 1959/1960 die Bundeszentrale vor neue Herausforderungen. Für Furore sorgte insbesondere ein Artikel, der vom Leiter des Referats "Psychologie" der Bundeszentrale für Heimatdienst, Walter Jacobsen, in APuZ veröffentlicht wurde: "Die Vergangenheit mahnt – Wille, Wege und Wagnis zur Bewältigung". Jacobsen verfasste seinen Text Ende 1959 "im Anschluss an die Kölner Vorgänge am Weihnachtsabend".
In seinen "Gedanken zu den neuen antisemitischen Exzessen und zu Gegenmaßnahmen" spielte Jacobsen implizit auf Adenauers Fernsehansprache an und wies darauf hin, dass es weder zur Beruhigung der innerdeutschen Öffentlichkeit noch des Auslands ausreiche, wenn die "zahlreich auftretenden Eruptionen des Taten- und Geltungsdranges als Rowdytum oder Flegelei 'erklärt‘" würden.
Jacobsen war damit einer der ersten Mitarbeiter aus dem Umfeld der Bundeszentrale für Heimatdienst, die das Problem der Beteiligung der Bevölkerung und der fortbestehenden Mentalitätsbestände thematisierte und versuchte, daraus Konsequenzen für die politische Bildung abzuleiten. Der Bundesinnenminister Gerhard Schröder und der Staatssekretär des Innern, Hans Ritter von Lex, protestierten heftig gegen Jacobsens Ursachenanalyse. Lex missbilligte "derart überspitzte und gleichzeitig verallgemeinerte Thesen in einer bundesoffiziellen Publikation". Es sei unerträglich, so führte er in einem Vermerk aus, "in einer bundesoffiziellen Publikation von 'Hitler in uns‘ und von 'Schizophrenie in unserem Volk‘ zu sprechen und dadurch die These von der kollektiven Mitschuld und damit von der Kollektivschuld des deutschen Volkes zu unterstützen".
Umbenennung 1963
Vor dem Hintergrund der hier skizzierten Auseinandersetzungen um Riemeck und Jacobsen wurde nicht nur der Handlungsspielraum der Bundeszentrale für Heimatdienst wie oben geschildert merklich eingeschränkt, sondern auch ihre Umstrukturierung vorangetrieben: Eine "Kommission zur Beratung der Bundesregierung in Fragen der politischen Bildung" wurde ins Leben gerufen, eine "Unterkommission ‚Bundeszentrale für Heimatdienst‘" befasste sich speziell mit der politischen Ausrichtung der Bundeszentrale für Heimatdienst. Auf ihrer Sitzung am 14. März 1962 erarbeitete diese Unterkommission Empfehlungen für die künftige Arbeit der Bundeszentrale und des Ostkollegs. Die Unterkommission empfahl unter anderem auch eine Namensänderung. Begründet wurde dies damit, dass die nur "historisch zu erklärende" Bezeichnung "Heimatdienst" dem "nicht Eingeweihten" unverständlich bleiben müsse und wenig Vertrauen erwecke. Der Begriff "Heimatdienst" werde ferner häufig als "Hinweis auf eine Vertriebenenpolitik" missverstanden. Die Empfehlung der Unterkommission lautete: "Die Worte 'politische‘ oder 'staatsbürgerliche Bildung‘ sollten im Namen enthalten sein."
Schließlich erfolgte am 1. Juni 1963 – elf Jahre nach ihrer Gründung – die Umbenennung in "Bundeszentrale für politische Bildung". Rückblickend wurde die veränderte Namensgebung auch damit begründet, dass die Wirksamkeit der "politischen Bildungsarbeit in der klaren und eindeutigen Identifikation des Staates mit dieser Aufgabe" liege. Während im Gründungsjahr der Bundeszentrale Überlegungen dafür sprachen, die "Tradition der Reichszentrale für Heimatdienst bis in die Namensgebung hinein zu verfolgen", hätten sich die Gegebenheiten inzwischen verändert.
Es wäre jedoch vorschnell, aus der 1963 erfolgten Umbenennung ableiten zu wollen, dass sich die Bundeszentrale aufgrund des Wandels der Terminologie auch konzeptionell grundlegend gewandelt habe. Solche Veränderungen fanden erst unter dem Einfluss der Studenten- und Protestbewegungen ab 1967 statt, die auch bei der Bundeszentrale einige Spuren hinterließen.